Die Vergessenen - Ellen Sandberg

  • Titel: Die Vergessenen

    Autorin: Ellen Sandberg

    ISBN: 978-3-328-10089-8

    Originalausgabe : Dezember 2017

    Seiten: 508



    Beschreibung – Bookcover:

    1944. Kathrin Mändler tritt eine Stelle als Krankenschwester an und meint, endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Als die junge Frau kurz darauf dem charismatischen Arzt Karl Landmann begegnet, fühlt sie sich unweigerlich zu ihm hingezogen. Zu spät merkt sie, dass Landmanns Arbeit das Leben vieler Menschen bedroht – auch ihr eigenes.

    2013. In München lebt ein Mann für besondere Aufträge, Manolis Lefteris. Als er geheimnisvolle Akten aufspüren soll, die sich im Besitz einer alten Dame befinden, hält er das für Routine. Er ahnt nicht, dass er im Begriff ist, ein Verbrechen aufzudecken, das Generationen überdauert hat.


    Meine Meinung:

    Die Geschichte spielt auf 2 Ebenen, einmal im Jahr 1944 in der Heil- und Pflegeanstalt und 2013 in München. Die zeitlichen Übergänge sind wunderbar eingefügt.

    Manolis seine Familie war im II. Weltkrieg fast komplett von der Wehrmacht ermordet worden und sein Vater hat ihm davon im Urlaub an der Ostsee berichtet als er noch ein kleiner Junge war. Aufgrund der sich wiederholenden Albträume hat er eine schwere Kindheit und Jugendzeit hinter sich und verdankt seinem heutigen Lebenswandel seinen Auftraggeber.

    Daneben haben wir Vera Mändler, Journalistin für eine Frauenzeitschrift, die zu dem noch Pech bei der Auswahl ihrer Freunde hat. Durch den Schlaganfall ihrer Tante Kathrin Engster geborene Wiesinger, erhält Vera unerwartet die Chance für eine politische Recherche und den Wechsel zu einer anderen Zeitschrift. Der Name Mändler ist ein Fehler auf dem Buchrücken. Doch was findet Vera heraus?

    Ihre Tante, hat irgendwo Akten versteckt über die Morde an unschuldige Menschen, darunter auch Kinder in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg. Kathrin Wiesinger hat sogar Fotos gemacht und Protokolle zu den Akten gelegt. Stellenweise ist das Buch sehr traurig. Ganz schrecklich fand ich die Geschichte der kleinen zweijährigen Therese die an dem Down Syndrom leidet und zudem auch noch Taub war. Dr. Landmann verbot Kathrin Wiesinger die Gebärdensprache zu erlernen um diese auch dem Kind zu vermitteln und dessen Lernfähigkeit zu beweisen. Das Kind hatte sehr viel Energie und wollte gerne toben, was natürlich auch verboten war, es musste in seinem Gitterbett bleiben und an Nahrung gab es wenig und vor allem nichts Gesundes. Einmal hat Kathrin ihr heimlich einen Keks gegeben und ein anderer Arzt kam hinzu. Dr. Bader öffnete gewaltsam die kleine Faust entwendete den Rest des Keks. Solche eine Szene macht den Leser fassungslos, was damals geschehen war und traurig, wie ein kleines Kind so behandelt werden kann.

    Bei ihrer Recheche gerät Vera Mändler selbst in Lebensgefahr. Ihr Handy wird abgehört. Also jetzt weiß ich, wenn mein Akku mal besonders schnell leer ist, Vorsicht: Abhörgefahr!

    Und wenn eine Wanze einmal auf eine Rufnummer drauf ist, nutzt auch kein Ausschalten!





    Fazit:

    Ein Roman der auf alle Fälle empfehlenswert ist. Ein spannender Krimi über eine Zeit, die sich hoffentlich niemals wiederholt.

    Ein besonderes Leckerbissen: Kommissar Dühnfort hat eine kleine Nebenrolle in dem Buch.


    Volle Punktzahl!

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

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  • Ich habe lange überlegt, welche Rubrik ich wählen soll. Krimi ist es nicht, historisch sprich II. Weltkrieg, zu 50 %. Politthriller, weil Vergangenes aufgedeckt und Kriegsverbrecher enttarnt werden?

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Spannend und interessant

    Ellen Sandberg ist das Pseudonym von Inge Löhnig, deren Krimis sich gut und interessant lesen. Mit dem Roman „Die Vergessenen“ wird eine besondere schwere Zeit beschrieben.

    1944 arbeitet Kathrin Mändler in der Klinik in der behinderte Kinder und auch Erwachsene als nicht lebenswert eingestuft werden.

    2013 fragt sich ihre Nichte Vera, ob die Tante an den Morden beteiligt war, die Tante hatte einen Schlaganfall und kann nicht befragt werden.

    Manolis Lefteris, ist ein Mann für besondere Aufträge. Er ist hinter Akten her, die bei Kathrin sein sollen.

    Der Roman ist spannend und wechselt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her.. Die Vergangenheit ist eine grausame Geschichte, in der die Verursacher nicht zur Verantwortung gezogen werden. Diese Berichte von 1944 lesen sich erschütternd, obwohl ich schon davon wusste. Besonders unfassbar sind dann immer das es so viele Personen gibt, die das richtig fanden.

    Ellen Sandberg hat einen wahren Krimi, mir einem Thema, das nicht in Vergessenheit geraten darf, geschrieben. Witzigerweise begegnen wir Kommissar Dühnford, aus den Krimis Inge Löhnigs, hier kurz auf einer Treppe.

    Dieser Roman lässt den Leser nicht los.

    Er hat eine fesselnde und spannende Atmosphäre.

    Eine empfehlenswerte Lektüre.

  • Die Vergessenen lässt die Opfer des Zeiten Weltkriegs zu Wort kommen, die bisher immer vergessen wurden. Es geht um Euthanasie, ein normalerweise bekannter Begriff für würdige Sterbehilfe. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs war das leider nicht so. Damals wurde er eng mit dem Begriff der Rassenhygiene verknüpft. Vor allem schutzlose Kinder, die geistige oder körperliche Behinderungen hatten, wurden in speziellen Anstalten „gepflegt“.


    Ellen Sandberg nimmt diese unmenschlichen Taten zum Anlass, auf ein nahezu vergessenes Thema aufmerksam zu machen. Sie beleuchtet dabei nicht nur die heutige Sicht, sondern versucht ebenfalls, die Beweggründe der Täter und Mittäter zu verdeutlichen. Vom gegenwärtigen Standort gesehen, ist eine Schuldzuweisung leicht auszusprechen. Es ist aber mehr zu berücksichtigen. Am Beispiel von Katharina verfolgen wir, wie das Bewusstsein, den Kindern in den Hungerhäusern nicht zu helfen, Gestalt annimmt. Gemeinsam mit einem Assistenzarzt schafft sie Beweise in Sicherheit, um nach Ende des Krieges die Täter anzuklagen. Doch auch 60 Jahre später schweigt sie. Nachdem Kathrin einen Schlaganfall erlitten hat, vertraut sie ihrer Nichte Vera, einer Journalistin, ihre Tagebücher an. Schnell stößt diese auf das Thema und recherchiert. Sie stellt dabei die moderne Denkweise dar und will Transparenz in die staubigen Ablagen bringen. Sie will aufdecken, wer damals den Auftrag zum Morden gegeben hat, auch wenn sie emotional durch ihre Tante verwoben ist.


    Wie ein Gegenspieler erscheint ein junger Grieche, dessen Familie ebenfalls durch den Krieg traumatisiert ist. Manolis führt Aufträge aus, wo andere lieber alles verdecken würden. So auch hier. Sein Auftraggeber will in den Besitz von Akten kommen, die ihm schaden könnten. Die Wege von Vera und Manolis kreuzen sich immer wieder und bald erkennt der Leser, dass sie wohl dasselbe Ziel verfolgen. Je mehr Vera erfährt, desto gefährlicher wird es für sie. Auch Manolis ist ein Kind der Gegenwart, wird aber durch die Not der eigenen Eltern und Rachegedanken getrieben.


    Man merkt es der Autorin an, dass sie ansonsten Krimis schreibt. Das historische Thema wurde gut mit dem Heute verknüpft und ist zum Teil ein atemraubender Wettlauf gegen die Zeit. Wie nebenbei wird das Hauptthema Euthanasie in seiner Monstrosität aufgedeckt und gleichzeitig ein relativ objektiver Blick freigegeben. Es wird nichts beschönigt, aber auch nicht plump mit dem Finger auf den Schuldigen gezeigt. Langsam zieht sich die Schlinge um den Schuldigen zu, wobei immer bedacht werden muss, dass auch dieser inzwischen 64 Jahre älter ist. Diese lange Zeit hat er sein Verhalten mit seinem Gewissen vereinbaren müssen. Hat er nur getötet, um selber am Leben zu bleiben?


    Der Roman mit der komplexen Handlung ist spannend, hat zwei Zeitebenen und stimmt nachdenklich. Was die einen vergessen wollen, ist für die anderen ein ständiger Begleiter und beeinflusst auch noch die folgenden Generationen. Mit Fingerspitzengefühl wurden die eingängigsten Gedanken dazu behandelt und für alle Figuren Verständnis gezeigt. Die Charaktere hatten Pflichtgefühl, ein Gewissen und vor allem aber auch Bedürfnisse. Das Buch bekommt also eine unbedingte Leseempfehlung.

  • Manolis Lefteris ist Besitzer eines Autohauses in München. Doch nebenbei erledigt er für einen guten alten Freund immer wieder auch andere Aufträge. Aktuell soll er einen Mann namens Chris beschatten, der seinerseits auf der Suche nach Unterlagen ist und ihm diese abnehmen, sobald er sie gefunden hat. Um was es geht und was in diesen Unterlagen steht, wird Manolis nicht gesagt und normalerweise fragt er auch nicht groß nach, denn er vertraut seinem Auftraggeber. Doch bald kommt ihm diese Geschichte merkwürdig vor. Alles scheint mit einer alten Frau zusammenzuhängen, Kathrin, der Tante von Chris. Und mit ihrer Vergangenheit. Auch ihre Nichte Vera beginnt, Nachforschungen anzustellen.



    Den Inhalt zu beschreiben, fällt mir hier sehr schwer, denn das Buch ist äußerst vielschichtig und die Familienverhältnisse der Protagonisten muss man erst einmal durchschauen. Eigentlich sind es 3 Hauptfiguren, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird:



    Zum einen Manolis, Sohn einer Deutschen und eines Griechen, Autohändler und Problemlöser, mit einem schrecklichen Familienschicksal, das sein Vater, ein griechischer Einwanderer, ihm schon in sehr jungen Jahren aufgebürdet hat und das Manolis somit schon sein Leben lang verfolgt.



    Vera, die sich gefangen fühlt in ihrem Job als Redakteurin einer Frauenzeitschrift, obwohl sie doch eigentlich lieber wieder in ihr eigentliches Ressort, Politik und Geschichte, zurückwill. Aber der Stempel Lifestyle hängt ihr nun an und macht es ihr schwer. Als ihre Tante einen Schlaganfall hat, entdeckt sie in ihrer Wohnung ein Foto, das Kathrin in Krankenschwesterntracht vor einer Heilanstalt während der NS-Zeit zeigt. Warum hatte Kathrin diese Zeit nie erwähnt?



    Die dritte Protagonistin ist ebendiese Kathrin, deren Geschichte in der Vergangenheit langsam aufgerollt wird. Hat sie sich an der Ermordung von behinderten und kranken Menschen während des Nationalsozialismus beteiligt?



    Ellen Sandberg, alias Inge Löhnig, verknüpft hier mehrere Handlungsfäden und Schicksale aus Gegenwart und Vergangenheit miteinander. Zum einen geht es um Verbrechen der Wehrmacht in Griechenland, zum anderen um das Thema Euthanasie im Dritten Reich. Es geht um Rache, Gerechtigkeit, Schweigen und Aufarbeitung. Während sich in der ersten Hälfte des Buches erst so langsam die Zusammenhänge herauskristallisieren, gibt es in der zweiten Hälfte, als man eigentlich denkt, man hätte jetzt alles durchschaut, noch diverse Überraschungen, so dass die Geschichte bis zum Ende absolut fesselnd bleibt!



    Beide Themen sind grausam und schockierend, der Umgang der Justiz mit ihnen frustrierend. Auch dies wird entsprechend thematisiert und spielt eine große Rolle, insbesondere für Manolis. Den fiktiven Geschichten hier im Buch liegen reale Ereignisse zugrunde, das macht es umso bedrückender. Ich habe schon viele Romane aus der NS Zeit gelesen, aber so tief hat mich schon lange keiner mehr berührt. Keine leichte Lektüre für nebenbei, aber wer bereit ist, sich auf diese düsteren Kapitel der Vergangenheit einzulassen, wird mit einer ungemein spannenden und tief beeindruckenden Geschichte belohnt, die zumindest bei mir noch lange nachhängen wird.

  • Es ist interessant, dass die Meinungen über dieses Buch so unglaublich auseinandergehen - von Abbruch bis hin zu großartig... Ich habe es mal auf der Beobachten-Liste...

  • Das ist sehr lieb von dir, Knoermel, aber ich bin nicht gut mit Leihbüchern, dass setzt mich immer so unter Stress, wenn ich weiss, jemand anderes wartet drauf... bei mir liegen die schon eine Weile auf Halde, bis ich dann dazu komme.... Das findet sich bei einem Flohmarkt oder in einem Bücherschrank. Danke dir aber sehr für das Angebot :knuddel

  • Das ist sehr lieb von dir, Knoermel, aber ich bin nicht gut mit Leihbüchern, dass setzt mich immer so unter Stress, wenn ich weiss, jemand anderes wartet drauf... bei mir liegen die schon eine Weile auf Halde, bis ich dann dazu komme.... Das findet sich bei einem Flohmarkt oder in einem Bücherschrank. Danke dir aber sehr für das Angebot :knuddel

    Ich kenne das Problem. Ich lese auch am liebsten meine eigenen Bücher. Immer wenn ich ein geliehenes Buch zu Hause habe, habe ich grade dann keine Lust auf dieses Buch. Zum Glück kann ich mir bei allen, die mir Bücher leihen, Zeit lassen.

  • Ich durfte dieses Buch als Wanderbuch lesen und möchte mich dafür noch einmal ganz herzlich bedanken! :blume


    Am Anfang hatte ich ein wenig Schwierigkeiten mit dem Buch. Die ersten 100 Seiten hatte ich Probleme richtig reinzukommen. Das lag vor allem an dem Wechsel zwischen den unterschiedlichen Erzählsträngen und auch an einer Hauptfigur, mit der ich zu Beginn nichts anfangen konnte.

    Dann nach fast genau 100 Seiten hat es bei mir "Klick" gemacht und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen!


    Zur Handlung möchte ich hier nichts mehr schreiben , das haben die Eulen in den vorherigen Rezis ja schon ausführlich getan. Ich möchte da auch nichts mehr verraten, damit die Spannung beim Lesen erhalten bleibt.


    Mir hat der Roman nach den besagten Anfangsschwierigkeiten ausgesprochen gut gefallen. Die Autorin hat einen sehr angenehmen Schreibstil und sie versteht es geschickt, die einzelnen Erzählstränge und Zeitebenen zu einer sehr spannenden und bewegenden Geschichte zu verknüpfen.

    Ich konnte zwischendurch gar nicht mehr aufhören zu lesen, weil mich das Geschehen so gefesselt hat. Es kommen in dem Buch auch sehr ernste und traurige Ereignisse vor, die mich wirklich tief berührt haben. Der Roman war für mich sowohl informativ als auch traurig und spannend zugleich


    Die Einordnung zu einem Genre finde ich auch recht schwer. Es ist ein Krimi mit historischen Elementen und einer Familiengeschichte.


    Ich spreche für das Buch eine ausdrückliche Leseempfehlung aus und vergebe 9 Eulenpunkte ( 1 Punkt Abzug wegen meinen Startschwierigkeiten)