'Trophäe' - Seiten 061 - 112

  • In dem Artikel, der im Thread zum ersten Abschnitt verlinkt ist, wird auch erwähnt, dass Großwildjäger gerne starke, imposante Tiere jagen. Würde man deutlich weniger und nur schwache, kranke oder "behinderte" Tiere zum Abschuss freigeben, wäre das Problem vielleicht keins.

    Aber das wäre weniger attraktiv - und würde demzufolge weniger Geld einbringen.

  • Ich finde das Ausstellen von Leichnamen, ohne Genehmigung der Personen (Körperwelten hat diese angeblich) und ohne Bandagen, pietätlos.

    Schrumpfköpfe sehe ich da allerdings differenziert, bei denen ist der Mensch kaum noch erkennbar. Im Haus wollte ich allerdings keinen haben - viel zu gruselig

    Aber auch die Schrumpfköpfe sind Teile menschlicher Körper. Da es sich oft um besiegte Gegner handelte, kann man davon ausgehen, dass da auch keine Genehmigung vorliegt. Und macht eine Bandage das wirklich besser? Auch Mumien wurden aus ihren Gräbern, in denen sie für die Ewigkeit bestattet wurden, herausgerissen und in Museen ausgestellt. Pietätlos ist das sicher auch.

  • Der Unterschied zur heimischen Tierwelt besteht nur darin, dass die Big Five eine größere Lobby haben als die Tiere in Europa.

    Der Hauptunterschied, ja. Man könnte vielleicht noch anführen, dass die Tiere, deren Geweihe in deutschen Forsthäusern (oder im Hotel Hennies) hängen, im Gegensatz zu geschossenen Nashörnern und Löwen dem Verzehr durch Menschen dienten.


    Aber gruselig bleibt es für mich auch.

  • Aber das wäre weniger attraktiv - und würde demzufolge weniger Geld einbringen.

    Und es würde weniger Adrenalin beim Jäger freisetzen. Nur das große, starke Tier ist ja dem vermeintlich tollen Jäger ebenbürtig. Dieses Adrenalin kennt Hunter auch vom Jagen nach Börsengewinnen. Nicht der Gewinn in Dollar, sondern das Besiegen ist sein Ziel. Vielleicht kennen einige dies noch von Auktionen bei ebay vor ca. 20 Jahren. Hatte man erstmal angefangen zu bieten, konnte man kaum mehr aufhören. Man wollte sich nicht besiegen lassen: Drei-zwei-eins -> meins!

  • Der Hauptunterschied, ja. Man könnte vielleicht noch anführen, dass die Tiere, deren Geweihe in deutschen Forsthäusern (oder im Hotel Hennies) hängen, im Gegensatz zu geschossenen Nashörnern und Löwen dem Verzehr durch Menschen dienten.


    Aber gruselig bleibt es für mich auch.

    Nicht ausschließlich. Ich habe gehört, dass es beispielsweise sehr populär ist, nach Namibia zu fliegen und auf Antilopenjagd zu gehen. Das Fleisch des erlegten Wilds wird gegessen, was oftmals auch als Legitimation/ Rechtfertigung ins Feld geführt wird.

    Ob das Töten oder der Genuss des Fleischs im Vordergrund steht oder beides gleich wichtig ist, kann ich nicht beurteilen. Den Verzehr von Fleisch möchte ich nicht verurteilen, doch das Vergnügen, auf Jagd zu gehen und zu töten, ist für mich nicht nachvollziehbar, solange es nicht um Existenzsicherung bzw. Hunger geht.

    Und ja, mir ist bewusst, dass Fleischkonsum durchaus ein Töten voraussetzt. Ob dieses Vorgehen mit gehobenem Reisetourismus und wie im Buch mit Macht und Überlegenheit einhergehen muss, bleibt für mich unverständlich.

  • Ganz allgemein geschrieben finde ich, dass es Gaea Schoeters ausgezeichnet schafft, mit ihren Figuren und der aufgeworfenen Problemstellung Reibung zu erzeugen.

    :write Das finde ich auch! Vor allem die geschickte Perspektivwahl beeindruckt mich, aus der Sicht eines begeisterten Großwildjägers zu schreiben ist ja durchaus ein Wagnis. Aber für mich werden gerade deshalb viele Gedanken dazu angestoßen! Noch mehr begeistert mich, wie transparent und nachvollziehbar Schoeters zumindest für mich die Begierde von Hunter beim Beobachten der Jungen schildert. An sich Gefühle, die ich in dieser Situation überhaupt nicht nachempfinden kann. Aber Schoeters schafft es, sie mir an und durch Hunter nahezubringen - ganz große Kunst :anbet

    Es war mir ja schon vorher bekannt, wo die Buchreise hingeht. Aber das mindert nicht die Spannung, wie sich das ganze entwickelt. Hunters Gefühlslage wird sehr eindringlich erklärt aber ich kann trotzdem nicht verstehen, wie er sich so schnell darauf einlässt.

    Mir war auch schon klar, wo es hingeht, deswegen hat es mich nicht überrascht. Es zu lesen, war schon hart, wobei dieses häppchenweise auch wieder gut gemacht war! Hunters Umschwung geht (sehr) schnell, allerdings glaube ich, er musste sich "nur" noch selber eingestehen, dass er es machen will. Gepackt hat es ihn schon auf dem Hochsitz.

    Auch die Idee der Menschenjagd stößt ihn zunächst ab, sein moralischer Kompass ist also (noch?) nicht völlig kaputt.

    Hm. :/ Er hat der Menschenjagd zugestimmt, also ist für mich sein moralischer Kompass nicht mehr vorhanden. Interessant ist jetzt, ob er es durchzieht, was ich tatsächlich noch nicht weiß (und darüber bin ich auch sehr froh!). Wir werden also sehen ... Ich trau es Schoeters aber zu, dass sie das Thema bis zum bitteren Ende durchhält.


    Es gibt für mich rote Linien, die niemals überschritten werden dürfen. Das ist eine. Egal ob das Volk als Gemeinschaft davon einen Nutzen hat und auch das Opfer zustimmt oder nicht. Für mich ist das Mord aus heimtückischen Motiven (eigene Befriedigung) und da gibt es überhaupt nichts schönzureden.


    Salonlöwin Hat die Autorin auf der Lesung etwas darüber gesagt, ob es solche Menschenjagden tatsächlich gibt oder ob sie das frei erfunden hat?

    „Wer nur Menschen um sich herum haben will, die einem in allen gleichen, lebt bald schon in einer verdammt kleinen Welt.“ Nicole Wellemin, Das Echo der Moore, Piper 2025

  • Mit heimischem Rot- und Damwild würde ich die Großwildjagd nicht vergleichen. Auch nicht mit der Jagd auf Antilopen. Diese Tiere sind nicht vom Aussterben bedroht und werden gegessen. Und auch wenn sie erlegt werden, hatten sie ein weitaus besseres Leben als die Schnitzel, Hühnerbrüste und Steaks, die bei uns so in der Pfanne landen.


    Mein Cousin ist Förster und kontrollierte Jagd ist eine Notwendigkeit. Warum nicht den Sport bzw. die Spannung mit dem nützlichen verbinden? Das ist etwas völlig anderes als eine Hetzjagd, für diese fehlt mir auch das Verständnis.


    In Südafrika gab es überall Steaks, Trockenfleisch und Wurstwaren aus verschiedenen Antilopenarten. Das ist dort so verbreitet wie bei uns Schwein oder Lamm. Und echt lecker ...

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • ... und kontrollierte Jagd ist eine Notwendigkeit.

    Und warum? Nach meinem Empfinden ist es nur eine Notwendigkeit, weil wir den Tieren lediglich einen begrenzten Lebensraum zubilligen, sie sollen sich nicht in urbane Bereiche ausweiten. Eine biologische Begründung fällt mir dafür nicht ein.

  • Die Autorin hat sich mit Blick darauf, nicht zu viel von der Geschichte zu verraten, bedeckt gehalten.

  • Und warum? Nach meinem Empfinden ist es nur eine Notwendigkeit, weil wir den Tieren lediglich einen begrenzten Lebensraum zubilligen, sie sollen sich nicht in urbane Bereiche ausweiten. Eine biologische Begründung fällt mir dafür nicht ein.

    Wildschäden an Feldfrüchten wie an Wäldern werden ebenso häufig angeführt wie der Klimawandel, der dazu führt, dass beispielsweise Wildschweine mehrfach pro Jahr gebären und

    in Kombination mit einem guten Futterangebot aufgrund Maisanbaus zu einer rasanten Vermehrung der Wildschweinpopulation führt.

    Ich erwähne das nur erklärend, nicht als Begründung für die Jagd.


    Es gibt allerdings auch erste Ansätze, von der Jagd abzusehen. So können Landbesitzer aus ethischen Gründen einen Antrag auf Befriedung stellen.

    Der Antrag auf Befreiung von der Jagd ist allerdings alles andere als einfach, da die Jagdlobby stark ist und der Antragssteller ein Verwaltungsverfahren durchlaufen muss.

  • Zu viel Wild führt zu Schäden an jungen Bäumen, das Wild findet nicht genug Futter und Wildschweine sind auch nicht ganz ungefährlich. Ich kann jeden Gartenbesitzer verstehen, der seinen Garten nicht von Wildschweinen durchpflügt haben möchte.

    Ich habe auch absolut kein Problem damit, Tieren nur einen eingeschränkten Lebensraum zuzubilligen. Für mich hat sich der Mensch an die Spitze der Nahrungskette vorgearbeitet und darf den Platz auch verteidigen.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Noch mehr begeistert mich, wie transparent und nachvollziehbar Schoeters zumindest für mich die Begierde von Hunter beim Beobachten der Jungen schildert. An sich Gefühle, die ich in dieser Situation überhaupt nicht nachempfinden kann. Aber Schoeters schafft es, sie mir an und durch Hunter nahezubringen - ganz große Kunst

    Da stimme ich zu. Es muss für die Autorin auch schwierig sein, sich so sehr in diese Gedankenwelt hineinzubegeben, dass sie das so schildern kann.

  • Hm. Er hat der Menschenjagd zugestimmt, also ist für mich sein moralischer Kompass nicht mehr vorhanden. Interessant ist jetzt, ob er es durchzieht, was ich tatsächlich noch nicht weiß (und darüber bin ich auch sehr froh!). Wir werden also sehen ... Ich trau es Schoeters aber zu, dass sie das Thema bis zum bitteren Ende durchhält.

    Ich sehe es auch so. Die Hemmschwelle hatte er gefühlsmäßig sofort überschritten, da er ja sofort in "Wallung" geriet, als er den Jungen im Zielfernrohr seines Gewehres hatte. Schon das war für mich ein Zeichen, dass er vor nichts Halt macht. Es war nur die Furcht davor, dass andere dass als Unethisch oder "Unrecht" ansehen würden. Seine Schwelle war so niedrig, dass sogar eine Schildkröte hätte drüber hüpfen können. Und sein Guide weiß genau, wie er diese letzte Barriere wegräumt. Hunter ist ja wohl nicht der erste, der auf Menschenjagd gehen wird. Van Hees ist für mich also genau so schlimm. Ein Mörder. Egal was für eine gequirlte Schei... er als Ausrede auffährt.


    Ich erwarte eigentlich sogar, dass es bis zum Ende geht. Für mich wäre ein "Fehlschuss" tatsächlich ein ausweichen vor der Härte des Themas. Und ich kann mir gut vorstellen, dass bei Hunter das Thema "Keine Reue haben" auch nochmal erzählt wird.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Trophäe - Gaea Schoeters



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Da stimme ich zu. Es muss für die Autorin auch schwierig sein, sich so sehr in diese Gedankenwelt hineinzubegeben, dass sie das so schildern kann.

    Ich weiß nicht, ob das so ist. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es vor allem darum geht, solche Gedanken zuzulassen und der große Schritt ist einfach, diese Gedanken dann niederzuschreiben und zu veröffentlichen. Man darf den Konflikt nicht scheuen. Man muss sicher auch eine Form von Sendungsbewustsein haben. Aber ich stelle es mir auch nicht schwieriger vor als ein Buch über einen Serienkiller zu schreiben. ;) Und das sind oft ganz freundliche nette Menschen (wie ich aus diversen Lesungen weiß). Siehe auch Steven King. :grin

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Die Hexenholzkrone 2 - Tad Williams

    Trophäe - Gaea Schoeters



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    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Genau so würde Hunter White argumentieren und Jeans (oder ein anderer Afrikaner) würde ihm dann erklären, dass es ohne Tiere irgendwann auch keine Menschen mehr gibt.

    Vielleicht finde ich Hunter deshalb auch nicht unsympathisch, sondern eher faszinierend. Ich teile einige seiner Ansichten.

    Niemand will keine Tiere. Aber ich finde es legitim, den Lebensraum von Tieren und Menschen zu trennen. Und die Entscheidung trifft dort, wo es überhaupt möglich ist, der Mensch. Deshalb sterben die Tiere nict aus, wenn es richtig gemacht wird.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

  • Um bei der Frage nach der Notwendigkeit der Jagd mit ein paar (romantischen) Vorurteilen aufzuräumen: unser Wald in Deutschland ist zum allergrößten Teil Wirtschaftswald. Die Bäume wurden bewusst gepflanzt, um nach ein paar Jahrzehnten (mit Gewinn) abgesägt und verkauft zu werden. Im Endeffekt nichts anderes als eine riesengroße wilde Plantage. Den Wildverbiss, der schon jetzt problematisch ist, haben Breumel und Salonlöwin bereits angesprochen. Wenn ohne Bejagung so viel Wild in den Wäldern ist, dass keine neuen Pflanzen hochkommen können, ist das das Ende unseres Waldes. Wollen wir das wirklich?


    Angrenzend an den Wald gibt es auch keine natürlichen Freiflächen, sondern landwirtschaftlich genutzte Äcker und Wiesen. Auch da richtet Wild Schäden an, Fressschäden, Wühlschäden usw. Auch dieser würde sich durch zunehmender Wildbestand erhöhen.


    Die Idee, die Lebensräume von Tier und Mensch voneinander klar abzutrennen, ist zwar schön, aber wie soll das funktionieren? Der Mensch hat sich mittlerweile in unseren Breiten nahezu jeden cm² unter den Nagel gerissen, diese Entwicklung lässt sich meiner Meinung nach nicht mehr zurückdrehen. Die paar Nationalparks die wir haben, wo die Natur sich selbst überlassen bleibt, reichen dafür in keinster Weise aus.


    Und wenn jetzt jemand fragt, wie denn früher der Wald überleben konnte: da gabs ja auch noch die großen Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Bär. Die haben ganz natürlich für eine Regulierung des Wildbestandes gesorgt. Da sind wie wieder beim Thema: der Mensch greift in die Natur ein und weiß überhaupt nicht, was er anrichtet. Und muss es hinterher wieder mühsam irgendwie gerade biegen.


    Noch ein Gedanke zum Wolf: es gibt Theorien die sagen, dass sich durch die Wiederansiedlung des Wolfes die Wildproblematik entspannen würde. Nicht nur, weil das Wild dann durch den Wolf bejagt würde, sondern auch, weil es dadurch ein anderes Verhalten an den Tag legt. Nicht soviel raus auf die freien, übersichtlichen Flächen, sondern mehr im geschützten Wald bleiben. Das kann ich nicht beurteilen, aber auch da wieder: die Auswirkungen einzelner Aktionen auf ein Ökosystem sind weitaus vielfältiger, als wir uns das vorstellen können.

    „Wer nur Menschen um sich herum haben will, die einem in allen gleichen, lebt bald schon in einer verdammt kleinen Welt.“ Nicole Wellemin, Das Echo der Moore, Piper 2025

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