'Marlenes Geheimnis' - Seiten 383 - Ende

  • Viele Überraschungen gab es ja am Ende nicht, was die Auflösung der Rätsel um Eva, Marlene und Vicky betrifft. Der schmierige Herr Raible hat sich praktischerweise auch gleich selbst abgeschossen.

    Es ging mir ein bisschen zu schnell. Dieser doppelte Familienrat, das Geheimnis wird gelüftet, und das war’s dann schon. Dabei müssten an dieser Stelle die Gespräche der Beteiligten doch eigentlich erst richtig anfangen und es hätte noch einmal richtig spannend werden können: Wie gehen die einzelnen Figuren mit den Wendungen und Überraschungen in ihrem Leben um? Was ist jetzt mit Leni und Vicky, gelingt ihnen eine späte Versöhnung, zu der das Aufdecken und Aussprechen der Wahrheit ja nur ein erster notwendiger Schritt ist? Was ist mit Nane und Simon? Erlebt er noch gewisse Erkenntnisse im Blick auf Kathi und sein Kind? Eine tiefere Auseinandersetzung der „jungen Generation“ mit dem Vermächtnis des alten Bentele fehlt mir. Und sein Verhältnis zu Eva ist mir überhaupt nicht klargeworden. Wieso hat er ständig in ihrer Küche gesessen und dabei entspannt gewirkt, wenn er sich doch eigentlich immer nach ihr verzehrt hat? Ist mir da etwas entgangen? Vor allem aber wüsste ich gern, wie Leni nun damit zurechtkommt, dass sie nicht Marlene, sondern Milena ist – wie nimmt sie es auf, eine andere zu sein als die, die sie fast ihr ganzes Leben lang zu sein geglaubt hat?


    Und was kommt nach den Enthüllungen und ihrer emotionalen Verarbeitung durch die ProtagonistInnen? Ein kleiner Ausblick auf Nanes Zukunft mit Dr. Rossi ist alles, was hier geboten wird. Ja, sie wird wahrscheinlich die Brennerei übernehmen, das kann man sich ja denken. Was ist mit den anderen Figuren?

    Ich glaube, ich hätte mir am Ende einfach einen netten Epilog gewünscht, der nochmal die wichtigsten Figuren aufgreift, ihr neues Verhältnis zueinander in ein paar aussagekräftigen Bildern oder Anekdoten anreißt und eine gewisse Idee von ihrem weiteren Lebensweg vermittelt.


    Auch mit dem Titel bin ich, ehrlich gesagt, nicht so glücklich, denn „Marlenes Geheimnis“ impliziert für mich, dass Marlene etwas wusste und absichtlich verheimlicht hat. Es kommt am Ende aber eher so heraus, dass sie sich ihrer tatsächlichen Abstammung nie bewusst war und erst mit den Namen der Kinder von der Lidice-Liste ihre Erinnerung an ihre Freundinnen und das Feuer wieder auftaucht, das sie so lange in ihren Träumen gequält hatte. Hätte das Buch da nicht eher „Evas Geheimnis“ heißen müssen? Auch wenn Eva ebenfalls nicht wusste, wer Leni tatsächlich war. Aber sie wusste zumindest, dass sie nicht ihr leibliches Kind war.


    Unterm Strich kann ich aber sagen, dass das Buch höchst spannend war und ich es an zwei Tagen (oder eher Nächten) weginhaliert habe. Auch wenn meine Kommentare gegen Ende ein bisschen enttäuscht klingen mögen - das bezieht sich auf bestimmte Ausschnitte des Ganzen; es war insgesamt ein tolles Buch und ich bin sehr froh, es gelesen zu haben. :-)


    Mit der Rezi warte ich noch ein bisschen - vielleicht stellt sich mit den Gesprächen hier manches auch nochmal anders dar. Das Thema muss sich bei mir auch noch ein wenig setzen.

  • Benteles Aufzeichnungen fand ich ehrlich gesagt ziemlich abstoßend. Er ist ja wirklich total auf sich fixiert gewesen. Eva hat ihm nie wirklich schöne Augen gemacht und doch ist sie verantwortlich dafür, dass es ihm schlecht geht. Allein ihre bloße Existenz macht ihn schon an. Seine Frau braucht er nur der Weinberge wegen und um nen Statthalter zu zeugen. Ansonsten könnte sie auch tot sein.


    Eva wird also auch einmal schwach, wohl auch weil sie Toni zwar schätzt aber die körperliche Leidenschaft vermisst. Ob Eva wohl wusste wer Viktorias Vater war? Ob Viktoria da mir ihrer Mutter jemals drüber gesprochen hat? Mit seinen Behauptungen Viktoria gegenüber hat er sie dann auch vertrieben. Dass sie und Robert nicht zusammengepasst hätten, ist ja das eine, aber so konnten sie es auch nie herausfinden. Und die Auberlin-Familie hat sich Viktorias Weggang wegen jahrelang entweder angeschwiegen oder gezofft.


    Schade fand ich, dass nach der ersten Enthüllung nichts mehr kam, was auch die Benteles betroffen hat. Das hätte man definitv noch ein wenig ausbauen können. Generell kam mir das Ende insgesamt zu früh, ich hätte gerne noch mehr von Nanes Neuanfang in der Brennerei gelesen und ob Raibles Schummeleien noch ein Nachspiel gehabt haben. Und auch wie Simon es verkraftet, dass sich Nane an Fabio hält und ob er es endlich schafft seinen Sohn anzuerkennen.


    Insgesamt habe ich das Buch wirklich gerne gelesen, Die Geschichte der Sudetendeutschen und deren Vertreibung war tatsächlich noch einmal Neuland für mich. Eva hat mir als Figur gut gefallen, vor allem ihre Entwicklung. Von Toni hätte ich gerne noch mehr erfahren, der ist ein wenig blass geblieben. Und die Beschreibungen vom Bodensee und von Rupperts Bildern, haben beides vor meinen Augen entstehen lassen.

    Alles in allem ein tolles Buch, auch wenn ich am Ende gerne noch mehr erfahren hätte.

  • :write

    Die Sache mit dem Titel kam mir auch in den Sinn. Marlene hatte ja eigentlich kein Geheimnis, das hatte ja eigentlich Eva. Und eigentlich war es ja keine schlimme Sache, sie hat sich ja eines Kindes angenommen, das Hilfe gebraucht hat.

    Wobei ich es schon krass finde, da bekommen Eltern ein Kind zur Adoption und lassen es dann einfach zurück :nono Zu mindestens kam es für mich so rüber.

  • Das Verlieben in Fabio Rossi hätte der Roman nicht gebraucht. Nane hätte auch ohne Verlieben und Steuerbetrüger Martin Raible ihre Zukunft in der Nachfolge von Eva sehen können.

    .
    Gut und schön am Ende der Geschichte ist, dass Eva und Marlene sich in den Armen liegen, das Wort Versöhnung möchte ich nicht schreiben


    Marlenes Alpträume führen sie seit 70 Jahren zu dem schrecklichen Kindheitserlebnis mit dem Ausrotten ihrer Familie und dem Dorf Lidice zurück. Traurig, wie lange dieses Leid ihren Schlaf stört.


    Mir war die Geschichte/ das Geheimnis früh etwas zu stark vorhersehbar und dies auf Kosten von Spannung.


    Dass nun ausgerechnet Bentele der Stofftierkäufer war nach dem Töten der männlichen/ Abtransport der weiblichen Bewohner und Zugrundemachen des kleinen Ortes Lidice? Sorry, mir sind das zu viele Zufälle!


    Bentele möchte Eva ein Kind machen und nutzt seine Chance… die angebliche Tochter Victoria verguckt sich in Benteles Sohn und der Enkel rechnet sich Chancen bei seiner früheren Spielkameradin Nane aus. Der Enkel ist junger Vater, die Kindsmutter Enkelin der Frau, die damals Eva und Marlene bei der Ankunft am Bodensee hat bei sich wohnen lassen.


    Der Roman lässt sich gut weglesen, die Wechsel in der Erzählperspektive verwirren nicht, doch hatte ich mir mehr vom Buch versprochen. Ich bin interessiert an 2. WK und den Folgen für die Menschen in Vergangenheit und Gegenwart. Ich habe das Buch zugeklappt und glaube kaum, dass die Geschichte nun noch in mir nachklingen/ mich beschäftigen wird. Es hat mir zwar gefallen, doch schade, dass es mich nicht mehr begeistern kann.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Dieser letzte Teil hat für mich schon so einiges an Überraschungen gebracht.


    Zuerst Benteles Tagebuch: er ist bestimmt ein schlechter Mensch, ein Kriegsverbrecher, aber auch eine tragische Figur. Das einzig ehrliche Gefühl für einen anderen Menschen empfindet er für Eva. Mir scheint, er hat sie wirklich geliebt. Auch wenn sich das in seinem verdrehten Gehirn sehr seltsam äußert. Seine Liebe wird zur Besessenheit, in deren Folge er nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben seiner Frau verbittert.


    Überrascht hat mich auch die Leidenschaft, die Eva in jener Nacht für Bentele entwickelt hat. Dass es dann einen DNA-Test gab, der bewies, dass Bentele nicht Vickys Vater ist, fand ich gut. Ich hatte schon ein Melodrama befürchtet ;)


    Der Showdown, den Nane zwischen den verfeindeten Familien inszeniert, ging mir zu schnell. In einem einzigen Gespräch lässt sich jahrzehntelanger Groll wirklich klären?


    Ja, und dass wirklich Bentele einer der Schlächter von Lidice war: schon ein SEHR großer Zufall. Obwohl mir die kleine Episode mit Lenis Igel schon gefallen hat.


    Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Buch mit großem Interesse gelesen habe. Mehr dazu dann in der Gesamtrezension.


    Und nicht zu vergessen: danke an Brigitte, die so engagiert und aufmerksam diese Leserunde begleitet. :bluemchen

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Das mit dem Zufall kann man so sehen. Ich habe mich intensiv mit der Figur des Hermann Bentele auseinandergesetzt. An ihm wollte ich zeigen, wie sehr Soldaten der Wehrmacht (oder Mitglieder der Polizei) in Nazi-Deutschland schuldig geworden sind-. Sie "mussten" gehorchen - und sie trotzdem zu Mördern geworden, die speziell im Osten unvorstellbare Grausamkeiten angerichtet haben. Und was war dann, als sie nach 45 nach Hause kamen - verwundet an Leib und Seele? Wie haben sie sich dann verhalten?

    Einfach wieder die Aktentasche oder die Schaufel gepackt und zum Tagesgeschäft übergegangen?

    Hermann Bentele wollte mehr, und er wollte anderes: Besitz, Macht und Eva. Und dafür war er zu vielem bereit ... sie aber hat sich f. Toni antschieden, obwohl es durchaus etwas gab, das sie zu diesem "Macher" hingezogen hat. Deshalb diese eine Liebesnacht, deshalb auch seine späteren Besuche bei ihr, die sie ja lange Zeit geduldet hat ... Ich denke, sie hat seine Verwundung gespürt, weil ja auch sie durch Jans Tod und die Fehlgeburt sehr verletzt war ... diesen "verwundeten" Männern werde ich in meinen nächsten Romanen über die Nachkriegszeit intensiv nachgehen.

    Für mich ein Thema, zu dem sich noch vieles zu erzählen lohnt ...

  • Ich glaube, Hermann Bentele ist wie die meisten nicht ganz ohne Traumatisierung aus den Ereignissen des 2. Weltkrieges gekommen. Die Einen sind zerbrochen, solche wie Bentele vielleicht noch härter geworden. Aber in seinen Aufzeichnungen kommt er schon monströs rüber. Dass sich Eva rein körperlich von ihm angezogen fühlt ist, obwohl sie ihn eigentlich nicht leiden kann, mutet seltsam an, aber so was soll es öfter geben. Verstand und Gefühl und sexuelle Anziehung gehen manchmal auseinander, zumindest bei manchen Menschen.

    Mir fehlt gerade bei Eva ein bisschen die Tiefe. Ihren Gefühlen und Beweggründen kann ich mit dem Verstand nachspüren, aber ich fühle sie nicht beim Lesen. Möglicherweise liegt es an der Erzählperspektive. Gleich am Anfang, auf S. 39 erklärt sie in ihrem Brief an Nane, warum sie schreibt, als erzähle sie die Geschichte einer anderen, aber ich glaube, das hat sie mir durchgehend auf Distanz gehalten. In der Ich-Form und näher an ihr dran, hätte es mir vielleicht noch besser gefallen.

  • das kann ich gut verstehen. Die Ich-Perspektive hat den Vorteil, dass alles noch authentischer wirkt, und ich bediene mich in anderen Formaten sehr gern dieses Stilmittels. Sie besitzt aber auch entscheidende Nachteile: Sobald das "Ich" aus dem Raum ist, weiß auch der Leser nicht mehr, was dann passiert. Er kommt und geht gwissermaßen mit dem "Ich". Das war mir angesichts der Schwere und Komplexität dieses Themas einfach zu wenig. Deshalb habe ich Evas Geschichte auktorial (Begriff aus der Germanstik: der allwissende Erzähler) geschrieben.

  • danke für diesen Beitrag! Welche Erzählform man für welches Thema wählt, will von Anfang an gut überlegt sein. Zwischendrin zu wechseln, wird nämlich eher schwierig. Ich fand es für Evas Erzählung so am angemessensten. Deshalb habe ich auch die Sprache eher zurückhaltend gewählt - ich hätte in manchen Szenen noch wesentlich drastischer werden können (wäre mir nicht schwergefallen), aber ich dachte, das Erzählte spricht für sich - und reicht auch so ...

  • meine Lieben, jetzt tut sich hier nichts mehr. Frage an euch: Ist für euch die Runde beendet - oder habe ich irgendetwas verpasst?

    Ich pendle im Moment ständig zwischen Kankenhaus (meiner Mama geht es leider gar nicht gut) und Schreibtisch hin und her: Sind alles andere als leichte Wochen. Da kann man leider schon mal was übersehen ...

    Gebt ihr bitte kurz Bescheid?

    Herzlich und danke

    Eure Brigitte

  • Liebe Brigitte, ich kann leider auch nicht abschätzen, ob noch Postings kommen. Aber ich denke, niemand kann von dir erwarten, immer sofort zu antworten. Du hast doch eh schon so viel hier geleistet :)


    Meiner Meinung nach solltest du dich jetzt vorrangig um deine Mama kümmern und auch um deine berufliche Arbeit.


    Es genügt sicher, wenn du nur dann ins Forum schaust, wenn es deine Zeit erlaubt. Niemand wird dir böse sein, wenn die Antworten einmal länger auf sich warten lassen.


    Alles Gute für dich und auch für deine Mutter :bluemchen

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich sehe das genauso - das echte Leben hat immer Vorrang!

    Vielen lieben Dank nochmal für die engagierte Begleitung der Leserunde! :bluemchen



    Und falls dir das irgendwie weiterhilft: Du kannst dein Nutzerprofil so einstellen, dass du bei neuen Beiträgen in "deinen" Threads automatisch eine Benachrichtung per E-Mail bekommst, also nicht forenintern, sondern auf die normale externe E-Mail-Adresse. Das geht, wenn ich es selbst richtig verstanden habe, so:


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    Deiner Mutter alles erdenklich Gute!!!