Nathan Filer - Nachruf auf den Mond

  • Der Verlag Droemer Knaur bringt den Erstling von Nathan Filer als Hardcover mit 315 Seiten heraus.
    Der Originaltitel, bereits 2013 in London erschienen, zu "Nachruf auf den Mond" lautet "The Shock of the Fall".
    Man könnte das Buch auch unter "Zeitgenössiches" oder "Jugendbuch" einstellen, aber ich denke, es ist hier unter Belletristik gut wegsortiert.


    Inhalt:


    Matthew Homes, 19, Geschichtenerzähler, schizophren, versucht, seinem drögen Klinikalltag zu entfliehen, tippt und tippt und tippt, in den Computer, auf der Schreibmaschine...
    Er sucht sich dafür jedoch nicht irgendeine Story aus, sondern seine eigene - und die seines älteren Bruders Simon, der gestorben ist, aber für Matthew eigentlich nicht, begleitet Simon ihn doch durch seinen Alltag, mal mehr, mal weniger zurückgedrängt durch seine Medikamente, und doch immer da.


    Was passiert eigentlich in diesem Roman?
    Simon, gezeichnet mit einer Muskelschwächekrankheit und obendrein mit dem Down Syndrom, stirbt, als Elfjähriger während eines Campingurlaubes. Und dann?


    Redet niemand mehr darüber. Der unglückliche Beginn einer Reise ist das, durch die Kindheit und Jugend Matthews, der in seiner wohl vererbten Krankheit Schizophrenie um sich selber kreist und den wir begleiten dürfen auf dem Weg... zum Reden.


    Über den Autor (Klappentext):


    Nathan Filer arbeitete als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik.
    Heute ist er als Schriftsteller, Dichter und Filmemacher tätig.
    Zudem unterrichtet er Kreatives Schreiben an der Bath Spa University.


    Nachruf auf den Mond ist sein erster Roman, für den er verschiedene Preise gewann: u. a. den renommierten Costa Book Award und den Betty Trask Prize für das beste Debüt.


    Filer lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Bristol.


    Meine Meinung:


    Nathan Filer lässt seine Figur in der Ich-Form erzählen, alles andere hätte wohl auch keinen Sinn ergeben. Es wird konfus, jedoch immer verständlich erzählt. Trotzdem bleibt mir die Hauptfigur seltsam fern.
    Eher fassen konnte ich die Nebenfiguren, wie z. B. Matthews und Simons Mutter, den Vater, die geliebte Großmutter Nanny Noo. Aber das ist vielleicht auch so gewollt.


    Letztendlich handelt es sich um einen Roman, der sich mit der versteckten, nicht verarbeiteten Trauer und Schuldgefühlen befasst, Schizophrenie hin oder her.


    Interessant sind für uns als Außenstehende auf jeden Fall der Einblick in den Klinikalltag, die Beobachtungsgabe Matthews in Hinblick auf Ärzte und Pfleger.


    Gar nicht so einfach, einen Erstling zu "bewerten". Ich kann nur von meinem Lesegefühl als Hobby-Leserin ausgehen und denke, der Autor kann noch mehr. Ich würde also auf jeden Fall ein weiteres seiner Bücher lesen.
    Aber dieses sicher nicht noch einmal.


    Von mir gibt es 7 Punkte, und ein Dankeschön an den Verlag für das Bereitstellen des Lese-Exemplars.


    :wave

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Nachruf auf den Mond


    Nathan Filer


    Inhalt und meine Meinung


    Diese Geschichte zu lesen ist ein wenig wie ein Blick in ein Tagebuch, das von Matthew Homes. Matthew Homes ist in der Gegenwart Patient einer psychiatrischen Klinik und schreibt, um für sich selbst Klarheit über seine Vergangenheit zu bekommen und auch um dem langweiligen Klinikalltag zu entfliehen. Heraus kommt ein sehr lebendiges Durcheinander von Text, handgeschriebenen Notizen, Nachrichten und Zeichnungen.


    Matthew ist neun Jahre alt und macht mit seiner Familie Urlaub auf einem Campingplatz. Seine Familie, das sind die Eltern und sein elfjähriger Bruder Simon. Matthew liebt seinen älteren Bruder, der immer lächelt und ein rundes Gesicht hat – wie der Mond. Aber Simon ist krank, leidet am Down-Syndrom und Hypotonie und braucht daher viel Aufmerksamkeit und Fürsorge der Eltern und deshalb ist Matthew oft auch eifersüchtig und wütend auf seinen Bruder. Während des Urlaubs kommt Simon durch einen Unfall ums Leben und Matthew hält sich für schuldig, so schuldig, dass er meint, er habe kein Recht, an seiner Beerdigung teilzunehmen.
    Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich in verschiedenen Episoden und nach und nach erlebt die Leserin, wie Matthew immer mehr in eine andere Wirklichkeit abdriftet, er immer weiter den Kontakt mit seinem verstorbenen Bruder sucht, der in seiner Vorstellung lebendig bleibt und mit ihm spielen möchte.
    Auch die Unterstützung und Liebe seiner Eltern und der geliebten Großmutter können seine fortschreitende psychische Erkrankung nicht aufhalten.
    Einfühlsam und sachkundig beschreibt der Autor diese Entwicklung, die mich abwechselnd zu Tränen rührte und in Lachen ausbrechen ließ. Immer bleibt Matthew als Mensch im Vordergrund. Auch wenn ich seine Überlegungen manchmal nicht nachvollziehen kann, sie teilweise völlig abstrus erscheinen – immer bleibt er der verletzliche, nachdenkliche und liebenswerte junge Mann, der um seine Würde und ein eigenständiges Leben kämpft.
    Für mich eine echte Entdeckung.
    9 von 10 Punkten.

  • Manchmal beginnt man mit der Lektüre eines Romans, nur um festzustellen, dass man dieses oder jenes so oder so ähnlich schon öfter gelesen hat. Irgendwann denkt man sich, dass man sich mit diesem Umstand abfinden muss und stellt geringere Erwartungen an die nächste Lektüre. Möglicherweise kommt das einigen bekannt vor, ähnlich habe ich gedacht, bevor ich mit dem Lesen von „Nachruf auf den Mond“ von Nathan Filer begonnen habe. Doch dieses Buch hat mich überrascht und berührt, hat alle meine Erwartungen übertroffen.


    Der Roman handelt von der Geschichte des 19-jährigen Matthew Homes, Patient einer psychiatrischen Klinik in Bristol, welcher aus der Ich-Perspektive seine Vergangenheit schildert, die ihn in die Psychiatrie gebracht hat. Mittelpunkt dieser Erzählung ist Simon, Matthews älter Bruder, der mit 11 Jahren bei einem Unfall während des Campingurlaubs der Familie in Cornwall starb. Auch zehn Jahre später gibt sich Matthew noch die Schuld am Tod seines Bruders, welchen Matthew immer noch hören und sehen kann, wenn er seine Medikamente absetzt… Denn Matthew leidet an Schizophrenie.


    Als ich das Cover und den Titel dieses Romans zum ersten Mal gesehen habe, war ich etwas skeptisch. Ich konnte mir darunter nur wenig vorstellen, bin aber durch den Klappentext und die Leseprobe neugierig geworden. Auf dem Cover ist eine Ameise abgebildet, welche den Wunsch Simons nach einer Ameisenfarm symbolisiert. Im Mond kann Matthew seinen Bruder erkennen, eine Anspielung auf dessen Krankheit, Simon litt am Down-Syndrom. Nach der Lektüre empfinde ich dieses Cover als sehr passend. Außerdem ist das Hardcover mit einem Lesebändchen ausgestattet, was mir persönlich sehr gut gefällt.


    Ebenso ungewöhnlich wie das Cover des Buchs, ist die restliche Gestaltung des Romans, beispielsweise erfolgt zwischenzeitlich ein Wechsel der Schriftart, da Matthew einen Teil seiner Erzählung auf dem Computer in der psychiatrischen Klinik und einen anderen Teil auf der Schreibmaschine in seiner Wohnung verfasst. Außerdem sind im Roman Briefe und Zeichnungen enthalten, sodass der vom Autor gewünschte Anschein, es handele sich bei dem Roman um eine „lose Blättersammlung“ erreicht wird. Diese Gestaltung hat mir sehr gut gefallen, da ich mir gut vorstellen konnte, wie Matthew alles, was er geschrieben hat und was seine Beschreibungen verdeutlicht, auf einen Stapel legt. Denn das Verfassen seiner Geschichte scheint für Matthew seine ganz eigene Therapie zu sein, welche er mit den Worten „Ich muss aufpassen. Ich muss es sorgfältig auspacken, nach und nach, damit ich es schnell wieder zusammenfalten und einstecken kann, falls es mir zu viel wird.“ (S.19) beginnt und als symbolischen Akt in Form einer Blättersammlung in der Psychiatrie zurücklässt.


    Matthew richtet sich in seiner Erzählung ganz bewusst (und nicht immer freundlich) an den Leser und offenbart dabei einen großen Teil seiner Psyche („Das ist mein Leben. Ich bin neunzehn Jahre alt, und das Einzige, worüber ich in meinem Leben frei bestimmen kann, ist diese Geschichte und wie ich sie erzähle. Allein schon deswegen will ich es nicht vermasseln. Es wäre nett von Ihnen, wenigstens zu versuchen, mir zu vertrauen.“ S.75).
    Der Leser erlebt einen klugen und sensiblen Protagonisten, der durch einen schrecklichen Schicksalsschlag und dessen Nachwirkungen aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Bereits der erste Absatz dieses Romans hat mich für ihn eingenommen, obwohl aus diesem kein unbedingt freundlicher, zugänglicher Mensch hervorgeht. Matthew macht häufig Gebrauch von Ironie, manchmal wird er sogar etwas zynisch, verhält sich ungerecht und dann wieder selbstlos. Häufig wirkt Matthew sehr abgeklärt und scheint Herr seiner Sinne zu sein (im Gegensatz zu den „Spinnern“, wie Matthew sie bezeichnet, in der Psychiatrie). Andererseits zeigt sich zwischenzeitlich immer wieder, wie Matthew durch seine Krankheit den Sinn für die Wirklichkeit verliert. Er ist zwiegespalten in seinen Empfindungen und seinem Verhalten.


    Durch die dargestellte Persönlichkeit Matthews und dessen Verhalten gelingt es Nathan Filer sehr nachdrücklich dem Leser einen Eindruck von der psychischen Erkrankung Schizophrenie zu vermitteln, der bei mir einige falsche Vorstellungen abgelöst hat. Auch werden der Alltag in der Psychiatrie und das Leben mit einer psychischen Krankheit sehr eindrucksvoll wiedergegeben. Matthew beschreibt sein Leben als „ein einziges Cut and Paste“, welches durch die formale Gestaltung hervorgehoben wird, denn häufig werden ganze Absätze mehrere Male im Laufe des Romans wiederholt, sodass die Eintönigkeit von Matthews Leben deutlich wird. Diese gezielten Wiederholungen sind hier sehr gekonnt eingesetzt worden.


    Gekonnt war für mich auch der Spannungsaufbau im Roman, obwohl man diesen zunächst gar nicht erwarten würde. Bis zum Ende des Romans bleibt die Frage offen, wie es zum Tod von Simon gekommen ist und warum Matthew sich die Schuld an diesem gibt. Nathan Filer schließt seinen Roman schließlich mit einem passenden Ende ab.


    Abschließend kann ich sagen, dass es sich hier um einen sehr eindrucksvollen, unterhaltsamen, authentischen und berührenden Debut-Roman handelt, welchen ich gerne weiterempfehle. Ich hoffe auf weitere Romane von Nathan Filer!

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Ein Leben ohne Simon...


    Nachdem ich sehr viel Gutes über dieses Buch gehört hatte, war mein Interesse geweckt.


    Im Roman geht es um den psychisch kranken Matthew, dessen Bruder Simon bei einem Familienausflug vor 10 Jahren starb. Seitdem ist die Familie nicht mehr dieselbe. Was geschah damals in jener Nacht?


    Matthew fungiert in Roman als Ich- Erzähler und spricht den Leser oft direkt an. Die Ereignisse werden uns nicht chronologisch geordnet serviert, so dass man beim Lesen aufpassen muss, in welcher Zeit man sich gerade befindet. Mal sind wir in der Gegenwart unterwegs als Matt 19 jährig im Krankenhaus liegt und mal begleiten wir die Familie in der Vergangenheit.


    Ich hätte nie erwartet, dass mich das Buch so sehr emotional berühren würde. Das angesprochene Thema Schizophrenie ist sehr ernst, es wird im Buch aber durchaus locker damit umgegangen.


    Matthew als Charakter ist sehr speziell. Man spürt ihm seine Krankheit förmlich an und nicht immer kann man sein Handeln ganz nachvollziehen. Je mehr man liest und ihn besser kennenlernt, desto mehr stellt man fest was für ein liebenswerter Kerl Matt ist und man mag ihn immer mehr.


    Die Familientragödie zieht sich durch das gesamte Buch, so dass eine gewisse traurige Grundstimmung immer vorhanden ist, was dem Roman aber keinesfalls schadet.


    Dem Autor gelang es die Spannung konstant zu halten, denn das Geheimnis des verhängnisvollen Abends wird erst zum Schluss gelüftet. Das Ende hat mich tief berührt und ein paar Tränen entlockt.


    Für mich war dieses Buch eine Überraschung, die mich emotional vollends erwischt und mich nachdenklich gestimmt hat.


    Fazit: Wer sich nicht vor schweren Themen scheut, der wird von diesem Buch begeistert sein. Ich kann nur meine Leseempfehlung aussprechen.


    Bewertung: 9/ 10 Eulenpunkten

  • In dieser Geschichte geht es um Matthew, der durch eine Art Tagebuch versucht mit der Vergangenheit abzuschließen. Sein zwei Jahre älterer Bruder Simon ist nämlich, als Matthew noch ein Kind war, auf tragische Weise ums Leben gekommen. Seitdem ist in Matthews Leben nichts mehr wie es war und er verändert sich immer mehr. Er kann den Tod seines Bruders und die Rolle, die er bei dem Ganzen womöglich gespielt hat, nur schlecht verarbeiten und flüchtet sich in eine ganz andere Welt, in der Simons Stimme immer noch zu ihm spricht und in der der ältere Bruder weiterhin sichtbar Bestand für Matthew hat. Matthew leidet an Schizophrenie und schildert in dem Buch den Fortgang und die Folgen seiner Krankheit.


    Dies geschieht auf eine sehr wirre und sprunghafte Weise. Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich oft und rasch ab, so dass der Leser ab und an Probleme hat, der Geschichte und ihrem logischen Fortgang zu folgen. Gleichzeitig ist dies aber auch ein sehr spannendes Element, dass Matthews Krankheit und auch das vermeintliche Chaos in seinem Kopf wunderbar unterstreicht.


    Insgesamt ist das Buch sehr berührend. Dem Autor ist es gut gelungen, dem Leser die Krankheit Schizophrenie näher zu bringen und dies in einer sehr authentischen Handlung zu verankern. Auch dem Leid anderer Familienmitglieder, wie z.B. der Eltern, das durch Simons Tod und Matthews Krankheit verursacht wurde, wird genügend Raum in der Geschichte eingebracht.


    Das Buch ist sehr traurig und definitiv keine leichte Kost, aber sehr zu empfehlen, für alle die sich gerne mit schwereren Themen befassen.

  • Zum Inhalt ist schon einiges geschrieben worden. Deshalb hier nur mein Eindruck zum Buch.


    Im Moment boomen ja die Bücher zu Krankheiten und Demenz. Doch dieses sticht heraus.
    Es ist aus der Sicht einen Kindes/ Jugendlichen geschrieben. Und zwar nicht von außen, sondern aus der Innenansicht. Die Krankheit Schizophrenie beeinflusst den Schreibfluss und damit auch den Lesefluss des Lesers.


    Die Hauptperson ist Matthew, der in einer Art Tagebuch seine Geschichte und die seines Bruders Simon erzählt. Am Tod seines Bruders war er womöglich mitschuld bzw. gibt sich über Jahre die Mitschuld. Vielleicht war das sogar der Auslöser seiner Krankheit. Infolgedessen lässt Simon ihn nicht mehr los oder Matthew kann ihn nicht mehr loslassen. Er sieht und hört ihn in verschiedenen Situationen und Lebensabschnitten.


    Beeindruckend ist, wie der Autor das in der Schreibweise und Erzählweise einfließen lässt. Teilweise verwirrend für den Leser, springt er in Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Dieses hin und her gibt mir als Leser einen Hauch von Eindruck von der Krankheit.


    Natürlich leiden alles Familienmitglieder unter dem Tod von Simon, aber auch unter der Krankheit von Matthew.
    Bevor Matthew einsieht, dass er Hilfe und eine Therapie braucht, will er noch einen letzten Schlussakt für seine Familie organisieren. So möchte er mit dem Verlust von Simon abschließen, denn unter den Medikamenten verliert er seinen Bruder ja nochmal.


    Ein Buch mit einem besonderen Einblick in die Gedankenwelt eines Schizophrenen. Deshalb sicher nicht einfach zu lesen aber lesenswert!
    9 von 10 Punkten


    Danke für das Bereitstellen als Wanderbuch.

    Altes Land - Dörte Hansen :lesend
    Hörbuch: Kai Meyer - Die Seiten der Welt 1

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von nordicute04 ()

  • "The Shock of the Fall" war für mich das erste englische Buch seit Jahren. Ich habe bis ich mitten im Buch war gar nicht gewusst, dass es sich dabei um "Nachruf auf den Mond" handelt.


    Zum Inhalt gibt es eigentlich nicht wirklich viel zu sagen. Matthew meint, er wäre Schuld am Tod seines Bruders, der im Alter von elf Jahren im gemeinsamen Familienurlaub gestorben ist. Matt selber war zu der Zeit erst neun. Da er den Tod nicht verwinden kann, landet er in der Psychiatrie mit der Diagnose Schitzophrenie.


    Ich wusste eigentlich gar nicht, was mich in dem Buch erwartet, weil der englische Klappentext fast nichts ausgesagt hat. Es war nur ein kurzer Ausschnitt aus den Anfangsseiten des Buches. Das Buch hat mich total überrascht, denn der Autor hat es perfekt verstanden, dem Leser die Zerrissenheit des Protagonisten näher zu bringen. Es sind nicht nur die andauernden Zeitsprünge, die einen ähnliches wie Matt fühlen lassen, sondern auch die Art, in der das Buch umgesetzt ist. Mal sind Worte quer über die Seite geschrieben oder Matt hat abwechselnd mit dem Computer oder mit der Schreibmaschine geschrieben. Das alles ist dann noch mit von Matt gemalten Bildern garniert.


    Die Geschichte hat mich total in ihren Bann gezogen, einfach weil trotz des wirklich schlimmen Themas doch sehr warmherzig und mit viel Liebe zu Simon - so hieß Matts Bruder - geschrieben ist. Manchmal hat es mich fast zu Tränen gerührt, zwischendrin habe ich nicht selten eine Gänsehaut bekommen.


    Wer sich für das Thema Schitzophrenie interessiert, darf sich "Nachruf auf den Mond" nicht entgehen lassen. Ich finde, das Buch ist völlig zu Recht mit einem Preis (Costa Book Award 2013) ausgezeichnet worden.

  • Mir hat "Nachruf auf den Mond" auch sehr gut gefallen, weil es einfach mal was anderes war. :-) Dabei war die Story für mich eher nebensächlich, zumal mir recht schnell klar war, was in der Unfallnacht passiert sein musste.


    Was das Buch für mich zu etwas Besonderem macht, ist die Art, wie der Autor sich seinen Protagonisten hineinversetzt. Wie auch im Interview am Ende des Buches gesagt wird, erlebt der Leser das Entstehen der Aufzeichnungen quasi in Echtzeit mit, entsprechend ist das Buch auch aufgemacht: unterschiedliche Schriftarten, eingeschobene Zeichnungen, Briefe u.ä. lassen das Buch wie eine Lose-Blatt-Sammlung wirken, die Matt zusammengestellt hat, um seine Geschichte aufzuschreiben. Dabei kommt auch sehr authentisch rüber, dass Matt schizophren ist, dass er Phasen hat, wo er sich kaum konzentrieren kann (wenn er z.B. in der Tagesklinik schreibt und ihm jemand zuschaut) oder in denen die Krankheit wieder in den Vordergrund tritt. Dann muss man schon konzentriert mitlesen, um nicht selbst aus der Bahn geworfen zu werden, aber dafür bekommt man auch einen sehr guten Einblick in die Gedankenwelt eines psychisch kranken Menschen.
    Darüber hinaus platziert der Autor auch immer wieder sehr geschickt seine Kritik am britischen Gesundheitssystem, etwa wenn er beschreibt, unter welchen Bedingungen die Mutter von Matts Freund zu Hause gepflegt wird, oder wenn es um Einsparungensmaßnahmen geht.


    Ich kann "Nachruf auf den Mond" guten Gewissens weiterempfehlen und bin gespannt auf weitere Bücher dieses Autors. Von mir gibt es 8 Eulenpunkte. :-)


    LG, Bella

  • "Nachruf auf den Mond" ist mal wieder eines der Bücher, auf das ich ohne die Eulen wahrscheinlich niemals aufmerksam geworden wäre. Danke, dass ich das Buch als Wanderbuch lesen durfte!


    Mir hat diese etwas außergewöhnliche Erzählweise sehr gut gefallen. Das Buch erzählt Matts Geschichte nicht chronologisch, sondern ist eher wie eine Collage aus verschiedenen Episoden aufgebaut. Manchmal springt man in der Zeit zurück, manches bleibt unerwähnt oder wirkt verschwommen. Trotzdem ist es nicht zusammenhanglos geschrieben. Die Geschichte wird durch diese spezielle Form der Erzählung wirklich spannend, schließlich möchte man als Leser wissen, was genau zu Simons Tod geführt hat. Mir war das nämlich bis zur Auflösung nicht klar, der Unfallhergang wird erst ziemlich zum Schluss geschildert.


    Das Buch ist in seiner Grundstimmung traurig, aber auf warmherzig erzählte Art und Weise. Matthews Leben ist nach dem Unfalltod seines Bruders Simon nicht so weiterverlaufen, wie man sich das für ein Kind wünscht. Seine Erkrankung, das vordergründige Thema des Buches, wird dem Leser anhand Matts Empfindungen und Erlebnissen eindrucksvoll nahegebracht. Matt pendelt zwischen einem halbwegs normalen Leben mit Schulbildung, erstem Job, Freundschaft auf der einen Seite und der Schizophrenie auf der anderen Seite immer hin und her. Simon bleibt dadurch allgegenwärtig, nicht nur in seinen Kindheitserinnerungen.


    Mich hat Matts (und Simons) Geschichte gleichermaßen fasziniert und betroffen gemacht. Dabei war die Geschichte niemals schwülstig oder effekthaschend, sondern leise und - meiner Meinung nach - authentisch. Das Buch hat für mich das Zeug zum Jahreshighlight 2015 - insofern muss ich einfach 10 Eulenpunkte vergeben!

  • Matthew Homes ist 19 Jahre alt und möchte gern gemeinsam mit seinem Kumpel Simon in einer eigenen Wohnung leben. Doch für Matt ist dieser Wunsch nur schwer umzusetzen, weil er schon als Kind an Schizophrenie erkrankt ist. Seine Krankheit lässt ihn Stimmen hören und seinen lange verstorbenen Bruder in unterschiedlichen Formen vor ihm auftauchen.


    In Rückblenden in Matts Kindheit erfahren Nathan Filers Leser vom Tod des mehrfach behinderten Bruders, an dem Matthew sich schuldig fühlt. Ereignisse der Gegenwart wechseln mit den Aufzeichnungen ab, die er auf einer alten mechanischen Schreibmaschine getippt hat. Sein Versuch, mit Simon zusammenzuwohnen und tagsüber in einer psychiatrischen Tagesklinik betreut zu werden ist leider gescheitert. Nun soll Matthew in der Tagesklinik ambulant regelmäßig ein Medikament gespritzt werden. Der junge Mann weiß zwar, dass er schwer psychisch krank und auf Medikamente angewiesen ist – das heißt jedoch noch lange nicht, dass er mit dem medizinischen Personal kooperiert. Wer in seinem Alter würde nicht gern die Grenzen der von Außenstehenden gesetzten Regeln austesten? Doch in Matthews Fall hat dieses Experiment fatale Folgen.


    Außer der Großmutter Nanny Noo scheint kaum jemand in Matthews Umgebung durchschnittlich zu sein. Sein Bruder war behindert, seine Mutter leidet an nicht näher bezeichneten psychischen Problemen, Nannys Bruder verbringt sein Leben in der Psychiatrie, die Mutter von Matthews bestem Freund Simon ist schwer pflegebedürftig und Annabelles Mutter starb schon früh. Von all diesen Schicksalsschlägen habe ich mich überfordert gefühlt und hätte mich lieber auf Matthews Innenwelt konzentriert, die er in sehr origineller, direkt an den Leser gerichteten Sprache beschreibt.


    Nathan Filer hat selbst als Pfleger in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet und beherrscht sein Thema aus dem FF. In Mathews Situation als Patient, der ständig von Ärzten und Pflegern beobachtet wird, und auch in die Lage mitbetroffener Angehöriger kann man sich als Leser wunderbar einfühlen. Aufgrund von Matthews Alter und der durch die Erzählperspektive leichten Identifikation mit ihm würde ich den Roman als Young Adult Literatur für Leser ab 14 einordnen.


    7 von 10 Punkten