was spricht gegen sogenannte *seichte* Literatur

  • Zitat

    Original von Voltaire


    :write


    Habe "gegoogelt" - und siehe, der Spruch ist älter (und anders konnotiert) als das Motto der NS-Propaganda. Die lateinische Fassung prangt noch immer an Decken deutscher Gerichte.


    Edit:


    Zitat

    Original von xexos
    Zum Thema:
    Um Verbote geht es doch gar nicht, wie hier so oft geschrieben. Jeder hat die freie Wahl, was er liest, was er ißt oder was er im Fernsehen sieht. Der eine guckt die Tagesschau und der andere nur die Mainzelmännchen. Darf man. Die Ausgangsfrage "Was spricht gegen das Seichte?" kann man aber dann damit beantworten, dass man mit der einen Wahl eine Schritt weiter oder ne Treppenstufe nach oben kommt und mit der anderen Wahl eher nicht. Trotzdem hat jeder die Wahlfreiheit, ist doch schön.


    Das mit dem Weiterkommen glaube ich so nicht. Ich habe die Buddenbrooks gelesen, allgemein als anspruchsvolle Literatur gesehen, und glaube nicht, dass mich der Wälzer wirklich weitergebracht oder auch nur Einfluss auf mein Leseniveau (was immer das nun sein soll) hatte.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    NS-Propaganda


    Als Teil der Propaganda würde ich das nicht gerade bezeichnen, sondern eher als menschenverachtenden Zynismus. Dann gebrauch halt den Spruch, wenn Du meinst. Mir graut es trotzdem dabei.



    Zitat

    Original von Tilia Salix
    Buddenbrooks


    Bei einer vollständigen Induktion genügt ein Gegenbeispiel, in der Soziologie heißt es eher, dass die Gruppe und nicht der Einzelfall bedeutend ist. Anders formuliert: Ja, es gibt auch Bücher, denen der Schein eines Anspruchs zugesprochen wird, den sie aber nicht für jeden Leser aufrechterhalten können. Na und?


    Letztlich kann man nur sagen: Mach was Du willst, aber mach es bewusst. Lies seichte Bücher wenn Du willst und genieße es. Sei Dir aber bewusst, dass Du letztlich nur Zeit mit Gänseblümchen totschlägst.

  • Zitat

    Original von xexos


    Als Teil der Propaganda würde ich das nicht gerade bezeichnen, sondern eher als menschenverachtenden Zynismus. Dann gebrauch halt den Spruch, wenn Du meinst. Mir graut es trotzdem dabei.


    Vielleicht solltest du den Spruch selbst mal nachschlagen. Buchenwald wäre ein geeignetes Stichwort, suum cuique ein anderes. ;-)


    Zitat

    Original von xexos


    Bei einer vollständigen Induktion genügt ein Gegenbeispiel, in der Soziologie heißt es eher, dass die Gruppe und nicht der Einzelfall bedeutend ist. Anders formuliert: Ja, es gibt auch Bücher, denen der Schein eines Anspruchs zugesprochen wird, den sie aber nicht für jeden Leser Aufrecht erhalten können. Na und?


    Letztlich kann man nur sagen: Mach was Du willst, aber mach es bewusst. Lies seichte Bücher wenn Du willst und genieße es. Sei Dir aber bewusst, dass Du letztlich nur Zeit mit Gänseblümchen totschlägst.


    Ich wollte damit nicht sagen, dass ich Buddenbrooks für seicht halte, sondern dass nicht das Lesen anspruchsvoller Bücher ansich ein lohnenswerter und fördernder Zeitvertreib ist. Wenn mir die Voraussetzungen fehlen, bringt mir auch die noch so bewusste Lektüre nichts. Nicht jeder ist dafür gemacht, komplexe Mathematik zu verstehen. Und nicht jeder ist dafür gemacht, anspruchsvolle Literatur zu verstehen. Die Vorstellung, es reiche, von seichter zu anspruchsvoller Literatur zu wechseln, und wundersam würde der Leser in seinem Intellekt und Verständnis in höhere Sphären aufsteigen (-> Lesehallenbewegung) ist reichlich antiquiert. Für den einen sind es vielleicht Gänseblümchen, für den anderen Rosen.
    Und bevor ich nun falsch verstanden werde: nein, nicht jedem, der Seichtes liest, fehlt das Verständnis für sprachlich oder inhaltlich anspruchsvolle Literatur.


    Edit: Zitatkennzeichnung eingefügt.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Vielleicht solltest du den Spruch selbst mal nachschlagen. Buchenwald wäre ein geeignetes Stichwort, suum cuique ein anderes. ;-)


    Ich habe das gelesen und auch selbst vor circa 15 Jahren den Spruch im KZ Buchenwald gesehen.



    Zitat

    Original von Tilia Salix
    Ich wollte damit nicht sagen, dass ich Buddenbrooks für seicht halte, ...


    Kam auch nicht so rüber. Eher, dass es anspruchsvoll gilt, aber Dir nichts gebracht hat. Und ich wollte nur nicht den Umkehrschluss gelten lassen, dass kein anspruchsvolles Buch irgendjemand voranbringt. Wurde so explizit auch nicht geäußert, könnte man aber inhärent dort herauslesen.



    Zitat

    Original von Tilia Salix
    Für den einen sind es vielleicht Gänseblümchen, für den anderen Rosen.


    Nein, es bleiben Gänseblümchen. Drogen bleiben Drogen. Unterhaltung bleibt Unterhaltung. Das muss aber auch nichts schlechtes sein. Im Gegenteil: Es ist zum Ausgleich wichtig. Ich selbst gucke gerne und viel Fußball. Aber ich behalte in Erinnerung, dass dies letztlich nichts anderes als das alte "Brot und Spiele" oder "Opium für das Volk" ist. Und um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken: Ich lese auch Trivialzeug.


    Es ist nicht als Anklage, sondern eher als Analyse zu verstehen. Die Ausgangsfrage heißt ja schließlich auch "Was spricht gegen seichte Literatur?" und nicht "Warum sind Leser seichter Literatur abzuwerten?". Dies wurde dann im Verlauf der Diskussion daraus gemacht.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix


    Habe "gegoogelt" - und siehe, der Spruch ist älter (und anders konnotiert) als das Motto der NS-Propaganda. Die lateinische Fassung prangt noch immer an Decken deutscher Gerichte.


    Auch dadurch verliert dieser Spruch nichts von seinem menschenverachtenden Zynismus. Auch der Text des Deutschlandliedes ist älter als das Dritte Reich - trotzdem ist es in Teilen heute verboten.


    Man kann wahrlich nur staunen, wie menschenverachtend hier kommentiert wird. Erinnert fatal an den Ausspruch des Nazi-Richters Filbinger (später Ministerpräsident von Baden-Württemberg):
    "Was früher Recht war - kann heute nicht Unrecht sein."


    Vielleicht einfach mal das KZ Buchenwald besichtigen - ich kann mir dann gut vorstellen,. das man dann nicht mehr so leichtfertig kommentiert.

    Bilder

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Voltaire ()

  • Zitat

    Original von Voltaire


    :write


    Also ganz ehrlich- übertreibt Ihr da jetzt nicht ein Wenig? :-)


    Dann sag halt: "Jedem Tierchen sein Plaisierchen" oder " Jeder Jeck ist anders" oder "Jeder nach seiner Fasson".


    Also mit Verlaub. "Jedem das Seine" kann man derart aus dem Zusammenhang gerissen ja nun wirklich nicht stellvertretend in die Naziecke stellen. Man könnte es i diesem Zusammenhang hier auch einfach als Redewendung sehen, ohne auch nur ansatzweise die zynischen KZ- Eingangssprüche a la "Arbeit macht frei"oder die grausame Nazizeit insgesamt zu verharmlosen.


    Finde ich jedenfalls unfair gegenüber Buchplauderer und Tilia salix... Aber naja. :wave.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)


  • Dieser Beitrag spricht für sich - ein Kommentar dazu erübrigt sich.

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  • erstmal möchte ich mich bei euch bedanken das ihr hier so toll mitdiskutiert :-)


    Xexos .. ich hätte mein Anfangsposting wohl anders schreiben sollen den, zumindest gedanklich ist und war für mich die Frage in jedem Fall da wieso die Leser seichter Literatur abgewertet werden.


    Für mich ist dieser Thread bisher sehr interessant und hat mir durch aus die ein oder andere neue Einsicht beschert und das mein ich jetzt positiv und nicht irgendwie zynisch :-)



    was sich nicht geändert hat ist die Bezeichnung *Anspruch* die auf Bücher angewendet wird , das liegt mir immer noch irgenwie quer :grin und das wird sich auch wohl nicht mehr ändern :lache
    Es hat auch für mich so den Touch als ein, ich sage jetzt mal, durchschnittliches Unterhaltungsbuch nicht tiefgründig in seiner Gesamtaussage sein kann oder einen Menschen nicht weiterbringen kann in seiner Entwicklung wenn der Zeitpunkt stimmt. Den wenn der Zeitpunkt gerade richtig ist kann ein relativ banaler Satz bei jemandem die Lichter aufgehen lassen über eine Sache die ihn schon lange beschäftigt und er sich im Kreis gedreht hat. So eine Satz, eine Geschichte ist nicht abhängig von ihrem sprachlichen Anspruch, sondern davon das eine Person das zur richtigen Zeit liest, hört , erlebt.



    Bei dem Satz jedem das seine hab ich mir bisher auch nichts gedacht da ich den von euch genannten Hintergrund nicht kannte....wieder was dazu gelernt :-)


    Es wäre also auf alle Fälle noch interessant wieso man die Leser seichten Lesestoffes öfter abwertet, als ungebildet , oberflächlich, lebensfern usw einstuft.
    Meine Erfahrung sagt mir das es absolut nicht so ist.
    Bitte nicht reine Bildung in Form von gelerntem und angelesenem Wissen mit erworbener Einsicht und Lebenseinstellung die auch gelebt wird verwechseln. Den an letzterm fehlt es meiner Meinung nach massiv in unserer Gesellschaft :-)


    so jetzt dürft ihr mich alle hauen :schlaeger...aber nicht zu fest :grin

  • Zitat

    Original von xexos



    Kam auch nicht so rüber. Eher, dass es anspruchsvoll gilt, aber Dir nichts gebracht hat. Und ich wollte nur nicht den Umkehrschluss gelten lassen, dass kein anspruchsvolles Buch irgendjemand voranbringt. Wurde so explizit auch nicht geäußert, könnte man aber inhärent dort herauslesen.


    Also, bei mir kam es schon so rüber. Aber gerstern war es spät und ich müde, und du hast es jetzt ja näher erläutert. Im Grunde sind wir hier einer Meinung.


    Zitat

    Original von xexos


    Nein, es bleiben Gänseblümchen. Drogen bleiben Drogen. Unterhaltung bleibt Unterhaltung. Das muss aber auch nichts schlechtes sein. Im Gegenteil: Es ist zum Ausgleich wichtig. Ich selbst gucke gerne und viel Fußball. Aber ich behalte in Erinnerung, dass dies letztlich nichts anderes als das alte "Brot und Spiele" oder "Opium für das Volk" ist. Und um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken: Ich lese auch Trivialzeug.


    Es ist nicht als Anklage, sondern eher als Analyse zu verstehen. Die Ausgangsfrage heißt ja schließlich auch "Was spricht gegen seichte Literatur?" und nicht "Warum sind Leser seichter Literatur abzuwerten?". Dies wurde dann im Verlauf der Diskussion daraus gemacht.


    Unterhaltung ist aber kein Erkennungsmerkmal seichter Literatur. Auch "anspruchsvolle E-Literatur" soll unterhalten, warum sollte sonst irgendwer einen Roman lesen? Wenn ich lernen will, nehme ich ein Sachbuch. Um noch mal auf den Mann-Roman zurück zu kommen: das war für mich ein Gänseblümchen. Für andere ist es gleich ein ganzer Rosengarten. Romane sind nie für jeden Leser gleich, was der eine literarisch nennt, ist für den anderen Sprachgeschwurbel. Das macht es so schwierig, enge Kategorien zu finden, die dennoch allgemeingültig sind. Dein Gänseblümchenvergleich ist für mich nicht allgemeingültig, aber das ist nur eine Meinung.






    Die Nazis haben auch einen Germanenkult getrieben, das macht aber die Germanen nicht zu Nazis. Genau so wenig wird ein von Platon begründetes Justizprinzip zu einem menschenverachtenden Zynismus, nur weil die Nazis genau das daraus gemacht haben. Bei Sprache kommt es auf Kontext an. Und bei Belle Affaire kann ich beim besten willen keinen Bezug zur NS-Ideologie erkennen.
    Vergangenheitsbewusstsein ist wichtig, aber man sollte dabei nicht auf den Falschen einprügeln.

  • Wir fangen jetzt bitte keine Diskussion über den Widerstandskämpfer Filbinger an, der als Jurist im Dritten Reich tätig war und die Nazis aktiv bekämpft hat? Wir beleidigen aber bitte auch nicht Menschen, die weil verstorben sich nicht wehren können.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Wir fangen jetzt bitte keine Diskussion über den Widerstandskämpfer Filbinger an, der als Jurist im Dritten Reich tätig war und die Nazis aktiv bekämpft hat? Wir beleidigen aber bitte auch nicht Menschen, die weil verstorben sich nicht wehren können.


    Naja, wenn du meinst.....

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bin jetzt leider nur am Handy und mag nicht lange tippen. Wichtig ist mir aber: Ich habe den Spruch kritisiert, nicht den Sprecher. Ein riesengroßer Unterschied. Und unfair erscheint es erst dem, der dazwischen nicht differenziert. Und nicht wieder vermischen: Da steht NICHT "der nicht differenzieren kann".


    Zum eigentlichen Thema:
    Da passiert genau das gleiche. Der Leser wird über seine Lektüre charakterisiert und klassifiziert, was in meinen Augen unzulässig ist. Und es wird auch zu viel absolut analysiert und geschlussfolgert. Nicht jedes anspruchsvolle Buch bildet und nicht jedes seichte Buch ist wertlos. Aber die Grauschattierungen sind wahr: Seichte Bücher taugen grundsätzlich weniger zur Bildung als niveauvollere Bücher.


  • :write


    Seh ich genauso, ich versteh gar nicht, wie diese Diskussion überhaupt zustande kam.
    Und ob ein Spruch "menschenverachtend und zynisch" ist, hängt immer noch ab davon, wer ihn spricht und mit welcher Intention.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor