'Die Stadt der schweigenden Berge' - Seiten 160 - 241

  • Von diesem Abschnitt habe ich zwar erst die ersten 40 Seiten gelesen, aber ich will dennoch gleich direkt meine Eindrücke los werden.


    Unser Fremder heißt also Arman, fast wie unsere Hauptprotagonistin.


    Bei dem Relief, was sie gesehen hat, handelt es sich um eine Nachbildung und mir war ehrlich gesagt direkt klar, dass er es erschaffen hat. Er ist einfach zu schlau für "nur" Putzmann.


    Er ist also kein Moslem, sondern ein christlicher Armenier.


    Hola so schnell hatte ich noch nicht erwartet, dass es zwischen den beiden heiß her geht. Sie ist ja schon sehr unvernünftig einfach mit ihm nach Hause zu gehen. Dort kommen sie sich dann direkt näher, hach das fand ich so herrlich.


    Nun ja und in diesem Leseabschnitt gibt es auch wieder einen Sagenabschnitt, in den ich mich dieses Mal besser einfühlen konnte. Puduhepa erinnert mich ja stark an Amarna, sie ist ihrer Zeit offenbar auch ein wenig voraus. Das mit dem Kampf zwischen dem Dämon und dem Großkönig fand ich grausam, ich glaube ich hätte ähnlich entsetzt reagiert wie Puduhepa.


    Hier sind mir zwei besonders tolle Sätze im Gedächtnis geblieben, die ich zauberhaft finde:


    S. 167: "... der schwarze Himmel, an dem Sterne wie Splitter von Juwelen aufgesteckt waren."


    S. 187: "... du hast mir gefehlt wie dem winterlichen Boden die Sonne fehlt."


    Solche Sätze mag ich als Leser total gerne.

  • Ich sag zu allem mal nix, ja?
    Lese nur mit und freu mich ...


    Ach nee, das nun doch:


    Dafuer, dass die Figuren Arman und Amarna heissen wie zwei Zirkusclowns, entschuldige ich mich.
    Das war NICHT so gedacht.
    Wenn ich gekonnt haette, haette ich's geaendert.
    Aber da war es zu spaet.
    Und nun heissen sie eben so.
    Ich hoffe, es macht euch nicht wahnsinnig ...


    Sie haetten sich viel oefter in die Arme nehmen sollen, aber Amarna und Arman aus Armenien und dann auch noch Arme ... da ging dann selbst mir die Puste aus.


    So sorry.


    Ich lieb sie trotzdem.
    Sie sind meine zwei.


    Alles Liebe.
    Charlie

  • Au weia ... ich glaub, das ist ein Spoiler, oder?
    Corinna???
    Bist du hier zufaellig irgendwo?
    Kannste mir sagen, ob das ein Spoiler ist, und wenn das einer ist, was ich dann machen muss???


    Ich will nicht aus meiner eigenen Lieblingsbuchleserunde fliegen, ich bin so selig, dass ich die hab!

  • Ach Charlie, ich habe jetzt über Deine beiden letzte Beiträge sooo lachen müssen - danke dafür!
    Ich habe das Buch NOCH nicht, lese aber unheimlich gerne in den Beiträgen dieser Leserunde mit. Das macht sehr viel Spaß und ist hochinteressant, so dass ich auch fleißig am googeln bin. Ich freue mich, wenn ich das Buch bald habe und auch lesen darf.


    Entschuldigt mein Dazwischengequatsche, bin auch schon wieder weg.

  • Aber nicht doch - very welcome!


    Carmen, Hatti und ich freuen uns sehr, wenn Du noch zu uns stoesst - und die anderen auch, oder etwa nicht?


    Erst recht mit dem schoenen Nickname!

  • Eins vorweg: Ich habe das Buch ja schon beendet und kann nicht mehr spekulieren, schreibe hier aber alles so auf, wie ich es beim Lesen notiert habe.


    Zur Puduhepa-Szene:
    Ich frage mich, wieso Puduhepa Urhi-Tesub so hasst. Weil er so vollkommen anders ist als andere Männer ihres Volkes? Vielleicht kann sie damit nicht umgehen und ist irritiert wegen seiner untypischen Offenheit und Zuneigung ihr gegenüber. Allerdings scheint sie ja doch auch etwas für ihn zu empfinden.
    Amarna hat übrigens wie Puduhepa lapislazulifarbene Augen - Zufall?



    In der Gegenwart finde ich es unglaublich, wie Merten ausrastet, sobald es um Arman geht. Was ist da vorgefallen, dass der sonst so zivilisierte Mann so dermaßen brutal werden kann?

  • Ich stelle mir vor, dass ein Herrscher, der diese extrem festgefuegte Gesellschaft schon dadurch durchbricht, dass er sich vom Temperament nicht eignet, sich ihr einzufuegen, extrem irritierend auf seine Umwelt wirkt (Akhenaten ist auch so ein Fall, denke ich). Solche Leute, die als Weichensteller fungieren und fuer die Einleitung von Umbruechen sorgen, tauchen ja immer wieder auf, wenn die Epoche sie sozuagen fordert, wenn es soweit ist, wenn da ein Wechsel faellig wird, aber genau in solchen Zeiten waechst eben auch Verunsicherung.
    Puduhepa - so habe ich es mir gedacht - spuert diesen Drang zur Veraenderung auch in sich selbst. Und das macht ihr zusaetzliche Angst.
    Ehe etwas Neues kommt, muss ja nun einmal etwas Vertrautes zusammenbrechen. Und davor schrecken wir zurueck wie die Bauern, die nicht fressen, was sie nicht kennen.
    Er ist fremd, er irritiert sie, er ist seltsam - er soll sie in Ruhe lassen.
    Er ist entwaffnend. Das heisst, er macht sie schutzlos vor ihm und vor sich selbst.


    Sich das gefallen zu lassen, ist nicht so einfach fuer sie.


    Was Merten angeht, so ist das eins der Themen, die mich in diesem Buch beschaeftigt haben. Fuer mich sind diese Jahre 1931/32/33 eine Epoche, in der ganz schockierend klar geworden ist, wie duenn die Decke der Zivilisation ist, auf der Scharen von Menschen sich inzwischen ganz sicher glaubten. Das ist einer der Gruende, weshalb so viele Menschen 1933 einfach abwarteten. Weil sie dachten: Wir sind doch zivilisiert. Der Bloedsinn wird sich schon wieder beruhigen, sowas kann ja gar nicht lange dauern.
    Weil sie das, was da explodiert ist, wozu ein angeblich zivilisiertes Volk faehig war, voellig unterschaetzt haben. Sowas moechte ich immer gern personifizieren.
    Ich hab diesen Merten als Figur furchtbar gern gemocht. Und fuer mich waren die zwei auch ein Paar von ebenbuertigen Gegnern, die sich zum Schluss gegenseitig respektiert haben. Ich hab das sehr gern geschrieben.

  • Mich erschuettern diese Berichte seit vier Jahrzehnten - ob aus dem Osmanischen Reich oder zwanzig Jahre spaeter aus Deutschland: diese tiefe Ueberzeugung, so schlimm koenne es schon nicht werden, man sei ja unter zivilisierten Menschen, die Welt schaue ja zu, es werde schon alles rechtzeitig abgefangen und in normale Gleise zurueckgeleitet werden.


    Das tut so weh.


    Und weisst Du was?
    Wenn ich heute mit meinen irakischen und syrischen Freunden, die ihre Familien und Freunde dort haben, spreche, tut's mir noch einmal so weh, nicht weil sich die Situation im Ganzen vergleichen laesst (das tut sie ganz und gar nicht), aber weil dieser Eindruck Warum-schaut-die-Welt-zu-und-tut-nichts so gleich ist.


    Ich bin jeden Tag froh, dass ich dieses Buch schreiben durfte. Eigentlich weiss ich nicht, wie ich gerade mit mir und der Welt zurechtkommen wuerde, wenn ich dieses Buch nicht haette schreiben duerfen.


    Alles Liebe.
    Charlie

  • Ich bin der Ansicht Puduhepa liebt ihren Schwager und gibt sich das nicht zu, weil es zu ungeheuerlich ist.


    Was immer in Hattusa passiert ist Merten hat ganz tief seine Finger drin.

  • Hoppla, das Arman und Amarna ging mir dann doch eindeutig zu schnell, aber schön zu lesen war es trotzdem. Besonders gut hat mir gefallen, wie Amarna immer wieder über ihre Vorurteile gestolpert ist, obwohl sie doch von sich dachte, sie sei aufgeklärt und gebildet genug, um keine zu haben.

  • Dass es Leser geben würde, denen das zu schnell ist, habe ich befürchtet.


    Könnt ihr nicht ein bisschen Mitleid mit dem armen Autor haben, der schon 170 Seiten lang auf dem Stuhl rutschend darauf gewartet hat?

  • Das Leben ist nicht immer planbar. Manchmal trifft es dich wie ein Blitz und man tut Dinge, die man sonst nie tun würde. Man hätte vorher alles verwettet, dass man niemals in einer solchen Situation so handeln würde und dann tritt sie ein und man benimmt sich völlig anders, als man von sich selbst erwartet. So ist das, was zwischen Amarna und Arman passiert. Es passt zu der Geschichte der beiden, zu ihrer jeweiligen Einsamkeit und ihrer Sehnsucht.
    Ich hätte ihnen nur gewünscht, diese Stunden hätten ein weniger grausames Ende gefunden.
    Mertens Verhalten ging mir durch und durch. Das Bild werde ich nicht so schnell los. Paul hat mich allerdings mal wieder überrascht.


    Puduhepa fühlt sich von ihrem Schwager so sehr körperlich angezogen, dass sie ihn verachten möchte. Diese Fassade bröckelt aber schon. Ich freue mich schon, am Ende dieses Teils wieder von ihr zu lesen. Diese Verknüpfung der beiden Geschichten, der beiden Frauen, zusammen mit den Gilgamesch-Zitaten am Anfang jeden Teils, machen das Buch so besonders. Das gefällt mir sehr.
    So und nun lese ich die letzten zwei Kapitel dieses Abschnitts.

  • Ich habe es mir für Amarna sehr schockierend vorgestellt, einen Mann, den sie ihr Leben lang als besonnen und zivilisiert gekannt hat, plötzlich derart gewalttätig und losgelöst zu erleben. Ausgerechnet in einem Augenblick, in dem sie sich offen und verletzlich fühlt.

  • Gestern Abend habe ich dann auch den Rest des Abschnittes gelesen und wie zu erwarten war, ist Paul beinahe umgekommen vor Sorge. Der Junge ist echt blind vor Sorge, denn als er und Merten Amarna bei Arman finden, da ist er nur froh sie wieder zu haben, erkennt aber scheinbar gar nicht was zwischen den beiden gelaufen ist. Ich fand seine Sorge jedenfalls rührend.


    Und es ist wie ich es schon geahnt hatte, denn Arman ist eigentlich Artsruni, aber das musste auch so kommen.


    Die Liebesnacht zwischen Arman und Amarna fand ich auf S. 214 sehr sinnlich beschrieben. Junge, junge das war doch sicher ihr erstes Mal und dann kann sie sich gleich so fallen lassen, Respekt.


    In diesem Part bin ich jedenfalls immer neugieriger geworden, warum Merten eigentlich so einen Hass auf Artsruni hat? Ich hoffe das klärt sich bald, bin doch so unheimlich neugierig…


    Und juhu Amarna trifft den mir ungemein sympathischen Nathan Rosen wieder, der ihr etwas über die Armenier erzählt. Ich weiß über das Volk ehrlich gesagt auch so gar nichts. Die Geschichte über König Ara war schön und schrecklich zugleich.


    Ähm was hat er ihr da eigentlich geschickt, der Arman? Geklaute Unterlagen aus dem Museum oder was?

  • Zitat

    Original von nicigirl85


    Ähm was hat er ihr da eigentlich geschickt, der Arman? Geklaute Unterlagen aus dem Museum oder was?


    Er leidet an einer Stoerung der Impulskontrolle ...


    Die Unterlagen sind die Grabungsprotokolle der Winckler-Expedition, die in Berlin entfernt wurden, in Istanbul aber vorhanden sind.


    Nathan Rosen mag ich auch gern.
    Aber ich sagte ja schon, vermutlich mehr als einmal zu oft: Ich mag die alle.
    Weshalb ich jetzt auch besser nichts mehr zu sinnlichen Liebesnaechten sag. Ich will ja - so nicht laengst geschehen - meinen Ruf nicht voellig ruinieren.

  • So, jetzt ist es passiert, mein alter PC, lässt sich nicht mehr hochfahren, was abzusehen war. Wollte nur ganz schnell, bevor ich die comments hier lese meine VErmutung reinschreiben.


    Puduhepa ist Amarna und Arman müsste dann Urhi-Teshub, denn die Narben auf seinem Körper könnten sehr gut Abbildungen der Rutenschläge des Dämonen sein.


    Was aber sagt Merten zu ihm Artsruni?? Das ist eine alteDynastie, nur woher kennt er ihn und warum macht er ihm Angst. Dass er so einen Hass entwickelt ist doch nicht normal, gut er hat Agst um seinen Freund Tilman wie er sagt.
    Was ist bloß in dieser Stadt vorgefallen.


    Aber später mehr, muss jetzt gucken ob ich den andern PC wieder zum laufen bringe und frühstücken. Ja auch wenn einem bei Manchem der Bissen im Hals stecken bleibt, wie Amarna der Wein, den sie bei Rosen trinkt.
    Allerdings sind seine Erzählungen ja fast jugendfrei. Wenn ich dann denke wie diese Tode
    smärsche oft in Massakern endeten, Frauen, Kinder den Kopf abgeschlagen, Arme, Beine, geschändet, Kinder aus dem Leib der Mutter geschnitten und weggeworfen, Flüsse rot von Blut, heut muss ich mich warm anziehn.

  • Ich habe das Nathan Rosen eigens sagen lassen: Wir ersparen uns das. Wir benutzen nur die duerren, farblosen Worte, die wir ertragen koennen.
    Dahinter steht, dass ich keine Worte hab. Dass meine splittern.
    Franz Werfels nicht. Oder doch, aber er laesst sie splittern. Gott sei Dank.


    Viel Glueck mit Deinem Computer.

  • heute hat meine Maus früher ein Nickerchen eingelegt, sodass ich eben den Abschnitt beenden konnte. Mal schauen, wieweit ich nun mit dem Schreiben komme, bevor der kleine Mann aufwacht.


    zunächst mal zu den zwei Handlungssträngen: gut gefällt mir, dass nun langsam parallelen auftreten: die Felsreliefe, die Arman im Museum erschafft, sind die aus dem letzten Raum aus dem Abschnitt Hattusa im Nebel der Zeit. Und Puduhepa und Amara sehen sich wirklich ähnlich, zu dem rötlichen haar kommt nun noch die Augenfarbe. Verwandtschaft? und Arman kann die Relief nur aus Hattusa kennen.


    Ich denke eher, dass Puduhepa Ursi-Tesub ablehnend begegnet, weil sie seine Andersartigkeit Angst macht, sie aber dennoch sehr anzieht. Er löst in ihr Gefühle aus, die sie nicht wahrhaben und nicht zulassen kann.


    aber zurück zur Haupterzählung: dass Arman der Bildhauer sein musste, war mir direkt klar. Und dass die zwei sich verlieben, auch. es hatte ja schon in Berlin diese Spannung zwischen den beiden gegeben. auch hat sich bestätigt, dass Paul Arman vor dem Angriff der Nazis bewahrt hat.


    Überrascht hat mich, das Paul in der Situation so ruhig bleibt und vielmehr Merten derjenige ist, der gewalttätig wird. Arman ist wie erwartet der Junge aus Hattusa, den Amarnas Vater so böse verprügelt hat. für Amarna wird es ein Riesenschock sein, wenn sie erfährt, dass die Narben an Armans Lieb durch ihren eigenen Vater verursacht wurden.


    Nathan Rosen taucht wieder auf und bringt uns, so sanft es geht, den Völkermord an den Armeniern näher. Doch die Andeutungen reichen aus, um ein brutales Kopfkino entstehen zu lassen. ich bin immer wieder zutiefst erschüttert, wozu Menschen fähig sind.


    Die Deutschen waren auch beteiligt, was mich nichts gutes für Tilmans und Mertens Rolle erahnen lässt. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass sie direkt beteiligt waren. doch was ruft diesen Hass auf Arman hervor? Obwohl ich mir nicht mal sicher bin, ob es Hass ist. Ich glaube, was damals vorgefallen ist, ist viel komplexer. in diesem Zusammenhang ist es mir bei einem Satz eiskalt den Rücken runtergelaufen: "Die Wirklichkeit ist immer schlimmer als das Ausgemalte, weil sie nämlich blutet, stinkt und stirbt." S. 208