Nur wer fällt, lernt fliegen - Anna Gavalda

  • Anna Gavalda: Nur wer fällt, lernt fliegen



    Klappentext:
    Sie und er, vielleicht sogar ein Liebespaar?
    Auf einer Wanderung in den Cevennen sind Billie und Franck gegen Abend in einer Felsspalte gestürzt. Während er bewusstlos in ihren Armen liegt, versucht sie mit aller Kraft wach zu bleiben und hofft, dass ihr Glücksstern sie auch diesemal nicht verläßt. Und erzählt ihre ziemlich verrückte Geschichte.


    Sie heißt Billie, weil ihre Mutter für Michael Jacksons "Billie Jean" schwärmte, er heißt Franck, denn seine Mutter vergötterte Franck Alamo. Sie wuchs in einer Wohnwagensiedlung auf, bei den Asozialen, er lag im ständigen Clinch mit seinem bürgerlich-reaktionären Vater. Nichts scheint diese beiden Außenseiter zu verbinden, bis eine Lehrerin ihnen die Hauptrollen im Schultheater gibt. Die Aufführung mit Billie, der Unterschichtengöre, und Franck, dem kleinen Schwulen, wird ein überraschender Erfolg. Trotzdem spricht alles gegen ein Happy End: Sie bleibt sitzen, er muss ins Internat, es folgen Abstürze und Schicksalsschläge. Aber Billie und Franck habven gelernt, den Mut nicht zu verlieren und sich jedes Mal wieder aufzurichten. In Paris werden sie einander wiederfinden - zusammen ist man weniger allein. Wenn man Billie (wie Billie Holiday) heißt, stellt man sein Leben mit zweiundzwanzig einfach auf Reset.



    Beurteilung:
    Ich mag die Bücher Anna Gavaldas sehr, aber ich muss gestehen, daß ich mich mit diesem Buch ein wenig schwer tue. Es hat mir gefallen, keine Frage, ich mochte sowohl Billie als auch Franck sehr. Und doch bleibt nach dem Lesen das Gefühl, das etwas fehlt. Die Geschichte ist irgendwie nicht greifbar, sie läßt den Leser ein wenig ratlos zurück, was vielleicht an der Kürze liegt. Natürlich liesse sich die Geschichte der beiden Außenseiter gar nicht anders erzählen als in Streiflichtern und die Idee, daß eine verzweifelte Billie sich an einen "Glücksstern" wendet, ist poetisch und sehr schön. Und doch: mich hat diese Geschichte, trotz überzeugender Charaktere, nicht zufriedengestellt. Meine Anspruchshaltung ist nach den vorigen Büchern der Autorin recht hoch und dieses Buch kann - obwohl empfehlenswert - nicht an einige ihrer früheren Geschichten heranreichen.


    Was das Äußere anbelangt, so sind sowohl das Motiv des Schutzumschlages gelungen als auch das hübsche Pink des Einbands, einzig ein Lesebändchen fehlte mir. Die Übersetzerin ist bekannt und gut gewählt, allerdings erinnert der Name des Protagonisten 'Franck' zu sehr an "Zusammen ist man weniger allein", wobei beide Romane gar nichts miteinander zu tun haben, da hilft auch die Anspielung im Klappentext nicht. Insgesamt ist ein sehr auf das französische Publikum zugeschnittener Roman, mir sagten z.B. weder der Chansonnier Frank Alamo etwas noch das Theaterstück Mussets, aber so etwas läßt sich nachschlagen, ebenso wie der einzige nicht übersetzte Satz auf Seite 79.


    Alles in allem ist es ein guter Roman, dem jedoch das gewisse Etwas, das andere Bücher der Autorin auszeichnet, fehlt.





    Originaltitel: Billie
    Übersetzerin aus dem Französischen: Ida Kronenberg
    Kategorie: Romanze / Sozialkritik
    Hardcover
    Hanser
    188 Seiten
    ISBN 3446245952 bzw. 9783446245952

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Das ist aber nicht das welches verfilmt wurde Nell???
    Neulich hat sich irgendjemand (Bekannte) darüber unterhalten und fand es toll.
    Und danke für die Buchvorstellung.

  • Eine Liebesgeschichte der anderen Art


    Bei einem Wanderurlaub fallen Billie und Franck in eine Felsspalte. Während Billie sich nur am Arm verletzt hat, hat Franck starke Schmerzen und kann sich nicht bewegen. Bald wird er bewusstlos. Billie lässt ihrer beider Leben Revue passieren.


    Das Leben meint es nicht gut mit Billie und Franck. Billie wurde als Säugling von ihrer Mutter verlassen, wuchs bei der verhassten Stiefmutter auf. Liebe und Fürsorge lernt das Mädchen nicht kennen. Zitat: “Irgendwann und ohne dass es seine Absicht gewesen wäre, meinte mein Vater es endlich einmal gut mit mir und starb." (S. 107)


    Franck ist schwul und leidet sehr unter seinem herrischen Vater. Beide haben nichts zu lachen, bis sie in der Schule zusammen für ein Theaterstück proben. Hierbei kommen sie sich nahe und werden Freunde. Freunde fürs Leben. Auch wenn das Schicksal sie immer wieder auseinander treibt, kommen sie früher oder später doch wieder zusammen und sorgen füreinander.


    Mir fiel es nicht leicht, in das Buch hinein zu finden. Billies ungehobelte Sprache mit vielen Vulgär- und Fäkalausdrücken hat mich abgestoßen. Natürlich wirkt diese Sprache authentisch, aber lesen mag ich so etwas einfach nicht.


    Die erzählten Episoden aus den Leben der zwei jungen Menschen sind anfangs recht kurz. Alles wirkt ein bisschen abgehackt und wenig geschmeidig. Für den Lesefluss ist das zwar nicht förderlich, aber es spiegelt das Erzählte wider. Insofern passt es gut.


    Ist das Buch anfangs mehr oder weniger trostlos, wirkt es später doch hoffnungsvoll. Anna Gavalda zeigt, dass man sich nicht aufgeben darf, dass man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann und dass mit wahrer Liebe alles leichter geht.


    "Nur wer fällt, lernt fliegen" ist vielleicht nicht Anna Gavaldas bestes Werk, aber durchaus lesenswert.

  • Nell, ich kann dir zwar nicht sagen, was dir gefehlt hat. Aber mir hat ein wenig die Sicht von Franck gefehlt. Gut, Billie erzählt, aber irgendwann gibt es eine Phase, die sie beide getrennt voneinander verbringen und da hätte ich gerne genauer gewusst, was Franck in def Zeit erlebt hat.
    Ansonsten sind sie aber ein echt gutes Gespann :-)
    Mir gefalllen Anna Gavaldas Bücher einfach, weil sie immer Mut machen. Egal wie dreckig es ihren Hauptfiguren geht, sie schaffen es immer wieder, und zwar aus eigener Kraft, sich aufzurappeln.

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Auf das neue Buch von Anna Gavalda habe ich mich sehr gefreut. Nach dem für mich sehr überraschenden „Zusammen ist man weniger allein“ war ich sehr gespannt auf den Roman. Dementsprechend groß waren die Erwartungen. Leider zu groß, den so richtig mitreißen konnte mich „Nur wer fällt, lernt fliegen“ nicht. Dazu hat das Buch zu wenig Bilder in meinem Kopf erzeugt. Die Ich-Erzählerin Billie erzählt ihre dramatische Lebensgeschichte, doch wirklich vorstellen konnte ich sie mir nicht. Die Umwelt und vor allem auch die weiteren Personen blieben blass, auch Freund Franck, der zu ihr eine ganz besondere Beziehung hat.


    Erzählt wird sehr nüchtern und ohne ausschweifende Details, was mir allerdings gut gefallen hat. Es wird viel angedeutet und als Leser kann ich mir die Einzelheiten selbst zusammenreimen. Der besondere Schreibstil macht es möglich, Billies schwierige Geschichte ohne Selbstmitleid und dafür mit viel Überlebenswillen zu erzählen. So ist es, obwohl es an sich eine traurige Erzählung ist, ein hoffnungsvolles und positives Buch. Allerdings mit nicht mal 200 Seiten und vielen, vielen Absätzen und Leerzeilen ein sehr kurzes. Gut, wenn einem das Buch nicht sonderlich berührt; schlecht, weil gerade etwas mehr Erzählung der Geschichte sicher gutgetan hätte.


    Fazit: Durch den ganz eigenen Schreibstil ein besonderes Buch, bei dem mir aber die Tiefe und die Bilder gefehlt haben. Deswegen nur Durchschnitt und 6 Punkte.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Eigentlich mag ich Anna Gavalda. Dieses Buch hat mich aber weder angesprochen, noch gefesselt und wäre es nicht so dünn, hätte ich es auch abgebrochen. Lari-Fari und unglaubwürdig ist die Geschichte leider auch. Schade wirklich ! Wo ist die Tiefe von Gavalda geblieben, wo das besondere ? Das Gespann hat mir allerdings auch gefallen und das Buch macht Mut, dass am Ende doch immer alles gut wird.

  • Mir fiel es nicht leicht, in das Buch hinein zu finden. Vor allem am Anfang schreibt die Autorin etwas abgehackt und wenig geschmeidig, was nicht unbedingt für den Lesefluss sorgt. Billies schnoddrige Sprache mit vielen Vulgär- und Fäkalausdrücken wirkt zwar authentisch und ist der Protagonistin angepasst. Ich kenne und liebe fast alle früheren Werke der Autorin, trotzdem war es für mich nicht einfach zu lesen.
    Für Lebendigkeit der Geschichte sorgen die direkte Ansprache des Sterns und des Lesers. Hat man sich mit Billies frechen und holprigen Ausdrücken arrangiert, taucht man in eine wunderschöne und anrührende Geschichte über die Freundschaft und Liebe ein. Anna Gavalda vermittelt uns die Botschaft, dass man alles schaffen kann, dass es immer einen Ausweg gibt, wenn zwei Menschen zusammenstehen, sich gegenseitig unterstützen, auffangen und lieben. Die Wirkung des Buches auf den Leser ist meiner Meinung nach anfangs mehr oder weniger trostlos, später dann doch hoffnungsvoll.


    "Nur wer fällt, lernt fliegen" ist vielleicht nicht Anna Gavaldas bestes Werk, aber durchaus lesenswert.