Als der Himmel uns gehörte von Charlotte Roth

  • Als der Himmel uns gehörte - Charlotte Roth


    Inhalt


    London 2011. Die junge Läuferin Jennifer will an den Olympischen Spielen teilnehmen. Jetzt aber drohen Panikattacken ihren Traum zu gefährden. Mit ihrem Trainer, dem Iren Gregory, der sie heimlich liebt, reist Jennifer nach Mandeville, auf den Landsitz ihrer Familie. Sie hofft, sich bei ihrer fast hundertjährigen Urgroßmutter Alberta Rat holen zu können. Auch diese hat einmal an einer Olympiade teilgenommen, damals in Berlin, im Jahr 1936. Auf den Spuren ihrer Familiengeschichte wird Jennifer lernen, worum es im Leben wirklich geht.


    Autor


    Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Mit diesem Roman, der auf einem Stück ihrer eigenen Familiengeschichte basiert, hat sie sich einen langgehegten Traum erfüllt. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa, hält an ihrem Koffer in Berlin aber unverbrüchlich fest. Sie lebt heute in London und hat die Olympischen Spiele 2012 dort hautnah miterlebt, die sie zu ihrem zweiten Roman inspirierten.


    Meine Meinung


    Was für ein Buch. Ich bin immer noch außer Atem.
    Nun an einem Tag hab ich es nicht geschafft zu lesen aber doch sehr zügig.
    Dieser Roman entlockt dir alles was man als Mensch so fühlen kann, Freude, Traurigkeit, Entsetzen, Mitleid und gaaaanz viel Erleichterung.
    Charlotte Roth hat es wieder geschafft, diese Buch kann ich zu 100% empfehlen.

  • Ich habe dieses Buch zeitgleich mit der Leserunde parallel zu lesen begonnen und soeben beendet.
    Das Cover erinnert an "Als wir unsterblich waren", macht aber doch ebenso auf das besondere Thema "Olympische Spiele" aufmerksam und gefällt mir gut.
    Warum allerdings der auf die Verfasserin hinweisende Lebenslauf sowohl vorne innen auf einer Buchseite hinten unten als auch auf der hinteren Buchklappe zu lesen sind, erschließt sich mir nicht ganz. Die Klappenbilder sprechen mich an.
    Ebenso das Glossar und die Anmerkungen zu den im Buch auftauchenden realen Personen.
    Um bei "Als wir unsterblich waren" zu bleiben: In meinen Augen reicht der "Himmel" trotz seines besonderen Themas nicht ganz an ihn heran, allerdings konnte ich mich besser einfühlen als in das zuletzt aus dieser "Feder" gelesene Buch.
    Mit dem Namen "Albi" konnte ich mich das ganze Buch über nicht anfreunden, sei es das Alibi, sei es die Getränkemarke, sei es "Albion", sei es sonstwas, was mir da durch den Kopf geisterte. Die Wahl der Namen insgesamt fand ich hingegen der Zeit gut angepasst. Vielleicht wäre "Albertine", da "Bertie" royal besetzt ist, statt "Albi" auch in "Tine" abkürzbar gewesen, wobei ich schon zugeben muss, dass "Tine mit dem Bogen" nicht so gut harmoniert, da war "bi" und "Bo" irgendwie stimmiger....
    Die Personen waren interessant gestaltet, wenn ich auch spätenstens ab etwa Seite 450 ein bestimmtes Ende kaum noch erwarten konnte.
    Das politische und das sportliche Geschehen kamen gut zur Sprache.
    Schnell hatte ich meine Lieblingsfiguren: James, Abe und Fritzchen, wenn es auch Verständnis und/oder Mitleid erweckende weitere Personen gab.
    Oft habe ich mit verschiedenen Zeitebenen leichte Probleme, das war hier nicht der Fall. Allerdings konnte ich mich für den in der Gegenwart spielenden Handlungsstrang wesentlich weniger als für den in der damaligen Zeit spielenden erwärmen. Möglicherweise ist dies der Tragik damals geschuldet.
    Es gab viele bemerkenswerte Sätze, aus der Erinnerung zitiere ich zwei, welche sich auf Pferde beziehen... Einmal, dass Pferde keine Kriege anzetteln, nicht morden und eigentlich auch nicht durch Olympiastadien hüpfen wollen - letzteres aber dann doch eher tun als zu streiten. Der andere bezog sich auf ein Pferd, dessen Abtransport auf einem Bahnhof einen Menschenauflauf verursachen konnte, während man gleichzeitig dem Abtransport von Menschen (in Arbeits- und Konzentrationslager) keinerlei Aufmerksamkeit schenkte.
    9 Punkte
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

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  • Vor den olympischen Spielen in London 2012: Jennifer trainiert verbissen auf ihre Teilnahme. Doch sie hat ein Problem und das sind ihre Nerven. Vor großen Menschenmassen ereilt sie immer wieder ein Zusammenbruch, der ihr den Sieg unmöglich macht. Ihr Trainer sieht daher keine Chance, dass sie teilnehmen kann. Jennifer auch nicht, bis sie Gregory begegnet...
    Berlin, Ende der 20er Jahre: die Zwillinge Alberta und Auguste leben gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Tante in für damalige Zeit guten Verhältnissen. Während Auguste zurückhaltend und fast schüchtern ist, will Alberta, genannt Albi, die Welt erobern. Und das am besten bei Olympia. Als ihr Vater, ein begnadeter Radioreporter sie dann auch noch mit nach Los Angeles nimmt, scheint der Traum wieder ein Stück näher....


    "Als der Himmel uns gehörte" ist der neuste Roman von Charlotte Roth und hat mich von Beginn an begeistert. Die Autorin verknüpft den Geist von Olympia mit zwei bewegenden Familiengeschichten und zeigt auf, dass auch Sportler nie nur Sportler, sondern immer auch Menschen und manchmal auch Marionetten sind.


    Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Zum Einen begleitet man in der Gegenwart die Läuferin Jennifer und ihren Kampf um die Teilnahme an den olympischen Spielen. Zum Anderen reist man nach Berlin der 20er und 30er Jahre und erlebt hautnah mit, wie die damaligen Spiele in Berlin zur propaganistischen Farce gerieten. Mittendrin befindet sich Albi, die nicht nur für ihren Traum kämpft, sondern sich auch zwischen ihrem besten Freund James, einem adligen Engländer und ihrer Liebe Hannes, einen hochgewachsenen, fast schüchternen Reiter, stehen sieht.


    Und obwohl diese Konstellation nach einer typischen Dreiecksgeschichte aussehen mag, macht Charlotte Roth nicht den Fehler in dieses Klischee zu fallen. Die Autorin erschafft mit Albi und ihren Weggefährten ein Quartett, dem man eigentlich nur Zufriedenheit und Glück wünschen möchte und bei dem man doch weiß, dass es zu der Zeit einfach nicht sein kann, dass Menschen nur glücklich sind.


    Das Hauptaugenmerk des Romans liegt klar auf den Geschehnissen in den 20er und 30er Jahren. Jennifers Geschichte ist lediglich der Brückenkopf in der Gegenwart, der den Halt und die Sicherheit gibt, dass sich alles irgendwie zum Guten wendet. Hätte die Geschichte auch ohne diesen Brückenkopf funktioniert? Wahrscheinlich. Wäre sie dann genauso berührend und wundervoll gewesen? Im Leben nicht. Charlotte Roth vermag es, wie auch in ihrem Roman "Als wir unsterblich waren", das Familienleben mehrere Generationen so toll zu verbinden, dass ich als Leserin einfach nur abtauchen und genießen konnte.


    Die Autorin berichtet über die Geschehnisse der damaligen Zeit mit Fingerspitzengefühl, ohne Moralkeule und einem Blick für Details. Durch die Gedankenwelt der Figuren lässt sie uns erleben, wie es war, als Hitler an die Macht kam, was die Menschen gedacht haben und wie einfach man es sich unter Umständen doch machen wollte. Durch die Sportler bekamen die Beschreibungen nochmal einen anderen Blickwinkel, denn diese haben sich fast schon schmerzhaft unschuldig vor den Karren spannen lassen und das nur, weil sie ihren Traum leben wollten.


    Der Stil von Charlotte Roth ist sehr gut und flüssig zu lesen. Ihre Erzählweise hat etwas poetisches, ohne gestelzt zu wirken. Dennoch kann sie auch richtig deutlich werden, wenn es nötig ist. Durch diese Mischung hat mich der Roman in seinen Fängen gehalten und erst wieder losgelassen, als ich die letzte Seite gelesen hatte.


    Fazit: Olympia damals und heute. Ich kann das Buch nur empfehlen!

  • Vielen Dank, logan-lady!
    Die schoene, umfassende Rezension, die Du zu meinem Buch geschrieben hast, freut mich sehr. Es ist fuer mich ein Gefuehl, das ich noch nicht lange kenne - eine Rezension lesen und denken: Oh, das hoert sich ja an wie das Buch, das ich schreiben wollte!
    Danke dafuer.


    Ich wuerde mich sehr, sehr freuen, Dich wieder an Bord haben zu duerfen, wenn mein Ararat kommt.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von oemchenli
    Dieser Roman entlockt dir alles was man als Mensch so fühlen kann, Freude, Traurigkeit, Entsetzen, Mitleid und gaaaanz viel Erleichterung.


    Das lese ich so gern!
    Danke dafuer. Eigentlich ist das zu viel, ich fuehl mich ein bisschen beschaemt - aber das fuehlt sich sehr, sehr schoen an.


    Alles Liebe von Charlie

  • Wir hatten heut' unseren doofen Tag, Ararat und ich (dabei hatte ich mit keinem Roman so wenig wie mit diesem ...) - aber das ist jetzt der pure Rueckenwind.


    Danke!
    C&A

  • Zitat

    Original von Charlie


    Das lese ich so gern!
    Danke dafuer. Eigentlich ist das zu viel, ich fuehl mich ein bisschen beschaemt - aber das fuehlt sich sehr, sehr schoen an.


    Alles Liebe von Charlie


    Nein das ist nicht zu viel, das sind meine Empfindungen, genauso war das. :knuddel1

  • Schon auf den ersten Seiten, als die Langstreckenläuferin Jennifer ihre Übungsrunden durch den Park dreht, hatte mich das Buch gefangen. Und dieser Lesesog blieb bis zur letzten Seite bestehen und die Geschichte beschäftigt mich immer noch.


    Sehr gelungen finde ich die beiden Zeitebenen mit Jennifer in der Gegenwart und ihrer Urgroßmutter Alberta in der Vergangenheit.


    Es geht um Sport, um den Traum von der Teilnahme an olympischen Spielen und gleichzeitig und Liebe, Familie und Freundschaft. Und das alles überschattet von der Nazi-Zeit. Die Schrecken dieser Zeit werden sehr deutlich, und jede der Figuren im Buch geht anders damit um. Ich fand es sehr nachvollziehbar, wie die Figuren diese Zeit wahrnehmen und fand ich auch ihre Reaktionen stimmig.


    Alles in allem: es wunderbares Buch, dass mich sehr begeistert!

  • Als der Himmel uns gehörte - Charlotte Roth


    Dieser Roman besteht aus zwei Ebenen, mit jemals einer Frau die Olympiasiegerin werden möchte.


    In London fängt es mit Jennifer einer Läuferin an, die unter mit einem Nervenproblem leidet, immer wieder bekommt sie kurz vor Schluss eines Rennens eine Panikattacke.
    Sie lernt den Iren Gregory kennen, der sie mit Alberta Bernhardt vergleicht.


    Das ist Jennifers 96jährige Urgroßmutter. Jennifer erfährt erst jetzt das Alberta aus Deutschland stammt.


    Von ihr erfahren wir und Jennifer in der zweiten Ebene ihr Leben.
    Ihre Displizin ist Bogenschießen, sie wird bekannt als Albi mit dem Bogen.


    Albertas Geschichte spielt ab 1932 in Berlin mit den politischen Hintergründen.
    Wir erfahren wie das Leben in der Nazizeit mit den Anfängen bis zum Kriegsende für alle Menschen problematisch wird, wie man sich arrangiert um weiter zu kommen.


    Es werden die Schwächen und Kämpfe der Protagonisten und ihrer Familien wunderbar erzählt.
    Wir erleben wie Deutschland vor der Olympiade zu vertuschen versucht und wie sich die Lage nachher verschlimmert. Wir wissen ja wie schlimmalles war.
    Aber die Personen damals mussten damit leben. Nicht Jeder ist in der Lage ein Held zu sein.
    Das kommt sehr gut an.


    Der Roman ist spannend geschrieben, er lässt einen nicht los und am Ende muss man alles erstmal sacken lassen, bevor man mit was neuem anfängt. Ich bin total begeistert.


    "Als der Himmel uns gehörte" ist der zweite Roman der Autorin als Charlotte Roth und ihre Romane werden immer besser.. Der erste war ".Als wir unsterblich waren".


    Ich habe sie beide gerne gelesen und kann sie nur weiterempfehlen.

  • Vielen Dank ihr beiden.
    Ich freue mich sehr, dass euch das Buch gefallen hat - vor allem, dass bei euch das Buch angekommen ist, das ich gern schreiben wollte, was ja weit weniger selbstverstaendlich ist, als es klingt.


    Meine gesammelten Olympiamaennchen verbeugen sich und bedanken sich bei euch!


    Alles Liebe von Charlie, Mandi, Goldie & Gang

  • Als der Himmel uns gehörte von Charlotte Roth/Carmen Lobato/Charlotte Lyne



    Zwei Frauen träumen von Olympia. Jennifer trainiert verbissen als Läuferin, um an den olympischen Spielen 2012 in ihrer Heimatstadt London teilzunehmen. Alberta , ihre Urgroßmutter, nahm 1936 in Berlin daran teil. Der Werdegang beider Frauen, vor allen Albertas Geschichte behandelt der Roman in zwei Zeitsträngen.


    Jennifer kämpft damit ihre Nerven unter Kontrolle zu bringen, wenn sie an Wettkämpfen teilnimmt. Als sie auf Gregory trifft, der ihr anbietet sie zu trainieren zögert sie zuerst, nimmt sein Angebot an und er fördert ihr Weiterkommen.
    Ein Geheimnis umgibt Alberta, die in Mandeville lebt und Jennifer besucht sie auf Drängen von Gregory, der sehr viel über Alberta Bernhardt zu wissen scheint.


    Verschiedene Handlungsstränge zu Beginn. die sich nach und nach ergänzen, fesseln den Leser, man wird in das Geschehen hineingezogen.
    Immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen, witzige und ernste Begegnungen wechseln sich ab.
    Die graugezeichneten Protagonisten, die aus unterschiedlichen Verhältnissen stammen , ihr Zusammentreffen, ihre Beziehungen und ihr sportlicher Werdegang werden sehr einprägsam beschrieben. Man hofft mit ihnen, daß ihre Träume in Erfüllung gehen und verfolgt mit Spannung ihre Wege.
    Alberta,das Bogenmädchen, lebt anfangs unbeschwert und entwickelt sich nach und nach zu einer Kämpferin im familiären Bereich.
    Hannes versucht mit sehr viel Ehrgeiz sportliche Erfolge als Springreiter zu erzielen, will sich beweisen und wird dabei immer verbohrter.
    James sieht dies alles viel gelassener. Er steht zu seinem Wort und ist mehr als ein Retter, wenn man ihn zu Hilfe ruft.

    Bei der Schilderung der olympischen Spiele in Los Angeles und Berlin mit ihren Teilnehmern meint man selbst im Stadion zu sitzen.


    In diese Zeit fällt die Machtergreifung der Nazis und man erlebt , wie die Protagonisten damit umgehen. Am Anfang die Hoffnung es ist nur eine vorübergehende Erscheinung. Diese Situation , welche Auswirkungen es für den Einzelnen bedeutet, welche Wandlungen es bei einigen gibt, wird von der Autorin eindrucksvoll beschrieben und die Mischung aus fiktiven und realen Personen zeichnen diesen Roman aus.


    Ein Buch, das einen berührt,aufrüttelt und einen Nachhall hinterläßt, wenn man es zu Ende gelesen hat.


    Ein Glossar und Register realer Personen befindet sich am Ende des Buches.


    Ein facettenreicher Roman, der alles beinhaltet,was der Leser sich wünscht und den man unbedingt lesen sollte . Absolut empfehlenswert.




    10 von 10 Eulenpunkten

  • Als großer Fan von "Als wir unsterblich waren" habe auch ich mich auf den neuen Roman der Autorin gestürzt - im wahrsten Sinne des Wortes.
    Der Aufbau und der Schreibstil sind recht gleich, was ja an sich völlig okay ist.


    Ganz anschließen kann ich mich den übersprudelnden 10-Punkte-Vergebern aber dieses Mal leider nicht.
    Für mich, und nur ganz für mich persönlich, war die Mischung aus Realismus und Pathos hier nicht ganz so gelungen, ein "zu viel", was die Reden der Figuren manchmal sehr unwirklich gemacht hat.


    Die politischen und sportlichen historischen Ereignisse waren sehr interessant zu lesen, und hier herrschte gefühlsmäßig auch ein anderer Schreibstil, als in den eher belletristischen Teilen.


    Von mir gibt es aber immer noch gute 6,5 Punkte, in der Wertung 7.


    Gruß vom killerbinchen.


    edit: mein Lieblingswort "auch" ein paarmal gestrichen :rolleyes

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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  • London, 2011. Die olympischen Spiel im eigenen Land rücken näher, doch für die Langstreckenläuferin Jennifer sieht es nicht so aus, als könnte ihr lebenslanger Traum einer Olympiateilnahme in Erfüllung gehen. Immer wieder versagen ihr bei Wettkämpfen die Nerven und so ist ihr Trainer nicht gewillt, sie zu nominieren.


    Eines Tages tritt ein Fremder in ihr Leben und bringt sie dazu, ihre Vergangenheit besser kennenzulernen, um sich so ihrer Zukunft stellen zu können. Jennifer war immer nur von ihrem Sport besessen, ihr war nicht einmal wirklich bewusst, dass ihre eigene Urgroßmutter in ihrer Jugend eine Goldmedaille gewonnen hat und später die Mitbegründerin der Paralympics wurde.


    Als Alberta ihr ihre Geschichte erzählt, ändert sich vieles für Jennifer.


    Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal im Jahr 2011/2012 und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Alberta ist eine lebenslustige junge Frau, sportlich, intelligent, mutig und unkonventionell. Als Töchter eines Radiosprechers erhalten sie und ihre Schwester Auguste die einmalige Chance, mit zu den Olympischen Spielen nach Los Angeles zu fahren. Auf der Reise lernt Alberta zwei sehr unterschiedliche Männer kennen, den Deutschen Hannes und den Briten James, die als Springreiter gegeneinander antreten werden. Zwischen den vier jungen Menschen entwickelt sich in dieser unbeschwerten Zeit in Amerika eine Freundschaft und auch tiefere Gefühle. Doch um herauszufinden, wer zu wem gehört, werden sie noch lange brauchen – und die Zeiten ändern sich. Doch das wollen sie lange nicht wahrhaben, denn das Wichtigste scheint ihnen der Sport zu sein. Alberta ist fest entschlossen, 1936 als Bogenschützin bei Olympia in Berlin anzutreten und auch Hannes und James werden erneut in den Wettkampf gehen.


    Ich habe mit großer Spannung auf dieses Buch gewartet. "Als wir unsterblich waren" war 2014 eins meiner absoluten Highlights, ein Buch, das mich mitgenommen und am Ende völlig fertig wieder ausgespuckt hat, ein Buch, bei dem ich gelacht, geliebt und geheult habe, wie es mir als relativ rationaler Leserin selten passiert.


    Dementsprechend hoch waren natürlich die Erwartungen an diesen Nachfolger von Charlotte Roth, vielen besser bekannt als Charlotte Lyne.
    Das Thema Sport und Olympia ließ mich schon etwas skeptisch an die Geschichte herangehen, da ich mit diesen Themen wenig bis gar nichts verbinde. Die Rahmenhandlung um Jennifer konnte mich letztlich dann auch nicht völlig überzeugen, hier war ich emotional einfach nicht sonderlich berührt.


    Umso mehr habe ich mich auf die Kapitel mit Albertas Geschichte gefreut, meist finde ich in solchen Romanen mit zwei Zeitebenen den historischen Teil interessanter, so auch hier. Dieser nimmt eher langsam Schwung auf, entführt den Leser zuerst ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten und dann zurück in ein Land, in dem die Begrenzungen immer mehr zunehmen – zumindest für Juden und alle anderen, die dem NS-Regime ein Dorn im Auge waren, während andere als "arische Idole" herausgeputzt und vorgezeigt werden. Die Autorin stellt in ihrer Geschichte die Frage, inwieweit Sportereignisse wie Olympia unpolitisch sein können und dürfen, ob Sportler sich nur für Sport interessieren und sonstiges Geschehen um sich herum ignorieren dürfen. Bei der Olympiade 1936 hat Deutschland der Welt ein gut geschminktes Gesicht gezeigt, viele haben mitgespielt oder die Augen verschlossen.


    Die Geschichte von Alberta, Hannes und James war fesselnd zu lesen, einen richtigen Sog hat das Buch für mich aber erst im letzten Drittel entwickeln können.


    Und dann geht am Ende plötzlich alles sehr schnell und schon ist die Geschichte dann auch wieder vorbei, da hatte ich dann schon fast das Gefühl, es geht zu schnell.


    Insgesamt wieder ein tolles Buch, das für mich aber nicht ganz den Zauber seines Vorgängers erreicht hat.

  • Die Faszination der olympischen Idee und entscheidende geschichtliche Entwicklungen des 20. Jahrhunderts - Allein diese Themen hätten mich zu diesem Buch verführt. Dazu die positive Erfahrung mit dem Vorgänger "Als wir unsterblich waren" ... Es war alles bereitet für ein großes Leseerlebnis und ich wurde in keiner Weise enttäuscht.


    Eine liebevolle Zeichnung der Haupt- und Nebenfiguren, das Verzichten auf schwarz-weiße Vereinfachungen, stattdessen jede Menge Grautöne, die Möglichkeit, sich mal mit der einen, mal mit dem anderen zu identifizieren, die auf warme Sonnenstrahlen folgenden kalten Duschen, nicht zuletzt die stimmige Verknüpfung von Handlungssträngen über Jahrzehnte hinweg: Die Umsetzung der an sich schon tollen Idee hat mich rundum überzeugt.


    Das Geheimnis des Zaubers waren für mich die überzeugende Skizzierung verschiedener Familien und ihrer Geschichte. Die Personen James und Alberta gewinnen dadurch Fleisch und Blut, ihre Handlungen sind trotz aller "Verrücktheiten" zwangsläufig.


    Wie schon im Vorgänger begeistert mich, wie viel Herzblut die Autorin in jede einzelne Person steckt (zumindest wirkt das auf mich so ...). Auch den scheinbaren Nebenfiguren gestattet sie Entwicklung. Das mag dem Leser inhaltlich in einem Fall mehr, im anderen wohl weniger schmecken, aber: That's life!


    Und jetzt komme ich zum einzigen höchst subjektiven Kritikpunkt: Ich hätte mir mehr gewünscht. Die Figuren geben bis in die Nebenlinien so viel her, dass es schade ist, wie kurz sie notgedrungen kommen müssen. Die olympischen Wettkämpfe hätten einerseits natürlich auch ausführlicher beschrieben werden können (müssen?). Auf der anderen Seite war für mich zum Beispiel die knappe Darstellung des Bogenschieß-Wettbewerbs ein fast schon genialer Kunstgriff, um die Verschiebung der Schwerpunkte zu verdeutlichen ... Dennoch: Das Werk hätte von mir aus doppelt so dick sein können. Die Qualität hätte sicherlich nicht unter mehr Quantität gelitten.


    Dass die Sprache mich erneut absolut überzeugt, verstärkt die positive Bewertung. Es handelt sich um ein Buch, das ich mit Sicherheit noch einmal lesen werde.


    Von mir gibt es satte 10 Punkte.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Dass meine Buecher nicht lang genug sind, hat mir auch noch niemand gesagt ...
    Laengere kann ich mir leider nicht leisten - eigentlich rentieren sich die, die ich schreib, schon nicht, da Romane ja nicht nach Seite bezahlt werden -, aber trotzdem freu ich mich sehr, denn sonst hoere ich eigentlich immer: Kuerzen haette gut getan.


    Vielen Dank, churchill.
    Ueber die positive und noch dazu so schoen formulierte Rezension freue ich mich sehr - und darueber, dass die dramaturgische Absicht an mancher Stelle punktgenau erkannt wird, am allermeisten.


    Jusch, Dir auch noch einmal vielen Dank dafuer, dass Du mir in Berlin die Stange gehalten hast. Dich in der ersten Reihe (und Henry & Gefolge weiter hinten ...) zu sehen, war Balsam fuer meine flatternden Nerven.


    Auch allen anderen danke fuers Lesen und Rezensieren!
    killerbienchen, dass es Dir keinen Spass gemacht hat, tut mir natuerlich leid. Ich hoffe, mit Deinem naechsten Buch machst Du einen besseren Griff. (Mir gefaellt dieses uebrigens besser als "Als wir unsterblich waren", fuer mich ist es einfach einen Schritt weiter, vor allem dramaturgisch.)


    Herzlich,
    Charlie

  • Was soll ich jetzt noch schreiben? Ich kann mich nur noch an den Vorschreibern anschließen.


    Es ist super interessant gewesen, zu lesen, was in den 30er und 40er geschehen ist. Dieses Buch sollten viel mehr Leute lesen.


    Sehr interessant fand ich auch die Entwicklung der Paralympischen Spiele. 2012 waren die Karten ausverkauft. Gut so.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Als der Himmel uns gehörte ist mehr als ein Buch über Olympia. es ist die Geschichte von Alberta, ihrer Schwester Auguste, von James und Hannes und von vielen anderen, die sich in den dreissiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts einen Weg durch die politischen Tücken suchen müssen.


    Ich fand das Buch ganz grandios, es gibt keine "Guten" oder "Bösen", jede Figur trägt ein bisschen von beidem in sich. Selten gelingt es Unterhaltungsromanen die Schwierigkeit in dieser Zeit ein anständiges Leben führen zu können, so deutlich darzustellen.


    Zusätzlich ist die Geschichte der olympischen und paralympischen Spiele hochinteressant. Meist begeistert man sich ja für die Spiele, aber die Hintergründe und die eigentlichen Ziele kennen wohl nur die wenigsten. Hier nimmt man auch etwas über die Hintergründe mit.


    Alles in allem war es ein tolles ausgewogenes Buch. Es gab wunderbare und schreckliche Zeiten zu erleben, das Grauen der Geschehnisse wurde gerade so greifbar gemacht, dass es noch aushaltbar war. Und vor allem gab es Protagonisten, die man vielleicht nicht immer mögen aber doch immer verstehen konnte.


    Von mir 10 Punkte.

  • Was fuer ein schoenes Statement - ganz herzlichen Dank, streifi!


    Ueber dieses "gerade so aushaltbar" mache ich mir auch bei diesem Buch ja viele Gedanken, weil ich es bei dem, was ich gerade schreibe, richtig hinbekommen will - ueber diese aushaltbare Grenze hinaus, aber so, dass das im Unterhaltungsroman und von einem Autor, der nur die Mittel des Unterhaltungsromans zur Verfuegung hat, noch akzeptabel ist.


    Es gibt ja Leserreaktionen, bei denen man sich erschrickt und denkt: Offenbar habe ich am Thema voellig vorbeierzaehlt. Solche wie Deine signalisieren dagegen: Die Richtung ist halbwegs in Ordnung, nur bei der Dosierung fehlt noch ein Stueck.


    Vielen Dank!


    Alles Liebe von Charlie

  • Berlin, wenige Jahre vor Hitlers Machtergreifung. Für die junge Alberta gibt es einen großen Traum: Olympia. Inspiriert von ihrem sportbegeisterten Vater hofft sie nicht nur, die olympischen Spiele zu sehen, sondern auch, als Bogenschützin an ihnen teilnehmen zu dürfen. Für Männer ist in Albertas Kopf kein Platz. Doch als sie die Chance erhält, die olympischen Spiele in Los Angeles zu sehen, macht sie die Bekanntschaft zweier Männer, die ihr Leben nachhaltig beeinflussen werden. Und über allem schweben, zu erst nur als dunkle Wolken, die Vorboten des Naziregimes. Im England der Gegenwart träumt die junge Jennifer davon, als Läuferin bei den olympischen Spielen teilzunehmen. Doch unter Panikattacken leidend, ist ihr Traum gefährdet. Kann ihr Ihre Urgroßmutter helfen? ...


    Es ist eine Geschichte um Liebe und Begeisterung für Sport, eine Liebeserklärung an die olympische Idee. Es ist aber auch gleichzeitig eine Geschichte darüber, wie dieser Gedanke und die Menschen, die ihn anstreben, ausgebeutet werden - und das ist heute leider noch so aktuell wie damals. Es ist eine Geschichte darüber, in welchen entsetzlichen Situationen ein menschenverachtendes Regime die Menschen zwingen kann und wie sie damit umgehen.


    Das alles, und noch so viel mehr.


    Sowohl thematisch als auch stilistisch sind mir die Charlotte-Roth-Bücher bisher am nächsten. Der Vorgänger "Als wir unsterblich waren" hat mich bereits tief berührt und mitgerissen. An diesem Buch merkt man jedoch einen enormen Entwicklungssprung, den ich so nicht erwartet hätte. Der Stil wirkt ausgereifter, insbesondere die Figurenzeichnung hat enorm gewonnen. Alle Protagonisten haben ihre Fehler, treffen falsche und richtige Entscheidungen - sie sind dem Leser menschlich sehr nahe, sie werden ihm quasi "unter die Haut geschrieben". Das hat einen ganz besonderen Effekt: so unterschiedlich sich die Menschen verhalten, so verkehrt uns ihre Entscheidungen im Nachhinein erscheinen mögen: sie sind alle nachvollziehbar. Die Charaktere schimmern in vielen verschiedenen Graustufen, und selbst binnen eines Kapitels kann sich die Haltung zu den Charakteren ändern. Die Entwicklung der Figuren im Roman ist herausragend gelungen und fesselt den Leser von Anfang bis Ende.


    Ebenfalls hervorheben möchte ich die Einarbeitung des historischen Hintergrunds. Ich habe mich schon häufig und intensiv mit dieser dunklen Epoche befasst. Selten habe ich diese Zeit so nachfühlen können wie hier, selten haben mir diese Szenen solche Gänsehaut verursacht, selten haben sie solche Beklemmung ausgelöst. Die Zeit wird realistisch, greifbar - es stellen sich dem Leser quasi mit den Protagonisten die Nackenhaare auf. Und auch der Blick auf die unpolitischen Menschen, die erst nach und nach erkennen, welches Unglück sie erfasst hat, hinterlässt tiefen Eindruck beim Leser.


    Mich treibt der Wille, verstehen zu können, wie all das passieren konnte. Eine richtige Antwort darauf wird es nicht geben, und wenn es sie gibt, wird man sie nie erfahren. "Als der Himmel uns gehörte" gibt jedenfalls mögliche Antworten, wie aus unpolitischen Menschen jene Menschen wurden, die das System geduldet, unterstützt oder sich von ihm haben manipulieren lassen. Dieses Erkennen tut weh und wühlt einen auf - aber das soll es auch. Denn nur, wenn es weh tut, vergessen wir nicht.


    Last but not least möchte ich noch einen meiner Lieblingscharaktere nennen: Albertas Papa, der leidenschaftliche Sportreporter. Wenn ich dazu fähig wäre, hätte ich ins Buch greifen und ihn herausziehen können, um mir mit ihm ein hochspannendes Fußballspiel anzusehen. Und stimmlich klingt er für mich wie Herbert Zimmermann beim Wunder von Bern.


    Es gäbe noch so vieles zu erzählen, aber die Dinge lagen mir am Herzen :-)


    10/10 Punkten

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)