'Lange hatte ich Angst in der Nacht' - Seiten 084 - 153

  • Buchdoktor dein Gefühl, dass es zu Konflikten in der Klasse kommt, hat sich bestätigt.

    Das Verhalten der Adoptiveltern fand ich gut. Sie stellen erstmal keine Ansprüche. Auf die Konflikte in Afrika wird in der Schule nicht eingegangen. Nur auf die Kolonialzeit. Ich denke, deswegen wird hier wenig über die Ereignisse geschrieben.

    Es geht in diesem Roman mehr um die Traumabewältigung, dies wird im Interview noch deutlich.

  • Kunst oder Literatur mit 16-jährigen Bengeln zu unterrichten harmoniert ja nicht unbedingt mit deren Männlichkeits-Vorstellungen. Da muss nur einer eine dumme Bemerkung machen ...


    Ich hatte zunehmend die Befüchtung, dass Suzanne sich mit Arsènes Geschichte übernimmt, aber das Beobachten, wie sie sich hält, hält auch die Spannung hoch.


    Habt Ihr inzwischen den Eindruck, dass die Geschichte eines Jugendlichen erzählt wird oder ist es bis hierher noch die Geschichte eines Kindes? Evtl. muss Arsènes in seiner Entwicklung erst die Kindheit nachholen, bevor er sein tatsächliches Alter einholt. Das Verarbeiten der Vergangenheit mit einem Objekt hatte ich bisher eher dem Kindergartenalter zugeordnet. Da funktioniert es prima.


    Die Geschichte verschiebt auch einige Klischees über Adoption in den Papierkorb. Es ist harte Arbeit und nicht nur eitel Freude und Sonnenschein mit ewig dankbaren Kindern ... Arsénes Eltern haben das offenbar von Beginn an prima hingekriegt.


    Am Anfang dacht ich, so eine kurze Erzählung liest du schnell mal durch, aber Kürze sagt hier wenig über den Gehalt aus ...

  • Ich frage mich gerade, wieviel autobiografisches in der Geschichte ist. Der Vater der Schriftstellerin im Buch hat den denselben Nachnamen, wie die Autorin. Die Autorin unterrichtet auch kreatives Schreiben an Schulen.
    Mit dem "Du" redet sie Arsene an, dessen Geschichte sie aufschreibt. Arsenes wird es , denke ich, einige geben, bzw wird sie in ihren Schreibkursen einige Schüler mit ähnlichen Erfahrungen kennengelernt haben.
    Arsene hatte viel Glück mit seinen Adoptiveltern. Sie gaben ihm genau die Zeit, die er brauchte.
    Ich habe den Eindruck, dass die Geschichte eines Kindes erzählt wird. Er musste diese Geschichte aufarbeiten, um sich weiterentwickeln zu können. Bisher hat er ja nur verdrängt. Die Aufarbeitung ist schmerzhaft, hilft ihm aber zu heilen und gleichzeitig hilft er, der Autorin zu heilen, die das Trauma um den Verlust ihres Vaters nie richtig verschmerzt hat.
    Die Passagen mit seiner Oma, die ihm immer Zeichen gibt, so zb als er geflüchtet ist, um das Mädchen , das ihm half nicht in Gefahr zu bringen, die ihm ein Zeichen gibt, dass seine Adoptiveltern ok sind fand ich sehr gut. Das passt zu dem afrikanischen kleinen Jungen, der spürt und dem es Trost gibt, dass seine Oma über ihn wacht, so wie sie ihn auch gerettet hat.

  • Es ist die Geschichte eines Kindes, seine Flucht und sein Ankommen in Frankreich.

    Ob man mit kreativen Schreiben und Beschreibung der Gegenstände 16 jährige damit ködern kann, keine Ahnung. In der Klasse sind ja nicht nur Flüchtlinge.


    Auf Seite 49 heisst die Adoptivmutter Paulé und auf Seite 143 plötzlich Annie.


    Die Begegnung mit Assia vermittelt nochmal das verschiedene Aussehen dieser beiden Volksstämme. Uns würde das wahrscheinlich nicht auffallen.

    Die Szene als Arséne zum ersten Mal lächelte und seine Adoptiveltern seine weissen Zähne bewunderten, erinnerte mich an meine Mutter. Sie war genauso fasziniert davon, denn sie hatte ihre erste Begegnung mit einem Afroamerikaner, der lachte, gleich nach Kriegsende.



    Es war ein sehr intensives Leseerlebnis.

  • Ob man mit kreativen Schreiben und Beschreibung der Gegenstände 16 jährige damit ködern kann, keine Ahnung. In der Klasse sind ja nicht nur Flüchtlinge.

    ...

    Die Gegenstände sollen die Geschichte erzählen, d. h. der Schreiber muss die Perspektive wechseln. Hier hat das den Vorteil, dass der Erzähler selbst nicht als Opfer auftreten muss.


    Perspektivwechsel lässt sich mit Jugendlichen im Unterricht sehr gut durchführen. Z. B. Erzähle aus der Sicht eurer Katze über eure Familie ...

  • Ich habe das Buch heute begonnen und bin noch gar nicht weit gekomme, da es in meinem Umfeld zu unruhig war, doch einen Eindruck möchte ich schon kurz festhalten; Wie oft bei Leserunden hatte ich nur die Ankündigung vor einiger Zeit gelesen und die auch schon fast wieder vergessen. Ganz bewusst lese ich keinen Klappen- oder Buchrückentext, wenn ich ein LR-Buch bekomme, denn ich habe festgestellt, dass ich dann sehr unvoreingenommen an das jeweilige Thema herangehe.

    Als ich hier begonnen habe, war ich ein wenig skeptisch, ob mal wieder ein Autor ein aktuelles Thema ausgesucht hat, um auf die Tränendrüsen zu drücken.

    Ehrlich gesagt, bin ich es auch jetzt noch, aber der Stil ist gut und so lese ich weiter.

    Ich hatte vor gar nicht allzulanger Zeit "Kleines Land" gelesen und das passt sehr gut hierzu. Mal sehen, ob mich die Geschichte einfangen kann...

  • Ich habe heute die Lektüre beendet und bin weiterhin zwiegespalten in meinem Urteil.

    Arsènes Schicksal finde ich immer noch aufwühlend und zutiefst berührend. Und das wird wohl allen so gehen, die die das Buch lesen. Allerdings wirkt die Geschichte auf mich irgendwie rasch hingeworfen, eine Aufzählung reiht sich an die andere. Da hätte ich mir schon mehr Informationen, mehr Tiefgang gewünscht als dieses Durchhasten.


    Im Gegensatz dazu wird Suzanne nicht müde, ihr "Trauma" immer und immer wieder durchzukauen. Dazu diese unwahrscheinliche Geschichte vom Tabakaroma, das 30 (!) Jahre lang in einen Papierfetzen in einem Kamin bewahrt wurde.

    Suzannes mitleidheischende Art für ihr eigenes ach so schweres Schicksal wertet in meinen Augen Arsène herab.


    Mich hat auch das Lektorat enttäuscht. Nicht nur, dass die Adoptivmutter zwei verschiedene Namen bekam (vielleicht hieß ja der Adoptivvater Paule?) , auch diverse Grammatikfehler und unpassende Ausdrücke müssten in so einem kurzen Text doch zu entdecken und auszumerzen sein.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Mich hat auch das Lektorat enttäuscht. Nicht nur, dass die Adoptivmutter zwei verschiedene Namen bekam (vielleicht hieß ja der Adoptivvater Paule?) , auch diverse Grammatikfehler und unpassende Ausdrücke müssten in so einem kurzen Text doch zu entdecken und auszumerzen sein.

    Guten Morgen,

    dazu möchte ich kurz anmerken, dass ihr Leseexemplare erhalten habt. Ich schicke eure Anmerkungen aber an den Verlag um zu klären, ob die Bücher aus der Auflage die Fehler nicht mehr haben. :wave

  • Hmmm, ich weiss nicht. Eigentlich ein Thema was mich sehr berührt, aber dieses Buch hat mich nicht umgehauen, leider habe ich mich durch die letzten Seiten wirklich durchgequält. Ich kann nicht mal genau sagen, was mich stört. Das Buch ist bestimmt nicht schlecht und da es ja ein Leseexemplar war, hab ich auf Fehler auch nicht geachtet.

    Es hat mich einfach nicht berührt. Zu viel Drama um Suzanne und die Geschichte von Arsene auf eine Art erzählt, die mich nicht überzeugt. Mir fehlte auch die wörtliche Rede, die war ja wenig vorhanden

    Tut mir leid, aber ich bin ehrlich.

  • Ich habe das Buch quasi in einem Rutsch gelesen, so hat es mich gefesselt. Die ungewöhnliche Perspektive in der zweiten Person singular bei Arsenes Geschichte hat mich zuerst irriert, aber da habe ich mich schnell dran gewöhnt

    Ich habe heute die Lektüre beendet und bin weiterhin zwiegespalten in meinem Urteil.

    Arsènes Schicksal finde ich immer noch aufwühlend und zutiefst berührend. Und das wird wohl allen so gehen, die die das Buch lesen. Allerdings wirkt die Geschichte auf mich irgendwie rasch hingeworfen, eine Aufzählung reiht sich an die andere. Da hätte ich mir schon mehr Informationen, mehr Tiefgang gewünscht als dieses Durchhasten.

    Das habe ich gar nicht so empfunden, Arsène erzählt seine Erlebnisse, wie er seine Flucht damals erlebt und empfunden hat, mehr Informationen habe ich da nicht gebraucht.

    Im Gegensatz dazu wird Suzanne nicht müde, ihr "Trauma" immer und immer wieder durchzukauen. Dazu diese unwahrscheinliche Geschichte vom Tabakaroma, das 30 (!) Jahre lang in einen Papierfetzen in einem Kamin bewahrt wurde.

    Suzannes mitleidheischende Art für ihr eigenes ach so schweres Schicksal wertet in meinen Augen Arsène herab.



    Zuerst dachte ich auch, dass Suzannes Trauma mit dem von Arsène quasi gleichgesetzt werden, aber das hat sich im Laufe des Buches gelegt. Ich empfand Suzanne nicht als mitleidheischend und ich finde der Verlust den sie erlitten hat, wird in keinsterweise mit den schrecklichen Erlebnissen von Arsène verglichen.

  • Wie gut das jeder ein Buch auf seine Weise und anders erlebt als andere.. Das macht es spannend

    Es ist schön, dass du so denkst.

    Es ist leider immer wieder so, dass man sich kaum traut, auch nur die leiseste kritische Anmerkung zu einem Buch zu machen, wenn man dieses gratis bekommen hat. Vielleicht sind solche Leserunden wirklich nichts für mich... :)


    Bei meiner abschließenden Rezension werde ich also alles Kritische herausfiltern müssen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Es ist leider immer wieder so, dass man sich kaum traut, auch nur die leiseste kritische Anmerkung zu einem Buch zu machen, wenn man dieses gratis bekommen hat. Vielleicht sind solche Leserunden wirklich nichts für mich... :)


    Bei meiner abschließenden Rezension werde ich also alles Kritische herausfiltern müssen.

    Kritik sollte durchaus angesprochen werden. Auch bei Freiexemplaren;)

    Ich fände es schade, wenn du in deiner Rezi nicht deine Kritikpunkte erläuterst.

  • Es ist schön, dass du so denkst.

    Es ist leider immer wieder so, dass man sich kaum traut, auch nur die leiseste kritische Anmerkung zu einem Buch zu machen, wenn man dieses gratis bekommen hat. Vielleicht sind solche Leserunden wirklich nichts für mich... :) ...

    Wie kommst du jetzt auf die Idee? In einer Leserunde ist man vermutlich kritischer, weil man sich zu dem Buch äußern und seine Meinung begründen soll. Sonst würde man über manches eher hinweglesen - und ein Buch würde sich weniger einprägen.

  • Wie kommst du jetzt auf die Idee? In einer Leserunde ist man vermutlich kritischer, weil man sich zu dem Buch äußern und seine Meinung begründen soll. Sonst würde man über manches eher hinweglesen - und ein Buch würde sich weniger einprägen.

    So sehe ich das auch. In einer Leserunde lese ich sehr viel aufmerksamer und eben auch kritischer, weil ich mir mehr Gedanken sowohl zum Inhalt als auch zu Erzählstil und Sprache mache.



    Wie gut das jeder ein Buch auf seine Weise und anders erlebt als andere.. Das macht es spannend

    Genau, das macht eine Leserunde interessant. Vor allem wenn respektvoll miteinander und auch mit dem Gelesenen umgegangen wird.

  • Ich bin hier, wieder einmal, mehr bei Alice , was meine Eindrücke angeht.

    Suzanne stand ich anfangs sehr offen gegenüber, bereit, sie sypmathisch zu finden mit ihrer Schreibwerkstatt. Doch im Laufe der Erzählung habe ich einen leisen Widerwillen gegen sie entwickelt. Ja, ich fand ihre Art auch selbstmitleidig und ihre selbstsüchtige Gleichgültigkeit der alten Frau gegenüber, die sie mehrfach in "ihrer" Wohnung aufsucht um sich dort fast ausschließlich mit sich selbst und der Trauer um den Vater zu beschäftigen, hat mich sehr unangenehm berührt. Mit Menschen, die so ticken, kann ich einfach nichts anfangen, auch nicht in Büchern. Was natürlich mehr an mir liegt, als an den Büchern, ich weiß ;).


    Es hat mich einfach nicht berührt. Zu viel Drama um Suzanne und die Geschichte von Arsene auf eine Art erzählt, die mich nicht überzeugt

    Am Ende muss ich das leider auch sagen, so schlimm wie es klingt. Denn die Geschichte dieses Flüchtlingskindes ist tragisch und berührend, unfassbar, was er durchgemacht hat und wie er es geschafft hat zu überleben. Aber all das geht für mich unter in Wogen von bedeutungsschwangeren, vor Emotionen und Metaphern schier überquellenden Beschreibungen. Die sich noch dazu auf den wenigen Seiten gelegentlich wiederholen, wo es doch so viel zu erzählen gäbe. Und wenn es einen symbolhaften Moment gibt, wird mir der auch noch ganz genau erklärt :rolleyes.


    Dass der Hintergrund von Arsènes Geschichte, der Genozid in Ruanda, wenig ausgeleuchtet wird, empfand ich nicht als Manko. In meiner Wahrnehmung steht sein Schicksal stellvertretend für die unzähligen Flüchtlingsschicksale von Kindern aus Krisengebieten.


    Es freut mich wirklich, dass Arsène das Glück hatte, diese feinfühligen, liebevollen Adoptiveltern zu bekommen.