'Der geteilte Himmel' - Kapitel 10 - 17

  • So weiter geht's. Ich muss immer mal Lesepausen machen, unfreiwillig.


    Wenn ich es mit wenigen Worten umschreiben müsste, dann würde ich sagen, dass Rita sich entfaltet, öffnet, und gemeint ist nicht nur ihre Rolle in der Beziehung zu Manfred. Rita wird politischer, Manfred zieht sich mehr und mehr zurück.
    Sie ist idealistisch, voller Elan, will helfen, etwas erreichen - eigentlich die ideale, entwickelte sozialistische Persönlichkeit. Sie lässt sich immer mehr auf ihre Arbeit in der Brigade ein, auch auf die Kollegen, die sie unter ihre Fittiche nehmen.


    Ich verstehe, wie ihr das geschieht. Sie lässt sich mitreißen, auch vom Gefühl der Dazugehörigkeit, das sie auch sehr zu brauchen scheint, sie ist ja auch noch recht jung.
    Sie ist hier Manfred ebenbürtig, gewachsen. Sie ist voller Lebensfreude, die aus ihm immer mehr zu weichen scheint. Beispiel war für mich die gemeinsame Autofahrt, bei der Rita immer schneller fahren will, als könnte sie so das Leben intensiver spüren.


    In diesem Abschnitt bringt C. Wolf problematische Konstellationen zur Sprache, die Unten und die Oben zum Beispiel, Lieferengpässe, Schlamperei in den Betrieben, was mich schon erstaunt hat. Vielleicht war das kein Problem, weil das Ganze trotzdem konstruktiv blieb, Lösung in Aussicht stellte. Dass die Zustände so und so waren, konnte man ja, da es jeder sah und wusste, schlecht leugnen. Aber so lange es unter "Probleme sind zum lösen da" lief...

  • Das Buch ist überwiegend ernsthaft gehalten. Daher habe ich micg über eine entspannte Szene in Kap.13 gefreut, als Rita zusammen mit manfred auf dem Rummelplatz war. Mnfred gewinnt einiges, was Rita gleich an die Kinder weiterverschenkt. Selbst das eine kleine Mädchen, das leer ausgegangen war, bekommt doch noch einen Luftballon.
    Das regt bei Rita aber sogleich eine melancholische Erinnerung hervor, als ihre Tante einmal einem Kind einen Ballon verwehrt hatte.


    Durch diese Mischung aus Leichtigkeit und Schwermut ist das eine berührende Passage gewesen.

  • Ja, sie hatten Spaß auf dem Rummelplatz.
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, dieses Kind, das den Ballon in Ritas Erzählung nicht bekam, auch nicht als es sagte, dass es noch nie so einen hatte, hätte auch Manfred sein können, in gewisser Weise vom Leben betrogen, auch um die Liebe seiner Eltern. Ich fand das sehr traurig.


    Helligkeit und Schatten wechseln sich ab in diesem Buch.

  • Ja, es gibt Licht und Schatten in dieser Geschichte, aber für mich überwiegen die melancholischen Elemente.


    Und bei mir ist es so, dass ich jetzt in diesem Abschnitt mehr Schwierigkeiten mit der Erzählweise habe als zu Beginn. Viele der Gespräche empfinde ich als merkwürdig hölzern und manchmal schwer verständlich mit den vielen Auslassungen - dennoch scheinen sie mir zu passen.


    Aber ich bekomme keinen rechten Zugang zur Geschichte. Vielleicht kann ich mich nicht gut genug in diese Zeit und diese Gesellschaft hineindenken - und die spröde Erzählweise trägt auch nicht gerade dazu bei mir die Figuren nahe zu bringen.


    Mit den sperrigen Metaphern zu Beginn des 17. Kapitels konnte ich wenig anfangen ?(.


    Trotzdem lese ich es ganz gerne und es gibt immer wieder Stellen, die mir auch sprachlich besonders gut gefallen, wie z. B. auf S. 107 die Stimmung des zu Ende gehenden Festes eingefangen wird.

  • Zitat

    Original von Clare
    Ja, sie hatten Spaß auf dem Rummelplatz.
    Irgendwie hatte ich das Gefühl, dieses Kind, das den Ballon in Ritas Erzählung nicht bekam, auch nicht als es sagte, dass es noch nie so einen hatte, hätte auch Manfred sein können, in gewisser Weise vom Leben betrogen, auch um die Liebe seiner Eltern. Ich fand das sehr traurig.


    Helligkeit und Schatten wechseln sich ab in diesem Buch.


    Das mit dem Luftballon habe ich auch so gesehen. Aber hier wird auch deutlich wie sensibel Rita ist. Sie ist jemand, der alles gibt und geben würde., nur um jemandem eine Freude zu machen oder einfach das in ihren Augen Richtige zu tun. Ich glaube, dass Manfred sehr früh erkennt, dass dies manchmal zu viel für sie ist. Er wartet ja quasi täglich auf ihr Scheitern beim Studium oder im Werk.
    Sie ist überhaupt nicht der Typ für das, was politisch oder zeitgeschichtlich auf sie und "ihr Land" zukommt. Sie glaubt an Veränderung, an Ideen, ist jung und aufgeschlossen und dabei auch ziemlich naiv. Als Leserin, die weiß, was auf sie wahrscheinlich wartet, fürchte ich, dass sie schon bald auf dem harten Boden der Tatsachen landet. Manfred scheint der politischen Situation ja wesentlich skeptischer gegenüberzustehen. Er ist sich dem, was wirklich passiert, wohl doch eher bewusst. Sie ist aber verständlicherweise nicht in der Lage, darauf einzugehen. Am Ende dieses Abschnitts wirkt es schon ein wenig so, als kämen beide in diesem Bereich, nicht mehr aneinander heran. Rita sucht sich woanders Hilfe und Manfred ist skeptisch und wachsam, wie immer.


    In Bezug auf Helligkeit und Schatten, finde ich diesen Abschnitt eigentlich noch düsterer als den vorherigen. Die "hellen Episoden" werden weniger, werden dafür aber aus Ritas Erinnerung heraus umso heller beschrieben.

  • Noch immer frage ich mich, warum als Gattungsbezeichnung 2Erzählung" gewählt wurde? Für mich liest sich Der geteilte Himmel wie ein Roman.


    Ansonsten fehlt mir ein wenig der Lesefluss, ich werde häufig herausgserissen, wenn ich mich mal nicht konzentriere.

  • Ich muss zugeben, ich habe mit dem Buch so meine Probleme. Ich könnte dafür sicher klasse Interpretationen für den Deutschunterricht schreiben (auch ganz ohne Kennenlernen :wave), ich sehe auch, wie hervorragend sie die Personen und das Beziehungsgeflecht entwickelt, finde den Blick auf eine Welt, die mir völlig fremd ist, total interessant - aber irgendwie schaffe ich es nicht, die Distanz zu überwinden, wie Lumos es schon schrieb, den Zugang zu finden.


    Auf jeden Fall ist das Buch aber lesenswert, weil es mir noch mal den Irrsinn des geteilten Deutschlands vor Augen führt und mir zumindest ein paar Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Menschen dort gibt.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Noch immer frage ich mich, warum als Gattungsbezeichnung 2Erzählung" gewählt wurde? Für mich liest sich Der geteilte Himmel wie ein Roman.


    Ansonsten fehlt mir ein wenig der Lesefluss, ich werde häufig herausgserissen, wenn ich mich mal nicht konzentriere.


    Genau über diese "Erzählung" habe ich heute beim lesen im Bus nachgedacht. :gruebel
    Ich sehe das Buch auch eher als Roman, aber vielleicht ist das auch eine Definitionsfrage.


    Das sagt unter anderem Wiki:
    "Eine Minimaldefinition von Erzählung ist: Jemand erzählt jemand anderem, dass etwas geschehen ist. Wesentlich ist dabei die dynamische Verbindung zwischen dem, was erzählt wird und dem, wie es erzählt wird. In dieser Doppelwertigkeit zeigt sich die Prozess-/Produktäquivokation des Begriffes der Erzählung. Dies kann auch in zeitlicher Hinsicht formuliert werden. Dann geht es um den interaktiven Zusammenhang zwischen der Zeit, in der das Erzählte spielt, im Verhältnis zu derjenigen Zeit, in der erzählt wird, was geschehen ist. Sind keine Interaktionen zwischen zwei Faktoren dieser Art auszumachen, ist es keine Erzählung."


    Aha!


    Ich habe auch Probleme mit dem Lesefluss...

  • Zitat

    Original von Saiya
    ...
    In Bezug auf Helligkeit und Schatten, finde ich diesen Abschnitt eigentlich noch düsterer als den vorherigen. Die "hellen Episoden" werden weniger, werden dafür aber aus Ritas Erinnerung heraus umso heller beschrieben.


    Und das ändert sich nicht wesentlich. Versteh mich recht, ich lese das Buch mit großem Interesse, aber ich muss mich schon sehr konzentrieren, damit ich nicht den Faden verliere.

  • Zitat

    Original von Clare


    Und das ändert sich nicht wesentlich. Versteh mich recht, ich lese das Buch mit großem Interesse, aber ich muss mich schon sehr konzentrieren, damit ich nicht den Faden verliere.


    Das geht mir genauso. Ich bin interessiert und ea gefällt mir, aber begeistert bin ich nicht. Die Runde hier mit euch, finde ich allerdings schön.

  • Nachdem ich alle Eure Kommentare gelesen habe, bin ich richtig froh, dass es nicht nur mir alleine so gut: den zweiten Abschnitt fand ich sehr anstrengend zu lesen. Ich komme nicht richtig in die Geschichte rein und muss mich sehr konzentrieren beim Lesen. Außerdem finde ich das Ganze sehr depremierend und düster. Und das kann ich bei meiner momentanen Stimmung gar nicht gebrauchen.
    Ich muss gestehen, ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, dass Buch auf die Seite zu legen und mir etwas fröhlicheres zum Lesen zu suchen. Aber dann finde ich die Geschichte doch wieder interessant und die Leserunde mit Euch sowieso. Und nun ist ja auch schon die Hälfte des Buches geschafft, dann werde ich die zweite Hälfte auch noch lesen. :grin

  • Die Bootsmetapher Ende Kap. 15 ist geschickt gemacht. Es zeugt schon von der Angst des Scheiterns der Beziehung!
    Dann Anfang des nächsten Kapitels: "Neun Monate später war das Boot untergegangen.Sie standen an verschiedenen Ufern"


    Niederschmetternd!


    Es gibt noch einmal gute Szenen mit den beiden beim Tanzen auf dem Empfangsabend.
    Auch die Szene mit der Schildkröte Kleopatra war sehr schön, aber ihre letzte gemeinsame Zeit ist jetzt eingeleitet.

  • Und ich dachte schon, es läge an der Uhrzeit, dass ich beim Lesen immer in den Gedanken abschweife. Dank euch :wave weiß ich nun aber, dass es am Buch liegt. Manchmal ist es doch die eine Metapher zu viel oder wir sind alle noch viel zu jung. ;-)


    Manfred ist völlig verbittert. Rita bringt zwar ein wenig Licht in sein Leben, ihre Probleme mit der Schule sind dann aber ebenso schwer. Der Produktionsbetrieb wurde dagegen verklärt: Es gibt dort zwar Fehlstunden, am Ende aber doch ne Party und volle Planerfüllung. Klingt dann doch ein wenig nach DDR-Dogmatik, oder?

  • Zitat

    Original von Clare


    :kiss
    Geht mir auch so.


    :write
    Die Querbeeteulen haben mich schon so manches Buch getragen, das ich alleine bestimmt nicht gelesen hätte :-).


    Zitat

    Original von xexos
    Manchmal ist es doch die eine Metapher zu viel oder wir sind alle noch viel zu jung.


    Zum ersten Teil des Satzes - ganz sicher!
    Und der zweite Teil klingt durchaus verlockend :lache.

  • Zitat

    Original von xexos
    ...
    Manfred ist völlig verbittert. Rita bringt zwar ein wenig Licht in sein Leben, ihre Probleme mit der Schule sind dann aber ebenso schwer. Der Produktionsbetrieb wurde dagegen verklärt: Es gibt dort zwar Fehlstunden, am Ende aber doch ne Party und volle Planerfüllung. Klingt dann doch ein wenig nach DDR-Dogmatik, oder?


    Die Brigadenfeier fand ich so typisch und hoffnungslos zu dick aufgetragen in der Erzählung. Christa Wolf hat hier ein dermaßen politisch korrektes Buch geschrieben damals, dass es mich gruselt. Diese Selbstbeweihräucherung, diese Loben und Schulterklopfen...
    Die Fehlstunden fand ich jetzt nicht so bedeutsam, aber die fälschlich aufgeschriebenen und abgerechneten Listen fielen mir mehr auf. Das war schon eher etwas, was man nicht so herausposaunte.
    Planerfüllung? Kein Problem, wenn die Norm niedrig genug war. Deshalb war auch keiner gern gesehen, der die Norm drückte.

  • So, Clare, jetzt verstehe ich, was du im ersten Abschnitt meintest. Ja, Rita ist viel aufgeweckter und lebendiger als Manfred. Vielleicht kam das auch erst in diesem Abschnitt richtig raus.
    Ich finde die Beziehung immer noch sehr seltsam und finde ebenfalls, dass Manfred sie mehr braucht als sie ihn. Allerdings hat mich verwirrt, dass er "es geht" geantwortet hat, sie fragte, ob er sie liebt. Das passt ja gar nicht zu seinem Verhalten.


    Ich habe jetzt klarer den Verdacht, dass sie einen Selbstmordversuch hinter sich hat. Sie scheint Manfred ja zu vergöttern, obwohl sie sich nicht von ihm abhängig macht.


    Zitat

    Original von Clare


    Ich verstehe, wie ihr das geschieht. Sie lässt sich mitreißen, auch vom Gefühl der Dazugehörigkeit, das sie auch sehr zu brauchen scheint, sie ist ja auch noch recht jung.
    Sie ist hier Manfred ebenbürtig, gewachsen. Sie ist voller Lebensfreude, die aus ihm immer mehr zu weichen scheint. Beispiel war für mich die gemeinsame Autofahrt, bei der Rita immer schneller fahren will, als könnte sie so das Leben intensiver spüren.


    Ja, genau das habe ich auch gedacht. Was für ein Bild, sie freudestrahlend und nach mehr Geschwindigkeit fordernd und er verkrampft hinterm Lenkrad. Das spiegelt genau ihre Charaktere wieder finde ich.


    Zitat

    Original von Lumos


    Trotzdem lese ich es ganz gerne und es gibt immer wieder Stellen, die mir auch sprachlich besonders gut gefallen, wie z. B. auf S. 107 die Stimmung des zu Ende gehenden Festes eingefangen wird.


    Genauso geht es mir auch, Lumos. Ich habe das Gefühl, sehr weit weg vom Geschehen zu sein und habe keine Ahnung, ob das von der Autorin so gewollt war. Mich stört es nur insofern, dass ich gerne in einer Geschichte bin als sie von außen zu lesen. Die von dir genannte Stelle hat mir auch gut gefallen (bei mir ist sie nicht auf Seite 107, aber ich weiß, welche Stelle du meinst).


    Zitat

    Original von Clare


    Und das ändert sich nicht wesentlich. Versteh mich recht, ich lese das Buch mit großem Interesse, aber ich muss mich schon sehr konzentrieren, damit ich nicht den Faden verliere.


    Puh, und ich dachte, es geht nur mir so. Es ist ja interessant zu lesen, aber manche Passagen muss ich tatsächlich mehrmals lesen, weil ich einfach mitten im Satz an was anderes gedacht habe.



    Ich habe mir trotz allem gestern das beigefügte Buch bestellt, das nach der Leseprobe zu urteilen einfacher geschrieben ist. Und das Thema interessiert mich ;-)