'Dunkelblum' - Seiten 430 - Ende

  • Geschafft! Ich bin auch endlich am Ende angekommen.

    Auch ich bin froh, dass ich das Buch gelesen habe, trotzdem war mein Leseprozess zäh. Mit "Vienna" ging es mir genauso. Auch dort wurde ein wichtiges Thema, nämlich die Kinderverschickung jüdischer Kinder, erzählt. Klug, vielschichtig, witzig und spannend zugleich. Letztendlich wurde ich bis zuletzt mit dem Schreibstil Menasses nicht warm.

    Um so mehr freut es mich, wie begeistert ihr seid!

    Nach dem Lesen beider Bücher schließt sich für mich aber auch irgendwie ein Kreis. "Vienna" bringt die Familiengeschichte einer jüdischen Familie zu Gehör, in "Dunkelblum" stehen die Täter und deren Verfolger im Mittelpunkt. Die Frage nach den Tätern ist wirklich ein wichtiger Forschungsaspekt. Äußerst interessant die Frage nach der kollektiven Schuld. Mir ging der Roman an dieser Stelle jedoch nicht genug in die Tiefe. Ich hätte gerne mehr von dem Umgang mit der Vertuschung erfahren, wäre gerne tiefer in die Gedanken einzelner Figuren eingetaucht. Ich verstehe aber auch, dass Menasse ein ganzes Dorf exemplarisch zu Wort kommen lassen wollte.


    Auch die scheinbar herzliche Aufnahme der Ostdeutschen zeigt die oben angeführten Merkmale des Egoismus und der Bequemlichkeit: Wir nehmen die Ostdeutschen auf und machen dabei noch ein gutes Geschäft, aber bei uns bleiben sollen sie dann lieber doch nicht, das könnte ja den gewohnten Lebensgang verändern, da bleibt man lieber unter sich. Die gute Idee des alten Doktors, die Geflohenen im Burgenland anzusiedeln, wird aus diesem Grund abgeschmettert Mauscheln und sich in seiner Selbstgerechtigkeit suhlen kann man sich halt am besten unter seinesgleichen.

    Menasse ist eine gute Beobachterin. Mich erinnerte die Stelle auch an die bereitwillige Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen. Natürlich ist es absolut lobenswert, den Frauen und Kindern ein sicheres Zuhause zu ermöglichen und das ist wirklich toll. Das Wohngeld wird aber auch sehr gerne genommen für die meist lange leerstehenden Einliegerwohnungen. Und natürlich nimmt man lieber katholische Frauen auf als afghanische oder syrische junge Männer. Da weiß man ja nie... In den letzten Monaten habe ich viele solcher Äußerungen gehört und darüber diskutiert.


    Leider war ich eine lausige Leserunden-Teilnehmerin. Das nächste Buch packt mich bestimmt mehr. Vielen Dank, dass ihr eure Gedanken geteilt habt. :knuddel1

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Danke Regenfisch für Deine Gedanken zum Ende des Buches. Ja, in die Tiefe geht das Buch nicht wirklich, vielleicht der Verlagsauflage mit der Seitenanzahl geschuldet? trotzdem fand ich das Buch sehr aufschlussreich und interessant. Wie gehen z.B. die Österreicher mit ihrer "Schuld" um, die Kriegsberichte oder Schilderungen über den "Anschluss" Österreichs sind ja sehr geschönt, aus bekannten Gründen.

    Mir ist da immer noch das Buch "Reisen Sie ab Mademoiselle" von Adrienne Thomas im Kopf, das wirklich unter die Haut ging und in Wien spielt. Leider sind ihre Bücher kaum zu bekommen.


    Bereiten wir uns geistig auf die neuen Leserunden vor. Ich freu mich auf Euch. :wave

  • Schön, dass du dich nochmal abschließend hier zu Wort meldest, Regenfisch ! :) Schade, dass dich das Buch nicht so richtig packen konnte. Ich kann mir vorstellen, dass das Lesen dann wirklich sehr zäh ist.


    Ja, in die Tiefe geht das Buch nicht wirklich, vielleicht der Verlagsauflage mit der Seitenanzahl geschuldet?

    Ich glaube nicht, dass das mit der Seitenzahl oder ähnlichen Vorgaben zu tun hat, sondern eher mit dem Blickwinkel, für den Menasse sich entschieden hat. Sie zeigt ja den Ort Dunkelblum als Gesamtheit – so ein bisschen, als würde man auf Google Maps aus der Vogelperspektive draufschauen und immer wieder mal auf ein anderes Haus zoomen. Da fehlt wahrscheinlich dann der Raum bzw. das Potenzial für mehr Tiefe bei den einzelnen Personen.


    Mich erinnerte die Stelle auch an die bereitwillige Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen. Natürlich ist es absolut lobenswert, den Frauen und Kindern ein sicheres Zuhause zu ermöglichen und das ist wirklich toll. Das Wohngeld wird aber auch sehr gerne genommen für die meist lange leerstehenden Einliegerwohnungen. Und natürlich nimmt man lieber katholische Frauen auf als afghanische oder syrische junge Männer. Da weiß man ja nie... In den letzten Monaten habe ich viele solcher Äußerungen gehört und darüber diskutiert.

    Diese Unterscheidung in vermeintlich "gute" und "böse" Flüchtlinge ist mir auch schon häufiger aufgefallen. Ich vermute, dass dabei nicht nur der Unterschied zwischen Männern und Frauen/Kindern eine Rolle spielt, sondern auch die Hautfarbe und der kulturelle/religiöse Hintergrund.

  • Ich glaube nicht, dass das mit der Seitenzahl oder ähnlichen Vorgaben zu tun hat, sondern eher mit dem Blickwinkel, für den Menasse sich entschieden hat. Sie zeigt ja den Ort Dunkelblum als Gesamtheit – so ein bisschen, als würde man auf Google Maps aus der Vogelperspektive draufschauen und immer wieder mal auf ein anderes Haus zoomen. Da fehlt wahrscheinlich dann der Raum bzw. das Potenzial für mehr Tiefe bei den einzelnen Personen.

    Das ist eine gute Beschreibung. Menasse zoomt ja dann quasi von Person zu Person. Gefällt mir das Bild.

  • Findus und Sidonie : Ja, das sehe ich auch so. Und das Thema sind jetzt auch nicht die allerletzten Gründe des Einzelnen, sich so zu verhalten, sondern die kollektive Bequemlichkeit des Verdrängens und Vertuschens.

    Mir gefällt außerdem das Unsentimentale, Nüchterne, das ihren Schreibstil beherrscht. Das verhindert zwar die Identifikation mit einzelnen Personen, schärft aber gleichzeitig den Blick.

  • Danke finsbury , ich fand diese Leserunde sehr spannend. Nicht nur des Buches wegen, sondern hauptsächlich wegen der einzelnen Kommentare. Jeder hat irgendwie eine andere Sicht auf die Begebenheiten und Eigenheiten der Dorfbewohner, legt einen anderen Finger in die Wunde und hilft dabei, die eigene Meinung zu überdenken. Danke Euch allen.