'Die Stadt der schweigenden Berge' - Seiten 160 - 241

  • Ich freu mich, dass Du den gelesen hast, den Satz, und daran haengen geblieben bist, Bookworm.


    Ich hatte mich zwischenzeitlich gefragt, ob ich den Nathan Rosen nicht zu sanft habe vorgehen lassen und auch die anderen entsprechenden Stellen mit zu viel Zurueckhaltung gestreut habe. Aber ich denke, ich muss da einfach dazu stehen, dass ich das nicht anders konnte, dass ich gemacht habe, was mit meinen Mitteln moeglich war.


    Auch freut mich, dass Du Parallelen zwischen den Straengen entdeckst. Ich habe mir fest vorgenommen (hoffentlich halte ich das durch ...) diese unkommentiert zu lassen, weil ich gern wollte, dass die Puduhepa-Erzaehlung dem Leser vorliegt wie ein von Archaeologen aufgefundenes und von Altorientalisten uebersetztes Dokument: Der Text ist da, aber die Interpretation steht voellig aus. Viele Geschichten sind denkbar, und ueber jede freu ich mich.


    Alles Liebe von Charlie


  • Ich finde dein Vorgehen genau richtig, gerade dass Nathan nicht versucht, das unsägliche Grauen in unzulängliche Worte zu fassen, macht seine ganze Erzählung für mich noch eindringlicher.

  • Danke, Zwergin.
    Ich bekam in den letzten Tagen Angst, diese Stelle - und die anderen, die dazu gehoeren - koennte einfach ueberlesen werden, weil ich sie zu sehr zurueckgenommen habe.

  • Zitat

    Original von Zwergin


    Ich finde dein Vorgehen genau richtig, gerade dass Nathan nicht versucht, das unsägliche Grauen in unzulängliche Worte zu fassen, macht seine ganze Erzählung für mich noch eindringlicher.


    :write das habe ich genauso empfunden.

  • Ich habe gestern Abend dann noch die beiden letzten Kapitel dieses Abschnitts gelesen. Beide waren für mich ein sehr intensives Leseerlebnis.


    Auch ich empfand die Beschreibung der ersten Nacht der beiden als sehr sinnlich. Manchmal ist die Liebe einfach nur schön. Das hat mir sehr gefallen, das war weder zu viel oder zu direkt, noch zu sehr angedeutet oder zögerlich beschrieben.


    In Bezug auf das Gespräch mit Nathan Rosen, kann ich mich nur Zwergin anschließen. Gerade weil all das Grauen auf so sanfte Weise erzählt ist, hat es mich umso tiefer getroffen. Es ist gut so erzählt, wie es ist und gerade deshalb fand ich es so bedrückend und nachhaltig. Mich beschäftigt das sehr.
    Nathan Rosen beschönigt nichts, erspart Amarna Details, aber seine Andeutungen reichen hier völlig, um zu erahnen, wie grausam das alles gewesen sein muss.
    Ich empfinde diese Erzählweise als sehr authentisch. Wie sonst, soll man als rücksichtsvoller, hilfsbereiter Menscher, einer jungen Frau, die so verzweifelt ist, das angemessener erklären, damit sie versteht, worum es geht.


    Wie bei der ersten Begegnung im Orient-Express, ist dieses Gespräch voller eindringerlicher Sätze. Seine Erzählungen sind für mich mit das Wichtigste im ganzen Buch. Das ist eine Figur, die mir sicher in Erinnerung bleiben wird.


    Zitat

    "Ein Gewissen, das den Mund hält, ist so rasch erkauft."


  • Dazu ist mir aufgefallen, oder ich reims mir so zusammen, eigentlich ist das schon fast eine heimliche Zuneigung und als der Kampf mit dem Dämon statt findet, der mich überaus fasziniert hat, oder auch abgestoßen je nachdem, aber so waren eben die Bräuche, als sie plötzlich Wasser bringt und sich damit den Zorn ihres Ehemanns heraufbeschwört, da ist es schon fast klar für mich, aus den beiden wird mal ein Paar. Womöglich empfängt sie sogar einen Sohn von ihm, den Vorfahren von Arman???? Wie gesagt, nur mal so eine Spinnerei von mir.

  • Zitat

    Original von Bookworm



    Die Deutschen waren auch beteiligt, was mich nichts gutes für Tilmans und Mertens Rolle erahnen lässt. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass sie direkt beteiligt waren. doch was ruft diesen Hass auf Arman hervor? Obwohl ich mir nicht mal sicher bin, ob es Hass ist. Ich glaube, was damals vorgefallen ist, ist viel komplexer. in diesem Zusammenhang ist es mir bei einem Satz eiskalt den Rücken runtergelaufen: "Die Wirklichkeit ist immer schlimmer als das Ausgemalte, weil sie nämlich blutet, stinkt und stirbt." S. 208


    Irgendetwas Schlimmes haben sie auf jeden Fall zu verbergen. Und wieso sagt Merten, dass Arman Tilmans Tod will??



    Zitat


    Ich habe das Nathan Rosen eigens sagen lassen: Wir ersparen uns das. Wir benutzen nur die duerren, farblosen Worte, die wir ertragen koennen.
    Dahinter steht, dass ich keine Worte hab. Dass meine splittern.
    Franz Werfels nicht. Oder doch, aber er laesst sie splittern. Gott sei Dank.


    Nciht mal die dürren Worte kann man ertragen, weil man weiß was sie verbergen.

  • Zitat

    Original von Saiya
    Auch ich empfand die Beschreibung der ersten Nacht der beiden als sehr sinnlich. Manchmal ist die Liebe einfach nur schön.


    So ging's mir.
    Ich wollte immer ueber die Liebe schreiben, Eros und Thanatos, aber ich hab's nie geschafft. Ich konnte meine Liebespaare und meine Liebesszenen nie ertragen. Das geht mir uebrigens bei vielen Autoren so - obwohl ich auch gern ueber die Liebe lesen will.
    Und dann kamen diese zwei, und ich hatte ein Buch geschrieben, dessen Zaertlichkeit ich spueren konnte und dessen Sinnlichkeit mich verrueckt gemacht hat.
    Ich hatte es so viel Freude mit diesen zweien, ich fuehl' mich wie deren alte Tante, die immerzu zu Besuch kommt und nervt, weil sie ohne Anklopfen ins Schlafzimmer platzt.


    Ich bin sehr froh, dass ihr Nathan Rosen als Vermittler annehmt. Ich habe sehr lange darueber nachgedacht und viele Gespraeche gefuehrt.


    Herzlich,
    Charlie




  • Das ist eine der Szenen, die sehr schön sind.


    Gut,dass du Nathan Rosen als Vermittler genommen hast.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Hoppla, das Arman und Amarna ging mir dann doch eindeutig zu schnell, aber schön zu lesen war es trotzdem.


    Da stimme ich mit Zwergin überein. Mir ging das auch zu schnell. Vielleicht hätte sie ja wenigsten vorher ihre Verlobung lösen können. Paul hat mir da wirklich leid getan. Allerdings konnte ich Amarna nicht lange böse sein. Sie und Arman gehören einfach zusammen.


    Zitat

    Original von Findus
    Puduhepa ist Amarna und Arman müsste dann Urhi-Teshub, denn die Narben auf seinem Körper könnten sehr gut Abbildungen der Rutenschläge des Dämonen sein.


    So langsam glaub ich auch an Seelenwanderung, Findus.
    Der Gedanke gefällt mir sogar ausgesprochen gut.

  • Den Gedanken finde ich wichtig und schoen, Lesebiene. Ich glaube, das vergessen wir alle allzu oft, wenn wir uns mit den Beziehungsstrukturen in diesen Kulturen beschaeftigen.

  • Istanbul scheint eine wunderschöne Stadt zu sein, auch schon in den 30er Jahren. Ich sollte mal eine Reise dorthin planen.


    Amarna und Arman scheinen ihre Liebe auf den ersten Blick zu genießen, auch wenn ich Amarna nicht so freimütig eingeschätzt hätte. Sie liebt sich mit Arman in der ersten Nacht, während Paul sich nach ihr verzehrt. Doch warum muss der arme Arman dann noch Prügel von Merten beziehen? Ist der Hass von Merten größer als der angebliche Hass von Arman auf Tilmann?


    Die Geschichte um den Genozid an den Armeniern fand ich sehr bewegend und ich will darüber mehr wissen. Hoffentlich kommt da noch was! Denn dieser Genozid wird viel zu wenig in der Geschichtsschreibung beachtet. Danke Charlie, dass du ihn thematisiert. Und das mit so viel Respekt und Gefühl!


  • Ich finde Deine Liebesszenen egal in welchen Büchern immer wunderbar. Man wünscht sich wirklich, egal welchen Schmerz sie erdulden, eine Deiner Figuren zu sein und diese Liebe zu erfahren.


    Aber das Bild der alten Tante gefällt mir, die kämen aber ganz schön aus dem Rhythmus, wenn die reinplatzen würde.

  • Zitat

    Original von Findus


    Aber das Bild der alten Tante gefällt mir, die kämen aber ganz schön aus dem Rhythmus, wenn die reinplatzen würde.


    Da koennt' ich Dir Dinger erzaehlen, Findus ...


    ARARAT OUTTAKES ... diese Runde soll jugendfrei bleiben ...


    logan-lady, Reisen nach Istanbul kann ich nur allerwaermstens empfehlen! Und auch wenn ich dieses Jahr selbst nochmal hinfahre, werde ich vor Neid sterben bei jedem von euch, der faehrt.
    FALLS Du faehrst, schreib ich Dir sehr gerne eine Mail und empfehle Dir das Hotel, in das wir immer fahren. Es ist originell und zauberhaft - und es ist das, in dem Amarna wohnt (es heisst nur anders - und schenkt Alkohol aus).


    Lesebiene, darueber freut sich nu' der Autor mit diebischem Grinsen ... die kommen ihm hier ja sonst immer alle auf die Schliche, da muss doch auch mal einer auf den Leim gehen, sonst kriegt der arme Autor ja Komplexe!

  • so, ohne zu lesen, was ihr geschrieben habt, erstmal meine Eindrücke.


    Keiner rückt Amarna gegenüber von sich aus mit der Wahrheit heraus, alles muss den Herren aus der Nase gezogen werden.
    Wobei ich ja den Verdacht habe, dass Amarna nicht Tilmans Tochter ist, sondern ein armenisches Kind das er von seiner Ausgrabung mitgeracht hat. Oder er ist der Vater, die Mutter ist Armenierin und kam damals auf den Todesmärschen um. Deshalb können weder Tilmann noch Merten ihr sagen woher sie stammt, weil sie vermutlich bei den Greueln im besten Fall nur weg gesehen haben.
    Das würde auch Beos Theorie mit den Problemen beim großen Ariernachweis stützen....
    Und Amarnas Alpträume erklären, die doch sehr dem ähneln, was Rosen an Nachwirkungen für die armenischen Überlebenden beschreibt.


    Nathan Rosen kommt mir ein bisschen wie ein Prohphet vor.... Die Geschichte der Armenier soll sich ja in den nächsten 15 Jahren erschreckenderweise in Deutschland in noch grösserem Ausmass wiederholen :-(
    Seine Figur mag ich sehr, ich hoffe doch sehr, dass er das Kommende überleben wird....


    Die Liebesnacht von Arman (oder wie immer er nun wirklich heisst) und Amarna fand ich toll beschrieben. Genau richtg dosiert. Endlich findet auch Amarna ein wenig Ruhe und Glück.


    Ich bin ja schon gespannt, wie sie Arman wiederfindet und ob es in Hattusa zum Show Down kommt....


    Ich hoffe Paul schafft es darüeer wegzukommen, dass er Amarna verloren hat. Im Moment scheint ihm das noch nicht mal so richtig klar zu sein....

  • Zitat

    Original von streifi



    Die Liebesnacht von Arman (oder wie immer er nun wirklich heisst) und Amarna fand ich toll beschrieben. Genau richtg dosiert.


    Danke, streifi.


    Es war meine erste Liebesszene, die ich mochte.
    So ein I-did-it-Gefuehl, das kann ich nicht beschreiben. Noch schoener als meinen ersten Marathon zu laufen. Noch aufregender. Noch unglaublicher. Ist schon anderthalb Jahre her, und ich glaub's immer noch nicht.


    I did it!


    Wenn ich das lese, was Du Dir denkst, denk ich: Hol mal Dein Notizbuch raus, Alte. Da kannst Du jemandes Ideen klauen, da konstruiert Dir einer genau das Buch, das Dir noch fehlt. Darf es bitte in Van spielen?


    Dass Du Nathan Rosen ein bisschen prophetisch findest, mag ich so sehr. Deshalb verspreche ich: Ich bring ihn rechtzeitig raus.


    Und zu dem anderen, was Du geschrieben hast: "Wer spricht denn heute noch von der Vernichtung er Armenier?", soll Hitler im August 1939 gesagt haben, um klarzumachen, dass er nichts zu fuerchten hatte, wenn er seine Plaene umsetzte.
    Ich musste deshalb noch ein zweites Buch schreiben, weil das in mir so gehaemmert hat - mann, sag mal, du kannst die doch nicht da lassen - neunzehnhunderteinunddreissig! - und ich bin so froh, dass mein Verlag mich laesst.


    Danke, dass Du das geschrieben hast.
    Charlie

  • Zitat

    Original von Bookworm


    Die Deutschen waren auch beteiligt, was mich nichts gutes für Tilmans und Mertens Rolle erahnen lässt. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass sie direkt beteiligt waren. doch was ruft diesen Hass auf Arman hervor? Obwohl ich mir nicht mal sicher bin, ob es Hass ist. Ich glaube, was damals vorgefallen ist, ist viel komplexer. in diesem Zusammenhang ist es mir bei einem Satz eiskalt den Rücken runtergelaufen: "Die Wirklichkeit ist immer schlimmer als das Ausgemalte, weil sie nämlich blutet, stinkt und stirbt." S. 208


    Ich vermute ja, dass der Hass auch aus der Angst heraus entsteht, dass Arman Amarna Dinge sagen könnte die ihn und Tilmann in einem schlechten Licht dastehen lassen könnten und dazu führen würde, dass sie sich abwendet.
    Wobei da dann vermutlich das eigene Verhalten durch das andauernde Verschweigen und Anlügen ihr gegenüber noch viel ausschlaggebender sein dürfte als das, was damals passiert ist.