'Es war einmal Aleppo' - Seiten 406 - Ende

  • Eigentlich bin ich eine Leseschnecke und normalerweise hinke ich bei den Leserunden hinterher… Aber bei diesem Buch gibt es kein „eigentlich“… !


    Aus familiären Gründen mussten wir unseren Urlaub etwas um planen und so kam es, dass ich eine ungeplante längere Zugreise in Angriff nehmen sollte. Wie gut, dass ich meinen Reader und somit genug Lesestoff dabei hatte. Und die LR eh schon vor der Tür stand, wollte ich schon Mal in das Buch rein schnuppern und evtl. den ersten Abschnitt lesen, um nicht wieder von Anfang an das Schlusslicht in der Runde zu sein. Ich machte es mir also im Zug gemütlich, legte Wasser und Vesper bereit und begann zu lesen… Plötzlich waren wir schon in Zürich und ich musste mich sputen, meine sieben Sachen rechtzeitig für den Umstieg einzupacken. Gegessen und getrunken hatte ich schon Mal nix – das hatte ich glatt vergessen. Ich war froh, dass ich noch einige Stunden Bahnfahrt vor mir hatte und ich gleich weiter lesen konnte. Ihr werdet also verstehen, dass ich mit dem Buch schon durch bin… :schuechtern (Und um nicht zu spoilern schreibe ich gleich in den letzten Abschnitt.)


    Während dem Lesen sind mir mindestens 100.000 Gedanken im Kopf rum geschwirrt und dieses Karussell hat auch nicht aufgehört sich zu drehen, wenn ich den Reader Mal beiseitelegen musste. Es sind viele Informationen, die manchmal etwas auf mich eingestürmt sind. Gleichzeitig habe ich diese Informationen in mich aufgesogen und habe begonnen, einige Zusammenhänge viel besser zu verstehen. Ich hatte mich schon davor an der einen oder anderen Diskussion zur Flüchtlingsthematik beteiligt – aber eben nur mit meinem fundierten Halbwissen. Jenny ist es mit diesem Buch jedoch gelungen, mich an die Hand zu nehmen und mir einiges zu erklären, damit ich manches klarer sehen und vor allem verstehen kann.Diese Infos sind in eine Geschichte eingebettet, die so lebendig und bestechend erzählt wird, dass ich den Reader immer höchst ungern beiseitelegte. Die Figuren sind realistisch und mit vielen Facetten und in den unterschiedlichsten Farben gezeichnet. Ich bin mir sicher, dass jeder Leser sich wiederfinden kann. Sicher, es ist auch eine Geschichte, auf die man sich einlassen muss. Man muss bereit sein, auch Mal unbequeme Wahrheiten zu erfahren und man muss bereit sein, auch sich selber und seine Einstellungen und Gedanken zu hinterfragen.


    Jenny ist es aber in all dem eigentlich Unaussprechlichen gelungen, mir immer wieder Mal ein Lächeln zu entlocken. Ich denke da z.B. an die Szenen mit den Kindern und wieviel Freude sie hatten, Schmetterlinge an die Zäune zu malen. :-) Und die zarte Liebesgeschichte zwischen Toni und Schirvan ist so einfühlsam erzählt, dass sie einem unter die Haut geht. Innerhalb dieser Thematik mag eine Liebesgeschichte im ersten Moment deplatziert wirken – sie ist aber alles andere als das. Für mich stellt sie die Hoffnung dar, die Toni, Shirvan und Co – und wir alle - unbedingt nicht aufgeben sollten.


    In dem Buch findet der aufmerksame Leser immer wieder solche kleine Zeichen der Hoffnung, z.B. die Nachbarin Frau Schäfer, die man „nur“ als ältere Dame wahrgenommen hatte und der nicht viel zugetraut wurde. Oder an die Mitarbeiterin im Baumarkt, oder… ich könnte hier noch einige aufzählen.


    Einfach wunderbar fand ich auch Tonis Entwicklung – und auch diejenige ihrer Eltern. Schon im ersten Abschnitt konnte ich nicht richtig glauben, dass Tonis Eltern wirklich so verbohrt sein sollten. So hätten sie nie und nimmer eine so tolle Tochter aufziehen können. Dann wäre doch Toni nicht so geworden… ;-) Und ich sollte Recht behalten und gerade die letzten Szenen zwischen Toni und ihrem Vater (als sie in seinem Büro nach der Unterschriftenliste suchte) sind mir sehr nahe gegangen. Ich hatte während dem ganzen Buch immer wieder dicke Klösse im Hals und so manche Träne ist geflossen. Als ihr Vater dann meinte, sie solle im Schredder suchen, war es um mich endgültig geschehen…


    Jenny, ich sage einfach DANKE, DANKE, DANKE für dieses grandiose, bewegende, gleichzeitig informative Buch. Du hast mich mitten ins Herz getroffen – und in den Verstand! :anbet


    Ich habe meinen Mann schon angespitzt… Er liest sehr, sehr selten und wenn dann hauptsächlich Sachbücher. Aber ich bin nahe dran, ihn dazu zu bringen, wenigstens ins Buch rein zu lesen. Und das werde ich auch mit anderen versuchen und das Buch immer weiter empfehlen. Ich meinen Augen ist das Buch so wichtig und möglichst viele sollten es lesen!

  • Ich habe das Buch ja auch schon im November gelesen, daher hier mehr meine eher allgemeinen Bemerkungen.


    Frau Schäfer hat mich sehr an meinen Papa erinnert. Der ist selbst auch ein Flüchtling, er ist mit 10 Jahren mit seiner Mutter und Verwandtschaft von Schlesien nach München gelaufen. Für ihn steht es überhaupt nicht zur Debatte, dass geholfen werden muss. So wie ihm geholfen wurde. Wobei ja auch das damals nicht reibungslos lief. Sein damaliges Bemühen um Integration hat dazu geführt, das er am meisten bayerisch in der Familie spricht, obwohl der Rest in Bayern geboren ist. :-)


    Ich war am Ende auch froh, dass es zumindestens Tonis Eltern gelungen ist über ihre Bedenken hinweg zu kommen. Da war die Aktion mit dem Essen sicherlich hilfreich. Wenn das Fremde erst einmal ein Gesicht hat, ist es ja doch einfacher bedenken abzulegen. Sofern man sich drauf einlässt.
    Das macht doch Hoffnung, dass nicht Hopfen und Malz verloren sind.....

  • Ayascha, das ist ja ein Feedback zum an kalten Tagen drin Einrollen. Freu mich soo sehr!


    Bevor ich das wieder vergesse und erst anmerke, wenn hier nichts mehr los ist: Es würde mir (und dem Buch) wahnsinig helfen, wenn ihr eure Rezension - oder bloß einen kleinen, ehrlichen Leseeindruck - bei Amazon veröffentlichen würdet.
    Ab 50 Rezensionen wird das Buch bei Amaazon nämlich sichtbarer und mehr Leser haben die Möglichkeit, es wahrzunehmen. Für einen Indie-Titel ist das von großer Bedeutung, denn bisher finden ja eigentlich nur Leute zum Buch, die es aktiv suchen.


    streifi, ich habe bei der Recherche einiges an Material gefunden, das zeigt, dass es damals ganz ähnliche Vorbehalte gegenüber den Flüchtlingen gab.
    Von "die sollen sich verteidigen" über "die wollen unser Hab und Gut" bis hin zu "da kommen zu viele Männer".


    Zitat

    Das macht doch Hoffnung, dass nicht Hopfen und Malz verloren sind.....


    Ja! Und das ist zum Glück auch nicht ausgedacht - wir haben es mehrmals erlebt. Wie du es sagst: Sobald der Fremde ein Gesicht hat ...

  • Zitat

    Original von Mulle
    Ayascha, das ist ja ein Feedback zum an kalten Tagen drin Einrollen. Freu mich soo sehr!


    :knuddel1



    Und meine Eindrücke stelle ich dann auf jeden Fall hier bei der Eule und auch bei Amazon noch ein. Ich will sie nur ein bisschen umschreiben und die Spoiler rausnehmen. :-)

  • Ich habe gestern noch eine kleine Nachtschicht eingelegt und das nun auch bereits Buch beendet. Ein sehr bewegendes Ende neben aller bedrückender Details, die aus dem Kriegsgebiet berichtet wurden. Ein paar Tränchen hatte ich dabei ebenfalls im Auge. ;-( :schaem


    Das ist natürlich am Ende alles sehr kuschelig und löst sich in völliger und nie erwarteter Harmonie auf, stört mich allerdings nicht im Geringsten. Schön wäre es, wenn es sich realiter ebenso alles so schön fügen könnte: one world, one family. Mein persönliches Verständnis von Zusammenleben ist auch so. Ich befürchte nur, dass uns da unsere Gene etwas im Stich lassen werden. Menschen sind wohl nicht so, dass sie alles und jeden in die Arme schließen und alles bedingungslos miteinander teilen. Hierarchiestreben, Grüppchenbildung und wirre Angst vor Fremden wird immer vorhanden sein.


    Aber ich war vom Buch tief berührt. Interessant, schön und in weiten Teilen auch sehr lehrreich. Jenny, da ist Dir ein wirklich tolles Buch gelungen! :anbet

  • Gleich nach Erscheinen habe ich das Buch gelesen und zwar in einem Rutsch.
    Das Ende fand ich etwas zu harmonisch, es ist ein Jugendroman. Ich weiß , dass es solche Erlebnisse gibt. Besonders freut es mich, wenn es zu Familienzusammenführungen kommt. Konnte die ein und andere schon virtuell begleiten. Berührend zu erleben, wenn die gerade ankommenden Kinder zu singen anfangen: " Blau,blau sind alle meine Kleider".
    Durch deine FB-Seite bin ich auf einige Schicksale gestossen. Tief berührt hat mich der junge Vater mit Baby, der die Baby-Nahrung hortet.


    Es freut mich, dass du dieses Projekt verwirklicht hast. Ein toller, berührender Roman, der optimistisch stimmt.

  • Die letzten beiden Abschnitte musste ich gestern abend noch in einem Rutsch lesen, ich fand auch das Ende nicht übertrieben harmonisch und dass die Vorurteile und Bedenken oft ganz schnell verschwinden, wenn es zu einem persönlichen Kontakt kommt, ist ja zum Glück öfters so.

  • Tatsächlich hätte ich ein anderes Ende regelrecht "schwarzmalerisch" empfunden - das ging irgendwie gar nicht anders.
    Zumal es vermutlich gleich viel weniger glücklich wirkt, wenn man weiß, dass es sich bei den einzigen Figuren, die nicht fiktiv sind, um jene handelt, die ich Rezarta, Mejdi und Luan genannt habe. Die Familie muss vermutlich diesen Monat noch ausreisen - mit Baby nonstop in die Obdachlosigkeit in einen Land, in dem es keinerlei Hilfen für bedürftige Familien gibt -, wenn ihnen nicht zugestanden wird, zumindest über den Winter in Deutschland zu bleiben. :-(

  • Ich muss gestehen, das Schicksal von Rezarta, Mejdi und Luan hatte ich am Ende fast schon überlesen, genauso wie das Leid dieser "Wirtschaftsflüchtlinge" ja auch oft gar nicht wahrgenommen wird, die ja aus einer Armut versuchen zu fliehen, die wir uns in Deutschland kaum vorstellen können.

  • Schlimm finde ich, dass es immer heißt, dass die Wirtschaftsflüchtlinge sich nur bereichern wollen. Bisher war mir nicht klar, dass damit auch die gemeint sind, die sich eben sowas wie Impfungen nicht leisten können. Natürlich gibt es da auch andere, die hier nichts zu suchen haben, eben weil sie den Staat abzocken wollen, aber ich glaube nicht, dass das die Mehrheit ist.

  • Das Gesundheitssystem und die Versorgung bedürftiger Menschen ist in vielen Ländern unzureichend. Es kamen ja sehr viele Flüchtlinge aus den Balkanstaaten. Leider verschwinden Hilfsgelder im Nirwana.
    Es gibt bei freiwilliger Ausreise Starthilfe, vielleicht hilft es der Familie. Auch weil die Abschiebungen mitten in der Nacht stattfinden.



    Ich habe heute das unten angehängte zufällig im Buchladen entdeckt und gleich mitgenommen.

  • Ich habe das Buch gestern Abend noch beendet, ich konnte einfach nicht anders als immer weiter zu lesen.


    Vielen, vielen Dank, Jenny, für diese bewegende Geschichte! An einigen Stellen hat sie mich furchtbar traurig und betroffen gemacht, an anderen Stellen ist mir das Herz aufgegangen. Dir ist es wunderbar gelungen, reale Informationen und die zarte Liebesgeschichte um Toni und Shirvan zu verflechten. Das Ende fand ich genau richtig, alles andere als ein harmonisches Ende hätte nicht zu diesem Buch gepasst. Ich finde es sehr schön, dass selbst Alex nicht bei seiner Haltung bleiben konnte, als 'die Flüchtlinge' plötzlich Namen und Gesichter hatten. Danke, dass du mir direkt zum Jahresanfang ein Highlight beschert hast und danke für die ergänzenden Informationen in dieser Leserunde. Und danke für den Einblick in die syrische Küche, auf so was stehe ich. :-)
    Für eine richtige Rezension fehlt mir leider gerade die Zeit, aber ich werde ein paar Worte bei Amazon schreiben.

  • Zitat

    Original von Jeanette
    Einblick in die syrische Küche


    Hier in Hannover gibt es schon seit einigen Jahren ein richtig tolles syrisches Restaurant, wo ich gerne hingehen. Sowohl Essen als auch Einrichtung sind richtig Klasse. Da war bislang alles richtig lecker, was ich probiert habe. Für den nächsten Besuch werde ich mir vorher die Namen der Gerichte aus dem Buch notieren, um sie mal im Original zu probieren.

  • Danke euch, vielen Dank!


    xexos, dann wünsche ich guten Hunger. Wir testen hier nach und nach alle arabischen Restaurants (syrische habe ich noch nicht gefunden), aber wir finden hier bloß sehr "europäisierte". So wirklich authentisch habe ich - außer bei syrischen Freunden und bei mir zu hause - noch nie gegessen.


    Ach, bitte wundert euch nicht: Im eBook gibt es Rezepte, die sind im Buch nicht drin, weil wir ein paar Seiten sparen mussten, um den Preis zu halten.
    Ich kann euch die aber gerne hier reinkopieren!

  • Auch die ganze Gestaltung des Restaurants ist klasse. Man glaubt, wirklich im Orient gelandet zu sein. In der ersten Etage ist noch ein separater Shisha-Raum. Machen wir doch ein Aleppo-Special beim nächsten Treffen. Es werden sich sicher noch ein paar weitere dazu entscheiden.