Frank McCourt "Die Asche meiner Mutter"

  • Mir hat das Buch recht gut gefallen. Es ist anfangs interessant geschrieben, nimmt zwischendurch immer mal zähere Züge an, wird zum Ende hin aber wieder recht spannend. Wobei man es auch nicht unbedingt als spannend bezeichnen kann, sondern eher als handlungsreicher. Es passiert zwischendurch einfach recht wenig, Spannung ist eher wenig vorhanden, weshalb ich es auch eher in den Bereich der Autobiographien einordnen würde. Man bekommt sehr genau die Armut zu spüren und hat sich desöfteren gefragt, wie man anstelle der Mutter gehandelt hätte und ob man die Mutter auch in gewissen Situationen so behandelt hätte. Etwas angenervt war ich zwischenzeitlich von den kirchlichen Themen, natürlich hat die Religion zu der Zeit eine große Rolle gespielt, aber die ausschweifenden Begründungen und Darstellungen nahmen zum Teil überhand. Waren aber vermutlich zu der Zeit auch tatsächlich nervig. Recht erschreckend fand ich, wie wenig Aufklärung zu dieser Zeit bestand und zu was dies führte.


    Ich kann als Fazit sagen, dass dieses Buch lohnenswert ist, man jedoch keine wahnsinnige Spannung erwarten sollte. Bei mir hat es lange auf dem SUB verweilt und ich bin froh, es doch mal hervorgeholt zu haben.

  • "Och, aye, my arse!" Das ist wohl einer der vielen Aussprüche, die ich aus diesem Buch mitnehmen werde. Dies ist ein Buch, das den einfachen Leuten "direkt aufs Maul" schaut, und das gerade durch seine "mündlichen" Qualitäten lebendig wirkt und fasziniert. Es spielt ungefähr in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in Irland, und kann ebenso sehr als Biographie wie auch als Milieustudie gelesen werden. Beinahe sogar als Roman! Eine eindeutige Einordnung ist jedenfalls ungeheuer schwierig. Man lebt und lacht mit den Charakteren, man weint auch manchmal. Und man fragt sich mitunter, wie all das mitten im aufgeklärten Westen, direkt nebenan, möglich war.


    Man merkt diesen Zeilen sicherlich an, wie aufgewühlt ich immer noch bin. Aufgewühlt ist auch fast das falsche Wort. Da mischen sich die verschiedensten Emotionen: ungeheures Mitgefühl anhand dieser elenden, armen, verdreckten, und auch angsterfüllten irischen katholischen Kindheit. Immense Wut auf die Kirche und ihre angeblichen Diener - wie kann man nur ein ganzes Volk so unter der Fuchtel halten, immer wieder Angst schüren, und gleichzeitig den Leuten die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn sie wirklich einmal Hilfe brauchen! Nur ein einziger Priester wird in diesem Buch positiv dargestellt, und das ist erschütternd. Dann wieder gab es bei mir Lachtränen und Schenkelklopfer zuhauf, was vor allem daraus entsteht, dass Frankie aus seiner persönlichen und grenzenlos naiven Sicht die Welt der Erwachsenen zu schildern und zu verstehen sucht. Und last, but not least empfand ich eine packende Spannung. Würde es Frankie eines Tages tatsächlich schaffen, sich aus diesem Milieu herauszuarbeiten, und seinen Traum von einem Leben in Amerika zu verwirklichen?


    Alles in mir sträubt sich dagegen, dieses Buch zu zerreden, und den Inhalt fein säuberlich darzulegen. Die Summe ist hier wieder einmal viel, viel mehr als die bloße Addition der einzelnen Teile. Wird man dem Buch wirklich gerecht, wenn man sagt, dass hier ein irisch-stämmiger Amerikaner seine Kindheit und Jugend schildert? Dass er vor allem seiner Mutter mit diesem Buch ein Denkmal setzt? Dass er zwar grenzenloses Leiden beschreibt, aber niemals seinen Humor und Mutterwitz verliert? Dass er sein Land, Irland, trotz aller Schicksalsschläge und Härten des Lebens dort spürbar immer noch liebt? Und dass er immer wieder mit sich gerungen hat, seinen trunksüchtigen Vater trotz aller seiner Fehler zu respektieren und zu lieben? All das sind einzelne Mosaiksteine - doch ein wirkliches Bild ergibt sich erst, wenn man dieses Buch selber liest.


    Zuletzt möchte ich noch einmal ausdrücklich Werbung für die Originalfassung machen. Dieses Buch strotzt nur so vor Lokalkolorit und derber Sprache. Ich frage mich, wie es nur möglich sein soll, dieses Buch zu übersetzen! Wer auch immer sich nur halbwegs der englischen Sprache mächtig fühlt, möge bitte zu dieser Fassung greifen. Im Zweifelsfall lese man es sich laut vor, das erleichtert das Verstehen. Man wird belohnt mit einem ganzen Arsenal an Flüchen, Sprichwörtern, Volksliedern (!) und Dialektwörtern. Ein wahres Fest der irischen Volksseele - eindrücklicher und "wahrhaftiger" als jeder Historienband oder Reiseführer.

  • Hier ist ja schon mehrfach diskutiert worden, in welche Ecke das Buch gehört. Tja, ich als Eulen-Neuling hatte meine Rezension zuerst unter "Belletristik" hochgeladen, weil es für mich doch viel mehr war als eine Biographie. Es hat so viele literarische Qualitäten! Doch offenbar war die "Eulen-Verwaltung" anderer Meinung, und hat meinen Beitrag nun hier einsortiert. Auch OK; nix für ungut!


    ***
    Aber eine Frage hätte ich doch mal. Gibt es keine gesonderten Threads für Original-Versionen? ich wollte das Buch ausdrücklich nicht unter den deutschen Versionen abspeichern, aber anscheinend ging das ja nicht. Ich finde, gerade dieses Buch sollte unbedingt im Original gelesen werden; wenn man die Besprechung aber unter dem deutschen Thread suchen muss, geht es leicht unter. Schade!

  • Zitat

    Original von rumble-bee
    Gibt es keine gesonderten Threads für Original-Versionen? ich wollte das Buch ausdrücklich nicht unter den deutschen Versionen abspeichern, aber anscheinend ging das ja nicht. Ich finde, gerade dieses Buch sollte unbedingt im Original gelesen werden; wenn man die Besprechung aber unter dem deutschen Thread suchen muss, geht es leicht unter. Schade!


    Ich glaube, dass das doch etwas zu viel und vor allem auch zu unübersichtlich werden würde, wenn nun auch noch zu jedem Buch zwei Threads eingerichtet werden müssen: der eine für das Original und der andere für die Übersetzung. Es reicht doch der jeweilige Hinweis, dass man das Buch im Original gelesen hat und das auch jedem anderen nur empfehlen kann
    Die, die das Buch auch auf Englisch lesen wollen, werden deine Rezension schon finden - auch hier zwischen all den Rezensionen für die deutsche Ausgabe. ;-)

  • Zitat

    Original von rumble-bee
    Hier ist ja schon mehrfach diskutiert worden, in welche Ecke das Buch gehört. Tja, ich als Eulen-Neuling hatte meine Rezension zuerst unter "Belletristik" hochgeladen, weil es für mich doch viel mehr war als eine Biographie. Es hat so viele literarische Qualitäten! Doch offenbar war die "Eulen-Verwaltung" anderer Meinung, und hat meinen Beitrag nun hier einsortiert. Auch OK; nix für ungut!


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    Aber eine Frage hätte ich doch mal. Gibt es keine gesonderten Threads für Original-Versionen? ich wollte das Buch ausdrücklich nicht unter den deutschen Versionen abspeichern, aber anscheinend ging das ja nicht. Ich finde, gerade dieses Buch sollte unbedingt im Original gelesen werden; wenn man die Besprechung aber unter dem deutschen Thread suchen muss, geht es leicht unter. Schade!


    Ich habe deine Rezension an den bereits bestehenden Thread angehängt. Es gibt keine gesonderten Threads für Originalausgaben. Wir unterscheiden nur zwischen gedruckten Büchern und Hörbüchern. LG JaneDoe

  • Zitat

    Original von rumble-bee
    Zuletzt möchte ich noch einmal ausdrücklich Werbung für die Originalfassung machen. Dieses Buch strotzt nur so vor Lokalkolorit und derber Sprache. Ich frage mich, wie es nur möglich sein soll, dieses Buch zu übersetzen! Wer auch immer sich nur halbwegs der englischen Sprache mächtig fühlt, möge bitte zu dieser Fassung greifen. Im Zweifelsfall lese man es sich laut vor, das erleichtert das Verstehen. Man wird belohnt mit einem ganzen Arsenal an Flüchen, Sprichwörtern, Volksliedern (!) und Dialektwörtern. Ein wahres Fest der irischen Volksseele - eindrücklicher und "wahrhaftiger" als jeder Historienband oder Reiseführer.


    :write


    Es ist ja letztlich immer besser, das Original zu lesen. Allerdings finde ich, dass Harry Rowohlt (ja genau, der Penner aus der Lindenstraße) Angelas Ashes wirklich gut übersetzt hat. Er ist schon seit langem mit den irischen Gegebenheiten vertraut und wohl auch deshalb in der Lage, sehr viel an Stimmungen, Nuancen und Feinheiten, die man zwischen den Zeilen liest, ins Deutsche hinüber zu retten. Man achte auch mal auf seine Übersetzungen von Flann O'Brien. Das sind wahrlich kaum wiederzugebende Texte. Harry Rowohlt sind sie aber dennoch ganz ohne Zweifel geglückt.

    Es kann nur glücklich werden, wen auch der Ernst des Lebens glücklich macht. (Reinhard Mey)

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  • Mir hat das Buch ganz gut gefallen.


    Mit dem Schreibstil hatte ich überhaupt keine Probleme, ich empfand das Buch auch nicht als langatmig. Aber der Inhalt ist schon schwere Kost .... die ganze Kindheit, die Armut und Hoffnungslosigkeit, das ging mir schon ziemlich unter die Haut.


    8 von 10 Punkten

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • Für mich ist dieses Buch mal wieder ein Beweis dafür, dass der Satz "am meisten leiden die Kinder" totaler Quatsch ist. Denn auch wenn McCourts Kindheit tatsächlich eine ziemliche Katastrophe war, überzeugte mich die Lebenslust, die doch immer wieder aufblitzte.


    Während ich das Buch gelesen habe, fühlte ich mich ähnlich wie in meiner Kindheit, wenn meine Omma von Früher erzählte: wie ihre Schwester Zillie im Plumpsklo einbrach, aber auch wie ihre Geschwister an Typhus und Diphterie gestorben sind. Wahrscheinlich hat mir deshalb das Buch so gut gefallen :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von SUBunternehmer
    Allerdings finde ich, dass Harry Rowohlt (ja genau, der Penner aus der Lindenstraße) Angelas Ashes wirklich gut übersetzt hat. Er ist schon seit langem mit den irischen Gegebenheiten vertraut und wohl auch deshalb in der Lage, sehr viel an Stimmungen, Nuancen und Feinheiten, die man zwischen den Zeilen liest, ins Deutsche hinüber zu retten. Man achte auch mal auf seine Übersetzungen von Flann O'Brien. Das sind wahrlich kaum wiederzugebende Texte. Harry Rowohlt sind sie aber dennoch ganz ohne Zweifel geglückt.


    Harry Rowohlt ist ohne Zweifel einer der größten Könner unter den lebenden Romanübersetzern aus dem Englischen. Das trifft vor allem auch auf seine Übertragungen amerikanischer Texte ins Deutsche zu. Ein wahrhaft kongenialer Partner für die guten anglo-amerikanischen Romanciers! :anbet


    Übrigens gibt es in Ausgabe 3 / 2012 von "Bücher" ein herrliches Interview mit diesem genialen Kauz - lesenswert! :lache

  • Ich fand das Buch stinklangweilig und habe es heute nach 170 Seiten abgebrochen.


    Ja, es weckt Mitgefühl und ist anrührend erzählt, aber das sich in wenigen Varianten erschöpfende Widerkäuen des Elends führt mich als Leser nicht weiter. Die Geschichte steht still, mir fehlt die Entwicklung der Personen oder wenigstens ein minimaler erzählerischer Schwung, um mich bei der Stange zu halten. Da Irland als Handlungsort bei mir auch nicht reflexartig die gern mit diesem Land assoziierte romantisch-mystisch-emotionale Saite zum Klingen bringt, fehlt mir jeglicher Antrieb zum Weiterlesen.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von harimau
    Ja, es weckt Mitgefühl und ist anrührend erzählt, aber das sich in wenigen Varianten erschöpfende Widerkäuen des Elends führt mich als Leser nicht weiter. Die Geschichte steht still, mir fehlt die Entwicklung der Personen oder wenigstens ein minimaler erzählerischer Schwung, um mich bei der Stange zu halten.


    :write :write


    Das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht. Mir ging es seinerzeit ähnlich mit diesem Buch - allerdings habe ich bis zum Ende durchgehalten. Obwohl wenn man 100 Seiten dieses Buches gelesen hat, dann man hat bereits das gesamte Buch gelesen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Es hat mich angerühr tund zeigt auf, dass trotz schlechter Lebensumstände auch Glück und Freude, und sei es an Kleinigkeiten, im Leben vorkommen können. Ich freu emich schon auf den zweiten Teil der Lebensgeschichte von Frank McCourt