'Das Buch, in dem die Welt verschwand' - Seiten 402 - Ende

  • Sehr überraschendes Ende! Kalkenbrenner, Di Tassi und Co., plötzlich nix mehr und dafür Selling wieder da!


    Ein sehr gelungenes Buch, welches Lust auf weiterere Bücher von Fleichhauer macht!


    Ich bleibe jedenfalls am Ball!

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Zitat

    Original von carry


    Ich finde gerade das passend um die Hilflosigkeit und Verzweiflung von Nicolai darzustellen. Er weiß überaupt nicht wie er sich verhalten soll und hält sich wahrscheinlich für den größten Dummkopf auf der ganzen Welt. Und da finde ich die vielen Frage äußerst passend


    Stimmt, aber es spricht leider nicht für den Autor, wenn man das sprachlich nicht mit ein wenig Phantasie und Kunst rüberbringt. Es wirkt nicht harmonisch und stört eher den Lesefluß. Gegenbeispiel ist einfach: Eco, Der Name der Rose. Der Einblick in die Gedanken des Adson von Melk wird dort viel schöner und eindrucksvoller erzählt.


    Es ist eine Sache, eine gute Geschichte zu haben (die ist hier zweifelslos gegeben), aber eine andere ist "das Erzählen". Das ist hier leider insgesamt nur Mittelmaß, wenn man die Meßlatte eben etwas höher legt.

  • Also, das würde ich auch nicht sagen - mir hat der Schreibstil zum Beispiel sehr gut gefallen. Ich habe zwar inhaltlich meine Verständnisprobleme gehabt, aber trotzdem bin ich immer am Ball (am Buch :-) ) geblieben, weil es mich einfach gefesselt hat, wie Wolfram Fleischhauer schreibt ...


    Mit "Im Namen der Rose" habe ich da wesentlich mehr Schwierigkeiten - das habe ich trotz toller Grundgeschichte irgendwann aufgegeben (allerdings stehts immer noch in meinem Regal und wartet auf einen neuen Versuch)


    Aber vielleicht ist es sogar gut so, das jeder ein Buch (egal welches) mit etwas anderen Augen betrachten kann - wenn wir alle dasselbe lesen und mögen würden .. wie langweilig!

  • Mir ging es da auch eher wie Prisca. Durch "Im Namen der Rose" hab ich mich eher durchgequält. War mir persönlich viel zu anstrengend und langweilig zu lesen. Vielleicht war ich auch einach noch zu jung, als ich es gelesen hab.


    Und hier hatte ich nie Probleme, mich zum Weiterlesen zu motivieren, da ich den Schreibstil sehr gelungen und fesselnd fand.

  • Mir hat das Ende auch gut gefallen. Endlich ist jetzt auch aufgeklärt warum es endlich ging.


    Es ist eine gelungene Mischung zwischen historischem Roman, Krimi und auch sehr tiefgründigen philosophischen Überlegungen.


    Kritik der reinen Vernunft habe ich schon hier stehen, wollte schon vor längerer Zeit einmal probieren es zu lesen, werde es aber noch ein wenig ruhen lassen, da Kant verstehen nicht meine Stärke ist.


    Röschlaub hat im letzten Teil nocheinmal Profil gezeigt. Indem er einmal selbst entschieden hat und nicht nur Magdalena hinterhergelaufen ist.


    Die Vorstellung, dass eine Gruppe von Menschen sich zu den großen "Gedankenhütern" erklärt und gegnerische Meinungen zerstören will, finde ich immer noch erschreckend. Gerade in der heutigen Zeit, in der die öffentliche Meinung sehr durch die Medien gelenkt werden kann, sollte man sich das immer im Hinterkopf behalten und selbst denken.

  • Zitat

    Schön, daß in diesem Roman ein Epilog mit dem Prolog korrespondiert und einen Rahmen schafft!


    Fand ich auch klasse.
    Wie ihr schon gesagt habt - Magdalena gewinnt im letzten Drittel des Buches an Persönlichkeit und Sympathie.


    Nicolais Entschluß, endlich etwas zu unternehmen wurde wirklich Zeit!
    Ich war auch ganz überrascht, als plötzlich Herr Kant auftauchte und habe die Stelle in dem Hörsaal dreimal lesen müssen, bis ich kapiert habe, daß Nicolai keinen Geist sondern Selling gesehen hat. Das Überraschungsmoment ist absolut geglückt!


    Und dann fügt sich irgendwie alles zusammen. "Das Buch in dem die Welt verschwand"...Ich habe Kants "Kritik an der Vernunft" noch nicht gelesen, werde es aber auf jeden Fall nachholen und mir sicherlich dann das Buch noch einmal in die Hand nehmen.


    Hervorragendes Buch, das von mir auf jeden Fall 10 Punkte bekommt.


    Momo

    Momo


    Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlusspunkt, sondern mit einem Fragezeichen.
    -Hermann Hesse-

  • Ich habe gestern Abend das Buch zu Ende gelesen und habe für mich das Buch in 3/3 unterteilen können:


    Das erste Drittel hat mir sehr gut gefallen. Es war schön flüssig zu lesen, es gab interessante Details und ich habe einiges nachschlagen müssen (was mir Spaß gemacht hat).


    Das zweite Drittel hat sich für mich etwas sehr gezogen, die nachzuschlagenden Details wurden mir zuviel. Es war zwar interessant zu lesen, mit welchen Geheimbunden, Sekten und Intrigen sich die damalige Zeit hat herumschlagen müssen, aber das hätte man, meiner Meinung, nach etwas kürzer gestalten können. Mir tut es leid, dies schreiben zu müssen, denn der Autor hat sich sehr viel Mühe gegeben und es war sicher sehr viel Arbeit.


    Das letzte Drittel war dann wieder etwas besser, aber ich bin nicht mehr so richtig reingekommen. Da wohl nicht einmal Nicolai das Gespräch mit Magdalena richtig verstanden hat, mache ich mir auch keine großen Gedanken, daß ich nur einen Bruchteil von ihrem Gespräch kapiert habe. Mit etwas Abstand werde ich diesen Teil noch einmal lesen, denn für sooo dumm halte ich mich nun auch wieder nicht :-).


    Im Großen und Ganzen fand ich das Buch nicht schlecht, aber es bekommt von mir nur 6 von 10 Punkte

  • Nachdem ich ein ein eingeschworener Fleischhauer Fan bin, habe ich natürlich auch dieses Buch gelesen und mit Euch mitgelesen. Es hat mir sehr gut gefallen, war aber vor allem im letzten Viertel auch ganz schön anstrengend. Ich habe sehr oft nachgeschlagen und Seitenweise zwei-bis dreimal gelesen, um es auch richtig zu verstehen. Diese Arbeit möchte ich mir nicht bei jedem Buch machen, aber diesmal hat es sich gelohnt!


    Bei der Detailgetreue der Historie halt ich es mit Wolfram selbst, der schreibt:


    Zitat: Ist Geschichtsschreibung nicht immer romanhaft? Und sind nicht manche Romane nicht zuverlässigere Führer in die Vergangenheit, als die offizielle Geschichtsschreibung?


    Dem stimme ich voll zu! Mir ist es nicht so wichtig, ob der Zug genau 44 Stundenkilometer gefahren ist und nicht vielleicht doch 54....mir ist wichtig, dass es für diese Zeit rasend schnell war. Mehr muss ich nicht wissen!


    Mein Lieblingsbuch ist und bleibt: *drei Minuten mit der Wirklichkeit*!

  • So, da bin ich wieder. Ich brauchte einfach ein paar Tage Pause nach diesem Buch. Da ich nicht genua weiß, wo bei mir Teil 3 aufhört und Teil 4 anfängt ,arbeite ich alle gelben Fähnchen hier ab.


    Wieder etwas gelernt. Von Eva von Buttlar habe ich bisher noch nichts gehört. Auch wenn es „religiöse Schwärmerei" war, in der Beschreibung der Lehre von Magdalena stecken einige nachdenkenswerte Körnchen. Und einiges kommt mir vor wie im Tantrismus (und dabei meine ich jetzt nicht die eso-kreuz-und-quer-vögelei). Besonders das über die normale Lust hinausgehen und die Gedanken solange wenden, bis sie aufhören hat mich doch stark an den Buddhismus erinnert. Ob es damals schon Verbindungen zwischen den „Welten" gab??


    Und Dan-Brown-Fans, die das Internet-Rätsel gelöst haben, werden bei der Geheimschrift nur müde gelächelt haben :grin


    Am Sammelpunkt für Arme und Geringe unter den Burschen treiben sich also Buchdrucker, Perückenmachergesellen und dergleichen herum. Unter „dergleichen" würde ich wohl als „Sachbearbeiter" dazugehören.


    Jesuiten-Orden waren also verboten und sie infiltrierten Freimaurer-Logen. Paradox, paradox.


    Ein wunderbarer, auch heute noch auf so manchen Eso-Zirkel passenden Satz finde ich


    ZITAT:
    Noch so ein Geheimnis, dachte ich, zu dem man neunundneunzig Affengrade durchschreiten muss, bevor man hinter dem letzten Vorhang in einem Spiegel sein eigenes blödsinniges Eselsgesicht wiederfindet.
    ZITAT ENDE


    Und wieder ein Wort, das letztendlich einen großen Abstieg hinter sich hat und heute fast vergessen ist „Pedell". Zu meiner Schulzeit war das noch der Hausmeister der Schule, immer in einem grauen/dunkelblauen Kittel, verbotenerweise rauchend und der Schülerschreck generell.


    Wie Falk sich die für uns als Klassiker geltenden Theaterstücke vornimmt. Einfach nur köstlich.


    Und als Königsberg ins Spiel kommt, ja liebe Iris, da fiel nur einer ein: Immanuel. Nur welcher Gedanke ist es denn nun??


    Wer noch vom „romantischen Postkutschenzeitalter" sollte unbedingt die Passage der Reise von Leipzig nach Königsberg lesen, wahrlich Romantik pur.


    Irgendwo im 3. Teil werden alle vorherigen Spuren mehr oder minder abgeschlossen, abgehakt und es geht plötzlich um etwas ganz anderes. Die Verschwörungen, Orden gegen Sekten, möglicher Königsmord, mögliche Königsinthronisation, di Tassi, das alles wird unwichtig, nebensächlich.


    Und wieder die Diskussionen zwischen Nicolai und Magdalena. Einmal war ich auf seiner Seite, dann wieder auf ihrer. Beide Argumentation konnte ich nachvollziehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass mir auch hier, wie in den letzten Monaten öfters Thomas Hobbes Ideen/Lehren (zumindest das bisschen das ich davon weiß) entgegenspringen.
    Irgendwie spiegelt diese Diskussion auch große Teile der heutigen Gesellschaft wieder. Man denke nur an die Gentechnik: Die eine wollen sie im Labor lassen, bis sie bis ins letzte durchdacht und ausgetestet ist - die anderen wollen durch „try and error" in der Realität experimentieren.


    Und wieder ein wunderschöner Satz, so richtig zum Einrahmen:


    ZITAT
    Sie hatten leere Gedanken, eben das, was wir Meinungen nennen.
    ZITATENDE


    Und dann endlich das „Buch, in dem die Welt verschwand".
    Ich habe es nicht gelesen und kenne ich so gut wie nichts vom Inhalt. Nur den Titel habe ich natürlich schon gehört.
    Und finge es bei mir: Lohnt es sich das Buch zu lesen, was kann es mir geben, da es in einer Welt entstand, die es nicht mehr gibt, die ich nicht kenne. Auch Heine verwirrt mich.
    Ich gestehe, auf der einen Seite meine ich es verstanden zu haben, auf der anderen türmen sich Berge von Fragen auf.


    Aber scheinbar geht es nur mir alleine so, wenn ich die bisherigen Kommentare verfolge.
    Ich habe daher auf de Seite des Autors etwas geschmökert und folgendes gefunden (da ich Probleme habe, mit diesem PC hier die Seite mit dem Text aufzurufen, setze ich den ganzen Text unter dem Punkt „Das Buch, in dem die Welt verschwand" und „Thema" hier hinein. Wolfram möge es sagen, wenn er das nicht möchte oder die Admins mögen den Text löschen und durch einen link ersetzen):




    Bin ich jetzt schlauer?? Glaube nicht.


    Auf jeden Fall ein Buch, das nachwirkt und bei mir garantiert nicht in Vergessenheit gerät, wahrscheinlich noch einmal gelesen wird.


    Es ist auf jeden Fall der 3. Anwärter auf meine Jahres-TOP 10.


    Und ich danke dem Autor vom Herzen,
    dass er mir eine Zeit, die bei mir gedanklich zugepflastert war mit Goethe und Schiller, Klassik und Sturm und Drang, Preussen und Österreich und was weiß ich noch, nahe gebracht. Die Menschen, die Orte, die Gedanken, die damals das Leben ausmachten.
    für die in meine Augen wahrscheinlich immense Rechercheleistung, die notwendig war, um dieses Eintauchen zu ermöglichen.
    für den Mut zu diesem, nicht einfachen, aber nachhaltig fortwirkendem Schluß.


    LG Dyke - der sich fragt, was andere aus dem Buch, außer ein paar mehr oder minder angenehme Stunden der Unterhaltung, mitgenommen haben.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Mir ist nun doch etwas eingefallen, das mich untergründig geplagt hat, seit Iris ihre Bemerkung über monastische Lebensweise gemacht hat, weil Magdalena in einem Kloster ist und dort schweigt.
    Muß ich mir nun vorstellen, daß meine Lieblingsgestalt katholisch geworden ist und schweigt, um Gott näher zu sein?
    Oder schweigt sie gemäß ihrer eigenen Überzeugung? Muß ich mir also Sorgen machen, welchen Gedanken sie, nachdem ihr Kant entwischt ist, sie zu fassen gekriegt hat und 'durchschweigt', um sein Lautwerden zu verhindern? ;-)
    magali *ins Grübeln versunken*

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Wolfram, wenn du noch mitliest, dann hau mir auf die Finger, wenn ich Blödsinn schreibe! :wave


    Zitat

    Original von dyke
    Und als Königsberg ins Spiel kommt, ja liebe Iris, da fiel nur einer ein: Immanuel. Nur welcher Gedanke ist es denn nun??


    Meiner Auffassung nach geht es um einige Gedanken aus der »Deduktion der reinen Verstandesbegriffe« in der Kritik der reinen Vernunft, von der es zwei Fassung gibt, Ausgabe A und Ausgabe B (bzw. 1. oder 2. Auflage).
    Ich zitier mal das barocke Deutsch des Herrn Kant:
    »Unsere Vorstellungen mögen entspringen, woher sie wollen, ob sie durch den Einfluß äußerer Dinge oder durch innere Ursachen gewirkt seien, sie mögen a priori, oder empirisch als Erscheinungen entstanden sein; so gehören sie doch als Modofikationen des Gemüths zum inneren Sinn, und als solche sind alle unsere Erkenntnisse zuletzt doch der formalen Bedingung des inneren Sinnes, nämlich der Zeit unterworfen, als in welcher sie insgesamt geordnet, verknüpft und in Verhältnisse gebracht werden müssen.« (KdrV A 98f.)


    Bumms! Das ist die Bombe: Denn letztendlich besagt Kants Theorie, daß Realität etwas ist, was wir uns selbst schaffen, eine Welt, die nur in uns existiert, ohne daß wir auch nur die geringste Möglichkeit hätten zu überprüfen, ob diese Realität mit einer Wirklichkeit außer uns korrespondiert.
    Das ist systematisierter Solipsismus à la Spinoza, wo die These, daß das Ich eigentlich nur in seiner inneren Realität existiert, zu dem Schluß führt, daß das Ich Gott selbst ist und die Welt seine Vorstellung (Klingelt 's woher Schopenhauers Gedanke von der Welt als Wille und Vorstellung sich speist? :-)).
    Nach damaliger Auffassung war die These, das Ich sei mit Gott Identisch, natürlich Blasphemie - Spinoza wurde als Jude innerhalb der jüdischen Welt geächtet, die christliche nahm ihn als Juden nicht ernst, außer den wachsam am Puls der Zeit lauschenden Philosophen.
    Kant vermeidet theologische Begriffe und damit enthebt er die Theologie ihrer wissenschaftlichen Grundlage: Er entfernt Gott mühelos aus diesem System, zurückbleibt das Ich im fensterlosen Gefängnis der eigenen Vorstellungen eingesperrt ist -- übrigbleibt eine Welt, in der nicht "der Mensch" das Maß aller Dinge ist, sondern das "Ich". Eine Welt, die in letzter Konsequenz frei von jeder Ethik ist, da es nur das Ich gibt und sonst nichts. Das hebelt letztendlich auch jede politische Theorie, jede Notwendigkeit zur Gesetzlichkeit aus.
    Dieser Rattenschwanz von Problemen hat Kant fürchterlich umgetrieben und die Abfassung der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der praktischen Vernunft zur Folge gehabt -- aber letztendlich sind diese beiden quasi künstliche Krücken, um nicht in der totalen Anarchie des "absolut freien Geistes" zu versinken ...



    Zitat

    Irgendwo im 3. Teil werden alle vorherigen Spuren mehr oder minder abgeschlossen, abgehakt und es geht plötzlich um etwas ganz anderes. Die Verschwörungen, Orden gegen Sekten, möglicher Königsmord, mögliche Königsinthronisation, di Tassi, das alles wird unwichtig, nebensächlich.


    Das 18.Jh. war m.A.n. völlig irre, komplett geistesgestört, eine Zeit, die gerade durch die politische Zentralisierung des Absolutismus' im weltanschaulichen Chaos zu ertrinken drohte.
    Interessant ist die parallele zu gegenwärtigen Strömungen: Der Hang zu großangelegten Verschwörungstheorien (interessanterweise vor allem solchen, denen auch das 18.Jh. nachhing!), das manisch-depressiv wirkende Lebensgefühl, in dem sich vor dem Hintergrund breitangelegter pessimistischer und fatalistischer Grundhaltungen wie einzelne Schlaglichter Genie-Idee und »Sturm und Drang« entwickeln.


    Wie Wolfram auf seiner Seite zu seiner Heine-Lektüre schrieb:

    Zitat

    Was mir in die Hände fiel war Heinrich Heines Aufsatz von 1835 über die deutsche Philosophie und seine Ausführungen zu Kant, den er des „geistigen Terrorismus" bezichtigt. Heine erklärt, dass Kant Gott umgebracht hat, und dass die Tragweite dieser Tat erst in 200 Jahren verstanden werden wird. Die 200 Jahre sind jetzt gerade um.


    Sie sind um, und die Welt hat nicht 200 Jahre lang den Atem angehalten, sondern "business as usual" betrieben. Der Bürger geht unverdrossen dem nach, was ihn als einziges interessiert -- "Handel und Profit" -- und er behandelt den PLaneten und die darauf lebenden Geschöpfe exakt so, wie magdalena (und nicht nur sie damals!) prophezeit.


    Doch die Transzendenz hat uns längst wieder: Ausgerechnet die Physik ist in der kosmologischen Grundlagenforschung an Grenzen gestoßen, die sich mit den bestehenden Modellen bestenfalls systemisch, aber keineswegs mehr umfassend erklären lassen. Ehrfürchtig ist die Rede von einer »Großen vereinheitlichenden Theorie« und der Möglichkeit einer »Weltformel« die Rede, in denen wieder Begriffe mit transzendenten Eigenschaften auftauchen (z.B. in der Theorie zur Loop-Quantengravitation von Roger Penrose, später Lee Smolin und Carlo Rovelli). Ganz offen wird diskutiert, ob die Erkenntnis dieser Theorien überhaupt möglich sei, da sie quasi der "Schöpfungsplan" des Universums seien, und dieses Wissen nur Wissen "des Schöpfers" sein könnte, daß also die Erkenntnis dieses Planes den Menschen zu Gott machte, da sie den physikalischen Beweis für die Konsequenz aus Kants These lieferte.
    Aber diesen Gefallen tut uns das Universum ums Verrecken nicht. :grin



    Andererseits könnte man mit Magdalena (und Augustinus) auch sagen: Die europäische Welt wandte sich damals von Gott ab und wühlt auf dem Dachboden der eigenen Vorstellungen nach dem Weltenplan und der Ordnung des Universums, und leere Gedanken zirkeln darin wie Staubkörner in der Luft.


    Eigentlich haben sie nur vergessen, daß die These, man sei ein Gefangener des fensterlosen Gefängnisses seiner Vorstellungen, ja voraussetzt, daß dieses Gefängnis irgendwann einmal aus irgendwas vielleicht auch zu irgendeinem Zweck gebaut wurde ...
    Vielleicht ist der Zweck gar nicht, Gefängnis zu sein ...
    Vielleicht sind ja doch Fenster da, und man hat sie einfach nur verrammelt ...



    Zitat

    Und dann endlich das „Buch, in dem die Welt verschwand".
    Ich habe es nicht gelesen und kenne ich so gut wie nichts vom Inhalt. Nur den Titel habe ich natürlich schon gehört.
    Und finge es bei mir: Lohnt es sich das Buch zu lesen, was kann es mir geben, da es in einer Welt entstand, die es nicht mehr gibt, die ich nicht kenne.


    Wie gesagt: Ich hänge nicht der These an, daß diese andere Welt untergegangen ist -- bestenfalls verschwindet sie für den, der sich Kant anschließt und sich in das fensterlose Gefängnis seiner Vorstellungen einsperrt. Das muß man aber nicht.

  • Iris, warum willst du eigentlich immer gehauen werden?
    Darf ich auch ohne Prügel schreiben? Ich bin persönlich eher gewaltfrei, habe allerdings schon Teller geworfen. Wenn Dir damit gedient ist... :grin


    Warum das 18. Jh. komplett irre gewesen sein soll, verstehe ich nicht so ganz. Das ausgehende 18. Jh. war ein Zeit, in der verschiedene Veränderungen, nicht zuletzt ökonomische, sich geballt haben und zum Ausbruch kamen. Das war in anderen Epochen auch schon der Fall. Spätantike, 15. Jh., Anfang 16. Jh. Mitte des 17. Jh., um nur die prominentesten Beispiel in den europäischen Staaten zu nennen.
    Krise ist immer, salopp gesagt, die Menschen bemühen sich halt, irgendwie Ordnung reinzukriegen. Halten tut das nie lange.
    Sicher war Friedrich wilhelm II. Rosenkreuzer-anhänger, sicher hatte er seine Mätressen, er rund und gemütlich. Er war zudem ein ziemlich guter König, zeitweise besser als sein Vorgänger, horribile dictu. Er hat Preußen einiges an Reformen beschert, die Friedrich II. nie gepackt hat.
    er hat nur nie eine gute Presse gekriegt, weil das Preußenbild, das uns das bürgerliche (!!) 19. Jh. eingebrockt hat, halt einen helden brauchte und das mußte halt Friedrich II. sein. Den finde ich mit seinem Kriegswahn und seinen goldenen Dächern übrigens weit irrer als... Aber das führt nun zu weit :grin
    Was die Philosophie betrifft:
    Man muß aber doch sehen, daß sich viel zunächst denkerisch abgespielt hat. Für den Alltag der Menschen hatte es nicht unbedingt direkte Bedeutung. Das wirkte eher mittelbar. Ja, es wurde vir Philosophie gelsene, jeder Kaufmann hatte in der Zeit seinen Kant in der Tasche. Aber man nennt es nicht wegen nix 'deutschen Idealismus'.
    Das 'Ich' in den Vordergrund zu stellen diente in hohem Maße auch einer sich konstituierenden bürgerlichen Identität, also einer Gruppe, die sich in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach in den Vordergrund geschoben hatte, wieder zurücksank und sich erst mit veränderten wirtschaftlichen Gegbenheiten ab dem 19. Jh. durchsetzte. Die 'politische Zentralisierung' ist nicht Absolutismustypisch, sondern ein Charakteristikum der bürgerlichen Ideologie. Das klingt noch immer fremdartig, weil es uns so anerzogen ist, daß Absolutismus = Zentarlismus.
    Aber nein, die Macht lag nicht allein in den Händen des Herrschers, die Entscheidungsfindung war hoch komplex. Das ist der Hauptgrund dafür, warum man sie ungern in Augenschein nimmt und in die Betrachtungen miteinbezieht. Wir haben unser Bild von der Vergangenheit gern einfach. Schließlich sind wir Bürgerskinder, alles was von der Adelsherrschaft herkommt [U]muss[U] einfach schlecht sein.
    Unsere eigenen Postionen zu überprüfen ist beim Blick auf die vergangeheit imemr ganz wichtig. Sonst sehen wir blo, was wir sehen wollen. Da liegt Kant so falsch nicht.


    Den Vergleich zu den heute im Schwange befindlichen Verschwörungstheorien würde ich nur bedingt ziehen. Bei diesen Vorstellungen muß man zuallererst fragen: cui bono? Wenn man die Lage heute unter diesem Gesichtspunkt aufmerksam betrachtet, dann kommt als
    Antwort interessanterweise heraus, daß sie in erster Linie den Herrschenden nützen. Überwachung, Kontrolle ist die Folge - der BürgerInnen, nicht der Verschwörer kamen bislang bei uns dabei heraus, wer auch immer die Verschwörer/Terroristen sind.
    Das nur als Denkanstoß.


    Wo Du immer diese manisch-depressiv gestimmten Leute triffst, ist mir ein Rätsel. Die Medien berichten davon, ich weiß. Aber ich werde die Teufelin tun und glauben, was die Presse berichtet. Cui bono?
    Vielleicht liegt es an Marburg?
    Also hier in Berlin sind wir ganz munter. Jedenfalls mein Eindruck.
    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • So jetzt bin ich auch fertig. *Schweiss von der Stirn wischt*


    Muss ganz ehrlich sagen das ich das Buch nicht so 100% verstanden habe.. :wow Allerdings waren Kant und Philospohie im Allgemeinen noch nie meine grossen Freunde. Besonders Kants Überlegungen habe ich nie so wirklich verstanden. (Will aber auch nicht behaupten, dass ich mir allergrösste Mühe gegeben hätte)
    Den Krimiteil am Anfang war für mich noch sehr spannend, aber da war die böse Philospohie ja noch nicht aufgetaucht.. :grin. Di Tassis Abgang habe ich bedauert...
    Die vielen Geheimbünde die gegen Mitte auftauchten fand ich teils spannend teils verwirrend. (Hach was waren Browns Illuminaten doch so einfach zu verstehen :grin)


    An sich fand ich den Stil wo Autor schon interessant, werde mir auch die anderen Bücher mal ansehen. Vielleicht kann ich mit den anderen Künsten ja mehr anfangen. ;)

  • hm... ich bin dann jetzt auch durch und muß sagen, daß mir der letzte Teil eine Qual war.
    Das Buch fing ganz stark an und fiel dann immer mehr ab, ab Teil drei hab ich mich regelrecht zum Lesen zwingen müssen. Das war mir zu philosophisch, zu abgehoben und vergeistigt. Zu irreal irgendwie.
    Der Schreibstil ist zwar eigentlich genau mein Fall, aber die Story eben gar nicht...
    Vielleicht liegt, das auch wieder an meinem historische Bücher Hass, keine Ahnung... werd demnächst mal die Frau mit den Regenhänden lesen und dann noch mal eine Abschließende Fleischhauer Meinung posten.

  • Wenn Du historische Romane nicht magst, wird Dir "Die Frau mit den Regenhänden" auch nicht gefallen.
    Falls Du noch ein Buch von mir lesen möchtest, dann empfehle ich Dir "Drei Minuten mit der Wirklichkeit", das spielt heute und hat auch eine weniger abstrakte Bedeutungsebene.

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Wenn Du historische Romane nicht magst, wird Dir "Die Frau mit den Regenhänden" auch nicht gefallen.
    Falls Du noch ein Buch von mir lesen möchtest, dann empfehle ich Dir "Drei Minuten mit der Wirklichkeit", das spielt heute und hat auch eine weniger abstrakte Bedeutungsebene.


    danke für den Tipp...das werd ich dann mal tun... allerdings hab ich die Frau mit den Regenhänden schon hier liegen, wird also auch noch gelesen werden :-]

  • Iris
    wie kommst Du darauf, daß das eine hist. nachweisbare Person gewesen soll? Ich habe das eher auf die 'verwildernden' Sitten der Zeit zurückgeführt, die damit illustriert werden sollten bzw. auf Studenten früher wie heute ;-) Ich fand es ziemlich plastisch und hab auch gelacht an der Stelle.
    Mir hat der arme Typ zudem leid getan. Da war es doch grad bitterkalt in Königsberg und dann im offenen Hemd dasitzen? Brrrrrr. Ich glaube nicht, daß die Uni gut geheizt war :lache
    Also, wer war es denn, Deiner Ansicht nach, Leonce oder Lena?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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