'Der Geiger' - Seiten 001 - 078

  • Wow, die ersten Kapitel von "Der Geiger" sind toll. Ich war sofort von der Geschichte gefesselt, obwohl ich damit ehrlich gesagt gar nicht gerechnet habe.
    Es werden drei Handlungsstränge erzählt.
    Ilja der verhaftet wird, weil die Stalinisten davon überzeugt sind, er hege Fluchtpläne. Er war vielleicht zu naiv, als er beantragte seine Familie mit auf eine Auslandsreise zu nehmen.
    Galina, Iljas Frau, die verzweifelt nach ihrem Mann sucht und nun glauben muss, er sei ohne ihr Wissen geflüchtet. Glaubt sie das wirklich?
    In der Gegenwart der Enkel, der mitansehen muss, wie seine Schwester, die er viele Jahre verloren hatte, ermordet wird. Scheinbar hat die Schwester zu viele Fragen gestellt, wie wohl auch der Vater, dessen tödlicher Autounfall vielleicht doch kein Unfall war?

  • Zitat

    Original von Kirsten
    Wow, die ersten Kapitel von "Der Geiger" sind toll.
    Ilja der verhaftet wird, weil die Stalinisten davon überzeugt sind, er hege Fluchtpläne. Er war vielleicht zu naiv, als er beantragte seine Familie mit auf eine Auslandsreise zu nehmen.


    Ich denke auch, das Ilja das dadurch auslöst. Galina überlegte bei dem Konzert ja, das sie Ilja warnen wollte, weil er zuviel von seinen Auftritten im Westen schwärmt. Es gehen ja angeblich mehrere Musiker ins Ausland. Da kann man sich ja vorstellen, wo einige wirklich sind.


    Mir gefällt der Schreibstil. Ich muss wieder aufpassen, das ich den Roman nicht in einem Rutsch lese. Gut das ich ihn bei der Leserunde lese, da muss ich mal pausieren.

  • Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Wobei mir die Abschnitte in der Vergangenheit ein bißchen besser gefallen als die in der Gegenwart - auch wenn ich nicht wirklich sagen kann, woran das liegt.
    Praktisch fände ich, wenn über jedem Kapitel Ort und/oder Jahreszahl stehen würde, so wie in den ersten beiden Kapiteln. Zwar ist nach wenigen Zeilen klar, wo man sich befindet, aber mir würde es gefallen.


    Ich habe neulich "Wer das Schweigen bricht" von der Autorin gelesen und war nun überrascht, dass sich "Der Geiger" so schnell zu einem "richtigen" Krimi mit 2 Toten entwickelt. Ich hatte eher mit der Aufarbeitung der Familiengeschichte gerechnet als mit Mord in der Gegenwart.


    Iljas Geschichte macht mich wütend. Wie brutal da ein Mensch behandelt wird, wie da Kleinigkeiten aufgebauscht werden bzw. bewusst falsch interpretiert werden und wie seine Geschichte hin und her gedreht wird, damit keiner weiter nachforscht...
    Auslöser war bestimmt der Reiseantrag für seine Familie.
    Ob wohl Galina und die Kinder wirklich verschont werden?
    Ein klitzekleines bißchen tröstlich finde ich, dass Galina auf den alten Fotos immer gelächelt hat - sie scheint also keine verbitterte Alte geworden zu sein.


    Sascha kommt aus Kasachstan - wie und wo wohl die Geschichte seiner Vorfahren weitergeht? In Moskau scheinbar nicht...


    Und was hat es wohl mit diesem Bohnendosen-Etikett auf sich?


    Zitat

    Original von Deichgräfin
    Mir gefällt der Schreibstil. Ich muss wieder aufpassen, das ich den Roman nicht in einem Rutsch lese. Gut das ich ihn bei der Leserunde lese, da muss ich mal pausieren.


    :write

  • Ich bin nun auch mit den ersten 7 Kapiteln durch und muss sagen, dass es mich von Beginn an gepackt hat.
    Die Geschichte nimmt sofort Fahrt auf, die drei von Kirsten genannten Handlungsstränge sind alle sehr spannend.


    Ilja hat sich wohl wirklich nichts dabei gedacht als er beschloss, auch seine Familie auf die Auslandsreise mitzunehmen und einen Antrag dafür zu stellen... Was ihm jetzt wohl auch zum Verhängnis wurde... Das Auffinden der Partituren mit den deutschsprachigen Anmerkungen bestärkt die Leute vom Innenministerim auch nur noch mehr in ihrer Annahme, dass Ilja mit seiner Familie flüchten wollte...
    Besonders Galina tut mir wirklich leid... Die weiß wohl nämlich wirklich nicht mehr, was sie nun glauben soll und was nicht...


    Ich bin ja nach den ersten paar Kapiteln vor allem gespannt, was Sascha noch rausfinden wird... Wirklich schlimm, dass seine Schwester, die er jahrelang nicht sehen konnte, direkt vor seinen Augen ermordet wird.


    Zitat

    Original von Deichgräfin
    Mir gefällt der Schreibstil. Ich muss wieder aufpassen, das ich den Roman nicht in einem Rutsch lese. Gut das ich ihn bei der Leserunde lese, da muss ich mal pausieren.


    Mir hat es der Schreibstil auch angetan... Ich dachte ja zuerst, dass ich etwas länger brauchen würde mit dem Buch, nun geht es mir jedoch genauso wie dir :grin

  • Ich habe heute Morgen die ersten Kapitel gelesen und ich war sofort richtig und zu 100% von dem Schreibstil begeistert.
    Das verspricht ein tolles Buch zu werden. :anbet


    Iljas Geschichte wird sehr authentisch erzählt, man spürt als Leser seine Verzweiflung, sein Entsetzen und sein Nichtverstehen.


    Ich freue mich schon sehr aufs Weiterlesen. :-]

  • Nach der Beschreibung des Romans, dachte ich ja er verliert seine Familie und seine Geige. Das ist ja schon schlimm genug, er verliert ja auch noch seine Freiheit und Würde. Ich konnte mir seine Ohnmacht und Angst in der Zelle gut vorstellen.


    Das Saschas Schwester gleich nachdem sie sich bei ihm gemeldet hat ermordet wird war traurig. Sie hatte aber wenigstens eine gute Kindheit.

  • Ilja vertraut den falschen Menschen und erleidet ein ganz normales Schicksal für einen russischen Intellektuellen im Jahr 1948. Ich glaube aber nicht, dass es um die Ausreiseanträge ging. Es ging sicher- sonst wäre der Parallelstrang in der Jetzt-Zeit nicht sinnvoll um Geld- viel Geld um eine echte Stradivari.

  • Ja, sehr realistisch- aber das kannte ich von Reportagen und Dokumentationen und von vielen Romanen. Also hier nicht schlecht gemacht, aber nichts neues. Genauso ging es damals zu, inklusive des Prozesses ohne Angeklagten und des Strafmaßes.

  • Ja, man weiß um die damaligen Verhältnisse, aber eigentlich hat man (jedenfalls ich) diese Situation schon etwas verdrängt bzw. vergessen und hier wird diese völlige Willkür und das unfassbare Ausgeliefertsein wieder sehr präsent. Mit relativ knappen Worten, aber sehr eindringlich vermittelt die Autorin diese Athmosphäre voller Angst und Misstrauen in dieser Zeit. In seiner vertrauensvollen Naivität hat Ilja die Gefahren einfach nicht zur Kenntnis genommen - bis es zu spät war. Selbst dann glaubte er lange, es handelte sich um ein Missverständnis, welches sich aufklären würde. Was für eine perfide Foltermethode dieser Stuhl mit den verkürzten Beinen! Erschreckend, mit welch einfachen Mitteln man eine solche Qual und Demütigung verursachen kann. Den Menschen ihre Würde zu nehmen war wohl immer das erste Ziel.


    Ein wirklich bitteres Thema aus einer üblen Zeit, heute ist es wohl besser, aber Bürgerrechte in Russland sind immer noch nicht selbstverständlich.


    Zitat

    Original von chiclana
    Und was hat es wohl mit diesem Bohnendosen-Etikett auf sich?


    Das habe ich mich auch gefragt. Wird bestimmt noch geklärt werden. Mich hat auch ein bisschen gewundert, dass in Kapitel 1 und 2 eine Überschrift mit Jahreszahl gibt und später nicht mehr, auch wenn es keinerlei Probleme bereitet, sich zurecht zu finden.


    Die Handlung in der heutigen Zeit finde ich spannend, nicht so berührend wie die Vergangenheit, aber hochinteressant.


    Auch mir gefällt der Schreibstil sehr. Dass ich das Buch gern lesen würde, war mich schon nach der Leseprobe klar, trotzdem hat mich überrascht, dass es mir sooo gut gefällt, gerade wegen des schwierigen und bedrückenden Themas.
    Positiv erwähnen möchte ich noch den fehlenden Prolog. Ich habe schon längere Zeit kein Buch mehr ohne Prolog gelesen und dachte fast, es ginge nicht mehr ohne ;-).

  • Der bekannte Geiger Ilja Grenko gerät 1948 in die Fänge des russischen Geheimdienstes, der ihm nicht nur seine geliebte Stradivari stiehlt. Seine Frau Galina wird Glauben gemacht, er hätte sie in Richtung Westen verlassen. Sechzig Jahre später verliert ihr Enkel Sascha Grenko seine verloren geglaubte Schwester für immer. Sie stirbt bei einem Mordanschlag und hinterlässt ihm ein Paket, das die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft.


    Mir hat der Romananfang imponiert. Der Schreibstil ist knapp und präzise. Inhalt geht über sprachlichen Schnickschnack. Man wird in das Zeitgeschehen nach dem 2. Weltkrieg gerissen, zunächst aus Ilja Grenkos Perspektive, seiner Gefangennahme und dem Foltergefängnis. Danach folg man seiner verzweifelten Frau Galina, die ihren Mann in Moskau sucht. Sascha Grenko hat seine Schwester seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen und verliert sie sofort wieder. Welche Schicksale! Es entsteht praktisch von der ersten Seite an ein Lesesog. Schon allein, weil an jedem Kapitelende eine interessante Wendung wartet. Der Spannungsaufbau ist einfach grandios gelungen. Das Buch gefällt mir bislang ausgesprochen gut.

  • Mir hat der Angfang sehr gut gefallen. Die Sprache ist der Thematik angepasst, blumig und verschnörkelt würde hier gar nicht passen. Dieser harte, knappe Stil gibt genau den Ton der Geschichte wieder, die Dramatik.
    Es passiert so viel Schlimmes, die Geschichte fesselnd den Leser und rührt schon am Anfang zu so mancher Träne und zu wild schlagendem Herzen. Was noch alles passieren wird?
    Ich bin begeistert!

  • Ich kann mich euren positiven Meinungen über das Buch 100%ig anschließen!
    "Zum Glück" musste ich gestern Abend zum Elternabend in die Schule, ansonsten wäre es mir sehr schwer gefallen das Buch zu schließen. :grin
    Ich glaube, das Besondere an diesem Buch ist, dass die Gefühle und Gedanken von Ilja, Galina und auch Sascha regelrecht auf den Leser übertragen werden. Iljas Gefühle von Verwirrung, Angst, Verzweiflung und schließlich der Schock über das willkürliche Urteil sind mir unter die Haut gegangen.
    Obwohl man weiß (durch Reportagen, Romane, Schule), dass in dieser Zeit in der SU ein solches Vorgehen gegenüber Andersdenkenden, Intellektuellen usw. gang und gäbe war, schockiert es doch immer wieder.
    Und auch heute kann man am russischen Rechtssystem zweifeln. Das aktuellste Beispiel sind die drei jungen Musikerinnen, die für ihren Protest gegen Putin für 2 Jahre in ein Arbeitslager müssen. Vielleicht ist es nicht ganz so brutal wie zu Stalins Zeiten, aber ob es demokratisch ist.....


    Bin schon ganz gierig auf die nächsten Kapitel. :trippel

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ja, sehr realistisch- aber das kannte ich von Reportagen und Dokumentationen und von vielen Romanen. Also hier nicht schlecht gemacht, aber nichts neues. Genauso ging es damals zu, inklusive des Prozesses ohne Angeklagten und des Strafmaßes.


    :wave Es mag nichts neues sein, was Ilja zustößt, doch dadurch, dass man nun eine Person vor Augen hat, hat diese staatliche Willkür ein Gesicht bekommen und man kann es sich anhand dieses Schicksales noch besser vorstellen, was es heißt, einem Staatsapparat ausgeliefert zu sein.
    Ich vermute auch, dass mehr dahinter steckt, als nur der Ausreiseantrag. Dass Ilja ohne Prozess in das Lager muss und dazu noch 20 Jahre, statt der angedeuteten 10 (beides scheint allerdings ein Todesurteil zu sein) ist heftig.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    :wave Es mag nichts neues sein, was Ilja zustößt, doch dadurch, dass man nun eine Person vor Augen hat, hat diese staatliche Willkür ein Gesicht bekommen und man kann es sich anhand dieses Schicksales noch besser vorstellen, was es heißt, einem Staatsapparat ausgeliefert zu sein.


    Ganz genau. Wenn der Schrecken personalisiert wird, empfindet man es anders, als wenn man nur in einer Dokumentation davon liest. Noch dazu, wenn es ein so sympathisch wirkender Mensch wie Ilja ist, der nichts weiter will, als Musik machen und den Menschen damit Freude bereiten.
    Besonders schlimm fand ich übrigens die demütigende Szene, als er mit heruntergelassener Hose seine Geige (zum letzten Mal wahrscheinlich) spielen musste.


    Ich glaube auch, dass der Hauptgrund für die Verhaftung nicht die gepante Auslandsreise ist. Da steckt mehr dahinter. Ich weiß nicht, was eine Stradivari 1948 für Preise erzielt hätte, aber 1998 ist eine für 1,5 Millionen Euro verkauft worden.


    Der Schreibstil gefällt mir auch ausgesprochen gut und ich bin gespannt, wie es nun weitergeht. Das waren ja schon eine Menge Informationen im 1. Abschnitt.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Besonders schlimm fand ich übrigens die demütigende Szene, als er mit heruntergelassener Hose seine Geige (zum letzten Mal wahrscheinlich) spielen musste.


    .


    Oh ja, das war eine schlimme Szene.


    Mich begeistert dieses Buch total. Es ist so gut geschrieben und so fesselnd.