'Die Akte Adenauer' - Seiten 181 - 283

  • Ich bedauere eher, dass ich ihn heute nicht wählen kann, wenn ich daran denke, wer mich von diesen schrecklichen Plakaten jeden Tag so anstarrt. Zum Glück hat eine gnädige Seele vergessen, die Plakate auf die Stellflächen direkt vor meinem Bürofenster zu kleben, so dass ich die meiste Zeit nur auf weiße Flächen gucke. Ist ja vielleicht auch symptomatisch für die aktuellen KanditatInnen ... :kreuz

    Die Gesichter gehen ja noch, aber die wirklich nichtssagenden Slogans darauf machen mich rasend. :fetch

    "Zuhören und Zutrauen. Bereit, weil Ihr es seid."

    "Für mehr Freude am Erfinden als am Verbieten."

    "Nie gab es mehr zu tun."

    "Für eine starken Sozialstaat".

    "Gemeinsam für ein moderndes Deutschland."

    Das sind die Plakate, die ich auf meinen täglich Radtouren fotografiert habe, weil ich mich darüber so aufrege. Man erkennt ja kaum die Partei dahinter.

    Sorry, das musste mal raus.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Genauso ist es. Fast jede Partei könnte jeden Slogan benutzen. Alles ist so allgemeingültig, dass es schon wieder belanglos ist. Das Motto der modernen Welt halt: bloß niemanden verprellen! :ichwarsnicht

  • Die Szenen mit Wehner waren für mich beim Schreiben ein besonderes Vergnügen. :-]

    Diese ist Dir auch gut gelungen! Ich habe auch noch lebhafte Bilder von Herbert Wehner im Bundestag im Gedächtnis. Der Mann nahm kein Blatt vor den Mund und schien meist schlecht gelaunt.


    Wen meint er mit "Der adelige Maikäfer vom Innenminister" (Seite 267) und warum nennt er ihn so?

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Evas Reaktion ist vielleicht irgendwie nachvollziehbar, aber ich hätte diese Wendung für das Buch nicht gebraucht. Für mich war es ein bisschen aufgesetzt, so nach dem Motto "Wir brauchen unbedingt noch ein bisschen Liebesdrama ...."

    Das war schon heftig für sie. Aus dem Schlaf geschreckt von der kreischenden Bettnachbarin, dann ein fremder Mann mit großem Messer, der sich auf sie stürzt und plötzlich vier laute Schüsse, die den niederstrecken. Und das alles nachdem sie selber bei einer Schießerei verletzt worden ist. Einer sowieso schon traumatisierten Frau müssen da doch ernste Bedenken kommen, ob sie sich wirklich mit einem Soldaten einlassen soll, der offensichtlich noch immer über Leichen geht.

    Ich finde ihre Reaktion noch recht moderat. Mich hätte nicht gewundert, wenn sie einen Schrei- oder Weinkrampf bekommen hätte, als sie seiner wieder ansichtig wurde.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • ich muss ja sagen, dass ich Adenauer auch eher zwiespältig gegenüber stehe. Er hat viel für Deutschland erreicht, aber bestimmt auch viel verhindert. Die Gesellschaft in den Fünfzigern und Sechzigern war ja schon sehr verkrustet und wie gerade mit Frauen und Minderheiten umgegangen ist, ging ja gar nicht. Was vermutlich auch dem geschuldet war, dass man dem Gedankengut der Nazis nicht wirklich abgeschworen hat und man scheinbar dachte, man kann einfach ohne Heilsgeschrei so weiter machen.

    Dieses Gedankengut hat sich bei Adenauer auch noch mit seinem katholischen Glauben vermischt. Da braucht man sich über seine konservative Einstellung nicht wundern.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ein spannender Abschnitt. Besonders gut gefallen haben mir die Begegnungen mit Wehner und Adenauer.


    Wehner scheint wirklich ein Sturkopf gewesen zu sein - ich kann mich noch dunkel an ihn erinnern, aber leider wirklich nur noch sehr dunkel. Mein Eindruck ist allerdings ähnlich wie der von streifi und Regenfisch , früher hatten Politiker mehr Profil als heute.


    Dass zwischen Eva und Phil gerade der Haussegen schief hängt, überrascht mich nicht. Schließlich hat er gerade vor ihren Augen einen Mann erschossen. Ihre Reaktion finde ich sogar noch gemäßigt, wenn ich mir die Situation vorstelle: man wird aus dem Schlaf gerissen von jemandem der panisch schreit, dann steht ein Mann vor einem, der einen mit dem Messer bedroht, und dieser Mann wird dann erschossen :yikes - grauenhaft, aber vielleicht haben die Menschen dieser Generation anders reagiert, immerhin haben sie einen Krieg durchgemacht.


    Ich finde, dass eine besondere Stärke dieses Buches ist, dass die komplizierten Verwicklungen und Verhältnisse, die nach dem 2. Weltkrieg herrschten, gut beschrieben sind.

    Das finde ich auch gut gelungen.


    Phil steckt nach seinem Gespräch mit Adenauer einmal mehr in der Zwickmühle und muss sich fragen, wem seine Loyalität gehört.


    Da verspricht der letzte Abschnitt noch spannend zu werden, also nichts wie weiterlesen...

  • Wehner scheint wirklich ein Sturkopf gewesen zu sein - ich kann mich noch dunkel an ihn erinnern, aber leider wirklich nur noch sehr dunkel. Mein Eindruck ist allerdings ähnlich wie der von streifi und Regenfisch , früher hatten Politiker mehr Profil als heute.

    Wehner konnte mit dem Breitschwert austeilen, aber auch mit dem Florett. Immer wieder göttlich und durch die Suchmaschine des Vertrauens leicht zu finden: sein kleines Wortgefecht mit Ernst Dieter Lueg ("Herr Lüg" - "Herr Wöhner"). :lache So etwas gibt es heute nicht mehr. ;(

  • Also ich muss sagen, mir gefällt das Buch immer besser. In diesem Abschnitt nimmt die Spannung auch noch mal an Fahrt auf und ich fiebere regelrecht mit. Gefällt mir gut. Deshalb gehe ich davon aus, dass ich den Rest einfach heute Nachmittag in einem Schwung noch fertig lesen werde...


    Adenauer finde ich richtig klasse gezeichnet, sowohl politisch als auch menschlich. Auch seine Stimme und Art zu sprechen hatte ich direkt in den Ohren. (Wobei ich mich keinesfalls an Karneval erinnert fühle. :rofl)

    Dass er in der Abtei Brauweiler inhaftiert war, war eine ganz neue Information für mich.

    Jetzt wird es wichtig, für welchen Staat Gerber steht. Eine echte Zwickmühle. Und dass Anderson Adenauer sozusagen erpresst mit dessen unterschriebenen Zugeständnissen ist eine weitere Schwierigkeit. Allerdings bin ich mir fast sicher, dass Gerber mit seiner unkonventionellen Art es schaffen wird, die prekären Unterlagen an sich zu bringen...


    Wehner erkennt die Gefahr wohl nicht, in der er schwebt. Er will keine Hilfe. Das wird wohl noch zu reichlich Aufruhr führen... aber da wir ja wissen, dass er nicht bei einem Anschlag umgekommen ist, wird es wohl gut ausge


    Überaus überraschend fand ich auch das abrupte Ende zwischen Eva und Gerber. Wobei ich Eva da schon ein Stück weit verstehen kann. Nur verstehe ich Gerber eben auch... nicht einfach für beide. Auf Dauer hätte es wohl nicht gut gehen können mit den beiden und ihren so grundverschiedenen Ansichten.


    Dietrich Hallers Bemerkung mit der Blutsbande... irgendwie kam mir in den Sinn, dass es sich vielleicht doch um Evas Geschwister handeln könnte bei den zweien. Aber passt das wirklich ins Bild? Zwei Geschwister weit rechts und gegen die Kommunisten, eine Schwester pro Kommunismus und gegen Adenauer. Hm. Mal weiterlesen.

  • Ich finde, dass eine besondere Stärke dieses Buches ist, dass die komplizierten Verwicklungen und Verhältnisse, die nach dem 2. Weltkrieg herrschten, gut beschrieben sind.

    Das finde ich auch. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Souveränität des Staates ja noch nicht wirklich wieder hergestellt war und man sich nicht nur mit innenpolitischen, sondern im sehr verstärkten Maße auch mit außenpolitischen Entscheidungen auseinandersetzen musste.

  • Hier hängen noch nicht viele Wahlplakate, bei mir im Ort hat es bisher nur die SPD geschafft zu plakatieren. Aber ich rege mich dennoch innerlich seit Tagen über einen speziellen, saudämlichen Slogan auf. Die von dir zitierten kann ich noch irgendwie nachvollziehen, da steckt zumindest noch ein Fünkchen "Gemeinwohl" drin. Hier hat es ein Kandidat aber doch tatsächlich geschafft, mit dem Slogan "Ich will Kanzler werden! (Nicht jetzt, aber irgendwann...)" anzutreten. Was ist das, bitte schön, für eine Aussage?!

  • Ganz viele tolle Mutmaßungen, das gefällt mir und so soll es sein! :gruebel Aber ich will nicht spoilern und halte mich deshalb mit Kommentaren vornehm zurück. :hmm

  • Hier hängen noch nicht viele Wahlplakate, bei mir im Ort hat es bisher nur die SPD geschafft zu plakatieren. Aber ich rege mich dennoch innerlich seit Tagen über einen speziellen, saudämlichen Slogan auf. Die von dir zitierten kann ich noch irgendwie nachvollziehen, da steckt zumindest noch ein Fünkchen "Gemeinwohl" drin. Hier hat es ein Kandidat aber doch tatsächlich geschafft, mit dem Slogan "Ich will Kanzler werden! (Nicht jetzt, aber irgendwann...)" anzutreten. Was ist das, bitte schön, für eine Aussage?!

    Wie jetzt, Gerhard Schröder will's noch mal wissen??? :schnellweg

  • heijeijei, wo Gerber ist, ist Action! Erst die Schiesserrei an der Jagdhütte und dann die AKtion im Krankenhaus. Da ist er aber wirklich gerade nochmal rechtzeitig gekommen.

    Stimmt ziemlich viel Action in der Geschichte. Schießereien gab es da ja einige. :) Gerber hat ja bis jetzt Glück gehabt aber Eva, um die habe ich gefürchtet.

    Die Szenen mit Adenauer fand ich sehr interessant, er muss ein Mann mit großem Charisma gewesen sein. Und auch Wehner war wohl ein echter Sturschädel. Nicht so wie unsere Politiker heute, die mir manhcmal den Eindruck machen, als würden Sie ihr Fähnchen in den Wind hängen. Damals gab es da ja so einige herausragende Köpfe....

    Im Gedächtnis bleiben einem doch die Charakterköpfe unter den Politikern. Die mit Ecken und Kanten. Die anderen, die mutmaßlich auch zu den "Guten" gehörten, aber eben nicht so "laut" waren, vergisst man. Wehner kenne ich auch noch. Allerdings war der ja damals noch richtig jung. :) Wie sich manche Bilder einprägen. Wehner mit Pfeife. :grin


    Die Gesellschaft in den Fünfzigern und Sechzigern war ja schon sehr verkrustet und wie gerade mit Frauen und Minderheiten umgegangen ist, ging ja gar nicht. Was vermutlich auch dem geschuldet war, dass man dem Gedankengut der Nazis nicht wirklich abgeschworen hat u

    Ich finde, es war ein schleichender Übergang. Dadurch, dass so viele Männer im Krieg gefallen waren, gab es doch einige Frauen, die an wichtigen Positionen waren bzw. sich langsam vorarbeiteten. Und in den 60gern mit der Pille kam eine richtige Revolution in Gang. Das Frauenbild war ja hunderte von Jahren alt, nicht nur die paar durch die Nazis. Die haben das halt noch geschürt, das verkrustete Weltbild. Aber aufhalten konnten auch Leute wie Adenauer die Emanzipation und Gleichberechtigung nicht mehr. Es dauerte nur eine Weile. (Gibt da gerade eine tolle Doku im Kino über die Anfänge der Frauen in der Politik. Erschreckend aber auch faszinierend, was für tolle Politikerinnen gerade im letzten Jahrhundert in Deutschland waren.)

    Im Rückblick dauerte es naütrlich zu lange und die Männer versuchten es zu verhindern, wo es nur ging (und manche versuchen es heute noch :schlaeger)

    Hollundergrüße :wave




    :lesend








    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Das Gespräch zwischen Adenauer und Gerber fand ich tatsächlich den Höhepunkt dieses Abschnitts. Auch hier bin ich gespannt, wie Philipp sich entscheidet. Ich denke, dass er die Akte organisiert und verschwinden lässt und vielleicht noch andere Geheimakten entdeckt über höher gestellte Persönlichkeiten.

    Ich finde, dass eine besondere Stärke dieses Buches ist, dass die komplizierten Verwicklungen und Verhältnisse, die nach dem 2. Weltkrieg herrschten, gut beschrieben sind.

    Das kann ich so :writenachdem ich diesen Abschnitt heute gelesen habe.