Der Apotheker - Clare Clark

  • "Clare Clarks große Leistung ist es, die verrückten wissenschaftlichen Ideen eines vergangenen Jahrhunderts aufleben zu lassen und mit Leidenschaft zu füllen."


    The Independent


    Es ist zwar schon etwas länger her, dass ich dieses Buch gelesen habe, aber als ich heute so vor meinem Regal stand, stach es mir irgendwie ins Auge und ich bekam Lust, eine Rezension dazu zu schreiben :-). Also los:


    Die Autorin:


    Clare Clark wurde 1967 in London geboren und studierte Geschichte am Trinity College in Cambridge. Nach einem mehrjährigen USA-Aufenthalt lebt die Autorin heute wieder in London. Ihr erster Roman ist der Vermesser, der kurz nach Erscheinen für den Orange Prize nominiert wurde. Zwei Jahre später wurde ihr zweiter Roman "Der Apotheker" in Deutschland veröffentlich.


    Zum Inhalt:


    London, 1718: Für die schwangere Eliza ist Mr. Black die letzte Rettung. Der Apotheker hat sie trotz ihres Zustandes in seinen Dienst genommen, und das unverheiratete Mädchen hofft, dass er einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage weiß. Was Eliza nicht ahnt: Black betreibt dubiose Experimente, für die sie ihm wie gerufen kommt.


    Meine Meinung:


    Dieses Buch ist eines der besten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Die Autorin lässt sowohl die innere Gefühlswelt der schwangeren Protagonistin als auch die äußere Welt; die großen und opulenten Gebäude, die St. Paul's Cathedral sowie die überfüllten Straßen der aufstrebenden Stadt London lebendig werden. Das gesamte Stadtbild, sprich Straßenhändler, Kaufleute, Gaukler, Kutscher, Obdachlose wird sehr atmosphärisch und mit großer Intensität beschrieben. Auch die Gerüche der Stadt nach Brot, Fekalien, Süßwaren, Leder, Blut, Blumen, Urin etc. und die Hitze in den Straßen werden detailliert beschrieben, sodass man schon nach kurzer Zeit das Gefühl hat, nicht mehr nur Leser, sondern Teil der Handlung zu sein.


    Erzählt ist das Buch aus der Perspektive der schwangeren Eliza, die am Anfang einen recht einfachen und eindimensionalen Charakter zu haben scheint, was sich jedoch im Verlauf des Romans schnell ändert. Als Eliza schwanger wird und der Vater des Kindes die Heirat verweigert, schickt ihre Mutter sie nach London zur Familie Black. Neben dem Apotheker und seiner Frau leben im Haushalt der Blacks noch Mary, das geistig behinderte Dienstmädchen und Edgar, der Lehrling des Apothekers. Die Figuren des Romans sind sehr breit gefächert und haben alle einen authentischen und glaubwürdigen Charakter; nichts wirkt überzeichnet oder gar klischeehaft, was der Handlung noch mehr Spannung verleiht: Keiner der Charaktere verhält sich nach einem vorhersehbaren Muster und es gibt immer noch eine zweite Seite der Medaille. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen und kann es nur jedem weiterempfehlen.


    Eddie


    ASIN/ISBN: 3455400574

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Eddie Poe ()

  • Ich hab "Der Vermesser" gelesen, den ich nun sehr interessant aber auch sehr..dreckig.. fand. Jedenfalls ein einprägsames Buch. Den "Apotheker" hab ich auch schon beäugt. Mal sehen...aber danke für die Rezi! :wave

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Danke für die Rezi, das Buch hört sich total interessant an und ich werde es mit auf meine (mittlerweile unüberschaubare :cry) Wunschliste setzen...



    :write Ich schließe mich an

    :oha Lg Bellamissimo
    ~~~~~~~~~~~~~~
    Habent sua fata libelli- Bücher haben ihre Schicksale:pferd
    :lesend Der Fluch der Hebamme- Sabine Ebert
    Mit offenen Karten- Agatha Christie

  • Meine Meinung


    Der Klappentext verrät nicht allzu viel über die Handlung, so dass ich recht ahnungslos in die Geschichte gestolpert bin. Gleich zu Beginn wird man abrupt in Elizas Welt mit all ihren Abgründen, Schrecken und Sorgen, aber auch Hoffnungen hinein gestoßen wird. Gerade diese ersten Seiten, so abstoßend sie einem auch stellenweise vorkommen mögen, vermitteln einen interessanten, aber auch erschreckenden Einblick in das Leben an der Armutsgrenze zu Beginn des 18. Jahrhunderts.


    Eliza möchte raus aus der dreckigen, zugigen Kate, weg von ihrer Mutter. Sie möchte ein besseres Leben führen, hat Hoffnungen und Sehnsüchte. Und auch ihre Mutter wünscht sich scheinbar ein besseres Leben für Eliza, setzte alles daran, dass sich ihrer beider Lebensstandard bessert. Letztendlich geht es ihr aber nicht um Eliza, sondern einzig um sich selbst und benutzt ihre Tochter, um ihre egoistischen Ziele zu erreichen. Mit schrecklichen Folgen für Eliza. Schon hier zeigen sich die ersten Abgründe der menschlichen Natur. Die Mutter stellt ihr eigenes Wohl über das der eigenen Tochter, verschachert ihr einziges noch lebendes Kind an den Apotheker Black in London.


    Eliza, froh von ihrer Mutter getrennt zu sein, tritt voller Hoffnungen, aber auch Ängsten ihre Stelle als Dienstmagd im Haushalt des Apothekers an und wird in einen Strudel unmenschlicher Forschungen, ungerechten und mitleidlosen Dienstherren und ihrer eigenen Einsamkeit und Angst gezogen.


    Clare Clark deutet vieles nur an, arbeitet geschickt mit Aufzeichnungen des Apothekers zu seinen Forschungen, Briefen und Mutmaßungen Elizas, um den Leser in die schaurige Welt des Apothekers Black hinein zu ziehen. Vieles bleibt ungesagt, ein leiser Hauch, ein vager Verdacht. Was Black tatsächlich in seinem Labor treibt, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Sehr subtil wird der Leser an dessen Forschungen heran geführt, aber immerhin deutlich genug, um allein durch kleinste Andeutungen eine Gänsehaut zu bekommen und fassungslos mit dem Kopf zu schütteln, was die medizinischen Gelehrten im 18. Jahrhundert meinten über den Menschen, seinen Körper, seinen Geist und seinen Organismus zu wissen.


    Neben dem medizinischen Wissensstand des 18. Jahrhunderts, kommt aber auch das Alltagsleben und die Architektur Londons, die Liebe zu Büchern und deren Macht, sowie das bedauernswerte Leben zweier Dienstmägde in den Fängen des Apothekers und seiner Ehefrau und die Macht der Freundschaft nicht zu kurz. Clare Clark erzählt ausgewogen und stilistisch gesehen harmonisch (was auf den Inhalt nun gar nicht zutrifft). „Der Apotheker“ ist spannend, abstoßend, erschreckend, bemitleidenswert, tragisch, schaurig und manchmal auch zum Lächeln.


    Erzählt wird die Geschichte aus Elizas Sicht. Dabei geht sie nicht mit nüchternem Blick durch die Welt, sondern legt ihr ganzes Sehnen, Fürchten und Herzblut mit in ihre Schilderungen. Elizas Sicht ist offen, ehrlich und sehr direkt. Dass, was sie dem Leser zu erzählen hat, beschönigt sie nicht, zieht sich nicht selbst aus der Verantwortung, hat den Mut auch eigene Fehler einzugestehen, aber auch andere anzuklagen. Mich hat Elizas Geschichte sehr berührt, vor allem, weil man als Leser ständig in ihre Seele schauen kann. Eliza kam mir unglaublich nahe, selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich sie nicht auf Abstand halten können und je weiter sie sich entwickelte, an den schrecklichen Ereignissen wuchs, desto näher kam sie mir.


    Aber auch die übrigen Figuren haben ihre ganz eigene Faszination auf mich ausgeübt. Schauerlich wie seine Forschungen kommt Black daher, dabei ist er nie so richtig greifbar. Ein komplettes Bild vom Apotheker lässt sich nicht zusammen setzen, da der Leser immer nur Fragmente von ihm zu sehen bekommt. Seine Frau hingegen hat sich mir als abstoßendes Beispiel eingebrannt. Bis zum Schluss habe ich diese Person nicht verstehen können, dazu fehlen leider zu viele Hintergrundinformationen, wie z.B. Erzählungen aus den jüngeren Jahren des Ehepaars. Nicht alle Figuren glänzen durch ihren Facettenreichtum, aber alle sind auf ihre Weise interessante Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Ambitionen und Wünschen.


    Bedauerlicherweise habe ich „Der Apotheker“ zu einer Zeit gelesen, in der ich für dieses Thema nicht immer ausreichend empfänglich war. Aber dennoch hat es Clare Clark geschafft, mich – vor allem zum Ende hin – an dieses Buch zu fesseln und mich tief zu berühren. Ich bin mir sicher, irgendwann werde ich auch „Der Vermesser“ lesen, dann aber zum richtigen Zeitpunkt.


    Meine Bewertung


    8 von 10 Punkten

  • Der Apotheker unterscheidet sich von den unterhaltenden historischen Romanen insofern, dass hier nicht wie sonst Figuren aus vergangenen Zeiten mehr oder weniger schwarz/weiß gezeichnet dargestellt werden und eine moderne "Schablone" erhalten, sondern hier erscheint alles sehr authentisch.


    Düster und abgründig beschreibt Clare Clark Leben und Denken der Armen und der Besessenen mit für den Leser haarsträubenden damaligen Ansichten über die Wissenschaft der Gelehrten.


    Auch Eliza, die Ich-Erzählerin der Geschichte ist weder sympatisch oder heldenhaft noch auf die heutige Zeit übertragbar, sondern ziemlich naiv und besonders zu Anfang egoistisch und völlig voreingenommen. Genauso stellt man sich Leben und Leiden im London des 18ten Jahrhunderts vor...


    Hier wird nichts beschönigt, oder auf die heutige Zeit irgendwie übertragbar gemacht, sondern jede Figur ist ausschließlich Teil einer unaufgeklärten, düsteren Gesellschaft, die nur eigene Ziele im Blick hat.


    Die Sprache ist anspruchsvoll und passt gut zu der damaligen Zeit.


    Zum Teil rätselt man über die unglaublichen Zusammenhänge, da die Autorin den Leser oft im Unklaren lässt und durch Aufzeichnungen des Apothekers und etlichen Korrespondenzen lediglich Hinweise zum Verlauf der Geschichte gibt.


    Fazit
    Ein lesenswertes Buch - abgründig und sehr spannnend.

  • Ich habe dieses Buch in der - sehr tollen - Leserunde gelesen und finde es lesenswert. Mann kann sich richtig reinversetzen in die damalige Zeit. Die sehr guten Beschreibungen von London und den Protagonisten haben mich sehr beeindruckt.


    Es ist ein eindrucksvolles Buch, das auch über die damaligen Denkweisen, Forschungen und in meinen Augen "Aberglauben" Einsicht gewährt.


    Der einzige Punkt der mich sehr gestört hat - bei meiner Taschenbuchausgabe - war die sehr sehr kleine Schrift.


    Das Buch bekommt von mir 8 Punkte von 10 Punkten.


    Viele Grüße :wave


  • Wow das hört sich ganz toll an. Wollte es mir auch jetzt mal bestellen, weil ich so viel darüber gehört habe. Ist eine spannende Rezension. Vielen Dank. Bin gespannt :lesend