Auf der Suche nach dem "echten" Mittelalter

  • Jaja, ich weiß, es gibt sicherlich unzählige Threads in denen Bücher mit dem Thema Mittelalter gesucht (und empfohlen) werden. Trotzdem habe ich diesen Thread eröffnet, weil ich nach einer langen Pause gern einmal wieder ein Buch lesen würde, in dem nicht nur die Handlung eine Rolle spielt, sondern in dem auch die Lebensumstände zu der Zeit wichtig sind und nicht nur ganz am Rande erwähnt werden. (Wohnen, Kochen, Essen, Kleidung, medizinische Versorgung...usw) Bei vielen "historischen" Themen habe ich immer das Gefühl, die Handlung könnte zu jeder x-beliebigen Zeit spielen, wurde aber ins Mittelalter verlegt, weil das gerade angesagt ist/war...


    Wenn ihr also Vorschläge für mich hättet, würde ich mich sehr freuen. :wave

  • Eines meiner letzrjährigen Highlights. Falcones erzählt hier eine wirklich intensive Geschichte über das Leben der weniger gut gestellten im mittelalterlichen Barcelona.



    Kurzbeschreibung
    Der kleine Arnau flieht mit seinem Vater Bernat vor einem brutalen Lehnsherren in das mittelalterliche Barcelona. Die Stadt steht in höchster Blüte, die Viertel wachsen bis hinunter ans Meer. Im Barrio der Töpfer und Hafenarbeiter finden Vater und Sohn Unterschlupf. Wärend Bernat in der Töpferei seines Schwagers arbeitet, zieht Arnau durch die Straßen und Gassen Barcelonas.
    Dort erlebt der junge Arnau den Bau von Santa María del Mar, einer riesigen Kirche, die vom Volk für das Volk gebaut wird. Im Schatten des mächtigen Bauwerks erfährt er, welch schweres Los die Arbeit dort ist: Mit den anderen Steinträgern schleppt der Vierzehnjährige die riesigen Felsblöcke vom Montjuïc bis hinunter an den Hafen. Doch während sich die Kathedrale des Meeres in den Himmel reckt, wirft sie auch dunkle Schatten auf das Leben der Menschen. Das Volk leidet unter der Willkür des Adels, die Pest lauert vor den Toren. Und Arnaus Aufstieg zu einem der angesehensten Bürger der Stadt droht ihm zum Verhängnis zu werden: Er wird Opfer einer Intrige, und sein Leben gerät in höchste Gefahr.

  • Da fällt mir sofort das Buch ein. Für mich ein wahres Schmuckstück. Es ist genau das, was der Titel sagt, ein Jahr aus dem Leben einer Frau in einem Bauerndorf im Mittelalter. Keine abenteuerliche Handlung, keine Spannungskurve in dem Sinn, außer die Herausforderungen ihres Lebens. Ich fand es wunderbar.

  • Wie wär's mal mit einem Sachbuch?


    Etwa diesem in jeder Hinsicht gewichtigen Werk:

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

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  • Was für ein wunderbarer thread. Hier ist gerade ein Mittelalterwochenende vorbeigegangen, bei dem die Veranstalter sehr viel Wert auf Authentizität gelegt haben (soweit das möglich war). Bei den Kostümen hat man darauf geachtet, dass die Gewandungen aus der ersten Hälfte des 15. Jh. stammen. Dazu gab es monatelang eine Kleiderwerkstatt, in der auch ein Schuster Kurse für passendes Schuhwerk angeboten hat. Die Speisen sollten in bestimmten Bereichen auch an die damaligen Rezepturen angelehnt sein und es wurde jede Menge Handwerk gezeigt - auch Ärzte mit entsprechendem Werkzeug.


    Ich werde also gelegentlich mal in das Sachbuch und das Frauenleben im Mittelalter reinschauen. :wave

  • Bei den Sachbüchern kann ich auch noch was beisteuern.


    Kurzbeschreibung
    Ein fesselndes und wirklichkeitsnahes Bild von gesellschaftlichen Randgruppen in der städtischen Kultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit: Anschaulich wird hier die Rolle der verachteten Berufsgruppen wie Bader und Barbiere, Ärzte und Quacksalber, Gaukler und Dirnen geschildert. Ein wichtiger Beitrag zur "erzählten" Geschichte.


    Und das alles anhand der schönen Stadt Köln :grin

  • Nicht wirklich ein Roman, liest sich aber sehr flüssig und vermittelt ein informatives Bild über das Leben in mittelalterlichen Städten.


    Kurzbeschreibung von Amazon.de
    Seit dem 11. Jahrhundert entstanden aus Siedlungen rund um Burgen und Klöster neue Städte. Immer mehr Leibeigene aus der Umgebung setzen sich in diese Orte ab. Dort waren sie für ihre Grundherren meist unauffindbar. Es entstand der Rechtsbrauch: Ein Leibeigener in einer Stadt konnte nach Jahr und Tag nicht mehr von seinem Grundherrn zurückgefordert werden. Stadtluft machte also im wahrsten Sinn des Wortes frei. Jörg Schwarz zeichnet ein anschauliches Bild der mittelalterlichen Stadt. Wer lebte dort? Welche sozialen Gruppen gab es? Wer regierte und welche Rolle spielte das Bürgertum dabei? Wer zählte zu den Außenseitern? Was leistete die Stadt für ihre Bewohner und wo lagen ihre Probleme? Paradebeispiel in der Darstellung ist die Stadt Köln, doch der Blick geht auch immer wieder auf andere Städte und über den deutschen Tellerrand hinaus.

  • Was fuer ein schoener Thread.


    "Die Farben des Jahres" hoeren sich nach einem Buch an, das ich jetzt sofort haben muss.
    Das von Christian empfohlene Buch habe ich auch sehr gern gelesen.


    Auf weitere Tipps freut sich
    Charlie

  • Es ist zwar schon viele Jahre her, seit ich dieses Buch gelesen habe, aber wenn es kein Sachbuch, sondern immer noch ein Roman sein soll, kann ich dir "Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross empfehlen. Hier wird für meinen Geschmack sehr auf die allg. Lebensumstände eingegangen.

  • Zitat

    Original von kamelin
    Es ist zwar schon viele Jahre her, seit ich dieses Buch gelesen habe, aber wenn es kein Sachbuch, sondern immer noch ein Roman sein soll, kann ich dir "Die Päpstin" von Donna Woolfolk Cross empfehlen. Hier wird für meinen Geschmack sehr auf die allg. Lebensumstände eingegangen.


    Mit Verlaub, aber bei diesem Buch handelt es sich hinsichtlich der Handlung UND der geschilderten Lebensumstände im besten Fall um feministische Fantasy - im schlechtesten um ein unausgegorenes Machwerk.


    Hier habe ich mal kurz etwas dazu geschrieben.


    Wenn es also ums "echte" Mittelalter geht, würde ich von diesem Titel eher abraten.

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Als Roman immer noch empfehlenswert Undsets große Saga aus dem Norwegen des 14. Jahrhunderts. Ich habe grad entdeckt, daß es eine dreibändige TB-Ausgabe gibt, ich verlinke hier mal den ersten Band.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Die Bücher von Régine Pernoud, mit allen Nachteilen der deutsche Übersetzungen, sie wurden hier im Forum ausführlich diskutiert.



    Hier einmal mehr die Biographie von Eleonore von Aquitanien.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Was Sachbücher angeht ist unverändert Riché für die Karolinger zu empfehlen. Darin wird so ziemlich jeder Bereich des Alltagslebens abgedeckt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Siorac


    Mit Verlaub, aber bei diesem Buch handelt es sich hinsichtlich der Handlung UND der geschilderten Lebensumstände im besten Fall um feministische Fantasy - im schlechtesten um ein unausgegorenes Machwerk.


    "Die Päpstin" als Fantasy Roman - das ist ja mal eine interessante Ansicht.


    Wie gesagt, solange es kein Sachbuch sein soll - und dass ein Roman immer ein Stück Fiktion beinhaltet, sollte eigentlich bekannt sein - kann ich den Stoff empfehlen.



    Zitat

    Original von magali
    Die Bücher von Régine Pernoud ...


    Kann ich ebenfalls sehr empfehlen.


    Es gibt auch gute Biographien, bei denen viel über die Lebensumstände rüberkommt, wie z.B. die von Karl Martell. Das ist allerdings zu 70% ein Sachbuch und zu 30% ein Roman.

  • Ich sehe eben, daß das Buch von Erika Uitz, Die Frau in der mittelalterlichen Stadt zur Ziet nicht auf dem Markt, nur noch gebraucht. Das ist wirklich schade, denn es ist ein ganz großartiges Buch, mit tollem Bildmaterial.


    Zu dem Titel von Borst, den siorac viorgeschklagen hat - eine ausgezeichnete Empfehlung - sollte man noch hinzufügen, daß es sich dabei um Originaltexte aus der gesamten Epoche handelt, also von der Spätantike bis ins 16. Jahrhundert und zwar aus ganz Europa, nicht nur dem deutschen Reich. Eingeteilt sind die Texte nach Themen, also z.B. Haus, Natur, Tod, Frauen, Knechte, Raum, Adlige, Kirche etc. pp.
    Es sind allesamt Äußerungen von ZeitgenossInnen aus ihrem Alltag, von Mönchen, Kaufleuten, Dichtern, Fürstinnen.
    Einer meiner Lieblingstexte ist einer von Ulrich von Hutten, in dem er sich bitter über den Dauerlärm auf seiner Burg beschwert, einschließlich das Heulen der Wölfe, das bis ins im Haus dringt 'weil es nahe am Wald liegt'. Den durchdringenden Gestank von Schießpulver gar nicht zu erwähnen.


    Die Texte werden von Borst kommentiert und erklärt. Es ist faszinierende Lektüre, für die dauer gedacht. Allein meine alt-ehrwürdige TB-Ausgabe hat über 750 Seiten und man kann die Fülle der Informationen gar nicht auf einmal erfassen.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus