Lo Malinke: Alle unter eine Tanne. Ein Weihnachtsroman

  • Lo Malinke: Alle unter eine Tanne. Ein Weihnachtsroman
    FISCHER Krüger 2014. 320 Seiten
    ISBN-13: 978-3810503961. 14,99€


    Verlagstext
    »Und den Kindern sagen wir es erst, wenn wir tot sind.«
    Vor drei Jahren haben sich die Psychotherapeutin Elli (62) und der Arzt Robert (65) scheiden lassen, um mit neuen Partnern zusammenzuleben. Aber keiner von beiden hat es bisher über sich gebracht, den drei erwachsenen Kindern davon zu erzählen. Deshalb wird auch in diesem Jahr die alljährliche Weihnachtsfeier wieder mit der ganzen Familie im Elternhaus inszeniert – eine mittlerweile routiniert ablaufende Farce. Aber dieses Mal gerät der Plan ins Wanken. Roberts neue Partnerin, Chrissi, will das nicht mehr dulden und quartiert sich unangemeldet ein. Sie stellt ein Ultimatum: Bis zum Abendessen sollen die Verhältnisse geklärt sein.


    Die Girlanden auf den Fenstersimsen im ersten Stock bildeten gurkengrüne Augenbrauen für die Fenster darunter. Das Haus schien Elli mit kritischem, nein, mit mürrischem Blick anzustarren. Sie starrte trotzig zurück und seufzte vernehmlich. Aber alles würde gut gehen. Auch in diesem Jahr.“


    Der Autor
    Lo Malinke war als Mitglied des Chanson- und Kabarett-Trios MALEDIVA fast achtzehn Jahre lang in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tournee. Seit Mitte des Jahres ist nun endgültig Schluss damit. Jetzt lebt er mit Mann und zwei Hunden in Berlin, produziert Filme, schreibt Drehbücher und auch einen Roman.


    Inhalt
    Elli Berger-Vogts Weihnachtsritual beginnt damit, dass sie im Haus radikal alle Spuren ihres jugendlichen Lebensgefährten Micha tilgt. Sein iPhone verschwindet vom Nachttisch und wird später durch den Radiowecker ersetzt, so als würde Ellis Exmann Robert noch mit ihr leben. Anschließend wird Robert sein verlassenes Revier neu markieren. Elli und Robert haben ihren Kindern bisher verheimlicht, dass beide mit neuen Partnern leben; Robert hat sein neues Glück mit seiner Sprechstundenhilfe Chrissie gefunden. Seit ihrer Trennung spielten Ellie und Robert alle Jahre wieder den erwachsenen Kindern ihr persönliches Weihnachtsmärchen vor, als wären sie noch eine heile Familie. Das Arrangement mit seinen vielen Beteiligten ist so kompliziert, dass es einfach auffliegen muss. In diesem Jahr werden Micha und Chrissie, die beiden neuen Partner, Weihnachten nicht mehr allein verbringen, nur weil die Psychotherapeutin Elli den eigenen Kindern die Realität nicht zumuten will. Auch die Kinder der Bergers werden dieses Mal ihre gewohnten Rollen in Ellis Weihnachtsmärchen nicht spielen können. Die Firma der älteren Tochter Susanna muss Insolvenz anmelden, die jüngere Leonie ist schwanger und auch Sohn Tobias müsste mit seiner Familie längst einmal klaren Tisch machen.


    Lo Malinke zeigt in seiner filmreifen Weihnachtsgeschichte vertraute Strukturen einmal aus ungewohnter Perspektive, wie das Verhältnis zwischen erwachsenen Geschwistern oder zwischen Mutter und Tochter. Das Fallen der Masken mitten im Weihnachtsstress kommt für Malinkes Leser nicht unerwartet. Pfiff erhält die Geschichte durch Ellies doppelzüngige Rolle als erfolgreiche Ratgeber-Autorin und Talkshow-Ikone, die anderen Menschen gute Ratschläge gibt, aber selbst nicht lebt, was sie gegen üppige Honorare predigt.


    Ellie selbst hält sich für eine Blenderin, verwundert darüber, dass ihr noch niemand auf die Spur gekommen ist. Als käufliches Produkt der Mediengesellschaft verkörpert Elli zusätzlich das wandelnde Klischee einer beruflich erfolgreichen Frau ihrer Generation. Während die Handlung in flottem Tempo auf Ellies Demaskierung zusteuert, vermittelt Lo Malinke seinem Publikum Nachdenkliches über das Altern, über das Selbstbild von Menschen, die mit einem sehr viel jüngeren Partner leben, und über den Umgang mit Erinnerungen in Ellies inszenierter Welt. Mit seinem dezent schadenfrohen Blick hinter die Fassaden gediegener Bürgerlichkeit zeigt er ein wenig Bösartigkeit, aber auch Geschwisterliebe und talentierte Väter.


    Fazit
    Lo Malinkes turbulenter Weihnachtsroman kombiniert herrlich widersprüchliche stereotype Filmcharaktere mit einem klug bemessenen Quantum an Weihnachtsgefühlen und lässt das Drehbuch für den kommenden Weihnachtsfilm bereits ahnen.


    :weihnachtsstern 8 von 10 Weihnachtssternen :weihnachtsstern

  • Ich durfte das Buch als WB lesen, vielen Dank an Buchdoktor! :wave


    Leider konnte mich die Geschichte absolut gar nicht überzeugen. Für mich ist null Weihnachtsstimmung rübergekommen, obwohl das komplette Buch nur an Heiligabend spielt.
    Es gabe (zu) viele Rückblicke in die Vergangenheit der Familien, die ich dann teilweise nur noch quergelesen habe, weil das für mich einfach nicht relavant war.
    Das einzig weihnachtliche war noch das kitschige Ende und die Erwähnung eines Schneesturms...


    Von mir gibts leider nur 3 Punkte!

  • Ich habe erst die Hälfte gelesen, aber ich finde es bis jetzt sehr gelungen!
    Zugegeben, Weihnachtsstimmung kommt beim Lesen nicht auf, aber das habe ich auch nicht erwartet. Eher habe ich das Gegenteil befürchtet, daß bei dieser Familienproblematik die ganze Zeit ein latenter Weihnachtsunmut mitschwingt. Aber auch das ist zum Glück nicht der Fall.
    Warum Elli und Robert ihren doch schon erwachsenen Kindern nicht erzählen wollen, daß sie geschieden sind, kann ich zwar nicht so ganz nachvollziehen, aber die Komik, die aus diesem Verschweigen entsteht, macht Spaß! :grin


    Danke für den Link zum Film, Geli! Den werde ich ich mir auf jeden Fall ansehen, auch mit Gaby Dohm in der Hauptrolle :yikes Für mich eine glatte Fehlbesetzung, aber vielleicht überzeugt sie mich in diesem Film mal :rolleyes

  • Auch ich durfte das Buch als Wanderbuch lesen und fand es gar nicht so schlecht.
    Nicht ganz unrealistisch, dass gerade an den Tagen, an die man sehr hohe Ansprüche stellt, allen (oder manchmal auch nur einem) der Kragen platzt und Dinge gesagt werden, die schon lange einmal hätten ausgesprochen werden sollen (oder besser manchmal lieber nicht).


    In diesem Fall wird eine Familie mit vielen unterschiedlichen Figuren geschildert bzw. durch den Kakao gezogen.
    Der Schreibstil ist eigentlich gut, aber die Story war mir zu sehr Klamauk. Eigentlich könnte da gut und gern "Chick-Lit" drunter stehen.


    Obwohl viele Dinge erwähnt werden, die zu Weihnachten gehören, wie beispielsweise der Tannenbaum oder das Festessen, kommt nicht wirklich Weihnachtsstimmung auf - aber das sollte sicherlich so sein ;-)


    Ich hätte allerdings sehr gern gesehen, wie jemand, der überhaupt nicht Motorrad fahren kann, sich mit einer Schwangeren hinten drauf durch den tiefsten Schnee mit Eis darunter kämpft, ohne Erfahrung und geeignete Klamotten... :rolleyes -


    das war eine der vielen Szenen, die mir nicht so zugesagt haben, einfach viel zu überdreht.


    Insgesamt hat mir das Buch eher nur durchschnittlich gut gefallen und bekommt von mir 6,5 Punkte.


    Aber Danke noch einmal für´s Wandern lassen :wave

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • „Wie viel Familie bleib noch übrig, wenn man anfing, all das Scheitern und Versagen, all das Dumme, Falsche, Hässliche, das einen doch ausmachte, voneinander zu verbergen?“ (S. 265)


    Diese Frage, die sich ziemlich am Ende einer der Protagonisten stellt, fand ich sehr schön. Leider war es bis dahin ein mühsamer Weg voller Lügen, Streit und Auseinandersetzung. Auch nach dieser Erkenntnis wird sich nicht wirklich damit auseinandergesetzt, sondern mit einem Zuckergussschluss das „Dumme, Falsche und Hässliche“ übertüncht. Das Buch konnte mich deshalb nur wenig begeistern. Zu viele Familienstreitigkeiten um die immer gleichen Themen mit den immer gleichen (pauschalen) Anschuldigungen haben mich genervt. Wie Jasmin schon angesprochen, gab es (lange) Rückblicke auf die einzelnen Familienmitglieder, die wohl ihr Verhalten erklären sollten. Weniger Erklärungen und mehr Handlung hätten mir wesentlich besser gefallen. Die Charaktere fand ich hoffnungslos überspitzt und überzogen. Der Autor kommt vom Kabarett und dort kann ich mir diese Zuspitzung gut vorstellen, fände es wahrscheinlich sogar lustig, als Buch funktioniert es (bei mir) nicht.


    Abgesehen davon hat es einen sehr eingängigen Schreibstil und lässt sich flott durchlesen. Als leichte Lektüre über die Weihnachtstage ist es auf alle Fälle geeignet, größere Erwartungen wird es m. M. n. nicht erfüllen.


    Fazit: Nette und leichte Unterhaltung mit nervigen Protagonisten. So eine Familie hat keiner verdient. Da es auch mir zu viel Klamauk war gibt’s nur 5 Punkte.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Wer noch das ultimative ganz andere Weihnachtsbuch sucht, der sollte sich sputen. Diese Geschichte bringt jeden Weihnachtsbaum zum Brennen. Die Figuren sind authentisch und interessant. Die Sprache des Autors ist klar und schnörkellos. Einmal angefangen, legt man das Werk nur ungern zur Seite. Dadurch kann man das Buch ganz bestimmt noch vor dem Fest zu Ende lesen.


    Es geht um die Chronik eines angekündigten Familienkrachs. Am Schluss fliegen die Fetzen. Und doch ist das Ende versöhnlich, so wie es sich für Weihnachten gehört: Erst kommt der Stress und zum Schluss folgt dann doch die Freude.