'Der geteilte Himmel' - Kapitel 01 - 09

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    Original von Saiya


    Warum Manfred noch zu Hause wohnt, habe ich mich allerdings auch gefragt. Er ist 30, mit dem Studium und der Doktorarbeit fertig und hat, wenn ich das richtig gelesen habe, eine gute Anstellung. Oder reichte der Verdienst damals nicht für eine eigene Wohnung aus? Gab es überhaupt welche, wurden sie zugeteilt?


    Wird so gewesen sein, dass er einfach keine Chance auf die Zuteilung einer Wohnung hatte, denn bei seinen Eltern war Platz und er war unverheiratet. Mich wunderte allerdings, dass er sich nicht mehr bemühte, als er ḿit Rita zusammen wohnte.
    Ich erinnere mich, dass man meinen Eltern in den 70ern, als meine Großeltern starben, eine ältere Dame ins Haus zur Miete einquartierte, weil nun Wohnraum leer stand und sie konnten sich nicht dagegen wehren.


    Zitat

    Ich finde Manfred als Figur übrigens viel spannender als Rita. Rita ist jung, hat den Krieg und den Verlust des Vaters und der Heimat als kleines Mädchen erlebt und hatte dazu eine liebende Mutter und bei der Tante ein Zuhause. Ich glaube, dass es ihr vor allem emotional - bis auf den fehlenden Vater - an nichts gefehlt hat. Deshalb sieht die Welt um sich herum auch mit viel "bunteren" Augen (manchmal etwas naiv) als Manfred.


    Manfred steht doch für viele Kriegskinder, die zu jung sind, um verantwortlich zu sein, die erschütternd feststellen und damit leben müssen, dass ihre eigenen Eltern das Nazi-Regime unterstützt haben oder sogar SS-Mitglied waren. Hinzu kommt, die lieblose egoistische Art und Weise, in der er großgezogen wurde. Seine Wut und seinen Zynismus kann ich sehr gut nachvollziehen. Dass er nicht, der strahlende gute Mann ist, den Rita sich wünscht, der sich um sie kümmert und evtl. sogar den viel zu früh verstorbenen Vater ein wenig ersetzt, dürfte klar sein. Das kann er ja gar nicht. Im Prinzip ist er doch genauso traumatisiert, wie viele, junge Menschen, die den Krieg erleben mussten. Dass er sich aber in seiner "Schwarz-Weiß-Tristesse" zu Rita hingezogen fühlt und sie als Lichtblick empfindet, finde ich logisch. Dass er sie in all seinen Ängsten und dem Gefühl vom Umfeld erdrückt zu werden, irgendwann verlässt, aber auch. [/quote]


    Ich befürchte, dass er aus der Geschichte verschwinden könnte. Man erfährt ja schon, dass er nicht mehr mit ihr zusammen ist, als sie ihren "Unfall" hat. Manfred fühlte sich wohl immer ungeliebt, unverstanden mit seinen Eltern im "Lebenssarg", diese verachtend, für ihre Verlogenheit oder Angst. Großen Ehrgeiz scheint er auch nicht zu haben. Er wirkt abgesehen von seiner Liebe zu Rita resigniert, vielleicht sogar da ein wenig abwesend, hinnehmend, passiv, desillusioniert

  • Rita und Manfred sidn ziemlich unterschiedlich, mir gefällt aber ihre Innigkeit, die man spürt. Da Manfred einige jahre älter ist, behandelt er sie manchmal etwas herablassend, dabei dennoch liebevoll und sie lässt es sich gefallen. Sogar das ständige "braunes Fräulein".
    Was Manfreds Art entschärft, ist sein Wortwitz, den er manchmal hat. An Rita imponiert ihn ihre Offenheit und Sensibilität, denke ich


    Die Passagen mit Rita in der Brigade sind auch ganz interessant, aber ob ein Waggonwerk das richtige für sie ist, wage ich zu bezweifeln.
    Eigentlich finde ich Ritas Eindrücke bedrückend, aber eine Spur ironie ist auch da, zum Beispiel als sie sich den Weg zur Brigade durchfragen muss (Kap.7).
    "Nun sag doch dem Frollein nicht den umständlichsten Weg ..."

  • Ich bin jetzt auch mit dem ersten Abschnitt fertig und ich kann Manfred nach seinen Erzählungen über seine Kindheit am Ende des Abschnittes auf jeden Fall besser verstehen. Ich kann nachvollziehen wieso er so geworden ist, warum er so zynisch und distanziert rüber kommt.
    Der Aufenthalt für Rita in dem Haus von Manfreds Eltern stelle ich mir sehr ungemütlich vor. Die Stimmung dort ist ja sehr eisig und unfreundlich. Ich verstehe nicht ganz, warum Rita nicht mehr dazu drängt, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Aber anscheinend war das damals nicht so einfach? Mit der Wohnungssituation damals kenne ich mich gar nicht aus.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Rita und Manfred sidn ziemlich unterschiedlich, mir gefällt aber ihre Innigkeit, die man spürt. Da Manfred einige jahre älter ist, behandelt er sie manchmal etwas herablassend, dabei dennoch liebevoll und sie lässt es sich gefallen. Sogar das ständige "braunes Fräulein".


    :write
    Die Innigkeit und Vertrautheit zwischen den beiden kann ich auch gut spüre. Ich habe das Gefühl, dass sie sich wirklich lieben. Manfred kann es nicht so zeigen wie Rita. Aber man merkt ihm an, wie er sich um sie kümmert und sorgt.

  • Zitat

    Original von Rouge
    Ich bin jetzt auch mit dem ersten Abschnitt fertig und ich kann Manfred nach seinen Erzählungen über seine Kindheit am Ende des Abschnittes auf jeden Fall besser verstehen. Ich kann nachvollziehen wieso er so geworden ist, warum er so zynisch und distanziert rüber kommt.
    Der Aufenthalt für Rita in dem Haus von Manfreds Eltern stelle ich mir sehr ungemütlich vor. Die Stimmung dort ist ja sehr eisig und unfreundlich. Ich verstehe nicht ganz, warum Rita nicht mehr dazu drängt, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Aber anscheinend war das damals nicht so einfach? Mit der Wohnungssituation damals kenne ich mich gar nicht aus.


    Ich denke, dass es für Rita gar nicht so wichtig ist, wo sie wohnen, Hauptsache sie ist mit ihm zusammen, kann nach Hause kommen, und das ist bei ihm und nicht an einen Ort gebunden.


    Zitat

    :write
    Die Innigkeit und Vertrautheit zwischen den beiden kann ich auch gut spüre. Ich habe das Gefühl, dass sie sich wirklich lieben. Manfred kann es nicht so zeigen wie Rita. Aber man merkt ihm an, wie er sich um sie kümmert und sorgt.


    Für mich ist Manfred sogar der bedürftigere von beiden, auch wenn ich, in diesem Abschnitt zumindest, es nicht an bestimmten Fakten fest machen kann. Er braucht sie, scheint auch nicht viel anderes zu haben außer ihr und seiner Arbeit und der Verachtung gegenüber seinen Eltern. Hat er andere Interessen? Man merkt nichts davon.

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Zitat

    Original von Clare
    Für mich ist Manfred sogar der bedürftigere von beiden, auch wenn ich, in diesem Abschnitt zumindest, es nicht an bestimmten Fakten fest machen kann. Er braucht sie, scheint auch nicht viel anderes zu haben außer ihr und seiner Arbeit und der Verachtung gegenüber seinen Eltern. Hat er andere Interessen? Man merkt nichts davon.


    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er so gar nichts vom Leben erwartet - damit er auch keine Enttäuschungen hinnehmen muss. Dabei ist er doch auch noch nicht als, vielleicht wegen der schwierigen Kindheit :gruebel?
    So ein bisschen holt Rita ihn da heraus, aber ihre lebensbejahende Einstellung auf die Dauer für beide ausreichen wird, ist fraglich.

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    Original von xexos
    Die Wohnungsnot war kurz nach dem Krieg ja selbst im Westen groß, da alle Städte zerstört waren. Der Osten hat wohl mindestens die gleichen Probleme. Das Wohnungsbauprogramm wurde erst 1973 begonnen: https://de.wikipedia.org


    Ich kiebitze hier gerade zufällig.


    Es gab erheblichen Wohnungsmangel in der DDR, Wohnungen wurden vom Amt zugeteilt. Aus dem Mangel rührte das frühe Heiratsalter, ohne Ehepartner und Kinder sah es ganz schlecht mit Wohnraum aus. Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, der Armee und Polizei war die Zuteilung "natürlich" leichter, d. h. aber auch, dass politisch Unbequeme ganz am Ende der Versorgung aufgelistet wurden.


    Problematisch war auch, dass das Privateigentum an Mietshäusern nicht mit dem Sozialismus vereinbar war, man musste auf staatlichen Wohnungsbau warten - und ganz makaber, darauf, dass andere Menschen flüchteten und Haus und Hausrat zurückließen, in deren Wohnungen man eingewiesen werden konnte. Aus öffentlichem Besitz und Versorgungsmängeln mit Material folgte ein erheblicher Renovierungsrückstand seit Kriegszeiten. Eine Wohnung zugeteilt zu bekommen hieß noch lange nicht, dass sie auch bewohnbar war.


    Ein weiteres Problem war der Baustoffmangel. Farbe, Tapeten, Wasserhähne, alles war knapp und nur unter dem Ladentisch zu bekommen. Oder nur für Berufe, in denen man Valuta Forte = Bestechung fordern konnte. Krankenschwestern und Hebammen hatten z. B. gute Aussichten, knappe Güter unterm Ladentisch zu bekommen, weil man auf sie angewiesen war. Ich kann mich aus meiner Kindheit noch an ein Weihnachtspäckchen an einen Großonkel erinnern, der sich zu Weihnachten einen normalen Wasserhahn fürs Badezimmer wünschte. Ich fragte als Kind: Warum kauft Onkel Bernhard sich den Wasserhahn nicht beim Klempner. Antwort: Es gibt da keine Wasserhähne zu kaufen. Man konnte aber auch nicht sicher sein, dass der Wasserhahn ankommt, da die Post geöffnet und durchsucht wurde - und Stasi-Mitarbeiter der Postkontrolle auch gern metallene Wasserhähne hatten anstatt welchen aus Plaste.


    Heute wissen wir, dass die Mangelgüter gegen harte Währung in den Westen verkauft wurden. Wer in der Produktion arbeitete, wusste sehr gut, dass viele der Waren, die von seiner Werkbank liefen, in der DDR nicht in den Verkauf kommen würden.

  • Zitat

    Original von Lumos


    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er so gar nichts vom Leben erwartet - damit er auch keine Enttäuschungen hinnehmen muss. Dabei ist er doch auch noch nicht als, vielleicht wegen der schwierigen Kindheit :gruebel?
    So ein bisschen holt Rita ihn da heraus, aber ihre lebensbejahende Einstellung auf die Dauer für beide ausreichen wird, ist fraglich.


    Auf mich wirkt Manfred auch als der bedürftigere von beiden und ich empfinde es auch so, dass dies vor allem an seinem lieblosen Elternhaus liegt. Er hat von dort nichts anderes als Enttäuschung erlebt und wartet im Prinzip auf die nächste Enttäuschung. Das macht jeden skeptisch und erwartungslos. Die Angst doch wieder nur enttäuscht zu werden, ist halt riesig. Ritas lebensbejahender Art, kann er sich aber trotzdem oder gerade deshalb nicht entziehen.

  • Zitat

    Original von Lumos


    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er so gar nichts vom Leben erwartet - damit er auch keine Enttäuschungen hinnehmen muss. Dabei ist er doch auch noch nicht als, vielleicht wegen der schwierigen Kindheit :gruebel?
    ...


    Gedulde dich noch ein bisschen. Man erfährt noch mehr über die Gründe, warum Manfred so resigniert ist.
    Seine Kindheit und Jugend hat sicher auch das ihre getan.

  • Mir fällt es total schwer, mich auf das Buch einzulassen. Auf der einen Seite gefällt mir die Sprache gut, auf der anderen Seite stelle ich jetzt erst fest, dass ich die letzten Monate nur noch durch Bücher gehetzt bin. Fast alle Abschnitte muss ich zwei Mal lesen, weil ich den Sinn nicht verstehe. Vielleicht gar nicht so schlecht lesetechnisch mal wieder zu entschleunigen.
    Ich wollte mir ja schon lange angewöhnen, wieder langsamer und bedachter zu lesen.


    Ich finde dieses Paar sehr sehr seltsam und kann beide irgendwie nicht greifen. Für mich ist es zur Zeit so als würden sie nur existieren, nicht leben. Die dümpeln vor sich hin ohne irgendwas mit besonderer Leidenschaft zu machen. Außer Manfred, der zumindest seinen Beruf liebt und seine Eltern hasst. Was ich im Übrigen gut verstehen kann. Ich verstehe jetzt, warum er sein Elternhaus "Lebenssarg" nennt, denn etwas anderes ist es nicht.


    Zitat

    Original von Clare


    Hat sich Rita vor die Wagons fallen lassen oder wurde sie wirklich ohnmächtig? Das ist noch unklar. Ich halte beides für möglich.


    Ja, ich auch.


    Zitat

    Original von Herr Palomar


    Was ich mich frage: wer erzählt hier eigentlich? Anscheinend ein Kollektiv. Ist das die Gesellschaft, gar der Staat? In Kapitel 2 sogar ein "Ich" aus diesem Kollektiv, nehme ich an.


    Das habe ich noch nicht durchblickt. Erst guckt man von außen auf Rita und plötzlich ist da ein Ich-Erzähler. Obwohl ich bisher dachte, dass es Ritas Gedanken sind.


    Sehr interessant, was ihr alles über die DDR wisst. Ich kenne mich damit ja so gar nicht aus.

  • Zitat

    Original von Booklooker
    Ich finde dieses Paar sehr sehr seltsam und kann beide irgendwie nicht greifen. Für mich ist es zur Zeit so als würden sie nur existieren, nicht leben. Die dümpeln vor sich hin ohne irgendwas mit besonderer Leidenschaft zu machen. Außer Manfred, der zumindest seinen Beruf liebt und seine Eltern hasst. Was ich im Übrigen gut verstehen kann. Ich verstehe jetzt, warum er sein Elternhaus "Lebenssarg" nennt, denn etwas anderes ist es nicht.


    Das ist interessant. Ich finde Rita viel wacher, lebendiger, leidenschaftlicher als Manfred, obwohl sie beide, das muss ich zugeben, nicht gerade sehr lebhaft und offensiv sind. Rita interessiert sich für die Menschen um sich, denkt über sie nach. Manfred, so scheint es jedenfalls, denkt nur über sich und Rita nach, seine Arbeit natürlich, aber sonst genügt ihm diese kleine Welt.

  • Ich finde beide total langweilig :lache
    Die leben irgendwie besorgniserregend in ihrer eigenen Welt. Aber vielleicht liegt das nur am Schreibstil, dass ich das so empfinde.
    :gruebel Nee, ich finde beide leben einfach so vor sich hin. Ich kann schwer erklären, was ich damit meine, aber vielleicht legt sich das ja im Laufe des Buches. Das kann auch am Schreibstil liegen. Der ist ja nicht gerade aufgeregt ;-)