Wölfe - Hilary Mantel

  • Inhalt:


    England, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. England steht am Rand einer Katastrophe, denn König Henry, der Achte dieses Namens, ist noch immer ohne Erben. Und seine Frau, Katharina von Aragorn, offenbar nicht mehr in dem Alter, um Kinder zu empfangen. Der König will die Scheidung, auch, um die von ihm angebetete Anne Boleyn zu heiraten. Inmitten dieses Schwebezustandes schafft es ein Mann, die Gunst der Stunde zu nutzen und seine Fähigkeiten vorzuzeigen. Sein Name ist Thomas Cromwell. Vom geprügelten Sohn eines Schmieds und Betrügers schafft er es über die rechte Hand des Lordkanzlers Kardinal Wolsey zum zweitmächtigsten Mann nach - oder neben - dem König.


    Meinung:


    Hilary Mantel hat für ihren Roman den Booker Preis 2009 bekommen. An und für sich sind selbst die renomiertesten Preise keine Garantie dafür, dass ein Buch auch wirklich gut ist - schließlich ist ja alles Geschmacksacke. Aber der Preis in Verbindung mit meinem persönlichen Empfinden macht dieses Buch wirklich zu einem Meisterwerk.
    Inhaltlich beschäftigt sich die Autorin - nach einem kurzen Prolog, der einen Ausschnitt aus der Kindheit von Thomas Cromwell darstellt - mit der Zeit zwischen dem beginnenden Scheidungswunsch des Königs und der Hinrichtung von Thomas More. Wenn man über Thomas Cromwell erzählen will, fehlen also noch ein paar Jahre. Diese hat die Autorin für zwei weitere Romane aufgehoben.


    Die Geschichte dreht sich stark um Cromwell selbst, er selbst ist der Mittelpunkt, selbst das Königreich, dem er dient, dreht sich um ihn. Es ist beeindruckend, wie die Autorin den Werdegang und die Entwicklung ihres Protagonisten darstellt - fließend, kaum merklich, so dass es dem Leser wie vielen Figuren ihrer Zeit geht: wie konnte Cromwell so schnell so weit nach oben steigen?


    Doch der stärkste, beeindruckenste und gleichzeitig komplexeste Punkt ist die Sprache des Romans. Sie kommt im schlicht daher, mit einfachen Sätzen, nicht um Verschachtelungen bemüht. Doch sie fordert einen aufmerksamen Leser, der keine Wörter oder Sätze überliest. Es bedarf einiger Seiten, um sich an den Schreibstil zu gewöhnen, doch diese Zeit sollte man dem Buch geben, denn es ist es wert. Ein Stilmittel, dessen sich Frau Mantel bedient, ist die Bezeichnung Cromwells als "er". Wann immer "er" etwas tut oder sagt, ist von Cromwell die Rede - und was auf den ersten Blick nur als Stilblüte daherkommt, trifft in Wirklich den Nagel auf den Kopf. Denn schließlich war es Cromwell selbst, der von allen immer als "die Person" bezeichnet wurde - eine Person ohne Persönlichkeit, ein Mensch, dem man keinen Namen gibt. Er.


    Ich freue mich sehr auf die beiden Fortsetzungen und möchte den Roman jedem Fan historischer Romane ans Herz legen, der bereit ist, sich auf die komplexe Sprache einzulassen. Vorkenntnisse sind nicht unbedingt erforderlich, erleichtern aber das Verständnis und erhöhen den Lesegenuss.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • "Brüder" subt hier auch rum, aber das kommt bald dran. Und dann kommt im Februar ja auch schon die deutsche Fortsetzung zu "Wölfe" :anbet

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

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  • Die Fortsetzung erscheint unter dem deutschen Titel "Falken" am 25.2.2013. Nicht mehr lange hin :-)


    Wer sich die Wartezeit vertreiben moechte, der kann sich ein Druckfrisch Interview mit Hilary Mantel hier anschauen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ist gerade hier angekommen und das mir, wo ich doch so gar nichts mit historischen Romanen am Hut habe... seufz... aber da die meisten ja begeistert sind und sogar Frau vorleser es gut fand, stürze ich mich mal ins Getümmel.

  • Bin gespannt, wie ein "Frischling" mit dem Roman zurechtkommt. Berichte doch mal, wie es dir so gefällt.
    :wave

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

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  • Ich lese fast alle historischen Romane mit Handlung in England, die Tudors sind dabei natürlich wie für viele auch für mich besonders interessant.
    Mit dem Buch habe ich mich trotzdem geplagt, nicht vom Thema her, gar nicht, sondern von der Art, wie es geschrieben ist.
    Ich hab bis jetzt auch nur die Hälfte geschafft :lesend und werde mir daher vermutlich den Folgeband nicht mehr kaufen, es sei denn dass mich zahlreiche positive Rezensionen doch dazu bewegen................... :wow


    LG Hedwig :write

  • Ja, der Stil von Hilary Mantel ist schon speziell. Ich fand ihn sehr gut, auch weil er meiner Meinung nach hervorragenden zu Cromwell selbst passt.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

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  • Zitat

    Original von BriannaFraser
    Ich bin grad kreuz und quer durchs Netz gesurft, und habe dabei entdeckt, daß die BBC von Wölfe eine Miniserie drehen will.


    :wave


    Das wär ja was :wave

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


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  • Ich schleiche ja schon eine ganze Weile um das Buch herum.


    Es wird immer vom speziellen Schreibstil geschrieben... was ist damit gemeint. Im Internet habe ich eine Leseprobe angelesen, aber da ist mir nichts außergewöhnliches aufgefallen. Es waren die ersten Seiten... vielleicht ändert der Stil sich später?


    Ruhe, Zeit und Konzentration sind wohl Plicht bei dem Buch? Zulange Lesepausen sollte man nicht machen?

  • Zitat

    Original von Nikki
    Ich schleiche ja schon eine ganze Weile um das Buch herum.


    Es wird immer vom speziellen Schreibstil geschrieben... was ist damit gemeint. Im Internet habe ich eine Leseprobe angelesen, aber da ist mir nichts außergewöhnliches aufgefallen. Es waren die ersten Seiten... vielleicht ändert der Stil sich später?


    Ruhe, Zeit und Konzentration sind wohl Plicht bei dem Buch? Zulange Lesepausen sollte man nicht machen?


    Die letzten beiden Fragen kann ich jedenfalls mit "ja" beantworten.


    Das Folgende zum Stil setze ich mal in Spoilertags:



    Auch ganz empfehlenswert ist ein wenig Hintergrundwissen ... es ist nicht unbedingt erforderlich, aber ich hatte für mich das gefühl, dass mir die Kenntnis der Personen und die Kenntnis der zumindest groben Geschehensabläufe sehr geholfen hat.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


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  • Zitat

    Ruhe, Zeit und Konzentration sind wohl Plicht bei dem Buch? Zulange Lesepausen sollte man nicht machen?


    ich fand , wenn man sich eingelesen hat, das man dann das Buch nicht weglegen kann , und weiterlesen muss.



    die Miniserie werde ich mir anschauen .

  • Zitat

    Original von Nikki
    mhhh, vielleicht sollte ich erst andere, leichtere Bücher zu der Thematik lesen, um etwas Grundstock zu haben. Nur was wäre geeignet? Ich stöber mal rum in den weiten des Netzes.


    Charlie Lynes "Die zwölfte Nacht" vielleicht?

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


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  • Nikki, also ich habe das Buch nur zur Hälfte gelesen und es dann einfach nicht mehr wieder begonnen, ich finde schon dass es etwas eigen geschrieben ist, also von der Sprache her, nicht vom Thema - und gerade englische Geschichte ist mir doch relativ gut bekannt, weil ich es einfach gerne lese.
    Viele haben genau diesen Roman ja mehr als begeistert beschrieben, aber mit der Sprache konnte ich mich nicht wirklich anfreunden und da hilft es mir auch nicht, mit dem Thema wirklich gut vertraut zu sein.
    Jetzt gibt es schon Band zwei, ich weiß aber nicht, ob ich da nochmals zuschlagen werde.


    Ich empfehle Dir zu diesem Thema das Werk über Henry VIII von Margaret George
    Ich, Heinrich VIII.
    Aber auch die Bücher von Philippa Gregory fallen in dieses Thema.
    Möchtest Du weiter zurück gehen um den Werdegang von Heinrich VIII nachzulesen, dann unbedingt Rebecca Gable - alle vier Bände über die Waringhams. :lesend


    Viel Spaß beim Lesen wünscht Dir, Hedwig :write

  • Ich habe Wölfe jetzt auch beendet. Die Lektüre lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Die ersten 100 Seiten waren wirklich mühsam zu lesen. Ich musste mich zuerst in den Schreibstil einlesen. Schließlich habe ich mich ein wenig daran gewöhnt und das Lesen wurde etwas flüssiger. Dennoch war es nicht sehr einfach zu lesen. es zog sich mitunter schon und der Sog, einen Roman zuende zu lesen oder "Wölfe" einfach mal beim Frühstück zu lesen kam nicht auf. Da habe ich dann eher auf Zeitschriften zurückgegriffen.
    Das liegt aber auch daran, dass das Leben von Thomas Cromwell in erster Linie informativ wiedergegeben wird. Einen Unterhaltungswert wie bei einem Gablé Roman kam nicht auf. Das lag wohl auch daran, dass der Protagonist für mich immer mehr auf Distanz blieb. Ich fand ihn nicht unsympathisch, aber er war mir beim Lesen nicht nahe.


    Ich kann das Buch von daher für England Interessierte empfehlen, die sich mit diesem speziellen Stil anfreunden können. Alle anderen sollten eher zu etwas "leichterer" Historienkost greifen.


    Mein Fazit ist jedoch positiv. Man erfährt sehr viel und der spezielle Stil alleine ist schon etwas besonderes. Auch wenn er mir nach 750 Seiten erst einmal reicht. Den zweiten Teil "Falken" werde ich erst einmal nicht kaufen oder denken, dass ich ihn lesen werde. :wave