• Ich werde euch nicht zu ernsthafter und gnadenloser Kritik anhalten. Ich habe schon gelesen, dass ihr damit nicht zimperlich umgeht.



    Blau.


    Hellblau.


    Hellblau mit ein wenig grün.
    Ich schaue in ihre glasigen Augen. Sie hat geweint und schaut so unendlich traurig aus. Ich gehe einen Schritt auf sie zu, hebe meine Hand. Lege meine Fingerspitzen auf ihre Fingerspitzen.


    Sie sind kalt.


    Ich lege meine Wange an ihre Wange, um Trost zu spenden.


    Sie ist kalt.


    Ihre Augen blicken direkt in meine.
    Sie schluchzt.
    Sie weint.
    Ich lege meine Seite an ihre Seite.


    Sie ist kalt.


    Ich blicke in den Raum hinter ihr. Er wirkt so vertraut und gleichzeitig so fremd.
    Während ich ihre Fingerspitzen mit den meinen berühre und meine Wange an ihre kalte schmiege, beruhigt sie sich.
    Wir schauen uns noch eine Weile an.
    Dann drehe ich mich vom Spiegel weg.

  • Ernsthaft, gnadenlos und eulenmäßig unzimperlich:


    Hat was.


    Das 'glasig' stört mich, die Bedeutung des Worts paßt hier nicht ganz.
    Das 'schaut... aus' paßt sprachlich nicht zum Rest, klingt nach Dialekt.


    Sonscht aber gfallt mer's gar net so schlecht. Gut gmacht!!


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Gefällt mir!


    Meine kleine Mäkelstelle ist diese hier:
    Sie sind kalt.
    Sie ist kalt.
    Sie ist kalt.


    Da hätte ich gern eine Steigerung oder drei verschiedene Bemerkungen über die Kälte.


    Lieben Gruß


    polli

  • "Lustig" war wirklich nicht das, was ich ausdrücken wollte.
    Vielleicht erklärst du mir genauer, was du damit meinst.
    Den anderen danke ich jetzt schon für die Rückmeldung!

  • *nach oben stubst* Ich hoffe, dass ist nicht zu dreist, aber vielleicht erbarmt sich so noch jemand, Kritik zu äußern. ;-)

    "e, quio quio quaru ar Yr aedat
    temoluqu' braown elepr' kyryr..."

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von LuellaLu ()

  • Mir gefällt es auch sehr.


    Der Anfang hat mich neugierig gemacht.


    Allerdings dachte ich nach dem Satz "Ich schaue in ihre glasigen Augen" - aha, nun kommt wieder so eine Teenie-Herz-Schmerz Geschichte, angereichert mit unzähligen Adjektiven.


    Aber zum Glück habe ich doch weiter gelesen und bis auf diese "glasigen Augen" nichts weiter zu kritisieren. Glasige Augen erinnern mich eher an jemanden, der zuviel Alkohol zu sich genommen hat. Ich würde entweder ein anderes Adjektiv für "glasig" suchen - oder es noch besser ganz einfach weglassen :-)

  • Schön, gefällt mir sehr gut...
    Aber du hast schon Recht, Ähnlichkeit zu "Träne" sind natürlich definitiv vorhanden. Kann aber irgendwie nicht sagen welches mir besser gefällt, sind beide sehr schön! :-]

  • Ich finde die Kurzgeschichte ist dir echt gelungen ;)
    das ist nämlich interresant gemacht,sodass man unbedingt bis zum ende lesen will.
    wie bist du eigentlich,wenn man fragen darf,auf diese idee mit dem spiegelbild gekommen?

  • Dass dieses Gedicht noch mal jemand ausgräbt... ;) Ich fand es wohl damals spannend zu beobachten, dass der Raum, den man völlig gut kennt, aus der Spiegelperspektive (eben Ausschnittsweise) so anders aussieht. Irgendwann hab ich mich selbst vor den Spiegel gestellt und mein Abbild plötzlich nicht als "Spiegelbild" wahrgenommen, sondern als eigenständige Person. Da ist mir die Inspiration zu diesem Gedicht gekommen. ;)

  • Hallo, finde es auch sehr schön. Wobei, wie oben schon angemerkt, eine Steigerung der Kälte noch gut passen würde.
    Da die Geschichte von dir ja jetzt schon Jahre her ist, würde mich interessieren, wie du sie heute schreiben würdest.
    Was würdest du verändern?

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Ich hab den Text bereits ein paar mal gelesen. Es ist ein richtig starker Text.


    Der Text beeindruckt mich. Er nimmt mich gefangen. Er ist schön, wie mein Herr Kollege sofort bemerkt hat.
    Der Text beschreibt eine Einsamkeit, eine Traurigkeit, ohne beide Worte zu nennen. Es gelingt durch die Situation, durch die erzählerischen Bilder.


    Nach einem Genre würde ich bei dem Text nicht suchen. Es ist keine Geschichte im klassischen Sinn, kein typisches Gedicht ... Aber das ist egal.


    Es war immer etwas, was mich beim Lesen gestört hat. Erst sehr unterschwellig, kaum namhaft zu machen. Eben ist es mir aufgefallen.
    Wenn ich den Augen der erzählenden Figur gedanklich folge, komme ich nicht mit dem Text mit. Ich schaue in den Spiegel, um die Augenfarbe zu sehen, die Tränen, den SChritt auf den Spiegel zuzugehen. Ich sehe die Fingerspitzen einander berühren.
    Ich lehne die Wange an den Spiegel. Und schaue wohin? - jedenfalls nicht in die Augen des Gegenübers. Ich schaue in den Raum - und sehe ihn damit eben gerade nicht durch den Spiegel.
    Mit etwas Mühe folge ich auch, und kuschele mit dem gesamten Spiegel indem ich "meine Seite an ihre Seite" lege, aber auch dann schaue ich wieder in den Raum und nicht in den Spiegel.
    Der gleiche Bruch folgt noch ein drittes mal im Schlußsatz: "...meine Wange an ihre kalte schmiege, beruhigt sie sich. Wir schauen uns noch eine Weile an."


    Der Text lebt von der Schlußüberraschung und der soll möglichst nicht vorgegriffen werden, das ist mir schon klar. Darum die konsequente Anrede eines wahren Gegenübers, darum auch das mit dem Spiegel kuscheln. Aber irgendwie muß auch am Ende, wenn ich die Pointe gelesen habe das Davor stimmig bleiben.


    Vielleicht kannst Du genau daran noch feilen, damit der Text noch besser wird.
    Grüße
    Licht