Wir Kassettenkinder - Anne Weiss, Stefan Bonner

  • Zum Buch:
    Broschiert: 272 Seiten
    Verlag: Knaur HC (4. Oktober 2016)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3426655985
    ISBN-13: 978-3426655986


    Kurzbeschreibung:
    Heute sind sie legendär: die Achtziger. Es war das Jahrzehnt, als wir mit dem Kassettenrekorder Mix-Tapes aus dem Radio aufnahmen und Dallas-Frisuren und Hawaiihemden trugen. Wer in dieser Zeit zwischen Bandsalat und Neuer Deutscher Welle, Indiana Jones und YPS-Heft, Atomwaffen und Ententanz aufwuchs, erlebte ein epochales, seltsam unbekümmertes, oft albernes Jahrzehnt, in dem alle trotz des drohenden Weltuntergangs durch sauren Regen und Kalten Krieg den Eindruck einer lustig-bunten Zeit hatten. Und: irgendwie fing irgendwann in jener Zeit die Zukunft an! Mit einem Augenzwinkern schauen Stefan Bonner und Anne Weiss, selbst Kinder der Achtziger, zurück auf das Jahrzehnt, das uns prägte wie kein anderes.


    Die Autoren:
    Stefan Bonner wurde im Oktober 1975 geboren, zwei Tage, nachdem die Erstausgabe der Zeitschrift YPS erschienen war. Seine Vorbilder sind Tom Selleck und das A-Team. Stefan Bonner hat die gleiche Schule wie Anke Engelke besucht, Geschichte studiert und als Journalist und Lektor gearbeitet. Zusammen mit Anne Weiss schrieb er zahlreiche Bestseller. Er lebt mit seiner Familie in der Heimatstadt von Heidi Klum.


    Anne Weiss kam 1974 in Bremen zur Welt und blieb ihrer Heimatstadt erst einmal treu. Immerhin hat sie im Weserstadion ihr erstes Depeche-Mode-Konzert und im Steintorviertel ihre erste Friedensdemo erlebt. Erst nach dem klassischen Taxifahrerstudium - Sprachen und Kulturwissenschaften - verließ sie das kleinste Bundesland, um als Lektorin in großen deutschen Verlagen zu arbeiten. In einem davon lernte sie Stefan Bonner kennen und schrieb mit ihm zahlreiche Bestseller, darunter "Generation Doof", eines der meistverkauften Bücher des letzten Jahrzehnts. Inzwischen lebt sie als freie Autorin, Übersetzerin und Journalistin in Köln.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch ist eine Zeitreise in die achtziger Jahre, viele Dinge, die hier beschrieben worden sind, habe auch ich so erlebt. Es erzählt von Samstag Abenden mit Einer wird gewinnen und Wetten Dass..., von Sommern, die mit Freunden fast ausschliesslich im Freibad verbracht wurden, aber auch von den Ängsten, die uns damals umtrieben, wie Aids, Tschernobyl und saurer Regen.
    Da ich nur 2 bzw. 3 Jahre älter als die Autoren bin, deckt sich unser Erleben ziemlich genau.
    Für mich war es eine tolle Erinnerung an meine Teenager Jahre und durch die gemeinsame Leserunde war es ein gemeinsames Erinnern.


    Von mir 9 von 10 Punkte für diese tolle Zeitreise!

  • Ich kann mich streifi nur anschließen.


    Wer in den 80ern Kind oder Jugendlicher war, wird hier das eine oder andere Mal - oder auch permanent - etwas wehmütig lächelnd zurückdenken. Ja, so war es, genau so war es.
    Mich hat das Buch fast durchgehend ganz hervorragend unterhalten, kurze Leselängen betrafen lediglich Dinge, die heute in den meisten Familien noch genau so ablaufen und daher für mich persönlich nicht so "typisch 80er" waren. Danach ging es aber gleich wieder tief in die 80er zurück. Vieles, das ist fast vergessen hatte, ist mir plötzlich wieder lebhaft im Kopf - allein dafür lieb ich dieses Buch!


    Wenn ihr ein Geschenk für ein Kind der 80er - ein Kassettenkind - braucht: Hiermit könnt ihr definitiv jedes für ein paar Stunden sehr glücklich machen!

  • Was für ein tolles Buch!


    Ich bin ein echtes Kassettenkind und mir hat diese Reise zurück in eine Zeit, in der irgendwie alles anders war, super gefallen!


    Viele Dinge waren auch bei mir genau so, wie sie in dem Buch beschrieben wurden, ich habe mich darin wiedergefunden und konnte sie noch einmal erleben und darin eintauchen.


    Als mein Bruder kürzlich 40 wurde, habe ich ihm eine "Retro-Kiste" geschenkt. Darin waren unter anderem ein YPS-Heft (mit dem Gadget für quadratische Eier), eine ??? CD, der Rubik's Cube, Ahoi-Brausepulver, Tri Trop und Lego-Technik.


    Und hätte es dieses Buch da schon gegeben, wäre es sicher auch mit in der Kiste gewesen! Jetzt muss er es so lesen, denn es ist schon weitergewandert...
    :-]


    Ein schöner und rundum gelungener Blick zurück für alle, die es in den 80ern schon gab :wave, aber auch für die, die mehr über diese Zeit erfahren möchten.


    :lesend

    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • Ein Buch, das mich gleich zu Beginn in die Vergangenheit katapultiert hat.
    Eine Vergangenheit, die rückblickend auf den ersten Blick so wunderbar und heil erscheint.
    Zumindest in vielen Dingen.


    Die wunderbare Zeit der neuen deutschen Welle - was hab ich die geliebt und konnte jedes Lied mitsingen. Könnte ich heute nicht mehr, also die "moderne" Musik. :grin
    Und natürlich der legendäre Kassettenrecorder. Der irgendwie immer in Gebrauch war.


    Wer kennt es nicht noch aus der Zeit, Musik aufnehmen - war anders ja gar nicht möglich, als mit Recorder - dann das nervige Gequatsche der Moderatoren, die immer zu früh ins Lied polterten.


    Aber es war auch die Zeit von Tschernobyl, die ich in dem Alter schon sehr bewußt mitbekam.
    Ich erinnere noch die Ängste, die wir damals hatte, die Empfehlungen, bloß nicht bei Regen aus dem Haus zu gehen.
    Die Politisierung, die bei uns gang und gäbe war, da es einfach dazugehörte, sich politisch zu interessieren.


    Die positiven Dinge aber überwiegen dennoch. Ist wahrscheinlich normal, die positiven Dinge der Vergangenheit hervorzuheben und dem Gedächtnis ist es eben wohl einfach lieber, sich dann an die schönen Dinge zu erinnern :grin


    Ich kann für mich sagen, daß das Buch hervorragend geeignet ist, sich ein paar wunderbare schöne Stunden aus der Vergangenheit hervorzuholen.


    Ok, zudem habe ich, dank des Buches, tatsächlich meine uralten - natürlich selbst aufgenommenen - Kassetten wieder hervorgekramt und bin auf den Geschmack gekommen, die anzuhören. Da ich dank meiner ??? Leidenschaft immer einen Kassettenrecorder hatte und auch noch habe, war das kein Problem.
    Das wirkt auch heute noch nach, Monate nach der Leserunde. :grin



    Fazit
    Ein wunderbares Buch, das gerade die 70ger, 80ger Generation in der Vergangenheit schwelgen lassen kann.
    Aber auch sicher interessant für spätere Generationen, wenn sie lesen, wie es damals war und daß ihnen das eventuell komisch und ungewohnt vorkommen könnte :grin

  • Das ist schade. :-(
    Es geht mir ständig so bei diesen Generation-weißnichtwas-Büchern, dass die so geschrieben sind, als müsste jedeR Deutsche dieser Jahrgänge sich darin wiederfinden. Zumindest wird im Klappentext so getan. Aber gemeint sind am Ende doch nur die Wessis. Die ostdeutsche Geschichte hat irgendwie nicht stattgefunden. Bzw. es fühlt sich so an, als hätte (z.B. mein) ostdeutsches Leben in einer Paralleldimension stattgefunden, die im Nachhinein zu einem blassen Traum degradiert wird und daher nicht mehr weiter als Realität behandelt werden muss, denn wir sind ja jetzt alle einheitsdeutsch und müssen uns daher bitte auch mit der westdeutschen Version der Geschichtswahrnehmung identifizieren.
    Falls das jetzt traurig und verbittert klingt: Ja, es macht mich traurig, und ich verstehe die Bitterkeit, die es bei vielen ostdeutschen Menschen auslöst. Dabei hätte es oft nur einer kleinen weiteren Recherche und Modifikation bedurft, beide Perspektiven zu bedienen, denn so gänzlich anders verlief ja vieles auch im Osten nicht. Aber die meisten AutorInnen kommen gar nicht auf die Idee, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Daher lese ich diese Art Bücher inzwischen meist gar nicht mehr.


    Aber danke streifi !

  • Zitat

    Original von Nadezhda
    Das ist schade. :-(
    Es geht mir ständig so bei diesen Generation-weißnichtwas-Büchern, dass die so geschrieben sind, als müsste jedeR Deutsche dieser Jahrgänge sich darin wiederfinden. Zumindest wird im Klappentext so getan. Aber gemeint sind am Ende doch nur die Wessis. Die ostdeutsche Geschichte hat irgendwie nicht stattgefunden. Bzw. es fühlt sich so an, als hätte (z.B. mein) ostdeutsches Leben in einer Paralleldimension stattgefunden, die im Nachhinein zu einem blassen Traum degradiert wird und daher nicht mehr weiter als Realität behandelt werden muss, denn wir sind ja jetzt alle einheitsdeutsch und müssen uns daher bitte auch mit der westdeutschen Version der Geschichtswahrnehmung identifizieren.
    Falls das jetzt traurig und verbittert klingt: Ja, es macht mich traurig, und ich verstehe die Bitterkeit, die es bei vielen ostdeutschen Menschen auslöst. Dabei hätte es oft nur einer kleinen weiteren Recherche und Modifikation bedurft, beide Perspektiven zu bedienen, denn so gänzlich anders verlief ja vieles auch im Osten nicht. Aber die meisten AutorInnen kommen gar nicht auf die Idee, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Daher lese ich diese Art Bücher inzwischen meist gar nicht mehr.
    Aber danke streifi !


    Sorry fürs Off Topic!
    Ich bin ein Ex-Wessi, kann dich aber so gut verstehen!
    Ich war einmal in einer Reha-Klinik östlich Berlins, naheliegend in des Wortes wahrsten Sinne natürlich überwiegend von Ex-Ossis frequentiert. Es gab dort einen moderierten "Bunten Abend", zu dessen Programm es u. a. darum ging, Schlagerinterpreten zu erraten. Von etwa 10-12 Titeln war lediglich ein einziger aus der ehem. DDR! Zumindest von diesen Geburtstagsbüchern, welche die typischen Lebenswege der in einem bestimmten Jahr Geborenen angeben, existiert mittlerweile je eine Ost- und Westausgabe.
    Aber ansonsten wirkt alles so, als ob man eine ganze Generation ignoriert.
    Dabei seid ihr ebenfalls Zeitzeugen!
    Schreibt Leserbriefe, schreibt die Verlage an, konfrontiert Autoren - oder schreibt selbst!
    Vielleicht wäre das einen eigenen Thread in der Plauderecke, den Weltereignissen oder eigentlich sogar im allgemeinen Bückereck wert...
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Nadezhda
    Frage an die Eulen, die's gelesen haben, oder gern auch an die Autorin: Kann man sich auch als DDR-Kind der Achtziger in diesem Buch wiederfinden? Oder ist das die reine Westperspektive?


    Die Autoren haben es im Nachwort erklärt, warum sie in diesen Buch nicht auf die damalige DDR- Jugend eingegangen sind. Dies sollte jemand schreiben, der diese Zeit persönlich erlebt hat.

  • @ jusch


    Danke für die Info!


    Beinahe hätte ich geschrieben "Immerhin!". Aber eigentlich finde ich es trotzdem nicht in Ordnung und sogar irreführend, denn sowohl im Titel als auch in der Beschreibung bei amazon ist ständig von "wir" und "uns" die Rede. Da erwarte ich eine echte "gesamtdeutsche" Perspektive und nicht im Nachwort (!) Bemerkungen dazu, dass DDR-Kinder bei diesem "wir" jetzt doch nicht mitgemeint sind. Diese Info gehört mindestens in den Klappentext / die Beschreibung. (Aber dann würde der Verlag ja weniger Bücher verkaufen...!?) Man stelle sich das bitte mal umgekehrt vor: Ein Buch mit o.g. Titel und Beschreibung, man liest es als Wessi mit wachsender Irritation, weil man sich nicht so recht darin wiederfindet, und im Nachwort wird dann erklärt, dass das Buch die Kindheit in der DDR beschreibt, nicht die in der "alten" Bundesrepublik, weil man die als AutorIn ja schließlich nicht miterlebt hat. Würdet ihr Wessis hier im Forum euch da nicht auch verschaukelt vorkommen? :-( Aber wehe, ihr sagt was, dann heißt es nur: "Jetzt sei doch mal nicht so empfindlich!" :rolleyes


    Und ja, ich finde es wirklich schlimm, dies auch über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch darlegen zu müssen und die Unterteilung in Ossis und Wessis bemühen zu müssen. Aber es ist irgendwie nicht in die Köpfe vieler AutorInnen und JournalistInnen zu bekommen: Erst unlängst habe ich einen Artikel gelesen (Zeit oder Spiegel, weiß nicht mehr), in dem es um irgendein DDR-Phänomen ging und ständig von "wir / uns" als aktueller gesamtbundesdeutscher Perspektive und im Gegensatz dazu von "denen / die" als damaliges DDR-Volk die Rede war. Dass "die" von damals zu dem "wir" von heute ja dazugehören und es reichlich seltsam finden, dann im Blick auf die Vergangenheit trotzdem und gleichzeitig immer noch ganz selbstverständlich "die Anderen" zu sein, kommt diesen JournalistInnen wohl nicht in den Sinn... Und da soll man als Ossi dann nicht schizophren werden... :lache Bei SchreiberInnen mit Osthintergrund passiert das übrigens kaum.


    @ maikaefer: Lieben Dank für dein Verständnis! Früher habe ich Leserbriefe geschrieben, aber es ist wie gegen die Windmühlen. Inzwischen höre ich einfach auf, diese Texte zu lesen, und mache mir einen inneren Vermerk, welche AutorInnen / Medien mit Vorsicht zu genießen sind. Ich finde das angesichts der Thematik dieses Buches übrigens auch alles andere als Offtopic!

  • Dieses Buch ist ja eher spaßig gemeint und hat nicht zum Ziel, die komplette deutsche Geschichte aufzuarbeiten. Es müsste dann auch wohl mindestens doppelt so dick sein. Ich kann Deine Sichtweise aber verstehen, Nadezhda. Aber innerhalb eines Buches beide deutschen Jugenderinnerungen zu behandeln, ist wohl eine sehr große Aufgabe. Die Erinnerungen an Produkte, Musik und Alltagsereignsse ist schon sehr unterschiedlich.


    Für DDR-Erinnerungen gibt es aber auch zahlreiche eigenständige Bücher. Diese sind dann aber auch ganz klar als DDR-Erinnerungen zu erkennen, da hast Du sicher recht.

  • Ich habe ja auch nichts gegen spaßige Bücher.
    Nur sollte bei so einem Thema der neueren Geschichte m.E. von Anfang an klar sein, dass es entweder nur um die westdeutschen Achtziger geht, was ich legitim fände, oder die ostdeutschen, was mich persönlich mehr interessieren würde, oder eben beides, was am tollsten wäre.
    Bei diesem Buch hier geht das aus Titel und Beschreibung für mich nicht hervor und ich bin es einfach müde, als Ossi mal wieder nicht mitgemeint zu sein, mir diese Info aber erst mühsam irgendwo herholen zu müssen.

  • Zitat

    Original von Nadezhda
    Das ist schade. :-(
    Es geht mir ständig so bei diesen Generation-weißnichtwas-Büchern, dass die so geschrieben sind, als müsste jedeR Deutsche dieser Jahrgänge sich darin wiederfinden. Zumindest wird im Klappentext so getan. Aber gemeint sind am Ende doch nur die Wessis. Die ostdeutsche Geschichte hat irgendwie nicht stattgefunden. Bzw. es fühlt sich so an, als hätte (z.B. mein) ostdeutsches Leben in einer Paralleldimension stattgefunden, die im Nachhinein zu einem blassen Traum degradiert wird und daher nicht mehr weiter als Realität behandelt werden muss, denn wir sind ja jetzt alle einheitsdeutsch und müssen uns daher bitte auch mit der westdeutschen Version der Geschichtswahrnehmung identifizieren.
    Falls das jetzt traurig und verbittert klingt: Ja, es macht mich traurig, und ich verstehe die Bitterkeit, die es bei vielen ostdeutschen Menschen auslöst. Dabei hätte es oft nur einer kleinen weiteren Recherche und Modifikation bedurft, beide Perspektiven zu bedienen, denn so gänzlich anders verlief ja vieles auch im Osten nicht. Aber die meisten AutorInnen kommen gar nicht auf die Idee, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Daher lese ich diese Art Bücher inzwischen meist gar nicht mehr.


    Aber danke streifi !


    Liebe Nadezhda,


    es tut mir leid, dass es dir vorkommt, als hätten wir den ostdeutschen Staat übergehen wollen. Vielleicht glaubst du mir trotzdem, wenn ich sage, dass das nicht unsere Absicht war und dass wir eigentlich versucht hatten, genau den Eindruck zu vermeiden.


    Dazu ein paar Gedanken/Erklärungen:


    Mit dem Zitat von Christoph Maria Herbst (deutsche Bank, Helmut Kohl etc.) auf dem Rücken des Buches schien es dem Verlag vermutlich eindeutig, dass damit eine (vorwiegend) westdeutsche Jugenderinnerung gemeint ist, ohne dass das noch mal explizit draufsteht. Unsere Vitae zeigen, wo wir herkommen, und da es als Erinnerungsbuch ausgewiesen ist, sind wir davon ausgegangen, dass es sich im Osten nicht so gut im Buchhandel einverkaufen würde wie im Westen, was auch der Fall war. Die Vertreter sind ganz offen damit umgegangen, dass es ein Buch über bundesrepublikanische Erinnerungen ist (es hat ja keinen Zweck, etwas vorzutäuschen - wir wollen ja unsere Leser nicht vergraulen ;-)).


    Unser Ziel war es, ein authentisches und gefühlsintensives Erinnerungsbuch für die BRD-Kinder zu schreiben (unter anderem hat Jana Hensel das für den ostdeutschen Staat schon so prägnant und treffend getan, dass wir fanden, alles, was wir dazu schreiben könnten, würde irgendwie mechanisch und heruntergespult klingen, weil wir es nicht selbst erlebt haben. Ihr Buch "Zonenkinder" habe ich übrigens - trotzdem ich aus Bremen stamme - mit großem Vergnügen und Gewinn gelesen.)


    Wenn ich drüber nachdenke, glaube ich offengestanden, dass es gar nicht möglich ist, beide deutschen Staaten in einem Buch so zu behandeln. Es war damals eben nicht ein gesamtes Deutschland, sondern zwei unterschiedliche Staaten. Über die DDR zu recherchieren und es so zu schreiben, als könnte ich wirklich fühlen, was es hieß, dort großzuwerden, fände ich verkehrt, es käme mir sogar ein wenig respektlos vor. Kannst du das nachvollziehen? Ich habe mal als Lektorin im Verlag das Buch "Alles Neiße Oder?" der Schauspielerin Petra Nadolny betreut. Vieles von dem, was sie schildert (vom Schulsystem über Fernsehsendungen, Stars, technische Geräte, Mode bis hin zu Essen - ich sage nur: "Schlager Süßtafel" und "Hallorenkugeln") war mir nicht vertraut. Um das abzubilden, bedarf es viel mehr als eine kleine weitere Recherche und Modifikation. Und wenn ich denken würde, dass ich das mal eben kurz ohne viel Mühe in den Text reinfrickeln könnte - würde das nicht auch die Erfahrung derjenigen abwerten, die es erlebt haben (zumal ich gar nicht weiß, wie der spezielle Geschmack verschiedener Süßigkeiten war, ich verbinde eben keine Kindheitserinnerungen damit)?


    Ich habe viele Freunde, die mir von ihrer Kindheit und Jugend in der DDR erzählt haben, und schon das waren - je nach Wohnort und sozialer Herkunft - sehr unterschiedliche Gefühle oder Erfahrungen. Für mich wäre darüber zu schreiben eher ein Eiertanz, weil ich gar nicht wüsste, wie ich da ein Lebensgefühl der DDR-Bürger abbilden sollte.


    Was mich allerdings überrascht hat, war dass mir einige Leser, die in der DDR aufgewachsen sind, geschrieben haben, dass sie erst nicht erwartet hatten, sich darin wiederzufinden, dann aber ähnliche Gefühle gerade im Zusammenhang mit Kassetten und Musik hochgekommen sind. Mich hat das sehr gefreut, weil es zeigt, dass uns bei allen Unterschieden in der Biografie oder der Staatsform auch damals schon mehr verband als trennte.


    Liebe Grüße
    Anne

  • Zitat

    Original von xexos
    ... Aber innerhalb eines Buches beide deutschen Jugenderinnerungen zu behandeln, ist wohl eine sehr große Aufgabe. Die Erinnerungen an Produkte, Musik und Alltagsereignsse ist schon sehr unterschiedlich.
    Für DDR-Erinnerungen gibt es aber auch zahlreiche eigenständige Bücher. Diese sind dann aber auch ganz klar als DDR-Erinnerungen zu erkennen, da hast Du sicher recht.


    Diese strenge Trennung finde ich jetzt etwas sonderbar. Natürlich hatte ich im Westen eine Ost-Meckipuppe und einen Ost-Teddy und meine Cousine einen schrecklichen US-Regenmantel, mit dem ich mich nicht auf die Straße getraut hätte. Für mich war es Normalzustand, in einer durch Flucht getrennten Familie aufzuwachsen, in der in beiden Staaten Konsumgüter unter Gleichaltrigen oder Familien mit gleichaltrigen Kindern ständiges Thema waren. Meine Cousin hat ... , meine Cousine will haben ..., das Kind der DDR-Nachbarn wünscht sich ... Teils gab es "ostdeutschen Konsumterror", weil die Verwandtschaft sich etwas wünschte, was wir im Westen nicht hatten und nicht vermissten oder uns gar nicht leisten konnten. Für solche spezifischen Befindlichkeiten wird natürlich Fingerspitzengefühl benötigt. Darum ist mir eine ehrliche Trennung lieber, als ein Text, dem man anmerkt, dass er zwar irgendwie recherchiert wurde, aber das Feeling nicht trifft.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Diese strenge Trennung finde ich jetzt etwas sonderbar.
    [...]
    Darum ist mir eine ehrliche Trennung lieber, ...


    :gruebel Was denn nun, trennen oder nicht trennen? ;-)



    Die Erinnerungen in Ost und West sind sicherlich grundsätzlich unterschiedlich. Allerdings gibt es wohl wie so oft auch Grauzonen und Schnittmengen. Ich wuchs in Hildesheim auf und habe daher als Jugendlicher sehr viel DDR-Fernsehen gesehen. Dadurch habe ich auch ganz viel ostgeprägte Erinnerungen. Spreche ich mit Leuten aus NRW, kennen die meist diese ganzen Details aus der DDR gar nicht. "Mach mit, mach´s nach, mach´s besser" habe ich beispielsweise auch sehr häufig gesehen. Und von mir immer wieder gerne erwähnt, der legendäre Kinderfilm "Sechs Bären mit Zwiebel", der aber auch in der ARD zu sehen war. Nudossi und Spee habe ich aber bspw. erst nach der Wende kennengelernt. Dass der Alltag sehr unterschiedlich geprägt ist, ist wohl ziemlich eindeutig. Aluminium hat im Westen keiner gesammelt und zu Pioniernachmittagen ging auch keiner. Mit dem Pioniergruß verbinde ich auch keine Erinnerung. Ein Buch, dass alles nennt, müsste dann auch wieder innerhalb der Kapitel sehr stark trennen.


    Aber Nadezhda ging es meiner Meinung nach mehr darum, dass außen auf dem Buch (nicht nur auf diesem Buch, sondern auf vielen anderen ebenfalls) von Titel und Beschreibung eher suggeriert wird, dass es sich um eine gesamtdeutsche Erinnerung handelt und dass gesamtdeutsch aktuell scheinbar negiert, dass dazu auch ein östlicher Part zählt und sich nicht nur aus der westlichen Erfahrung speist. Ja, ich denke auch, dass der Osten sehr oft unter den Tisch fällt. Sagt man deutsch, meint man meistens Bundesrepublik. Bringt man die DDR mit hinein, wird explizit darauf hingewiesen. Dies empfinde ich auch so. Es liegt aber auch daran, dass dass DDR-System untergegangen ist und das bundesrepublikanische System fortbesteht. Ich kann die Wehmut nachvollziehen, aber das Buch Kassettenkinder trägt daran keine Verantwortung. Und auch aus dem Klappentext kann man eigentlich herauslesen, dass sich vor allem um westliche Erinnerungen handelt (Dallas-Frisuren, Neuer Deutscher Welle, Indiana Jones, YPS-Heft, Atomwaffen, Ententanz ...).

  • Jetzt habe ich den entscheidenden Satz gefettet. ;-)


    Zu Erinnerungen West gehören natürlich auch Harka-Romane, die Digedags und der Herr Atzo von Rasselschritt, alles aus westdeutschen öffentlichen Bibliotheken. Ein gesamtdeutsches Kapitel wäre also möglich. :lache

  • Gefettet ja, aber nicht erklärt.


    Ich kenne die Digedags auch, mit dem Westen hat das aber nichts zu tun und dafür reicht es meines Erachtens auch nicht, dass man sowas aktuell in westdeutschen öffentlichen Bibliotheken findet. Wenn, dann wäre eher Karl May eine gesamtdeutsche Jugenderinnerung.


    Natürlich wäre auch ein gesamtdeutsches Kapitel möglich, aber doch nur für die recht geringe Schnittmenge.

  • Ich denke es ist tatsächlich schwierig so ein Buch korrekt zu kennzeichnen. Wenn man da jetzt sowas wie "Westdeutsche Erinnerungen" drauf geschrieben hätte, hätten sich sicher auch einige Leute drüber aufgeregt. So nach dem Motto: "die Wende ist doch jetzt schon so lange her, muss das denn sein?"


    Nachdem beide Autoren aus dem Westen sind, war es für mich auch ok, dass nur die "Wessi" Seite beleuchtet wurde, alles andere wäre unglaubwürdig gewesen, da muss ich Anne auch zustimmen.


    Ich habe selbst keinerlei Ost-Erfahrungen gemacht, dafür spielte bei mir der ORF mit seinem Kinder- und Sommer-Programm immer eine große Rolle. Dass das im Buch nicht vorkommt war für mich auch ok, die beiden stammen ja auch aus anderen Bundesländern.



    Aber wenn es darum geht dem gemeinsamen Gefühl beider Seiten zu frönen, dann empfehle ich den folgenden Thread, auch wenn der Thread wohl ein wenig Wessi-lastig ist. Aber die Osteulen können da ja gerne noch ihre Erfahrungen ergänzen (ich hab jetzt nur mal die ersten Seiten überblättert)