'Norden und Süden' - Kapitel 08 - 17

  • TBC macht auch Sinn, war ja seinerzeit weit verbreitet...

    Die Tuberkulose wurde früher ja auch Schwindsucht genannt, das macht dann im Englischen mit "in waste" schon Sinn.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich bin nun bei Kapitel 13 und finde mich inzwischen in dieser Welt gut zurecht. Und in diesem Abschnitt geraten wir zwischen die beiden Welten der Familien Thornton und Hale. Man verachtet sich gegenseitig wegen der Lebensweisen und schielt doch zu den anderen mit gewisser Missgunst. Man macht und empfängt Besuche. Aber nur, um kleinere und größere Bosheiten auszutauschen. Anstrengend.

    Nur der harm- und arglose Mr Hale hält sich aus den Sticheleien heraus.


    Interessant, dass Du die gegenseitigen Sticheleien als anstrengend empfindest. Für mich machen gerade diese die Würze des Buches aus. Ich finde den Wechsel der verschiedenen Perspektiven so spannend. Gaskell gelingt es, meiner Meinung nach, wertfrei die unterschiedlichen Positionen einzunehmen. Ein jeder pflegt seine Vorurteile gegen den anderen. Und schon früh beäugt Mrs. Thornton eifersüchtig die Aufmerksamkeit, die ihr Sohn Margaret schenkt. Denn in ihren Sohn muss sich ja jede Frau gleich verlieben, alles andere wäre für sie undenkbar ... :lache


  • Interessant, dass Du die gegenseitigen Sticheleien als anstrengend empfindest. Für mich machen gerade diese die Würze des Buches aus.

    Ich meinte eigentlich, dass ich solche Gespräche anstrengend finde. Nicht beim Lesen. Aber mir vorzustellen, ich müsste auf diese Weise tagtäglich mit meiner Umgebung kommunizieren - das stelle ich mir anstrengend und ermüdend vor.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich bin jetzt mit dem Abschnitt durch. Am Anfang des Buches empfand ich die Stimmung darin als so heiter und fröhlich. In Milton hat sich das nun deutlich verändert. Vor allem die vielen Kranken empfinde ich als traurig und depremierend. Das Mädchen Bessy tut mir sehr leid. Sie ist erst 19 und ist so krank, dass sie nur noch vom Tod und Sterben redet. Und ihre Krankheit ist nur durch die schlechten Arbeitsbedingungen ausgelöst worden. Sie weißt das auch, muss aber trotzdem in die Arbeit gehen um Geld für die Familie und die jüngere Schwester zu erarbeiten. Sie sehnt sich ihren Tod herbei. Die Kapitel mit ihr haben mich sehr berührt und traurig gemacht.

    Margarets Mutter ist auch schwer erkrankt.Allerdings scheint sie schon länger über ihre Krankheit Bescheid zu wissen. Die Krankheit ist also nicht durch die Lebensbedingungen in der neuen Stadt ausgelöst geworden. Ich tippe jetzt auch mal auf eine Krebserkankung. Tja und die Gegensätze zwischen den beiden Familien Hale und Thornton vor allem ihre Ansichten und Gedanken könnten nicht größer sein. Trotzdem bin ich mir sicher, dass sich Margaret und Mr. Thornton zum Ende noch bekommen werden.


  • Margarets Mutter ist auch schwer erkrankt.Allerdings scheint sie schon länger über ihre Krankheit Bescheid zu wissen. Die Krankheit ist also nicht durch die Lebensbedingungen in der neuen Stadt ausgelöst geworden.


    Das Gefühl habe ich auch. Deshalb frage ich mich, ob das feige Verhalten Mr. Hales im Umgang mit seiner Frau vielleicht mit einem intuitiven Gefühl seinerseits über ihre Erkrankung zusammenhängt. Mit anderen Worten, er ahnte bereits in Helstone, dass etwas mit ihr nicht stimmt, hatte aber Angst der Sache auf den Grund zu gehen. Das kann sein Verhalten nicht entschuldigen, würde es aber vielleicht erklären.

  • Das Gefühl habe ich auch. Deshalb frage ich mich, ob das feige Verhalten Mr. Hales im Umgang mit seiner Frau vielleicht mit einem intuitiven Gefühl seinerseits über ihre Erkrankung zusammenhängt. Mit anderen Worten, er ahnte bereits in Helstone, dass etwas mit ihr nicht stimmt, hatte aber Angst der Sache auf den Grund zu gehen. Das kann sein Verhalten nicht entschuldigen, würde es aber vielleicht erklären.

    Das will ich nun freundlicherweise nicht glauben. Denn wenn das so wäre, wäre es noch unverantwortlicher gewesen, die arme Frau in dieses ungesunde Klima zu verschleppen. Aber wer kann schon die Gedankengänge eines solchen Menschen verstehen?

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Gaskell gelingt es, meiner Meinung nach, wertfrei die unterschiedlichen Positionen einzunehmen.

    Das dürfte möglicherweise auch eines ihrer Anliegen gewesen sein. Lt. meinem "Kommentarbuch" stellt sie immer wieder auf die Unterschiede zwischen Nord- und Südengland ab, indem sie selbige beschreibt. Übrigens ist mir seinerzeit erst durch dieses Buch bewußt geworden, daß es solche Unterschiede gibt.


    Ich meinte eigentlich, dass ich solche Gespräche anstrengend finde. Nicht beim Lesen. Aber mir vorzustellen, ich müsste auf diese Weise tagtäglich mit meiner Umgebung kommunizieren - das stelle ich mir anstrengend und ermüdend vor.

    Ja, aus unserer heutigen Sicht vermutlich schon. Aber damals? Konversation betreiben war eine der wenigen Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben - und zu kommunizieren. Denn alles, was uns selbstverständlich ist, gab es damals noch nicht. Und was es gab, ist uns nicht mehr selbstverständlich (z. B. Briefe, die einige Tage Laufzeit hatten, bis sie ankamen).



    Mr. Hale ist ... !

    ... dem täglichen, normalen Leben einfach nicht gewachsen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Und in diesem Abschnitt geraten wir zwischen die beiden Welten der Familien Thornton und Hale. Man verachtet sich gegenseitig wegen der Lebensweisen und schielt doch zu den anderen mit gewisser Missgunst. Man macht und empfängt Besuche. Aber nur, um kleinere und größere Bosheiten auszutauschen. Anstrengend.

    Nachtrag hierzu: seit der Zeit von Jane Austen und der von ihr beschriebenen Welt sind zwischen fünfzig und sechzig Jahre vergangen - aber manche Ansichten scheinen immer noch Gültigkeit zu besitzen. Schon damals galt es als "niedrig", sein Geld mit Handel (Industrie gab es noch nicht) zu verdienen, es war geradezu ein Makel. Das begegnet hier durch das ganze Buch auch immer wieder. Ob das natürlich bis zum Ende so sein wird, bleibt abzuwarten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")