'Ismaels Orangen' - Seiten 063 - 159 (ab 1956)

  • Zitat

    Original von Dreamchen
    Die Geschichte wird sehr einfühlsam aber nicht so übertrieben emotional erzählt was mir gut gefällt. Mich erinnert der beschriebene Konflikt an unsere aktuellen Probleme hier in unserem Land.
    Die Menschen lernen einfach nicht, sie haben nichts gelernt aus der Nazizeit oder aus den Konflikten in Israel und Palästina, und wo auch sonst auf unserem Planeten. Das gilt nicht nur für die Menschen die in unserem Land leben sondern überall.


    Leider hab ich dieses Gefühl auch sehr oft, dass die Leute einfach nix daraus lernen... :rolleyes

  • Da will ich euch widersprechen - es ist viel gelernt worden in den letzten 60 Jahren. Gerade hier in Mitteleuropa.
    Man kann über die EU schimpfen, viele Regelungen für schwachsinnig haben. Aber diese Organisation, in der Probleme besprochen, endlos diskutiert, ausgesessen, wieder diskutiert und nachher vielleicht eine Lösung herauskommt - das ist ein gewaltiger Fortschritt.


    Die Bereitschaft, auf Gewalt als Mittel der Politik zu verzichten, das hat uns den Frieden der letzten Jahrzehnte eingebracht. Leider ist diese Modell kein Exportschlager.
    Viele Menschen halten noch immer schnelle, einfach Lösungen, Stärke zeigen und alle sowas für die bessere Lösung. Wir können sehen, was dabei herauskommt.


    Sicher gibt es viel zu tun. Das ist die einzige Hoffnung, die ich habe. Jeder vor seiner Tür und da, wo er was erreichen kann. Täuscht euch nicht - da kann Engagement einiges verändern.

  • Das tiefe Verlorensein, dass diesen Abschnitt beherrscht, berührt mich und schmerzt.


    Zitat

    "Ich verrate dir ein Geheimnis,Habibi. Manche Leute haben das Gefühl, nirgendwo hinzugehören. Ganz gleich, wo sie auch sind, sie sind immer unglücklich. (...) So ziehen sie von Ort zu Ort und versuchen, Frieden zu finden. Doch stattdessen landen sie immer wieder am Ausgangspunkt. Das ist der schlimmste Fluch auf dieser Welt."

    Seite 90


    Als ich diese Zeilen gelesen habe, musste ich sehr an die Flüchtlingsfamilien denken, deren Kinder in meiner Klasse sind. Das alles sind schwer traumatisierte Menschen, die sehr dankbar sind, hier in Frieden leben zu können, die aber auch ihrer Wurzeln beraubt sind. Die Familien sind zerrissen, ähnlich wie die Al-Ismaelis. Das Schicksal einiger Angehörigen ist unbekannt. Man kann nur die Hände entgegenstrecken und versuchen zu helfen.


    Judit lernt in diesem Abschnitt, was es bedeutet Jüdin zu sein. Die Tür zu ihren vermeintlichen Freundinnen wird zugestoßen, ihr Hobbie wird unerträglich. Auch das schmerzt. Ihr Jüdischsein empfindet sie als schwere Bürde. Das kann ich gut verstehen und nachvollziehen. Am liebsten würde sie dies abstreifen. Nur im Wasser kann sie dies alles vergessen. Die Beschreibung, wie Judit schwimmt, finde ich sehr gelungen. Ich konnte ihr Eintauchen richtig miterleben.


    AUch Salim ist froh, das staubige Leben eines Arabers hinter sich lassen zu können. Das Haus in Jaffa ist verloren. Der Traum, jemals Orangen zu pflücken, wird immer Traum bleiben.
    Ich bin sehr gespannt, welchen Weg Salim in London einschlägt.


    Ich genieße die Sprache Claire Hajajs sehr. Ihre Beschreibungen treffen genau die Stimmung, sind nie zu viel und überladend, sondern punktgenau. Klasse!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Da will ich euch widersprechen - es ist viel gelernt worden in den letzten 60 Jahren. Gerade hier in Mitteleuropa.
    Man kann über die EU schimpfen, viele Regelungen für schwachsinnig haben. Aber diese Organisation, in der Probleme besprochen, endlos diskutiert, ausgesessen, wieder diskutiert und nachher vielleicht eine Lösung herauskommt - das ist ein gewaltiger Fortschritt.


    Die Bereitschaft, auf Gewalt als Mittel der Politik zu verzichten, das hat uns den Frieden der letzten Jahrzehnte eingebracht. Leider ist diese Modell kein Exportschlager.
    Viele Menschen halten noch immer schnelle, einfach Lösungen, Stärke zeigen und alle sowas für die bessere Lösung. Wir können sehen, was dabei herauskommt.


    Sicher gibt es viel zu tun. Das ist die einzige Hoffnung, die ich habe. Jeder vor seiner Tür und da, wo er was erreichen kann. Täuscht euch nicht - da kann Engagement einiges verändern.


    Da hast Du völlig Recht Rumpelstilzchen, wer lernen will, lernt aus seinen Fehlern und aus der, der Vergangenheit, manche sind halt lernresistent- :-(

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    Dieser Abschnitt hat mich sehr berührt.
    ...


    Mich auch.


    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    ...
    Zum einen weil ich mit der Familie von Salim gelitten habe. Wie furchtbar, wenn man absolut tatenlos zusehen muss, wie einem der Besitz und die Hoffnung genommen wird - von Bürokraten und dem eigentlichen Freund der Familie. Damit wäre ich nicht zurecht gekommen und ich denke, ich hätte mich nicht zurückhalten können. Aber Salims Vater wirkt vollkommen resigniert und nimmt auch das Verschwinden seiner Frau und seines jüngsten Sohnes einfach nur hin. Traurig.
    ...


    Sein Verhalten wirkt schicksalsergeben. Er ist alt und kraftlos und spürt, dass nun die nächste Generation kämpfen muss. So habe ich sein Verhalten interpretiert. Sein Weg ist zu Ende.



    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    ...
    Um Salim tut es mir noch mehr Leid. Ich hätte niemals gedacht, dass seine Mutter und sein Bruder ihn allein lassen würden. Das kann ich nicht verstehen und ich könnte ihnen an seiner Stelle wohl auch nie vergeben. Hoffentlich findet er sich in London zurecht und er findet dort zumindest ein wenig Glück.
    ...


    Richtig nachvollziehen kann ich das auch nicht, aber verstehen kann ich sie. Ich denke, dass sie weiß, dass Salim in Nazareth keine Zukunft haben und weggehen wird. Sie macht den Weg für ihn frei. Ich weiß nicht, ob Salim so schnell nach London gegangen wäre, wenn er seine Mutter hätte zurück lassen müssen.
    Mit ihrem Mann verbindet sie rein gar nichts. Ich lese ein wenig heraus, dass sie ihn für seinen Traum von einem unabhängigen Palästina sogar ein wenig verachtet.
    Und den Kleinen nimmt sie mit.



    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    ...
    Der Brief der Großmutter war bedrückend, da könnte man ja auch wieder ein Buch drüber schreiben. Wie furchtbar muss es gewesen sein, die eigene Schwester dem Tod zu überlassen...


    Das muss wirklich furchtbar gewesen sein.
    Der Brief ist am Ende so voller Liebe und Dankbarkeit, das hat mich sehr bewegt. Rebecca schaut zurück und sieht auch viele Zeiten in ihrem Leben, die gut waren. Eine bewundernswerte Frau.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Der Brief der Großmutter hat mir auch sehr berührt. Was für ein Schicksal. :-( Irgendwie kann man sich das so gar nicht vorstellen, und trotzdem gibt es solche Dinge noch überall auf der Welt.
    Die Szene als die Freundinnen Judit die Tür vor der Nase zuhauen fand ich ganz, ganz schlimm. ich hatte keine Ahnung das es in England doch auch so eine starke Abneigung gab, ich dachte die wären da deutlich aufgeschlossener gewesen.


    Das bei Salim echt die Mutter einfach so abhaut konnte ich eigentlich fast nicht glauben. Ich hab die Stelle 2x gelesen. Das ist ja furchtbar. Und den kleinen Bruder nimmt sie einfach mit.


    Bisher bin ich ziemlich angetan von diesem Buch, auch wenn es eigentlich überhaupt nicht in mein Beuteschema fällt, was man auch daran merkt das ich darüber wirklich wenig informiert bin... hoffentlich liest es sich so weiter :)

  • So, ab dem zweiten Abschnitt habe ich voll und ganz in die Geschichte reingefunden und mir gefällt das Buch immer mehr..
    Wie ihr bereits schon gesagt habt, versteht es die Autorin das ganze wirkich toll zu beschreiben..


    Dass mit Salims Mutter noch irgendwas passiert, hatte ich mir fast gedacht. Sie hatte ja irgendeinen geheimen Brief, den sie vor ihm versteckt hat. Und die ganze Person hat ja eine wahnsinnige Traurigkeit ausgestrahlt - ich glaube sie war auch in Jaffa nie richtig glücklich. Ihre Worte zu zu Salim über das irgendwo hingehören, haben das sehr deutlich gemacht..


    Traurig fand ich es auch, dass Salims Vater nun gar nichts mehr hatte. Schlimm genug, dass sein Land uns sein Haus plötzlich nicht mehr seins sind. Auch seine Frau und seine Söhne sind alle weg.


    Ich bin gespannt wie es Salim in London ergeht und ob er wirklich studiert...


    Judith tut mir auch leid. Durch Peggy hat sie ihre einzige Freundin verloren und sie kann es noch nicht einmal richtig verstehen. Aber ich denke, dass ihre Großmutter ihr ein wenig die Augen geöffnet hat. Sie scheint ein wirklich kluges Mädchen zu sein.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zitat

    Original von Maharet
    Der Brief der Großmutter hat mir auch sehr berührt. Was für ein Schicksal. :-( Irgendwie kann man sich das so gar nicht vorstellen, und trotzdem gibt es solche Dinge noch überall auf der Welt.
    Die Szene als die Freundinnen Judit die Tür vor der Nase zuhauen fand ich ganz, ganz schlimm. ich hatte keine Ahnung das es in England doch auch so eine starke Abneigung gab, ich dachte die wären da deutlich aufgeschlossener gewesen.


    Das bei Salim echt die Mutter einfach so abhaut konnte ich eigentlich fast nicht glauben. Ich hab die Stelle 2x gelesen. Das ist ja furchtbar. Und den kleinen Bruder nimmt sie einfach mit.


    Bisher bin ich ziemlich angetan von diesem Buch, auch wenn es eigentlich überhaupt nicht in mein Beuteschema fällt, was man auch daran merkt das ich darüber wirklich wenig informiert bin... hoffentlich liest es sich so weiter :)


    Irgendwie habe ich ab dem Abschnitt, an dem Salim auffällt, dass seine Mutter ungewohnt festes Schuhwerk trägt, damit gerechnet, dass sie sich aus dem Staub machen würde. Und natürlich nur das jüngste Kind mitnimmt... traurig, was Salim da durchmachen musste...


    Und mir war auch nicht bewusst, dass es in England diese Vorurteile auch in diesem Maße gab. Einfach nur gemein, wie die beiden Mädels mit Judith umgegangen sind.

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns."

    Franz Kafka, Brief an Oskar Pollak, 27. Januar 1904






    :lesend

  • Dieser Abschnitt war sehr bewegend und auch traurig zugleich. Ganz besonders die Situation als Salim und sein Vater erfuhren, wie bzw. unter welchen Umständen sie enteignet wurden.


    Auch Judiths Geschichte ist sehr berührend, sie möchte einfach nur sein, wie alle anderen auch und weiss dass dies nicht möglich ist.


    Inzwischen sind Salim und Judith beide in England und es scheint nur eine Frage der Zeit bis sich ihre Wege kreuzen.


    Die Abschnitte in denen es um Salims Schicksal ging, waren für mich berührender und, ohne dass ich es näher erklären könnte, interessanter zu lesen.

  • Das könnte ein richtig guter Roman werden. Diese Passage baut reichlich Konfliktpotenzial auf. Familiär gärt es. Welten stürzen ein. Neues entsteht. Ich beginne das Buch jetzt richtig gerne zu lesen. Was zu Beginn noch recht beschaulich daher kam entfaltet nun durch die tragischen Ereignisse Sogwirkung. Hoffentlich geht es in dem Stil weiter!

  • Eine unvorhergesehene Kiefer-OP hat mich etwas aus der Bahn geworfen, deshalb hinke ich bei dieser Leserunde hinterher.


    Salims Vater muss aus Geldnot das Haus verkaufen, leider bringt es durch die Enteignung nicht mehr viel ein. Bei ihrer Rückkehr müssen sie feststellen, dass ihre Mutter sich mit Rafan abgesetzt hat. Salim trifft es wirklich hart.


    Aber auch Judit in England hat es nicht einfach. Sie steht kurz vor ihrer Bat Mizwa. Ihre neue Freundin könnte ich :schlaeger. Aber Judit himmelt sie an, obwohl sie ihr den Namen "Jude" gibt. Ich glaube Judit kann dies gar nicht nachvollziehen. Dann stirbt auch noch Judits Großmutter ausgerechnet am Tag ihrer Bat Mizwa.


    Viele Grüße :wave

  • Während sich der erste Abschnitt für mich noch sehr schnell lesen lies, fand ich die Lektüre in dem Abschnitt schon anstrengender. Es stimmt schon, man muss sehr genau lesen, damit man nichts verpasst.


    Ich hatte vor allem Probleme damit, Judiths Familienmitglieder auseinander zu halten. Ich habe Gertie und Rebecca am Anfang immer wieder vertauscht. Nach Rebeccas berührendem Brief, weiß ich nun aber wer wer ist.


    Kath fand ich am Anfang irgendwie süß und frech, defintiv sympathisch. Jetzt aber bin ich enttäuscht, was sie mit Peggy der armen Judith antut. Dass sie nicht standhaft bleibt und zu ihrer Freundin steht, macht mich schon traurig.


    Und auch Salim tut mir total Leid, wie er von seiner Mutter verlassen wurde. Das hätte ich echt nicht erwartet.


    Insgesamt muss ich sagen, dass die Stimmung hier sehr deprimierend und hoffungslos ist. Ein bisschen erinnert mich das Buch an Khaled Hosseini, auch wenn die Thematik sich natürlich unterscheidet. Aber diese Deprimiertheit habe ich zB. auch bei Drachenläufer empfunden.