Klappentext
Lauras Großmutter Änne hat oft von den goldenen Sommern in Schlesien erzählt. Über die Menschen von damals wollte sie jedoch nie sprechen. Als Änne schwer erkrankt, scheint es Laura auf einmal zu spät für all ihre unausgesprochenen Fragen. Auf der Suche nach Antworten fährt sie zum ehemaligen Gutshof ihrer Familie und taucht immer tiefer ein in die Vergangenheit. Dabei stößt sie auf schmerzliche Wahrheiten, die das Bild der Frau, die ihr so vertraut war, erschüttern. Und plötzlich geht es nicht mehr nur um Fragen nach dem Früher, sondern auch um Lauras eigenes Glück.
Über die Autorin
Miriam Georg, geboren 1987, schrieb sich mit den Hamburg-Dilogien »Elbleuchten«, »Das Tor zur Welt« und »Im Nordwind« an die Spitze der Bestsellerlisten. Für »Die Verlorene« hat sie sich von ihrer eigenen Familiengeschichte und ihrer Ausbildung zur Systemischen Therapeutin inspirieren lassen.
Mein persönliches Fazit
Ich habe das Buch wahnsinnig gerne gelesen. Nach ihren bisherigen Geschichten ist dieses Buch eine für mich überraschende Abwechslung.
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal wird die Gegenwart erzählt. Änne stürzt in ihrem Haus und verletzt sich schwer. Sie fällt in ein Koma und verstirb kurz darauf. Schon Ännes Krankengeschichte wirft bei Laura und ihrer Mutter Ellen erste Fragen auf, denn es scheint einige Unstimmigkeiten zu geben, die sich beide nicht erklären können. Laura findet im Nachlass ihrer Großmutter einige persönliche Dinge, die nicht zu den wenigen Informationen passen, die Änne ihnen im Laufe ihres Lebens über ihre Vergangenheit erzählt hat. Es tauchen weitere Fragen auf. Ellen, die als Nachkriegskind von jeher eine eher schwierige Beziehung zu ihrer eigenen Mutter hatte, fühlt sich jetzt erst recht von ihrer eigenen Mutter um Erklärungen betrogen. Laura versucht, ihre Mutter mit ihrer Großmutter nachträglich auszusöhnen und entwickelt auch selbst ein großes Interesse an ihrer eigenen Familiengeschichte. Sie macht sich auf die Suche nach dem Leben von Änne.
Die zweite Ebene erzählt die Geschichte der Familie Thomke, die in Schlesien ein Gut besitzt. Im Focus stehen hier die Zwillingstöchter Änne und Luise. Die beiden Mädchen haben eine sehr enge Beziehung zueinander. Während Luise ein lebensfroher Mensch ist, dem die Zuneigung der Menschen problemlos zuzufliegen scheint, ist Änne "anders". Sie ist nicht nur ruhiger, zurückhaltender und weniger nahbar, sie umgibt ein wenig eine ablehnende Aura. Sie wird häufig abgelehnt, fühlt sich ausgeschlossen und missverstanden. Ihre Beziehung zu ihrer Schwester ist einem Maße eng, die schon als krankhaft bezeichnet werden kann. Die Familie erlebt den Krieg in Schlesien, den Einmarsch der Roten Armee und die Neuordnung der Landesgrenzen nach dem Krieg.
Den Teil der Vergangenheit fand ich unheimlich stark geschrieben. Die Beschreibungen des Gutes mit all seinen Tieren, der Landschaft und dem Leben der Familie und mit den Fremdarbeitern sind so detailliert beschrieben, dass man das Gefühl hat als stiller Beobachter hinter einem Fenster zu stehen und dem Treiben zuzusehen. Die Ängste während des Krieges, die Unsicherheiten darüber, wie es weitergehen soll und was es zu tun gilt um das Überleben zu sichern. Georgs Stil passt hier einfach perfekt. Es ist hoch emotional und mit viel Fingerspitzengefühl geschrieben. Das Schicksal der Menschen ging mit beim Lesen unheimlich nahe. Die Figuren sind toll ausformuliert ohne überladen zu sein und wirken auf mich lebendig. Das zieht sich konsequent bis zum Ende und verdeutlicht die Dramatik in all seinen Facetten.
Den Gegenwarts-Teil fand ich schwächer. Aus der Geschichte von Änne und Luise kann man leicht ableiten, woher die Probleme zwischen Ellen und ihrer Mutter herführen. Die Interaktion zwischen Laura und Ellen empfand ich dagegen ziemlich blass. Es bleibt für mich oft oberflächlich, die Dialoge zwischen beiden wirken auf mich recht leblos. Lauras Recherche vor Ort zeigt zwar die Schwierigkeiten, die mit den Nachkriegswirren einhergehen. Sie stolpert aber für mein Empfinden von einem Glückstreffer zum nächsten, ohne selbst viel dazu beizutragen, bis dann eher zufällig Antworten findet.
Das Ende und die Auflösung, da hadere ich ein wenig mit mir. Auch hier ist mir zu viel Zufall im Spiel, es wirkt wenig glaubwürdig und ist mir dann insgesamt zu überzogen. Andererseits gibt es Aspekte, die auf mich dennoch authentisch wirken und den leicht negativen Eindruck des Ende dann doch etwas abmildern. Sehr gefallen dagegen hat mir, dass die Autorin bewusst einen Schlussstrich gezogen hat, der nicht allzu romantisiert ist.
Würde ich für das Buch eine Leseempfehlung aussprechen? Unbedingt! Die Kritik über das Ende ist wirklich meckern auf sehr hohem Niveau. Die Geschichte ist gefühlvoll, mitreißend und ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie Miriam Georg Details aus den ersten Kapiteln im Verlauf des Buches wieder aufgreift und in die Geschichte einarbeitet.
![]() |
ASIN/ISBN: 3758700302 |