'Mädchen, Frau, etc.' - Seiten 145 - 268

  • Wir machen einen weiten Sprung in eine ganz andere Lebenswirklichkeit und landen bei Carole. Auch bei Carole bin ich wieder nah an ihr dran, es ist ein direkter Stil, ihre Handlungen wirken nachvollziehbar. Aber Carole wirkt für mich etwas steriler, was sicher auch an ihrer starken Selbstdisziplin und Kontrolle liegt. Aber ihr Charakter wirkt etwas mehr wie vom Reißbrett auf mich - arme Kindheit, gute Noten, einmal gehen lassen und gleich vergewaltigt von der Sportmannschaft, sich selbst die Schuld geben und abrutschen, danach das Hochkämpfen, eiserne Disziplin und super erfolgreich. Dazu der erste Freund, der später Pate wird. Alles passte zusammen, war in der Menge jedoch etwas zuviel für mich, um so authentisch zu wirken wie die ersten drei Frauen.


    Erschreckt hat mich die Schilderung der Party und Vergewaltigung (die zum Glück nur angedeutet wurde). Es war klar, das, und bald was, passieren wird, unaufhaltsam wie auf Schienen. Großartig geschrieben.

  • Carole ist in vielen Dingen das Gegenteil von Amma und Yazz, was auch in der Sprache deutlich wird.

    Nur hin und wieder taucht ein kleiner Hinweis auf, wie sehr auch die erfolgreich Carole um Anerkennung kämpfen muss. Ich denke da an die Szene, wo sie für ein Serviermädchen gehalten wird.


    Ganz anders ihre impulsive Mutter.

  • Wir machen einen weiten Sprung in eine ganz andere Lebenswirklichkeit und landen bei Carole. Auch bei Carole bin ich wieder nah an ihr dran, es ist ein direkter Stil, ihre Handlungen wirken nachvollziehbar. Aber Carole wirkt für mich etwas steriler, was sicher auch an ihrer starken Selbstdisziplin und Kontrolle liegt. Aber ihr Charakter wirkt etwas mehr wie vom Reißbrett auf mich - arme Kindheit, gute Noten, einmal gehen lassen und gleich vergewaltigt von der Sportmannschaft, sich selbst die Schuld geben und abrutschen, danach das Hochkämpfen, eiserne Disziplin und super erfolgreich. Dazu der erste Freund, der später Pate wird. Alles passte zusammen, war in der Menge jedoch etwas zuviel für mich, um so authentisch zu wirken wie die ersten drei Frauen.


    Erschreckt hat mich die Schilderung der Party und Vergewaltigung (die zum Glück nur angedeutet wurde). Es war klar, das, und bald was, passieren wird, unaufhaltsam wie auf Schienen. Großartig geschrieben.

    Mir war die Folge der erwartbaren Entwicklungsschritte auch etwas viel. Vielleicht war aber gerade das Absicht. Vielleicht ging es hier gerade um das Klischee:gruebel und die Erfüllung solcher Erwartungen.

  • Ich finde Eure Eindrücke auch echt interessant. Mir hat das Kapitel von Carole bisher fast am Besten von allen gefallen. Mir ist ihre Vergewaltigung und die Folgen davon so nahe gegangen. Ich habe wirklich mit ihr mitfühlen können und fand es auch grandios, wie die Sprache in ihrem Kapitel eingesetzt wird. Ich fand die Sprache in ihrem Kapitel tatsächlich auch nicht gehetzt und ich habe Carole auch überhaupt nicht als steril empfunden.

    Ich bin mit dem Abschnitt schon fertig und kann das Buch fast nicht aus der Hand legen, so gerne lese ich es.

  • Ganz anders ihre impulsive Mutter.

    Im Kapitel Bummi dachte ich anfangs, dass es ein weiteres Carole-Kapitel wird, aber hier entrollt die Mutter auf ganz besondere Weise ihr schweres Leben vor uns. Ganz bin ich noch nicht durch.

    Was mich ein bisschen stört, und ich habe überhaupt nichts dagegen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen zu lesen, ist dass auch hier wieder eine Frau sich selbst in einer Beziehung zu Frauen findet, so als gehöre das dazu, wenn sie aus dem Schatten treten und sich emanzipieren. Der einzige Ausweg, um sich nicht nochmal von einem Mann abhängig zu machen? Mag sein. :gruebel

  • Clare ich habe über dieses Thema auch schon nachgedacht und frage mich, ob die gleichgeschlechtlichen Beziehungen der Frauen nicht auch durch die unglaublich schlechten Erfahrungen begründet sind, die sie mit brutalen oder unzuverlässigen Männern gemacht haben.

    Genau so meinte ich es. Ich vermute, dass es der einzige Ausweg zu sein scheint, um aus der Abhängigkeit von einem Mann herauszukommen. Ich würde hier gerne anführen, dass nicht alle Männer gleich sind, aber wir sprechen hier von einer anderen Generation und anderen Zeit. Daher...

  • Carole


    Mit Caroles Kapitel bin ich bislang am wenigsten klargekommen. Es war zwar (wieder) mitreißend geschrieben und auch eine sehr nahe gehende Erzählung, mir gings aber auch so, dass ich sie zu vorhersehbar fand. Irgendwie hatte ich dauernd das Gefühl, ich hätte es schon mal gelesen.


    Mir war die Folge der erwartbaren Entwicklungsschritte auch etwas viel. Vielleicht war aber gerade das Absicht. Vielleicht ging es hier gerade um das Klischee:gruebel und die Erfüllung solcher Erwartungen.

    "Erwartbare Entwicklungsschritte" finde ich sehr gut getroffen. :) Könnte durchaus sein, dass ganz bewusst so eine klischeehafte Geschichte aufgenommen wurde - ich bin gespannt, wie es mit Carole weitergeht. Sie ist für mich die bislang tragischste Person: nach außen hin sehr erfolgreich, innerlich aber im völlig falschen Leben und mit einer Last aus der Vergangenheit, die sie noch aufarbeiten muss.

    Gehetzt würde ich nicht sagen, aber für mich ist die Sprache so diszipliniert, wie ich mir Carole vorstelle.

    :write

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Im Kapitel Bummi dachte ich anfangs, dass es ein weiteres Carole-Kapitel wird, aber hier entrollt die Mutter auf ganz besondere Weise ihr schweres Leben vor uns. Ganz bin ich noch nicht durch.

    Was mich ein bisschen stört, und ich habe überhaupt nichts dagegen von gleichgeschlechtlichen Beziehungen zu lesen, ist dass auch hier wieder eine Frau sich selbst in einer Beziehung zu Frauen findet, so als gehöre das dazu, wenn sie aus dem Schatten treten und sich emanzipieren. Der einzige Ausweg, um sich nicht nochmal von einem Mann abhängig zu machen? Mag sein. :gruebel

    Clare ich habe über dieses Thema auch schon nachgedacht und frage mich, ob die gleichgeschlechtlichen Beziehungen der Frauen nicht auch durch die unglaublich schlechten Erfahrungen begründet sind, die sie mit brutalen oder unzuverlässigen Männern gemacht haben.

    Ich Frage mich gerade, ob wir das gleiche Buch gelesen haben? Eure Gedanken kann ich mit meinem Leseempfinden gar nicht zusammen bringen:


    Amma: Es wird rein von lesbischen Sex gesprochen, was bei ihr ja mehr als Beziehung ist, wobei da auch die beiden zum Zeitpunkt des Buches gleichgeschlechtlich sind.


    Yazz: Sie scheint heterosexuell zu sein, es gab keine Anzeichen auf gleichgeschlechtliche Experimente oder gar eine Beziehung?


    Dominique: Auch hier habe ich ein rein lesbisches Leben im Kopf, aber da mit einer toxischen Beziehung. Auch keine Hinweise auf schlechte Erfahrungen mit einem Mann?


    Carole: Massenvergewaltigt als Teenie, was natürlich ihr Leben prägt. Trotzdem im weiteren Verlauf Beziehungen mit einem Mann und ja auch eine scheinbar glückliche Heirat.


    Bummi: Glücklich verheiratet, ihr Mann stirbt. Das nutzt der Prediger aus und erpresst sie. In der Trauer und dem Gefühl des Alleinseins gleichgeschlechtliche Beziehung, die sie aber nicht frei ausleben kann und schwer darunter leidet. Das habe ich eher als Ventil für notwendige menschliche Nähe gelesen, und nicht als Flucht vor Männern. Danach aber wieder glückliche hetero-Beziehung.


    LaTisha: Sie kämpft sich durch, alleinerziehende Mutter von 3 Vätern, allesamt Arschlöcher inkl. des Vergewaltigers von Shirley. Aber auch hier trotz der massiven negativen Erfahrungen keine Abkehr von Männern. Auch bei ihrer Mutter nicht, die von ihrem Mann für eine andere Familie verlassen wird.

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    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von baro () aus folgendem Grund: Namensverwechslung

  • Die unterschiedlichen Leseeindrücke zu dem Buch sind ja wirklich interessant.:)

    Ich habe es beim Lesen tatsächlich so wie baro empfunden. Ich habe bei keiner der Frauen das Gefühl gehabt, sie hätten sich in eine gleichgeschlichtliche Beziehung begeben, um sich so zu emanzipieren oder sich von der Abhängigkeit von Männern zu lösen. Das habe ich auch gerade bei Bummis Geschichte überhaupt nicht so gesehen. Ich hatte bei ihrer Beziehung mit ihrer Freundin nie das Gefühl, es ginge ihr um Emanzipation, sondern immer nur um körperliche Nähe und Bedürfnisse, da sie einfach einsam und alleine war.

  • baro

    Ich würde mich ja selber zitieren, aber du kannst auch weiter ober schauen.

    Ich sprach vom Kapitel BUMMI, nur davon. Natürlich geht es zum Teil um Carole, aber ich wollte ja mehr über die Mutter, nicht über die Tochter erfahren, und so war es ja dann auch nicht.

    Und ich spreche immer noch von BUMMI, wenn ich sage, dass ich, und hier geht es wieder um mein Empfinden, schon zumindest verwundert war, dass auch diese Frau, immerhin die dritte an dieser Stelle des Romans, Trost und Liebe und Geborgeheit bei einer Frau sucht. Ich denke, dass man durchaus mal darüber nachdenken kann, warum Bummi sich nicht nur finanziell unabhängig macht mit ihrer Firma, sondern auch emotional, nicht etwa einen neuen Mann sucht, sondern Wärme bei einer Frau findet.

    Ich zitiere gleich nochmal Rouge . Da erkläre ich mich noch weiter.

  • Die unterschiedlichen Leseeindrücke zu dem Buch sind ja wirklich interessant.:)

    Ich habe es beim Lesen tatsächlich so wie baro empfunden. Ich habe bei keiner der Frauen das Gefühl gehabt, sie hätten sich in eine gleichgeschlichtliche Beziehung begeben, um sich so zu emanzipieren oder sich von der Abhängigkeit von Männern zu lösen. Das habe ich auch gerade bei Bummis Geschichte überhaupt nicht so gesehen. Ich hatte bei ihrer Beziehung mit ihrer Freundin nie das Gefühl, es ginge ihr um Emanzipation, sondern immer nur um körperliche Nähe und Bedürfnisse, da sie einfach einsam und alleine war.

    Ich hatte auch nicht bei den Figuren das Gefühl, dass sie es als einzigen Weg zur Emanzipation sehen, aber möglicherweise ist es das, was die Autorin mir vermitteln will. Jedenfalls ist es das, was bei mir ankommt. Das ist wahrscheinlich nicht so, aber es drängt sich mir auf. Unterschiedliche Leseeindrücke.