'Die Stadt des Zaren' - Seiten 387 - Ende

  • Was mich gleich zu Beginn irritiert hat, ist die Bemerkung, daß der Gräfin Viktoria ihr Kleid so eng geschnitten ist. Mich hat nun Mode noch nie sonderlich interessiert noch hätte ich Wert darauf gelegt, aber durch meine Jane Austen Lektüre weiß ich (zumindest für England), daß zu ihrer Zeit (also um 1800) die Kleider der Frauen noch relativ weit geschnitten waren, Korsetts wurden erst später Mode.


    Alina schafft es also in der Tat zu fliehen - das hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Und Matteo ergreift die Gelegenheit beim Schopf, sich gesellschaftlich - ohne Arbeit versteht sich - zu etablieren und ein paar Stufen empor zu steigen. Er will sogar den Segen ihrer Eltern haben und setzt ganz auf seinen Charme. Bei der Gräfin hätte er wohl auf Granit gebissen, aber muß dem eigentlich alles gelingen? Probleme, also richtige Probleme, wird er wohl erst bekommen, wenn er tatsächlich versucht, die Gebäude des Grafen zu bauen - ohne Francesco im Hintergrund.


    Für Zoja gab es mMn eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder sie gibt sich völlig auf, siecht eine unbekannte Zeit dahin und stirbt - oder es gibt einen „Vulkanausbruch“. Letzteres passiert und Micail erhält seine verdiente Strafe. Und die Gräfin, die in ihrer Wut Zoja erschlagen will, gleich dazu. Und damit erhält Matteo freie Bahn. Manchen gelingt einfach alles...
    Bleibt nur zu hoffen, daß Zoja nun ein besseres Leben bevorsteht.


    Francesco heiratet schließlich doch noch Chiara, auch wenn diese immer noch Matteo nachtrauert. Mit seinem Tod habe ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht gerechnet. Und - das sei offen vermerkt - der brachte für mich auch einen düsteren Schatten über das Buch. Marion Zimmer Bradley hat einmal zum Tod einer Hauptfigur in ihrem Darkoverbuch „Hasturs Erbe“ geschrieben, das sei ihr größter Fehler in den Darkover-Büchern gewesen. An diese Äußerung mußte ich denken, als Francesco starb, denn es erschien mir falsch.


    Sein Tod zieht den von Chiara nach sich, und das Kind ist ganz alleine auf der Welt. Was für ein Glück, daß Kostja sich seiner annimmt. Der wird den Jungen schon groß ziehen können.


    Mir war nicht bewußt, daß schon unter Zar Peter die Methode der „verbrannten Erde“ angewandt wurde. Wie ich auch überrascht war (in diesem Teil der Historie kenne ich mich erschütternd wenig aus), daß Schweden tatsächlich dachte, Rußland unter seine Kontrolle bringen zu können. Das mußte scheitern - man muß sich nur mal die Landkarte ansehen. Aber das taten später auch Napoleon und ein gewisser Hitler nicht. Ergebnis ist bekannt.


    Wenigstens hat sich Helenas Warten, auch wenn sie am Ende auf Drängen ihrer Eltern aufgegeben hatte, gelohnt und Erik erscheint gerade noch rechtzeitig. Die Szene, in der sie mit ihm bei ihren Eltern aufkreuzt, hätte mich interessiert, das war sicher ... interessant. Immerhin ist diesen beiden ein Happy End gegönnt, sonst wäre das Buch für meine Begriffe allerdings auch zu düster zu Ende gegangen.


    Willem erkennt, was er für einen Fehler gemacht hat. Am Ende des letzten Kapitels heißt es, er will es bei Paula versuchen. Im Epilog steht als Aussage des Zaren auf Seite 501, daß Dr. Albrecht seine Töchter hervorragend verheiratet habe. Auf Seite 507 ist jedoch von Willem bzw. einem Ehemann von Paula keine Rede. Ich will mal hoffen, daß Willem sich beim Rundblick des Zaren nur gerade gebückt hatte, so daß der ihn nicht sehen konnte. ;-)


    Der Zar ist eine widersprüchliche Persönlichkeit. Einerseits ganz Kind seiner Zeit und Tradition (Peitsche und Knute), andererseits (für seine Zeit) hochmodern. Der Umgang mit ihm muß schwierig gewesen sein. Jedenfalls eine schillernde Person, mit der ich mich sicher noch einmal näher befassen werde.


    Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Wie im letzten Abschnitt erwähnt, hätte es gut und gerne mindestens 200 Seiten mehr vertragen, denn so erschien es bisweilen etwas „einzelszenenhaft“, das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Im letzten Abschnitt hatte ich das Gefühl übrigens nicht, der erscheint mir wie aus einem Guß.


    Was mich immer noch erstaunt (und die Bewunderung für die Menschen damals um so größer werden läßt) ist, daß sie es geschafft haben, diese Stadt in sumpfigem Gelände zu erbauen. Ich entsinne mich, als vor Jahren bei Hanau die BAB 66 Richtung Frankfurt neu gebaut wurde - das gab ziemliche Probleme wegen sumpfigem Gelände. Ich weiß nicht mehr wie, aber es war nicht einfach, die zu lösen. Wie viel weniger technische Mittel hatten die Menschen damals!



    Zitat

    Original von Lumos
    Auch diese Szene fand ich großartig erzählt. Und ein wirklich kluger dramaturgischer Schachzug für mein Empfinden. Alle Figuren können in einem so aufgebauten Roman nicht überleben, das würde irgendwie die Glaubwürdigkeit nehmen.


    Es gibt Romane, in denen das so ist. Hier war es zu befürchten, dennoch kam es mit Francesco für mich völlig unerwartet und unfair (aber wer hat gesagt, daß das Leben fair sei?). In dem Roman, den ich jetzt zu lesen beginne, wird in dritten Band (von vieren) auch eine der Hauptpersonen sterben (da ich das Buch zum zweiten Mal lese, weiß ich das schon), aber dort ist das zum Einen situationsbedingt abzusehen und ergibt sich zweitens fast schon zwangsläufig aus dem geschilderten Kriegsverlauf (2. Weltkrieg), so daß ich (als Leser) mit dem Tod dort „meinen Frieden“ schließen konnte, hier ist das - zumindest bisher - nicht der Fall.



    Zitat

    Original von Tina
    Ich werde eher keinen Roman schreiben, in dem am Ende alles auserzählt ist. Ich lasse gern Raum für die Frage, ist das nun ein Happy End oder nicht?


    So gesehen wundert es mich, daß ich die Bücher, die ich bisher von Dir gelesen habe, alle mochte. Denn so ein Ende ist die beste Voraussetzung dafür, daß mir ein Buch nicht gefällt. Und ich möglicherweise sogar nie mehr ein Buch eines Autors (bzw. -in) lesen werde. In anderem Zusammenhang habe ich einmal geschrieben, daß ein Buch (bzw. genauer die darin erzählte Geschichte) für mich einen Anfang, eine Mitte und ein Ende haben muß. Wenn das Ende fehlt (und ein offenes Ende ist für mich ein fehlendes Ende), fühle ich mich, um es hart auszudrücken, um einen Teil der Geschichte betrogen. In einem Mehrteiler ist es klar, daß es am Ende der ersten Bände mehr oder weniger viele offene Enden gibt, im letzten Band jedoch sollten alle Fäden verknüpft und die Geschichte hinreichend auserzählt sein.



    Um aber nicht mit einer Kritik zu enden: ich habe einige von Tinas Romanen gelesen, dieser hier - wie formuliere ich das jetzt diplomatisch, wenn mir Diplomatie nicht liegt? - erscheint mir aber von allen, ohne daß ich das rational begründen könnte, als der stilistisch am meisten entwickelte. Relativ bald beim Lesen hatte ich das Gefühl, daß sich der Verlagswechsel (und damit vermutlich auch Lektoratswechsel) gelohnt und dem Buch gut getan hat. Ich empfinde den Schreibstil wesentlich „runder“ und (für mich) besser und flüssiger lesbar als etwa in der Wolga-Trilogie. Ich habe es gerne „ausufernd“ in Büchern, diesem meinem Lesebedürfnis hat das Buch weitgehend entsprochen. Wie gesagt, ich kann es weder rational begründen noch an irgend etwas genau festmachen. Aber ich analysiere einen Stil beim Lesen ohnehin nicht, sondern warte ab, wie das Gelesene auf mich wirkt. Und das tat es hier sehr gut.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Um aber nicht mit einer Kritik zu enden: ich habe einige von Tinas Romanen gelesen, dieser hier - wie formuliere ich das jetzt diplomatisch, wenn mir Diplomatie nicht liegt? - erscheint mir aber von allen, ohne daß ich das rational begründen könnte, als der stilistisch am meisten entwickelte. Relativ bald beim Lesen hatte ich das Gefühl, daß sich der Verlagswechsel (und damit vermutlich auch Lektoratswechsel) gelohnt und dem Buch gut getan hat. Ich empfinde den Schreibstil wesentlich „runder“ und (für mich) besser und flüssiger lesbar als etwa in der Wolga-Trilogie. Ich habe es gerne „ausufernd“ in Büchern, diesem meinem Lesebedürfnis hat das Buch weitgehend entsprochen. Wie gesagt, ich kann es weder rational begründen noch an irgend etwas genau festmachen. Aber ich analysiere einen Stil beim Lesen ohnehin nicht, sondern warte ab, wie das Gelesene auf mich wirkt. Und das tat es hier sehr gut.


    Das habe ich auch so empfunden, SiCollier.
    Bislang habe ich erst das Hurenschiff von Martina gelesen und das hatte mich gerade stilistisch etwas enttäuscht. Das war auch der Grund, warum ich gezögert hatte, mich für die Leserunde anzumelden. Letztlich war das Thema aber zu verlockend ;-) und nun bin ich sehr froh, dass ich es habe lesen dürfen, noch dazu in netter Begleitung und mit der netten Autorin :-].

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Was mich gleich zu Beginn irritiert hat, ist die Bemerkung, daß der Gräfin Viktoria ihr Kleid so eng geschnitten ist. Mich hat nun Mode noch nie sonderlich interessiert noch hätte ich Wert darauf gelegt, aber durch meine Jane Austen Lektüre weiß ich (zumindest für England), daß zu ihrer Zeit (also um 1800) die Kleider der Frauen noch relativ weit geschnitten waren, Korsetts wurden erst später Mode.


    Wir befinden uns Anfang des 18. Jahrhunderts, da ließen sich die Frauen mit Korsetts schmale Taillen schnüren und trugen über Gestellen weite Röcke.


    https://www.was-war-wann.de/mode/mode_1700_1799.html


    Zitat

    Alina schafft es also in der Tat zu fliehen - das hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Und Matteo ergreift die Gelegenheit beim Schopf, sich gesellschaftlich - ohne Arbeit versteht sich - zu etablieren und ein paar Stufen empor zu steigen. Er will sogar den Segen ihrer Eltern haben und setzt ganz auf seinen Charme. Bei der Gräfin hätte er wohl auf Granit gebissen, aber muß dem eigentlich alles gelingen?


    Gute Frage, SiCollier. Ich habe mir hier die Freiheit genommen, diesen Windhund nicht auf die Nase fallen zu lassen, wobei mir durchaus bewusst war, dass ich dadurch mit den Erwartungen der Leser spiele. Kennt nicht jeder von uns solche Typen, denen durch ihre Ausstrahlung alles zufliegt, obwohl sie charakterlich wenig zu bieten haben?


    Zitat

    Francesco heiratet schließlich doch noch Chiara, auch wenn diese immer noch Matteo nachtrauert. Mit seinem Tod habe ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht gerechnet. Und - das sei offen vermerkt - der brachte für mich auch einen düsteren Schatten über das Buch. Marion Zimmer Bradley hat einmal zum Tod einer Hauptfigur in ihrem Darkoverbuch „Hasturs Erbe“ geschrieben, das sei ihr größter Fehler in den Darkover-Büchern gewesen. An diese Äußerung mußte ich denken, als Francesco starb, denn es erschien mir falsch.


    Dass du um Francesco trauerst, ehrt mich als Autorin. Ich will ja Gefühle wecken. Und ich hoffe, du nimmst es mir persönlich nicht übel ;-) Nein, ich denke nicht, dass ich es im Nachhinein bereue, dass ich ihn habe sterben lassen. Für mich war die Szene rund mit dem Moment, in dem er erfährt, dass Chiara ihn endlich liebt.


    Zitat

    Willem erkennt, was er für einen Fehler gemacht hat. Am Ende des letzten Kapitels heißt es, er will es bei Paula versuchen. Im Epilog steht als Aussage des Zaren auf Seite 501, daß Dr. Albrecht seine Töchter hervorragend verheiratet habe. Auf Seite 507 ist jedoch von Willem bzw. einem Ehemann von Paula keine Rede. Ich will mal hoffen, daß Willem sich beim Rundblick des Zaren nur gerade gebückt hatte, so daß der ihn nicht sehen konnte. ;-)


    Okay, ich hätte Willem und Paula noch einmal in der jubelnden Menge extra hervorheben können, aber ich bin davon ausgegangen, dass es nach der Aussage des Zaren auf S. 501, dass Dr. Albrecht seine Töchter erstklassig verheiratet hat, keinen Zweifel mehr am Glück der beiden gibt.


    Zitat

    Der Zar ist eine widersprüchliche Persönlichkeit. Einerseits ganz Kind seiner Zeit und Tradition (Peitsche und Knute), andererseits (für seine Zeit) hochmodern. Der Umgang mit ihm muß schwierig gewesen sein. Jedenfalls eine schillernde Person, mit der ich mich sicher noch einmal näher befassen werde.


    Kennst du den DVD-Vierteiler "Peter der Große"? Großartige Unterhaltung und historisch sehr genau! Leider lässt der Film die Gründung St. Petersburgs aus. Aber für mehr Informationen über den Zaren ist der Film ideal. Er basiert übrigens auf dem Buch von Robert K. Massie, das als erzählendes Sachbuch auch überaus unterhaltsam zu lesen ist.


    http://amzn.to/2ewfgCj



    Zitat

    ich habe einige von Tinas Romanen gelesen, dieser hier - wie formuliere ich das jetzt diplomatisch, wenn mir Diplomatie nicht liegt? - erscheint mir aber von allen, ohne daß ich das rational begründen könnte, als der stilistisch am meisten entwickelte. Relativ bald beim Lesen hatte ich das Gefühl, daß sich der Verlagswechsel (und damit vermutlich auch Lektoratswechsel) gelohnt und dem Buch gut getan hat. Ich empfinde den Schreibstil wesentlich „runder“ und (für mich) besser und flüssiger lesbar als etwa in der Wolga-Trilogie. Ich habe es gerne „ausufernd“ in Büchern, diesem meinem Lesebedürfnis hat das Buch weitgehend entsprochen. Wie gesagt, ich kann es weder rational begründen noch an irgend etwas genau festmachen. Aber ich analysiere einen Stil beim Lesen ohnehin nicht, sondern warte ab, wie das Gelesene auf mich wirkt. Und das tat es hier sehr gut.


    Obwohl ich alle meine historischen Romane mit großer Sorgfalt geschrieben und auch stets gut mit dem Lektorat zusammengearbeitet habe, übertrifft die Arbeit, die ich in "Die Stadt des Zaren" gesteckt habe, alles bisherige für mich. Hinzu kommt, dass sich wohl jeder Autor, jede Autorin weiter entwickelt.
    Ich habe die Überarbeitungsgänge nicht gezählt (und es dauert, bis man 530 Seiten überarbeitet hat!), und die Lektoratsdurchgänge kamen dann noch dazu. Nie zuvor war ich von solchem Ehrgeiz gepackt, und die Lektorin wurde nicht müde, mich bis an meine Grenzen zu treiben.
    Ich lese das jetzt mit großer Freude, dass man dieses Herzblut spürt, das ich in den Roman gesteckt habe, SiCollier.


    Auch dir, Lumos, ein herzliches Dankeschön :knuddel1

  • Zitat

    Original von Tina
    Wir befinden uns Anfang des 18. Jahrhunderts, da ließen sich die Frauen mit Korsetts schmale Taillen schnüren und trugen über Gestellen weite Röcke.


    Mit andern Worten, etwas flapsig ausgedrückt: von eng über weit wieder zurück zu eng.



    Zitat

    Original von Tina
    Gute Frage, SiCollier. Ich habe mir hier die Freiheit genommen, diesen Windhund nicht auf die Nase fallen zu lassen, wobei mir durchaus bewusst war, dass ich dadurch mit den Erwartungen der Leser spiele. Kennt nicht jeder von uns solche Typen, denen durch ihre Ausstrahlung alles zufliegt, obwohl sie charakterlich wenig zu bieten haben?


    Ja sicher, drum war das ja so ärgerlich: nicht mal im Buch haben diese Typen Pech. ;-)



    Zitat

    Original von Tina
    Dass du um Francesco trauerst, ehrt mich als Autorin. Ich will ja Gefühle wecken. Und ich hoffe, du nimmst es mir persönlich nicht übel


    Nein, übel nehme ich es Dir nicht. Ich war nur völlig überrascht. Es wurde mehr als deutlich, daß beim Bau von St. Petersburg unzählige Menschen ihr Leben lassen mußten. Da war es zu erwarten, daß das auch einige aus dem „Personal“ des Buches treffen würde, nur bei Francesco empfand ich es als besonders unfair. Aber, ich meine, es war im Herrn der Ringe (Film, bin mir aber nicht sicher), in dem der Satz fiel: seit wann ist das das Leben fair?



    Zitat

    Original von Tina
    Okay, ich hätte Willem und Paula noch einmal in der jubelnden Menge extra hervorheben können, aber ich bin davon ausgegangen, dass es nach der Aussage des Zaren auf S. 501, dass Dr. Albrecht seine Töchter erstklassig verheiratet hat, keinen Zweifel mehr am Glück der beiden gibt.


    Die Aussage des Zaren war eindeutig. Aber da gab es halt den Tod von Francesco, der mich etwas verunsichert hat, und - ich gebe es zu - ich hatte während dem Lesen schon mal in die Rezis und diesen Abschnitt der Leserunde hineingelinst und da etwas von „ungewiß, wie es den Figuren am Ende geht“ (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert) gelesen, was zusätzlich bei mir etwas verunsichernd wirkte.


    Bei der Gelegenheit ist mein Eindruck, daß alle wesentlichen Fäden sehr wohl zu einem Ende geführt worden sind, oder jedenfalls so weit (z. B. Zoja), daß ich als Leser damit zufrieden sein kann. Würde ich das anders empfinden, hätte ich es sicherlich geschrieben.



    Zitat

    Original von Tina
    Kennst du den DVD-Vierteiler "Peter der Große"?


    Nein, kenne ich leider noch nicht. Da der aber jetzt schon mehrfach erwähnt wurde, werde ich mir den demnächst besorgen. Desgleichen das Buch von Massie, was ja auch im Nachwort empfohlen wird.



    Zitat

    Original von Tina
    Ich lese das jetzt mit großer Freude, dass man dieses Herzblut
    spürt, das ich in den Roman gesteckt habe, SiCollier.


    Allerdings spürt man das mE sehr deutlich. Mir ist das schon im ersten Leseabschnitt aufgefallen, wollte mit meiner Äußerung aber bis zum Ende warten. Die viele Arbeit hat sich auf jeden Fall mehr als gelohnt! Das heißt nicht, daß die vorigen Bücher nicht gut waren (sonst hätte ich mich zu dem hier ja gar nicht erst angemeldet, wenn ich mit den vorigen unzufrieden gewesen wäre), aber bei der „Stadt des Zaren“ merkt man schon deutlich, daß da besonders viel hineingesteckt wurde.


    Ich freue mich jedenfalls auf das nächste St. Petersburg Buch, was im Nachwort ja mehr oder weniger schon angekündigt wird und hoffe sehr, daß es dazu hier wieder eine Leserunde geben wird.


    Einstweilen auf jeden Fall vielen Dank für die engagierte Begleitung der Leserunde! :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe gestern Nacht ebenfalls das Buch beendet und war sehr zufrieden. Vielleicht lese ich aus einem anderen Ansatz heraus als andere hier? Das Fäden zuende gebracht werden, finde ich auch wichtig. Ich bin aber der Meinung, dass das hier ausreichend geschieht. Emilio wird zukünftig von Kostja versorgt und damit verschwindet dieser Handlungsstrang. Ob sich Emilio bspw. mit der Ziege anfreundet und später sein Abitur macht, und was nun dieser kurz vor der Hochzeit noch versetze Apotheker zukünftig macht und ob das Kind von Helena und Erik ein Junge oder ein Mädchen wird oder oder oder. Ich finde, diese Wünsche gehen am Ziel des Buches (bzw. an meinem Ziel des Buches) weit vorbei. Auch wenn ich natürlich diese Wünsche nachvollziehen kann und die Äußerungen auch alle völlig legitim sind.


    Für mich bietet dieser Roman ein buntes Kaleidoskop an potenziellen Schicksalen, dies sich 1703 bis 1712 beim Aufbau von St. Petersburg so ergeben haben könnten. Es wird dargestellt, dass sich dort ein buntes Sammelsurium von Menschen jeder Herkunft mit vielen unterschiedlichen Zielen und Wünschen treffen. Gleichzeitig enden viele Schicksale und Hoffnungen tragisch mit dem Tod. "St. Petersburg wurde nicht nur auf Sumpfgebiet, sondern auch auf Skeletten errichtet" ist sinngemäß ein geflügeltes russisches Wort. Das Buch motivierte mich, mich mal wieder recht viel parallel im Internet über die realen Ereignisse zu informieren und mein bislang schwammiges Bild der russischen Geschichte etwas dichter zu gestalten. Gleichzeitig war ich froh, die Stadt schon zu erkennen und mir vieles auch bildhafter vorstellen zu können. Der Bedeutungsgrad der Wassiljewski-Insel war mir z. B. vor Lektüre dieses Romans gar nicht so bewusst, aber jeder nimmt sowohl bei einem Stadtbesuch als auch bei einer Buchlektüre andere Dinge wahr und wertet dieses dann auch unterschiedlich. Mir haben die Stunden, die ich mit diesem Buch verbringen durfte sehr gut gefallen und ich freue mich auf weitere St. Petersburg-Bücher von Tina.

  • Das St. Petersburg, das man heute besucht und liebt, ist vor allem die Stadt der Zarinnen Elisabeth (Tochter von Peter dem Großen) und Katharina der Großen (deutsche Prinzessin, verheiratet mit einem Enkel Peter des Großen).


    Die Gründungsgeschichte erfährt man heute am ehesten noch auf der Peter-Paul-Festung und im bescheidenen ersten Haus des Zaren, das zu einem Museum gestaltet wurde.


    Danke für die Links, Xexos! Im Oktober bin ich wieder da. Recherchereise gebucht :-)

  • Das mit dem Erschlagen war damals auch unser Eindruck. In Moskau und St. Petersburg (zusätzlich noch Peterhof, Katharinenpalast, Erlöserkirche, U-Bahn-Stationen ... allein in der Eremitage kann man mehrere Tage zubringen) gibt es so viel zu sehen, dass ich irgendwann nur noch im Park gesessen habe und den Anblick der Isaaks-Kathedrale genoss. :grin
    Und die Orte die Tina hier genannt hat (erstes Wohnhaus von Peter) habe ich damals sogar noch auslassen müssen.

  • Zitat

    Original von xexos
    Das mit dem Erschlagen war damals auch unser Eindruck. In Moskau und St. Petersburg (zusätzlich noch Peterhof, Katharinenpalast, Erlöserkirche, U-Bahn-Stationen ... allein in der Eremitage kann man mehrere Tage zubringen) gibt es so viel zu sehen, dass ich irgendwann nur noch im Park gesessen habe und den Anblick der Isaaks-Kathedrale genoss. :grin
    Und die Orte die Tina hier genannt hat (erstes Wohnhaus von Peter) habe ich damals sogar noch auslassen müssen.


    Kann ich gut nachvollziehen.
    Als ich das erste Mal in Florenz gewesen bin, hatte ich irgendwann das Gefühl keine einzige weitere Deckenmalerei mehr anschauen zu können.
    Beim dritten Mal haben wir uns nur in Straßencafes oder Parks gesetzt und die Atmosphäre genossen :-).

  • Mal von den Bilderchen weg und wieder zurück zum Buch. ;-)


    Zitat

    Original von Rouge
    Zojas Flucht fand ich auch passend. Auch wenn natürlich nichts einen Mord rechtfertig, kann ich es gut nachvollziehen, wie es so weit kommen konnte.


    Um das Mitfühlen ein wenig leichter zu machen: Für mich hätte Zoja (nach deutschem Recht) gute Chancen mit Notwehr davonzukommen. In beiden Fällen wurde sie bedroht und angegriffen und hat sich dann letztlich nur selbst geschützt.

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Was mich immer noch erstaunt (und die Bewunderung für die Menschen damals um so größer werden läßt) ist, daß sie es geschafft haben, diese Stadt in sumpfigem Gelände zu erbauen. Ich entsinne mich, als vor Jahren bei Hanau die BAB 66 Richtung Frankfurt neu gebaut wurde - das gab ziemliche Probleme wegen sumpfigem Gelände. Ich weiß nicht mehr wie, aber es war nicht einfach, die zu lösen. Wie viel weniger technische Mittel hatten die Menschen damals!


    Echt, ist dieser Teilabschnitt bei Schlüchtern endlich fertig? Hat ja auch nur 20 oder 30 Jahre gedauert, oder? :grin


    Man darf bei diesem intertemporären Vergleich aber nicht vergessen, dass es heutzutage eine Unmenge an Bauauflagen, Arbeitsschutz, Finanzierungsdiskussionen etc. gibt, was so etwas heute auch alles - sehr begründet - ewig in die Länge zieht. Würde in Hessen heutzutage ein Zar herrschen, ginge der Autobahnausbau auch rascher voran ... eventuell aber auch unter Verlust mehrerer Menschenleben. Die technische Leistung von früher wurde sich ja oft sehr teuer erkauft.

  • Zitat

    Original von xexos
    Echt, ist dieser Teilabschnitt bei Schlüchtern endlich fertig? Hat ja auch nur 20 oder 30 Jahre gedauert, oder? :grin


    Nicht nur dieser Abschnitt - seit einigen Jahren ist die BAB 66 zwischen Frankfurt/M. und Fulda Süd vollständig in Betrieb! :chen Ich bin mir da ziemlich sicher, weil ich diese Strecke schon öfters gefahren bin. :grin


    Das Stück, von dem ich schrieb, war allerdings nördlich von Hanau (vom FFM aus gesehen) noch vor dem Hanauer Kreuz. Da war von einer durchgehenden Autobahn zwischen FFM und Fulda erst in den Anfängen die Rede, wenn überhaupt.


    Ich wollte auf die Schwierigkeiten, die ein sumpfiges Gelände auch heute noch mit sich bringt, hinweisen. Mein Respekt vor den Altvorderen, daß die solche ohne unsere heutigen Methoden gelöst haben, ist schier gewachsen. Und der BAB 66 Bau bei Hanau war Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre - ist also auch schon wieder eine Weile her.



    Zitat

    Original von xexos
    Man darf bei diesem intertemporären Vergleich aber nicht vergessen, dass es heutzutage eine Unmenge an Bauauflagen, Arbeitsschutz, Finanzierungsdiskussionen etc. gibt, was so etwas heute auch alles - sehr begründet - ewig in die Länge zieht.


    Was zur Folge hat, daß manchmal gar nix mehr geht. Wenn dann noch irgendwo eine Art Lurch, Molch oder wasweißich auftaucht, gibt es weder Autobahn noch sonstige Straße. Höchstens Gemecker über die Umweltverschmutzung, weil der Verkehr ewige Umwege fahren muß - weil eben die Autobahn nicht gebaut werden darf. Aber das führt zu weit ins OT.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Aber das führt zu weit ins OT.


    Ein wenig, daher wieder mal zurück zu unseren Russen und nach St. Petersburg. ;-)


    Zur Anerkennung an frühere technische Leistungen kann auch dies dienen: Technische Herausforderungen


    Zar Peter hat anschließend an den Transport einen schönen Platz mit Blick auf die Newa und den Menschikow-Palais bekommen: [URL=https://www.google.de/maps/place/Der+eherne+Reiter/@59.9375362,30.301351,1083m/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x4696311969a2145d:0x72b3cdb5229676ea!8m2!3d59.9363783!4d30.3022304?hl=de]Google Maps[/URL]

  • Das Denkmal von Peter dem Großen hat Katharina die Große für ihn errichtet. Sie sah sich als seine wahre Nachfolgerin - zwei große Geister im 18. Jahrhundert :-)



    Übrigens, wie ich auch im Nachwort schreibe: Wie schwierig der Boden zu handhaben ist, auch für moderne Baumeister, sieht man heute noch an den überaus tief gelegenen U-Bahn-Stationen. Auf der Rolltreppe abwärts fühlt man sich wie auf direktem Weg zum Erdkern :-)

  • Noch mal ganz direkt zum Buch. Die Sprache hat mir sehr gut gefallen und sie klang - soweit ich das einschätzen kann - sehr authentisch. Einmal stutzte ich aber etwas. Willem verlieh mal sein Werkzeug als er in der Kunsthandwerkstatt neu war. Dies kommentierte er dann mit den Worten “Wiedersehen macht Freude“. Ist dieser Ausspruch für dieses Buch nicht etwas zu modern?

  • Gestern Abend habe ich diesen Abschnitt beendet, und besonders dieser Teil hat mir viel Lesefreude gebracht.


    Helena bekommt ihren Erik wieder (und ihre himmelblauen Kleider
    :-]) gerade, als sie sich für die Hochzeit mit einem anderen rüstet. Paula ist ernster geworden, sie ist schon eine richtige Ärztin, die ihrem Vater hilft - aber trotzdem auf "ihren" Holländer wartet.


    Francesco stirbt. als er seinen Neffen rettet. Aber vorher springt er über seinen eigenen Schatten und stellt sich seinen Ängsten um Chiara zu helfen. Ihm hätte ich gegönnt, dass er noch länger lebt und war bei seinem Tod traurig.


    Matteo kommt mit seinen Schwindeleien durch - ich glaube, ich hätte ihn lieber mal versagen sehen.... :gruebel (zugunsten seines Bruders und Chiara).


    Zoja's Flucht und der Mord an der Gräfin ist sehr stimmig. Für sie hätte es kein anderes Ende geben dürfen.


    Und das gerade Kostja den kleinen Emilio zu sich nimmt finde ich sehr schön! Er hat jetzt jemanden der bei ihm ist.


    Alles in allem fand ich den Roman in sich sehr "rund". Die einzelnen Handlungsstränge fügten die verschiedensten Personen zueinander. Und das Stadtfest ist ein sehr schönes Ende für diesen Roman, in dem die Personen alle noch einmal auftreten.


    Vielen Dank für die schönen Lesestunden Martina! :kiss