Beiträge von Buecherturm

    Ein Thriller wie ein Blockbuster


    Ein rasanter Thriller, der mir allein schon durch die Vielzahl der geographisch weit auseinander liegenden Schauplätze aufgefallen ist. Denn irgendwie und irgendwo und logisch nachvollziehbar hängen die Schauplätze miteinander zusammen. Ein Flugzeug, das in München explodiert, hat Auswirkungen in Tokio. Macht Sinn? Ja, wenn man die Umstände kennt.

    Interessant fand ich, wie plötzlich die Menschheit um 70 Jahre zurückging, auf Abakus und Amateurfunk. Wenn man diesen Gedanken zu Ende spinnt, funktioniert auch keine Supermarktkasse, die Wasserversorgung, Ampelsysteme in den Städten, Müllabfuhr, alles, wo ein Fünkchen Elektronik dabei ist, muss runtergefahren werden.

    Doch zurück zum Buch: der rasante Stil gekoppelt mit den intensiven Dialogen, die Charaktere, die in kürzester Zeit sich zu einem funktionierenden und siegreichen Team zusammen schweißen, die Hollywoodartigen Showdowns, all das zusammen machen das Buch für Liebhaber dieses Genres sehr empfehlenswert.


    Interessant, wie wichtig alte Technologien plötzlich werden können


    ASIN/ISBN: 3423284722

    Mädchen aus dem Trailerpark

    Zuerst dachte ich, es handelt sich um eine Trailerpark-Geschichte: Mädchen aus unterprivilegierten Kreisen arbeitet sich hoch, rettet ihren Ziehbruder, setzt sich zur Wehr gegen die abusiven Pflegeeltern, besteht die Sculprüfungen und beginnt vom College zu träumen.

    Aber da ist viel mehr dran. Nicht menschliche Wesen bedrohen oder retten die Welt, magische Giftschlangen werden zu Freunden, heiße gefährliche Krieger der griechischen Antike werden zu Alexis Mentoren, zwei Lehrer der Spartan War Academy beschützen sie unauffällig, In all dieser dunklen Welt hat sie nur eine Freundin, eine unsichtbare Giftschlange, Nyx. Gemeinsam bestehen sie Abenteuer und Prüfungen und Kämpfe und Geländeläufe, alles tödliche Gefahren.

    Das Buch ist eine Dark Fantasy vom allerfeinsten, mit etlichen Showdowns, Theaterschlägen, viel Dunkelheit und Mystery. Die Kombination aus der griechischen Mythologie und moderner Dystopie fand ich sehr gelungen. Ab und zu wird die schwere Handlung von ein paar wenigen erotischen Szenen durchbrochen oder erhellt, die aber nicht in den Vordergrund drängen, sondern uns, der Leserschaft, eine kleine Abwechslung von all den Kämpfen, dem Hauen und Stechen gönnen.

    Die Zwiegespräche Alexis - Nyx, Alexis sarkastische Kommentare über ihre Umstände oder die Wesen, die sie umgeben, erheitern ab und zu das Geschehen, lockern den Stil etwas auf. Überhaupt, der flüssige Schreibstil, mal umgangssprachlich salopp, mal l humorvoll oder sarkastisch, nimmt einen immer mit.

    Insgesamt ist das Buch ein Page Turner reinsten Wassers. Ob in der Akademie in den Dolomiten oder in den wenigen Wochen der Erholung auf Korfu, ich habe das Buch in einem Rutsch ausgelesen.

    Dark Fantasy, dark Romantasy, Die Qual der Wahl bleibt den Lesern/Innen überlassen




    ASIN/ISBN:
    ISBN 978-3-596-71242-7

    Kann eine Liebesgeschichte mit einem Amoklauf an einer Schule beginnen?


    Ja, sie kann. Die Überlebenden der ungeheuerlichen Tat helfen sich gegenseitig in der ersten Zeit, das Unsägliche zu verarbeiten, sie stehen sich bei, finden Trost in der kleinen Gemeinschaft. Doch dann kommt das Leben dazwischen.

    Lina geht in die Großstadt, baut sich dort ein Leben auf, findet langsam Zutrauen zu ihrer WG-Mitbewohnerin, findet eine neue Liebe. Dass Tom sich aber als die große Niete entpuppt, merkt sie erst viel zu spät. Sie ist lange in dieser toxischen Beziehung gefangen, merkt nicht, wie Tom sie von ihren Freunden isoliert, ihr alles verbietet. Sie entschuldigt auch immer wieder seine Gewaltausbrüche, im Namen der Liebe, die längst keine mehr ist, erduldet sie alles für Tom.


    Liam, dessen große Liebe beim Amok zu Tode kam, bleibt daheim, hat die Holzwerkstatt seines Vaters übernommen und kämpft ums Überleben, weil der Vater etliche Fehlentscheidungen getroffen hat.

    Über den sozialen Medien sind sie in loser Verbindung, tauschen sich aus, merken immer mehr, was sie aneinander haben.


    Die Geschichte wird aus Linas und Liams Sicht erzählt, die Zeit des Amoklaufs und kurz danach alterniert mit der Gegenwart. So erfahren wir nur nach und nach, was damals in der Schule geschah.


    Amoklauf an Schulen, Kindergärten, in Kaufhäusern, in öffentlichen Verkehrsmitteln und an öffentlichen Plätzen oder Gebäuden, dieses beängstigende Thema ist aus dem öffentlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Es betrifft uns alle,


    Was die toxischen Beziehungen betrifft, so ist das auch ein hoch aktuelles Thema, sonst wären in ganz Deutschland die Frauenhäuser nicht überfüllt.


    Justine Prus hat in ihrem Buch diese brisanten Themen sehr gut zu Wort gebracht, sie macht den Menschen Mut, nicht aufzugeben, sich gegen toxische Gewaltbeziehungen zur Wehr zu setzen und sich von Amok-Mördern nicht besiegen zu lassen.



    Zwei schwere Themen in einem Buch vereint


    ASIN/ISBN: 3453292731

    Britischer Humor at its best!

    Woher haben die Briten nur ihren herrlichen und schrägen so typisch britischen Humor? Was passiert, wenn eine Frau als Rechtsanwalt im Templebezirk praktizieren will? Abgesehen davon, dass sie nicht zum Studium des Rechts zugelassen wird, müssten noch Vater und Bruder zustimmen. Frauen dürfen nur als Ehefrauen im Hintergrund sichtbar sein. Unverheiratete Frauen dürfen sich um die Kinder der verheirateten Familienmitglieder kümmern.

    Der Bezirk des Inner Temple ist in diesem historischen Krimi eine in sich geschlossene Welt. Eigene Kirche, eigenes Speiselokal mit eigener Küche, eigene Druckerei spezialisiert auf Fachliteratur der Jurisprudenz, manche der Anwälte wohnen sogar im Bezirk.

    Der Betreiber der Buchdruckerei und -ladens gibt Anlass zu einer Parallelhandlung zum eigentlichen Krimi. Das Manuskript eines Kinderbuches wurde ihm anonym auf die Türschwelle gelegt, er druckte es, das Buch wurde ein Riesenhit, der Verleger konnte seinen Laden, seine Finanzen und sein Haus sanieren. Aber nun meldet sich eine junge Frau, die behauptet, die Autorin des Buches zu sein und verlangt das ihr zustehende Geld.

    Der arme Oberrichter, noch nicht richtig tot und schon beginnt das große Hauen und Stechen um die Nachfolge. Gleich zwei Anwälte bewerben sich um diesen Posten.

    Der Anwalt Gabriel Ward wohnt ebenfalls im Inner Temple. Auf seiner Türschwelle wurde die Leiche des Lord Oberrichters entdeckt. Ward soll nun den Mord am Oberrichter klären und auch den Fall des Buchverlegers vor Gericht vertreten. Lord William Waring, Schatzmeister im Temple, verheiratet, zwei Töchter, eine Geliebte und diverse gelegentliche Gespielinnen, zwingt Gabriel, sich um die Aufklärung des Mordes zu kümmern, ansonsten droht er ihm mit dem Rauswurf aus seiner komfortablen Wohnung im Inner Temple. Waring nennt diese Erpressung euphemistisch eine “ausgesprochen erquickliche Unterredung” (S. 47)

    Ward zur Seite steht der junge Constable Maurice Wright von der City of London Police, ein Mann von außergewöhnlicher Beobachtungsgabe und liberalen Denken. Ohne viel Schulbildung und ohne ein Buch gelesen zu haben, besitzt er eine natürliche Intelligenz, die ihn Zusammenhänge schnell erkennen lässt. Die Zusammenarbeit zwischen dem trockenen, scheuen und vielbelesenen Rechtsgelehrten Ward und Wright, der “in der Schule nur Buchstaben und Zahlen gelernt und noch nie ein Buch besessen” hat (S. 72) gestaltet sich als äußerst erquicklich, für die beiden, aber auch für uns, die Leserschaft. Als Ward dem Constable einen trockenen Sherry anbietet und ihn fragt, ob der Sherry zu trocken sei, antwortet dieser ehrlich und treuherzig: “Nein, danke Sir… Er ist tatsächlich ziemlich nass.” (S. 73)

    Es ist die Zeit, in der sich neue Methoden in der Kriminologie langsam durchsetzen aber noch nicht von allen Polizisten beachtet werden. So gibt es den Sergeant, der den Tatort kontaminiert, und überall herumtrampelt und alles anfasst, weil er solch neumodische Methoden für Humbug hält.

    Ein anderes erheiterndes Thema, obwohl nichts daran lustig ist, die Kindermädchen im Buch lieben den Roman Jane Eyre von Charlotte Bronte, weil sie insgeheim die tiefe vergebliche Hoffnung hegen, dass ein reicher Gutsbesitzer sie einmal ehelichen wird.

    Ich habe den britischen Humor sehr genossen. Understatement, oft nur angedeutete Antworten, Gesten, deren Bedeutung sich dem Leser erst im Nachhinein erschließen, einfach herrlich. Für dieses Buch muss man sich Zeit lassen, um dem Humor und Iroie Gelegenheit zu geben, sich so richtig zu entfalten.


    Sehr feiner britischer Humor gepaart mit einer interessanten Krimihandlung und die Frage nach der Rolle der Frau in der Gesellschaft

    Lieben oder nicht lieben, als ob man sich das aussuchen könnte!

    Also, das Coverbild ist morbide schön. Die Kombination aus Totenschädel und Rosen ist zwar nicht neu, aber dieses Mal ästhetisch ansprechend.

    Die Handlung ist sehr spannend, gewisse Anklänge an die Tribute von Panem stören nicht, im Gegenteil. Es gibt auch genug Unterschiede zu den Hunger Games: In Phantasma gibt es übernatürliche Wesen, die Teilnehmer werden nicht gezwungen teilzunehmen, sie tun es freiwillig, aus diversen Motiven.

    Andere, keinesfalls störende Assoziationen fand ich im Gebäude, in dem die Spiele stattfinden, und zwar dieses Mal mit Hogwarts. In beiden gibt es einen Ort der Wünsche: Jedes Mal, wenn Ophelia fliehen muss, oder an einen Raum denkt und eine Türe öffnet, öffnet sich dieser Raum vor ihr.

    Ort der Handlung ist zwar New Orleans, weil das beim Leser Assoziationen zu Mardi Gras und Woodoo erweckt, aber die Stadt selbst kommt so gut wie gar nicht vor im Roman, es könnte auch Nebraska oder Braunschweig sein.

    Das Buch ist eine recht gelungene Mischung aus Fantasy, Thriller und Liebesroman. Die Sexszenen sind richtig heiß, ohne ins Vulgäre oder Gemeinplätze zu fallen. Und sie fügen sich organisch in die Handlung ein. Bei anderen Büchern hatte ich oft das Empfinden, die Rahmenhandlung ist nur eine dürftige Kulisse für die viel zu expliziten Sexszenen. Hier ist der Wortschatz angemessen, die erotischen Szenen lassen noch Raum für die Fantasie.

    Leider fällt das Ende recht flach aus. Als ob Smith die ihr vom Verlag zugestandenen Seiten erfüllt hat und nun zwingend und abrupt ein Happy End schreiben musste. Schade, denn ich hätte gerne erfahren, wie und ob Vater und Sohn sich aussöhnen, ob noch ein klärendes Gespräch zwischen Mutter und Töchter stattfindet, was mit den anderen Überlebenden der Spiele geschieht. Und etwas würde mich brennend interessieren: wie bringt man eine Bank dazu, die Hypotheken auf solch ein stattliches und großes Anwesen wie Grimm House zu erlassen, beziehungsweise, mit was für Argumenten (außer finanziellen) kann man die Bank überzeugen, die Schulden wären längst abbezahlt.


    Der Böse ist der Gute ist der Böse ist der Allerbeste


    Fazit: durchaus lesenswert


    ASIN/ISBN: 3746642000

    Das war also Waco

    Der Name Waco weckt triste Erinnerungen und Assoziationen an Fanatismus, religiöse sinnlose Gewalt und Tod. Ein selbsternannter Sektenführer, charismatisch und sehr überzeugend, schart Menschen um sich, überzeugt sie von sich und seinem Messianismus. Die Gläubigen folgen ihm bis in den Tod. Dabei war Perry Norman Cullen ein verlogener Schweinepriester, der den männlichen Anhängern seiner Sekte Enthaltsamkeit predigte, er selbst aber sich in Massenorgien an Frauen und Mädchen verging. er “heiratete” gleich mehrere Frauen, zeugte etliche Kinder und war von sich selbst und seiner Sendung überzeugt. Heimlich trieb er Waffenhandel. Er zwang seine Anhänger in prekären Verhältnissen zu leben, ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ohne Toiletten. Und doch, sie glaubten an ihn blindlings.

    Das Buch ist aus zwei Perspektiven geschrieben: der 15jährigen Jaye, deren Mutter an Perry the Lamb glaubt und mit ihrer Tochter nach Waco gekommen ist, einerseits, und andererseits der gleichaltrige Roy, Sohn des Sheriffs von Waco. Die Geschichte, wie sie sich 1992-1993 abgespielt hat, wird aus der Sicht dieser Teenager erzählt. Der dritte Standpunkt im Roman, ist eigentlich ein Podcast von Coop, Roys bester Freund aus der Kindheit. Den Podcast betreibt er nun, in der Gegenwart, 30 Jahre später. Darin kommen viele der damals agierenden Personen zu Wort: der Sheriff, sein Gehilfe, Sozialarbeiter, Überlebende von Waco, Polizisten, FBI-Agenten, usw. So baut sich langsam, Schicht für Schicht ein komplexes Bild der Ereignisse von damals vor unseren Augen auf.

    Das Ende verrate ich hier nicht, aber es ist unerwartet und irgendwie versöhnlich. Und damit kann ich leben.

    Johnston hat aus einer wahren Begebenheit einen spannenden historischen Roman geschrieben. Den Namen des falschen Priesters hat er zwar geändert, sich aber ansonsten an die Vorgaben des Massakers von Waco gehalten.


    ASIN/ISBN: 3406836925

    Rache ist süß

    Charlotte Runcie hat ein besonderes und vielschichtiges Romandebüt vorgelegt. Ort der Handlung ist in Edinburgh im August, während des berühmten Fringe Festivals. Alex Lyon (Nomen est omen) ist Theaterkritiker, berühmt für seine knallharten und mitleidlosen Rezensionen. Gnadenlos zerreißt er die Premiere einer jungen Schauspielerin, Hayley Sinclair, vergibt nur einen Stern (die Zeitungsredaktion erlaubt ihm nicht, keinen Stern zu vergeben) und sendet die Kritik am gleichen Abend an seine Zeitung, am nächsten Morgen ist der Artikel frisch gedruckt. Eine Performance nicht zu mögen, ist unser alles gutes Recht, steht auch Alex Lyons zu. Was ihm aber nicht zusteht, ist Hayley in derselben Nacht, nach der Aufführung, in einer Bar kennen zu lernen (ok, das doch), sie mit in seine Wohnung zu nehmen, mit ihr einen One Night Stand zu haben, ohne ihr zu sagen, er habe ihre Show verrissen. Für ihn ist das sein gutes Recht, eine schlechte Kritik zu schreiben und anschließend mit der Künstlerin in die Kiste zu steigen.

    Es kommt wie es kommen muss, Hayley erfährt noch in seiner Wohnung vom Verrat und läuft wütend davon, während Alex ihr unberührt und Kaffee trinkend, hinterher sieht. So weit, ein klarer Fall von Me Too, Hayley könnte sich jetzt verkriechen und leiden. Nun, sie leidet zwar, dreht aber den Spieß um. Sie wandelt ihre Show um, nennt sie „Die Sache mit Alex Lyon“ und stellt ihn bloß. Mehr noch, sie fordert alle Frauen auf, die je von Lyon schlecht behandelt, betrogen, verlassen, wurden, kurz, die wegen ihm gelitten haben, sich zu melden. Und was dabei herauskommt, ist ein Shitstorm der Extraklasse, es melden sich viele Frauen, und die sozialen Medien explodieren.

    Das Ganze wird aus Sophies Perspektive erzählt, Kollegin von Alex Lyon, Kritikerin an der gleichen Zeitung, Mitbewohnerin von Alex in Edinburgh und junge Mutter mit einem festen Partner, daheim in London. Sophie ist einerseits loyal zu Alex, obwohl sie, wenn man es genau betrachtet, auch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hätte. Andererseits ergreift sie auch Hayleys Partei, denn sein Verrat ist ungeheuerlich und geschmacklos und sie kann sehr gut mitfühlen, was jene empfindet. Mit Sophie bleiben wir immer nah dran an der Handlung, fühlen die Anspannung, die sich fast bis zum Ende durch den Roman zieht. Mit Sophies Augen gesehen, fühlt sich der Konflikt zwischen Alex und Hayley besonders aufrichtig und wahr an.

    Die neue Show von Hayley ist für die Dauer des Festivals komplett ausgebucht, sie wird zum Selbstläufer, entgleitet irgendwie Hayleys Händen, denn es melden sich auch andere Frauen, die von anderen Männern für ihre Zwecke missbraucht wurden. Alex Lyon wird zum Stellvertreter aller Männer, die sich an Frauen etwas zuschulden haben kommen lassen.

    Daheim, vom PC aus verfolgt Alex wie er öffentlich zerfleischt wird, fassungslos, wie viele Frauen sich nun auf ihn stürzen. Dabei sieht er sich als Opfer, er habe ja schließlich keine der Frauen je vergewaltigt. Doch wenn ein Erwachsener eine Siebzehnjährige verführt um sie danach fallen zu lassen, wie einen abgegessenen wertlosen Apfelstrunk, dann hinterlässt das einen sehr bitteren Beigeschmack. Alex aber ist empathielos, kaltschnäuzig, im höchsten Grade unsympathisch, während Hayley aus ihrer Demütigung gelernt hat, den Spieß umgedreht und nun zum großen Halali auf Alex gerufen hat. Das Schlagwort der Cancel Culture kommt mir in den Sinn, denn Hayley erreicht Alex‘ zumindest partiellen Ausschluss aus der Öffentlichkeit. Er wird auf Parties geschnitten, andere Künstler fühlen sich geehrt, von ihm vernichtende Kritiken zu erhalten, weil sie sie nicht für voll und ernst nehmen. Und auch bei der Zeitung daheim in London wird Alex auf Nachrufe angesetzt. Sein bester Freund wendet sich von ihm ab, nachdem er erfährt, dass Alex auch seine Schwester mies behandelt hat. Alex Ausrede ist: er habe ja kein Gesetz gebrochen, strafrechtlich könne man ihm nichts vorwerfen, also ist er unschuldig. Aber vom moralischen Aspekt her, steht er sehr wohl in der Schuld der Frauen.

    Die vielen Nebenschauplätze (Sophies Partner Josh, der Tod von Sophies Mutter, Alex‘ Verhältnis zu seiner berühmten Mutter und Schauspielerin) erklären zwar einiges in der Haltung und Handlung der Hauptgestalten, aber sind auch etwas ermüdend, lockern den Fokus auf Hayleys Rachefeldzug.

    Der Roman endet in einer versöhnlichen Note. Alex, Hayley aber auch Sophie finden zu einem neuen Modus Vivendi, weil sie daraus ihre Lehren ziehen mussten.

    Das Buch leitet zum Nachdenken an, über die Macht der Rezensionen, über wie weit Rache gehen darf , inwieweit der Rachefeldzug dem Opfer und dem Rache Ausübenden zusetzt, denn keiner kommt ungeschoren davon.

    Frauen sind Engel. Wenn Männer ihnen die Flügel abschneiden, fliegen sie trotzdem weiter. Auf einen Besen. Und genau das passiert in diesem Buch.

    Mein Fazit: absolut lesenswert!


    ASIN/ISBN: 3492074022

    Leben im Zeugenschutzprogramm

    Das Buch hat mich so richtig in Atem gehalten, von der ersten Seite an. Pauss hat es verstanden, den Spannungsbogen bis zum Schluss zu halten. Immer wieder interessante Wendungen der Geschichte zu geben: vermeintliche Freunde werden zu Feinden, böse Nachbarn zu Lebensrettern, die Beschützer zur Bedrohung, usw.

    Eine junge Großstädterin (und was ist Washington DC, wenn nicht Großstadt?) deckt geheime illegale Machenschaften auf und wird vom FBI im Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Ihre neue Heimat ist die Kleinstadt Echo auf Kodiak Island in Alaska. Zunächst fällt es ihr schwer, sich da einzugewöhnen, doch im Laufe der Zeit gelingt es ihr, hier Fuß zu fassen.

    Der flüssige Erzählstil, die manchmal humorvollen Dialoge, und die spannenden Szenen im Buch lassen keine Langeweile aufkommen. Die gekonnte Mischung aus Thriller und Liebesroman bietet weiblichen und männlichen Lesern einen angenehmen Zeitvertreib.

    Das hinreißende Titelbild hat mich eigentlich zum Buch greifen lassen.


    ASIN/ISBN:
    ISBN978-3-492-06631-0

    Ist Venator wirklich der Traumjob?

    Also, was haben wir denn da alles? Ein Mädchen mit drei Brüdern, komische gefährliche Tiere, feuerspeiende Drachen, fiese schmierige Bösewichte, einen tapferen megacoolen Krieger und eine potentielle Kaleesi, Mother of Dragons als neues Traumpaar, Herz was begehrst du mehr? Und ein tolles Cover hat es auch!

    Leider entpuppt sich der Traumjob Venator doch nicht als so traumhaft und toll. Und viele der bösen, gefährlichen Fabelwesen sind eigentlich gar nicht so böse und gemein. Ganz im Gegenteil. Dann gibt es noch Shifter, das sind Gestaltwandler, die im Untergrund agieren und genau genommen die Guten sind.

    Der spannende, mitreißende Stil des Buches erlaubt es nicht, es aus der Hand zu legen. Und wie so üblich in den Action-Büchern, taucht immer am Ende eines Kapitels eine neue Gefahr auf, eine neue Wendung, die der Geschichte einen neuen Twist gibt. Das Buch endet in einem “sanften” Cliffhanger, sprich, das Kapitel und viele Spuren werden zu Ende gebracht, aber neue Abenteuer stehen den Helden bevor.


    Spannende Geschichte für Teenies: typischer Underdog mausert sich rasant zum Retter


    ASIN/ISBN: 3745704851

    Eine ganz nette, süße und schnuckelige Schmonzette, die sich da zusammenbraut. Der Klappentext verrät so einiges, dass man gespannt sein kann, wie sich die Love Story entwickelt. Und wir können sicher sein, da stirbt keiner von den Guten.

    Die Stereotypen kommen wenigstens angenehm verpackt daher: ein epischer Dreitagebart, den der dunkle, hünenhafte, doch wendige Kerl mit der Sonnenbrille trägt. Dabei ist er die rechte Hand des russischen Paten. Besagter Kage genannt Kazimir, verliebt sich ausgerechnet in die Frau, die er eigentlich umbringen sollte. Aber raue und harte Schale - weicher Kern, wo die Liebe hinfällt, wird nicht umgebracht, gell? Aber dafür Sex in allen Positionen und Varianten in Full Cinemascope beschrieben, inklusive milde Dom-Sub-Szenen.

    Es werden alle Stereotypen des Genres bedient, Liebesschnulze und Mafia Thriller bunt gemixt, wobei die Bösen immer haargenau dann gewaltsam sterben, bevor sie großen Schaden anrichten können und wir erleichtert “Fort mit Schaden” sagen können.

    Und die Guten? Sind teilweise unschuldig, teilweise zum Guten bekehrte Bösewichte, siehe Kage. Hauptsache, sie sehen alle sehr gut und bezaubernd aus.

    Na, Mädels, ist es nicht genau das, was ein guter Arzt uns verschreiben würde?


    ASIN/ISBN:
    ISBN 978-3-426-56386-1

    Per aspera ad astra

    Das Buch hat mich beeindruckt. Zuerst fühlte es sich wie ein Coming-Of-Age doch steckt viel mehr dahinter. Ein Mädchen, das einem Lehrer ins Gesicht schlägt, oder das Haushaltsgeld entwendet, um ihre Gesangsstudien zu bezahlen, stundenlang tagtäglich vor einem Gebäude steht in der Hoffnung im Chor mitsingen zu dürfen, bis sie tatsächlich ihr Ziel erreicht. Ihre Beharrlichkeit ist bewundernswert. Wenn sie von einem Jungen angegriffen wird,der zu “den Jungs mit geschwollenen Kehlköpfen” 8s. 151) gehört, sehen Mädchen aus Molls Klasse tatenlos zu, lassen sie allein, drehen sich weg. Doch Moll kann sich wehren und schlägt zurück. Moll weigert sich mitzusingen, als der Chorleiter einen Jungen wegen seiner Leibesfülle mobbt.

    Molls Weigerung den Verlust ihrer Mutter anzuerkennen ist konstant, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, bis wir erfahren, was eigentlich passiert war als “Mutter kurz weggegangen ist” (S. 168). Nun verstehen wir auch, wieso sie dem Lehrer eine blutige Nase verpasst hat

    Am schönsten fand ich die Idee, dass Ludvig van Beethoven eine Frau gewesen ist. Und nur die Nachwelt sich beharrlich weigert, diese Tatsache anzuerkennen.

    Kloeble versteht es meisterhaft, die Gestalten im Roman vor unseren Augen mit Leben zu füllen. Der Vater, der in seiner Trauer versinkt und seine Tochter vernachlässigt, findet erst allmählich und durch Moll zum Leben zurück, Molls Mutter, unangepasst, in der Dorfgemeinschaft immer aneckend, liebt ihre Tochter über alles. Bernhardina, die alte Frau, Molls einzige Freundin nach dem Weggang der Mutter, Lehrer und Bewohner aus der Schule. Die Jungen im Knabenchor, die drei Chorleiter, die in ihrer Art Moll fördern und unterstützen. Sie alle bewegen, handeln, reden in den Buchseiten, bilden dabei den Rahmen, in dem Arkadia Fink, genannt Moll, von ihrem Leben erzählt. Sie ist dreizehn Jahre alt, kennt den Schmerz, den kein Kind je erleben sollte, ist erfüllt von einer Musik, die nur sie hören kann, will unbedingt in einem berühmten Knabenchor mitsingen und schafft es auch. So wie sie sich die Welt zurecht deutet muss man ihr Recht geben. Moll akzeptiert kein Nein. Sie will im Knabenchor singen und setzt es durch. Wenn andere sie angreifen, setzt sie sich zur Wehr. Man sagt ihr, sie habe kaputte Ohren, nun, sie schafft dem direkt Abhilfe, auch wenn es nichts nützt. Noch kann sie mit ihren Gefühlen nicht umgehen, sie muss das erst lernen, ein langwieriger und schmerzhafter Prozess. Der Tiefgang, der dabei zu Tage tritt, ist berührend. Kein Kitsch, kein Pathos, einfach ein Mädchen mit der unstillbaren Sehnsucht nach der Mutter, allein gelassen, bekommt Hilfe von unerwarteter Seite. Wie es der Titel schon sagt, muss Moll sich durchkämpfen, allein durchkämpfen, bis sie endlich die Unterstützung erhält, die sie braucht, um nach den Sternen zu greifen.

    Die Sprache ist schlicht, doch voller Bilder, weckt unsere Neugier, der Leser will weiter und weiter lesen. Das Ende ist viel zu schnell da. Wir würden Arkadia, genannt Moll, zu gerne weiterhin begleiten, vielleicht nach Tokio, zu anderen Konzerten, hinaus ins weite Leben.


    ASIN/ISBN: 3608966579

    na ja, hast Du es schon gelesen, Herr Palomar? Der Mord geschieht zwar in der Gegenwart, aber die Ursachen und Gründe des Mordes reichen weit zurück in eine unrühmliche Zeit der Schweizer Geschichte. Damals hatten die Eidgenossen ein sehr ambivalentes Verhältnis zu dem NS Regime aus Berlin.

    Also, wie Du meinst, zeitgenössisch ist auch OK.

    Das Leben ist ein langes Heute (S. 236)

    Ein Titelbild wie ein Stillleben altflämischer Meister, wenn der Vogelkopf nicht aus dem Rahmen hängen würde, und dadurch stutzig macht. Die Handlung beginnt zunächst gradlinig: ein Junge entdeckt in einem winterlich zugefrorenen See beim Eislaufen eine Leiche, ein Polizist bittet einen befreundeten Archivar auf den See hinaus zu gehen und die Meldung zu überprüfen und zu bestätigen, ob es sich tatsächlich um einen toten Menschen handelt. Ab jetzt teilt sich die Handlung in zwei parallel verlaufenden Strängen: einerseits der Archivar und sein Kreis, hauptsächlich bestehend aus Rosa, einer alten Frau die in einem Wohnwagen unweit des Ufers des Sees lebt, und dem Archivar Schibig selbst, mit Episoden artigen Auftritten anderer, wie da wären Boll oder die Tochter der alten Frau.

    Und andererseits Kern, reich, verheiratet mit Hanna, und Sohn der fast hundertjährigen Frau Kern-Kübler, die ihrerseits tief in die Machenschaften ihres Vaters verstrickt ist. Der Vater, einstiger Großbauer, hatte sich mit den Nazis aus dem Nachbarland eingelassen und kam so zu Reichtum und vermehrte den nach den Krieg weiter, hielt die Gesinnungsfahne hoch, verkehrte in den rechten Kreisen und seine Tochter ebenso. Kern selbst möchte das nicht, fühlt sich machtlos, sowohl der alles bestimmenden Mutter gegenüber als auch den gesellschaftlichen Kreisen, in denen er dank seiner Position verkehren muss.

    Wenn’s um Geld geht, hört die Neutralität auf. Die Schweiz hat sich ihre Neutralität schwer bezahlen lassen. Flüchtende Juden, denen in Deutschland der Tod drohte, mussten schweres Geld für sich und ihre Familienangehörigen zahlen, um aufgenommen zu werden. Die Investitionen der reichen Nazigrößen in der Schweiz wurden gerne und ohne Fragen angenommen und getätigt, wie auch die Gelder der Potentaten und Despoten nach dem zweiten Weltkrieg. Ceausescu hatte hier geheime Konten, Imelda und Ferdinand Marcos, Putin und seine Oligarchen, arabische Machthaber, Die Liste ist endlos. Banken und Wirtschaft sind eng miteinander verzahnt. Der Rubel muss rollen.

    Es ist diese unerwartete Offenlegung einer bisher totgeschwiegenen Vergangenheit und ihre Fortführung in der Gegenwart, die uns überrascht. Die Greisin hält die Zügel fest in der Hand, terrorisiert ihren Sohn und Schwiegertochter, lästert über ihre Pflegerin, doch es steckt viel mehr dahinter, sie hat finstere Pläne.

    Am Ende des Romans sagt Rosa zu Schibig: “- Und jetzt machst du ohne mich weiter, erfinde dich neu, lebe und liebe im Jetzt" (S. 326), um mit der Vergangenheit abzuschließen. “- Das Leben ist ein langes Heute. Und seine vielen Möglichkeiten sind das Schönste daran. Reise, Schibig, und verlieb dich, ja, verlieb dich! Das ist sowieso zu empfehlen, sooft und solange man nur kann,” (S. 326)

    Clavadetscher offenbart viel, indem sie es nicht ausspricht. Wir verfolgen teilweise den inneren Monolog einiger Gestalten, der manchmal Züge des Bewusstseinsstroms annimmt. Das erlaubt uns, näher an diese Personen zu kommen, sie besser zu verstehen.

    Die zwei Handlungsstränge vereinigen sich nicht wirklich im Roman. Es gibt ein paar punktuelle Berührungen, die uns das ganze Ausmaß des Ungesagten erahnen lassen, aber es gibt am Ende keinen großen gemeinsamen Fluss. Die Welten der Protagonisten sind zu verschieden, um zusammenkommen zu können, und das ist gut so.

    War und ist die Schweiz wirklich so neutral, wie sie immer tut?


    ASIN/ISBN: 3406836984

    In Skandinavien-Krimis kommt nie Langeweile auf

    Dieser Politthriller handelt von der Wahl in Norwegen. Aber für meinen Geschmack ist die Handlung ein wenig “too close to home”, solche Szenarien wären auch bei uns denkbar. Hüben wie drüben ist die Demokratie in Gefahr. (Danke AFD).

    Im Buch führen parallele Handlungsstränge dann zum Ende hin zusammen, alle Puzzleteile fallen an ihre richtigen Stellen und uns ergibt sich das ganze Bild.

    • Zuerst einmal der Wahlkampf der Arbeiterpartei, der kurz vor den Wahlen in die heiße Phase gerät und alle Bandagen fallen gelassen werden. Vorsitzender der Partei, seine Stellvertreterin, der juristische Berater, diverse andere Personen, die alle mitmischen, konzertiert oder auf eigene Faust.
    • Eine obskure Firma, die vorgibt, mittels KI die Trends der Wahlen bestimmen zu können, aber eigene Ziele verfolgt und die die Arbeiterpartei für eigene Zwecke manipuliert.
    • Im Hintergrund ermittelt die Anti-Terror-Einheit fieberhaft, weil sie Kenntnisse über einen Anschlag mit Rizin erhalten haben.(Rizin ist hochgiftig und wird aus der Rizinuspflanze extrahiert. In Deutschland ist die Rizinuspflanze nicht verboten und kann sogar gekauft werden, für etwa 5 Euro. Das nur so nebenbei bemerkt)
    • Zu guter Letzt die Terroristen, die vor nichts zurückschrecken, die das Rizin erst mal an ihren Opfern ausprobieren, eine schwangere Frau mit Explosiven bestückt in das Polizeipräsidium schicken, Menschen auf offener Straße erschießen. Alles nur um Norwegen von Ausländern zu befreien, die Rasse rein zu erhalten, und dergleichen hehre und selbstlose Ziele mehr.

    Das Buch ist ein richtiger Page-Turner, gespannt liest man bis zum Ende. Die einzelnen Kapitel sind nach der Anzahl der Tage bis zur Wahl genannt, so dass wir der Wahl und dem großen Anschlag entgegenfiebern. Dass die Anti-Terror-Ermittler buchstäblich in letzter Sekunde diesen verhindern können, erhöht die Spannung und hält die Leser bei der Stange. Gut gemacht.


    Fazit: Gut inszenierter Politthriller der sehr plausibel wirkt


    ASIN/ISBN:
    ISBN 9783426562680

    Ein Frettchen als Schmusetier

    Diese Frau war mir von Anfang an sympathisch. Dass sie ausgerechnet ein Frettchen als Haustier hat, macht sie noch sympathischer! Auch ihre witzigen Schlagabtausche mit ihren Mitmenschen lassen sie in meinen Augen steigen. Isabel Flores hat den Polizeidienst quittiert, ist Inhaberin einer Immobilienfirma auf Mallorca, kennt Gott und die Welt persönlich. Für einen Fall einer Kindesentführung wird sie inoffiziell von der Polizei wieder angeheuert. Dass sie das Kind wieder wohlbehalten ihrer Mutter übergeben kann und so nebenbei eine Serie von Morden restlos lösen kann, verdankt sie ihrer Intuition, Beobachtungs- und Kombinationsgabe. Geschickte Gesprächspartnerin, gelingt es ihr immer alle benötigten Informationen von ihrem Gegenüber zu erhalten.

    Eines der Pluspunkte des Buches ist die Beschreibung des mallorquinischen Essens. Ob es nur Aioli, Brot und marinierte grüne Oliven sind, oder Brot mit Olivenöl beträufelt, oder “dicke geröstete Brotscheiben bestrichen mit frischem Tomatenpüree und Olivenöl.” (S.220) oder Gebäckspezialitäten aus der Bäckerei,jedes Mal läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

    Mit langatmigen Beschreibungen der Menschen, ihrer Gedanken, oder der Natur Mallorcas hält sich Anna Nicholas nicht auf. Das Buch besteht fast nur aus Action und Dialogen. und das schätze ich an diesem Krimi.


    Linear erzählter Krimi der im 17. Bundesland spielt und von der netten und sympathishen Polizistin zu einem guten Ende geführt wird.


    ASIN/ISBN:
    ISBN 9783257301137

    Die Liebe neu erfinden

    Bei allen Kriegshandlungen seit dem Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die todbringenden Minen zum Einsatz. Perfide Waffen, die nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten gnadenlos töten. In Claire Deyas Buch begleiten wir eine Minenräumtruppe bei ihrer schrecklichen und gefährlichen Arbeit. Keiner von ihnen hat dafür je irgendeine Ausbildung erhalten. "Learning by doing” ist die Devise. Es sind lauter Laien, die aus diversen Gründen sich haben anheuern lassen, diesem Krieg nach dem Krieg beizutreten. Bessere Bezahlung, mehr Bezugsscheine, sind für diejenigen, die Familien mit Kindern oder die Eltern unterstützen, mit ein Grund, sich da anwerben zu lassen.

    Fabien ist der Anführer der Gruppe. Ein ehemaliger Résistancekämpfer, bemüht er sich nun aus den vereinzelten Mitgliedern seines Kommandos ein Team zu bilden, sie zu einer richtigen Truppe zusammenzuschweißen. Denn das Leben aller hängt davon ab, wie gut sie kooperieren können, wie gut sie aufeinander eingehen können. Wer im Alleingang Minen räumen will stirbt und reißt andere mit in den Tod. Er weiß, dass Odette, seine Frau von den Deutschen getötet wurde, er hat außer seinem Leben hier nichts mehr zu verlieren.

    Vincent, Arzt, deutscher Kriegsgefangener, bricht aus dem Lager aus und schafft es in den letzten Kriegstagen bis an die Cote d’Azur zu kommen. Er sucht verzweifelt nach der Frau, die er liebt, Ariane, die aber seit zwei Jahren verschollen ist. Um sie zu finden, bleibt er nicht in Marseille, sondern zieht nach Hyéres und beginnt Minen zu räumen, weil hier auch deutsche Häftlinge, ehemalige Besatzer, arbeiten. Es sind Häftlinge die vielleicht Ariane während des Krieges gekannt haben.

    Lukas ist Kriegsgefangener der Franzosen. Dabei liebt er Frankreich, die französische Sprache und die Kultur. Aber der Hass, der ihm und seinen Mithäftlingen seitens der Bevölkerung entgegen schlägt, ist enorm. Einen deutschen Gefangenen zu töten, ist “nachträgliche Notwehr” (S. 117). Den Deutschen soll nun das widerfahren, was sie so lange den Franzosen angetan hatten: “... so wie die Deutschen gelyncht hatten, wie sie massakriert, aufgehängt, niedergeschossen, vergewaltigt, abgefackelt, exekutiert, terrorisiert und gefoltert hatten. Endlich! Es war an der Zeit, dass sie dafür bezahlten” (S. 116 - 117)

    Vincent und Fabien sind die einzigen, die dazwischen gehen als ein französischer Bauer auf Lukkas einschlägt und ihn retten. Dabei sind die deutschen Kriegsgefangenen lebenswichtig. Sie müssen nach dem Räumen das Feld systematisch begehen, den sicheren Tod vor Augen, falls eine Mine doch übersehen wurde.

    Im Roman gibt es auch Frauengestalten, die in ihrer Art Licht ins desolate, dunkle Dasein der Männer bringen. Ariane, die Geliebte und Gesuchte, die verschollen bleibt, Odette, tot und unvergessen. Und da, in Hyéres gibt es Lena, die Café Besitzerin mit dem Herz am rechten Fleck, die sich Fabiens annimmt, und Saskia, aus einem deutschen Vernichtungslager zurückgekehrt, ihr Elternhaus von Fremden bewohnt, ihre Eltern und Schwester in Deutschland vergast und getötet, sie steht buchstäblich vor dem Nichts. Vincent rettet sie, bringt sie zu sich nach Hause, lässt sie da wohnen, ohne von ihr das Geringste zu verlangen oder erwarten.. Saskia fragt sich, wieso und wer ihre Familie bei den Deutschen denunziert haben könnte. Und was sind die Gründe dafür? “Aus Eifersucht, aus Rache oder um sich ein Geschäft unter den Nagel zu reißen? Vielleicht sogar aus keinem besonderen Grund, nur aus Gewissenlosigkeit, aus Freude am Verrat, um sich endlich einmal allmächtig zu fühlen?” (S. 162) Nicht einmal die Behörden wollen Saskia helfen. Die Familie, die ihr Haus besetzt hat, zählt zu den ehemaligen Kollaborateuren, es wurde ihr zwar der Prozess gemacht, aber es gelang ihr, die nötigen Persilscheine vorzuweisen und steht nun, nach dem Krieg, ebenso gut da wie während der deutschen Besatzung. Erst als Saskia und Vincent den Brief finden, der Saskias Familie denunziert hatte, findet sie heraus, wer so viel Leid und Not über Saskia heraufbeschworen hatte. Und auch, weshalb er dies getan hat. Er wollte nicht, dass sein Sohn Saskia heiratete, denn sie waren verlobt. Vincent stattet dem ehrenwerten Monsieur Jean-Robert Delambre-Rebattet einen Besuch ab und zwingt ihn, Saskias Haus von den unrechtmäßigen Besatzern zu befreien.

    Vincent findet Ariane, mit Hilfe Fabiens und Lukas’. Aber Ariane hat sich im Krieg verändert. Sie lebt in Italien, in einem Dorf, das nur aus Frauen zu bestehen scheint, ihre Liebe zu Vincent hat sich verändert und ist geschwisterlicher Zuneigung gewichen. “Sie beide [Ariane und Vincent] hatten nicht den Krieg überlebt, um der Tragödie weitere Akte hinzuzufügen. Das Chaos, das sie durchlebt hatten, musste wenigstens für eines gut sein: Größe zu zeigen, indem sie Rimbauds Aufforderung folgten und die Liebe neu erfanden” (S. 426)


    Wenn der Krieg nach dem Friedensschluss weitergeht, um den Frieden zu sichern, was dann?


    ASIN/ISBN: 3458644903

    Mörderinnen? Opfer der Umstände?

    Das Buch beginnt für Evie, die junge Nachhilfelehrerin, mit einem Albtraum. Zuerst findet sie ihre Arbeitgeber ermordet im Garten vor, danach entdeckt sie im Haus eine gefesselte junge Frau. Als die Tochter des Hauses Evie schreiend angreift, wehrt sich Evie und tötet dabei das Mädchen. Was für Evie eine schreckliche Lage ist, ist für uns, die Leser, eine sehr spannende Ausgangssituation.

    Es beginnt eine rasante Flucht, kreuz und quer durch die USA und nach Kanada. Sie versuchen möglichst unter dem Radar zu bleiben, werden aber immer wieder entdeckt und müssen weiter fliehen. Empörend fand ich, dass die Männer, die die beiden jungen Frauen entdeckten, sich danach vor Polizei und Presse als Opfer aufspielten, zahlreiche Interviews in dieser Rolle gaben. Die Nachrichtensender griffen diese gefakten Geschichten auf, bauschten sie auf, machten aus der Mücke nicht einen Elefanten, sondern gleich eine ganze Elefantenherde. Das ganze Land blies zum großen Halali, zur Hetzjagd auf “Bonnie und Bonnie”.

    Evie wird zuerst verhaftet, in Kanada, wo sie eigentlich kein Verbrechen begangen hat. Sie wird in die USA überstellt, wo sich gleich mehrere Bundesstaaten um sie bemühen. Es geht soweit, der Gouverneur von Kalifornien will Evie eine lebenslange Haftstrafe verdonnern noch vor der Beginn der Verhandlung und der Gouverneur von Florida antwortet tags darauf: “Keine Sorge, mein Freund. Wenn ihr sie in eurem Staat nicht umbringen dürft, machen wir das.” (S. 362-363) Dies alles bevor Evie angehört wurde, bevor ein Gericht sie für schuldig befunden hatt. Diese Vorverurteilung ist entsetzlich. Verhöre, Haft, erneut Verhöre, Isolation in der Haft, Evie erträgt alles stoisch und sagt kein Wort über Jae. Auch nachdem sich Jae gestellt hat und sämtliche Verbrechen auf sich genommen hat, ist Evie Gordon in den Augen der Öffentlichkeit immer noch schuldig.

    Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis geht die Hetze weiter: “In den ersten drei Wochen fanden auf der Straße vor dem Haus Demonstrationen statt. Wenn man einmal einen Mob geschaffen hat, wird man ihn nur schwer wieder los. Der Hass auf mich war zur Religion geworden: Vielen Menschen schenkte er eine Aufgabe und ein Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, sogar Freundschaften entstanden - vielleicht sogar Romanzen. Ich bin sicher, dass einige Affären mir zu verdanken waren, zum Beispiel wenn ein Verfechter von #EvieDidIt, ein deprimierter, einsamer Blödmann, seiner wund gerubbelten rechten Hand überdrüssig, seinesgleichen vor meinem Haus begegnete.” (S.377). Nach einem Monat kampierten nur noch fünf Demonstranten vor Evies Haus, lauter Anhänger der evangelikalen Kirche, die dann letztlich auch aufgaben. Evie konnte nirgends Arbeit finden, das angefangene Studium musste sie aufgeben, als bekannt wurde, wer sie ist.

    Im letzten Teil wird das Ganze abwechselnd aus Evies und Jaes Perspektive erzählt, kommentiert und interpretiert, das fand ich auch interessant. Zwei Blickwinkel und doch so ähnlich in manchen Punkten.

    Der Thriller lebt von rasanten Fluchten, Niederschlagen von Männern, die sie erkannt haben und daraus Kapital schlagen wollen, unglaublichen Überlebensstrategien (leerstehende Häuser, Bankrott gegangene Möbelläden, Baumärkten, Motels, usw. und der Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonistinnen, Evie und Jae. Aber irgendwann wird es etwas langatmig, die Verschnaufpause für die beiden Frauen und implizite für uns, die Leserschaft, ist etwas zu lang. Doch dann bringt eine erneute Flucht wieder Energie in das Geschehen.


    Fazit: Zwei intelligente Frauen auf einen wilden und manchmal bizarren Roadtrip


    ASIN/ISBN:
    ISBN9783471360873