'Die Manufaktur der Düfte' - Seiten 335 - 458

  • Das bin ich auch gerade (bzw. jetzt schon ein paar Seiten weiter).
    Ich hatte auch das Gefühl, dass es weniger um das Geld an sich, als um das zerstörte Vertrauensverhältnis ging. Carl und seine Familie zu verstoßen und tatsächlich nie wieder über sie zu sprechen oder Kontakt zu suchen, empfinde ich als sehr heftige Reaktion.

    Ich bin trotzdem gespannt, ob wir als Leser noch erfahren, was aus ihnen geworden ist.

  • Da stimmt, traurig ist es trotzdem.


    Was mich seltsamerweise sehr berührt hat in diesem Abschnitt, ist Fritz Begeisterung für den Fußball und seine Beziehung zu Luise Götz.


    Ein bisschen schade finde ich, dass Leo keine große Rolle mehr gespielt hat, seitdem sich die beiden ausgesprochen haben. Aber das Buch ist ja noch nicht zu Ende.

  • Ja, statt Leo ist nun Hans wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Sind halt viele Personen und Leo trat ja vor allem in Erscheinung, wenn es um die Entwicklung der Sozialdemokratie ging.


    Ich hatte bei Fritz immerzu darauf gewartet, dass er politisch auch sozialer wird oder eventuell so ein Armen- und Altenhaus sponsert. Aber vielleicht wäre das zu viel Wandlung geworden. Immerhin hat er sich ja nun unterhalb seines Standes verliebt.

  • Ich hatte bei Fritz immerzu darauf gewartet, dass er politisch auch sozialer wird oder eventuell so ein Armen- und Altenhaus sponsert. Aber vielleicht wäre das zu viel Wandlung geworden. Immerhin hat er sich ja nun unterhalb seines Standes verliebt.

    Ich finde, diese langsame Entwicklung und Öffnung zu den Menschen anderer Klassen eigentlich sehr gut. Mir gefällt, wie reflektiert Fritz ist und immer die Augen offen hält. Aber aufgrund seiner Erziehung und der gesellschaftlichen Ordnung kann er eben nicht immer danach handeln. Aus ihm von jetzt auf gleich einen Sozialdemokraten zu machen, wäre auch einfach zu viel des Guten gewesen.

  • Fritz ist halt ein Kind seiner Zeit. Er ist als Firmenpatriarch außerdem weniger Privatmann als Geschäftsmensch. Solche Fälle gibt´s heute noch, ich war mal mit einem verheiratet ;-)

    Aber immerhin lernt er dazu - deshalb hab ich auch die Figur der Luise eingeführt. Für sie durchbricht er die gesellschaftlichen Schranken.

  • Meine Güte, was ist nur mit der armen Hermine los. :yikes Ich frage mich, ob es sich um eine "natürliche" Paranoia handelt, oder ob es vielleicht irgendwas mit einem Nervengift zu tun haben könnte, dass durch die vielen Fabriken in der Luft oder im Wasser ist? Sowas wie Quecksilber zum Beispiel? Es gab ja doch viele Nebenwirkungen der verschiedenen Abfallstoffe, Schwermetalle, etc. die noch unbekannt waren.

    So schrecklich die Szene in der "Irrenanstalt" auch war, so war es ja letzten Endes trotzdem schon eine Verbesserung gegenüber früheren Verhältnissen. Immerhin haben die Schwestern jetzt auch nicht so gewirkt, als ob sie besonders brutal oder herzlos wären. Aber als Angehöriger bricht dir der Anblick natürlich das Herz. Die Frage ist ja nur, wer soll die Hermine pflegen, wenn er sie heimholt? Dafür müsste Hans jemanden einstellen, das wird die Nachbarin doch bestimmt nicht noch zusätzliche machen können.


    Carls Schicksal ist sehr traurig, auch wenn er es selbst verschuldet hat. Ich hab mir sofort gedacht, dass da was faul ist, als er so beiläufig gefragt hat, ob die Brüder ohne ihn mit der Jahresbilanz anfangen wollen. Das in Verbindung mit seinem ständigen Luxus und neuesten Anschaffungen hat sämtliche Alarmglocken geläutet. Und als er dann schließlich in Augsburg in die leere Wohnung heimkommt war auch der erste Verdacht: Emma hat ihn verlassen. Hat mich eh gewundert, dass sie es überhaupt so lange bei ihm ausgehalten hat, das verwöhnte Lu... ähäm... Weibstück. Ich hab auf die eh eine Riesenwut, seit sie so herzlos die alte Rosa rausgeschmissen hat. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass sie noch ein bisschen mehr zu leiden hat und sich nicht einfach so wieder zu den reichen Eltern davonstehlen kann. Aber natürlich, die kleine Mary kann nichts dafür.


    Auch der Vorschuss-Verein fällt Betrügern zum Opfer. Ich hatte ja mit der Wirtschaftskrise gerechnet, da ging es noch schneller. An der Stelle fand ich Fritz' Rolle sehr positiv, der sich extra für die kleinen Anleger stark gemacht hat, weil ihm klar ist, dass für die das wenige Geld sehr viel schwerer zu verkraften ist als für die Reichen das viele. Allgemein hat Fritz in diesem Abschnitt gezeigt, dass er eigentlich ein guter Mensch und Fabrikherr ist. Natürlich ist er von den Dünkeln seiner Zeit und der Weltsicht seiner Eltern geprägt, aber er ist lernfähig. Er ist überrascht von Luises Lebensverhältnissen und wie sie diese bewältigt, sogar bereit die von anderen Arbeiterinnen zu verbessern. Und dann lässt er sich sogar zu ihren Bedingungen auf diese Liaison auf "Augenhöhe" ein, wo er als reicher Herr nicht mehr zu sagen hat als sie. Wow, das ist in der Tat sehr fortschrittlich. Immerhin, wem "Austern à la Gschmarri" nicht schmecken, der ist mit Hausmannskost natürlich glücklicher. Vielleicht gibt es für die beiden sogar wirklich eine gemeinsame, offizielle Zukunft?


    Rosas Tod war traurig, aber noch trauriger fand ich ihre vorherige Verbannung, da hätte ich die Emma echt erwürgen können. :schlaegerAls Fritz seine Schwägerin zur Sau gemacht hat, dann in dieses "Armenhaus" reingestiefelt ist und Rosa heimgeholt hat hab ich einfach nur nickend und "Jawohl!" rufend auf dem Sofa gesessen. Sie durfte daheim sterben und das wird sie ihm nie vergessen. Ich war auch beeindruckt, dass er das Wissen um Leo nicht einfach verschwiegen hat, sondern sich mit ihm ausreden wollten. Das zeigt schon, dass Fritz wirklich einen guten Charakter hat. Dieser Abschnitt hat mich, wie oben schon erwähnt, sehr für ihn eingenommen. Auch wie sich das Verhältnis zu Viktor entwickelt hat, da kann er zu Recht stolz auf den Jungen sein.


    Und hier also die Gründung und die weitere Erfolgsgeschichte des "Ruhmreichen 1. FCN". Ich bin zwar Fädder, aber ich gestehe freimütig ein, dass sowohl die Gründung als auch der Sieg über Bamberg mir ein amüsiertes Grinsen und Anerkennung abgenötigt haben. ;-) Mit dem Fahrrad von Nürnberg nach Bamberg und dann sofort mit dem Spiel anfangen, das würde ich bei heutigen Profis gerne mal erleben. :lache

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Uih, Carl veruntreut Geld und wird rausgeschmissen. Laut dieser Seite http://fredriks.de/hvv/kaufkraft_calc.php entsprechen die 40.000 Mark ca. heutigen 270.000 Euro. Bei dem Unternehmensumsatz hätte er das doch aber abzahlen können. :/ Da wog der Vertrauensverlust wohl noch schwerer.

    Das denke ich auch, Fritz meinte ja glaub ich auch, dass sie die 40.000 dann eben als Verlust ausbuchen und gut is. Aber dass Carl seine eigene Familie verraten hat, das konnten sie ihm nicht verzeihen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie ihm die Möglichkeit gegeben hätten, wenn er es erst ein Jahr gemacht hätte, aber nachdem es sich schon über 6 oder 7 Jahre hinzog ohne dass er Anstalten gezeigt hatte zumindest ein bisschen wieder gutzumachen... nein.

    Ich hatte ja noch den Verdacht, dass er um wieder an Geld zu kommen vielleicht auf den Gedanken kommen könnte Firmengeheimnisse an die Konkurrenz zu verkaufen. Aber mit den Seifenrezepturen hat er sich wohl nicht so ausgekannt... :gruebel


    Was ich auch noch sagen wollte, was mich fasziniert ist realistische Vielseitigkeit der Leute. Wenn man die Käthe einerseits wegen ihrer Kaltschnäuzigkeit gegenüber Viktor an die nächste Mauer hauen möchte, so hat sie die Rosa doch als Freundin behandelt und sie immer hoch geschätzt und in Ehren gehalten, auch wenn sie "nur" eine Dienstbotin war. Gut, Rosa kannte sie noch aus einer Zeit, da war sie nicht die reiche Fabrikantengattin, aber trotzdem.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Was ich auch noch sagen wollte, was mich fasziniert ist realistische Vielseitigkeit der Leute. Wenn man die Käthe einerseits wegen ihrer Kaltschnäuzigkeit gegenüber Viktor an die nächste Mauer hauen möchte, so hat sie die Rosa doch als Freundin behandelt und sie immer hoch geschätzt und in Ehren gehalten, auch wenn sie "nur" eine Dienstbotin war. Gut, Rosa kannte sie noch aus einer Zeit, da war sie nicht die reiche Fabrikantengattin, aber trotzdem.

    Das ist für mich eine der großen Stärken dieses Buches (eigentlich ist es auch einer Gründe, warum ich Sabines Bücher so gerne mag).

    Ich lese einfach lieber Geschichten mit Figuren, die nicht schwarz-weiß sind.

  • Also erstens: Ja, das ist die Silberne Kanne, wie sie heute aussieht. War noch in den 60er, 70er Jahren Stammlokal der Schwabacher Sozis. Steht heute leer und verrottet, weil der Besitzer einfach nix macht.


    Und dann der Carl: Ja, es war nicht der finanzielle Verlust für die Firma, es war der Verrat an der Familie und deren Werten. Der Rausschmiss war so gründlich, dass die Nachfahren, mit denen ich gesprochen habe, nicht einmal wussten, dass es ihn gab. Er wurde einfach nie wieder erwähnt.


    Der Vorschussverein war eine Privatbank, wie sie damals in Deutschland überall aus dem Boden schossen. Bloß, dass da dann keine "gelernten" Bankiers saßen, sondern unspezialisierte Geschäftsleute, die einfach gedacht haben, spekulieren kann jeder. Ist nicht nur in Schwabach in die Hose gegangen. Heute hätte man wohl auch gegen den Aufsichtsrat ein Verfahren eingeleitet wegen Verletzung der Aufsichtspflicht...


    Zu Hermine: Quecksilber ist eine gute Idee, daran starben die Fürther Spiegelmacher damals reihenweise. Aber sie hat einfach eine bipolare Störung, ist manisch-depressiv. Heute kann man da mit Medikamenten gut helfen, im 19. Jahrhundert gab es kein Mittel.

  • Ich kann schon verstehen, dass die Brüder Carl aus der Firma werfen, an vertrauensvolle Zusammenarbeit war da ja nicht mehr zu denken, aber ihn so komplett fallen und seinem Schicksal zu überlassen war grausam.

    Fritz gefällt mir auch immer besser, schön wie Louise ihm die Augen für das Leben der Arbeiter öffnet.

    "Zwei gleichberechtigte Firmen ..." das hat mir gefallen.:-]


    Die Gründungsszene vom "Club" war klasse! :lache

  • Also erstens: Ja, das ist die Silberne Kanne, wie sie heute aussieht. War noch in den 60er, 70er Jahren Stammlokal der Schwabacher Sozis. Steht heute leer und verrottet, weil der Besitzer einfach nix macht.

    Hättest Du vielleicht auch noch Bilder aus den 60ern für uns? :bluemchen

    Das heutige Bild sieht nicht einladend aus. Trinken würde ich da nur Bier aus der Flasche.

  • Bilder aus den 60ern hab ich leider keine... da hat´s wohl niemand für nötig gehalten, das Haus zu fotografieren. Und die Kneipe ist ja längst nicht mehr da, war wohl nur bis in die 80er Jahre offen (Ich weiß, dass da die Schwabacher Oberstufler gekartelt haben, wenn sie die Schule geschwänzt haben).


    Und, Zwergin, das freut mich, dass Dir die Club-Szene gefallen hat. Die ganze Club-Thematik hat mir total Spaß gemacht!

  • Ich verstehe, daß sie Carl hochkant rausgeschmissen haben, ein Vertrauensverhältnis war einfach nicht mehr vorhanden. Es war irgendwie absehbar, nachdem er unbedingt bei den Bilanzierungsarbeiten dabei sein wollte.


    Daß Fritz die Rosa aus dem Altenheim geholt hat, fand ich sehr gut und hat mich aufrichtig gefreut.


    Und die finanziellen Probleme gehen weiter ... Disaster beim Vorschußverein und Suizid des Apothekers, Fritz ist der Retter und wird auch noch Kommerzienrat.


    Die Gründung des Club - super :thumbup::grin


    Ich muß mich wiederholen, aber man erfährt nebenbei so viele interessante Details (egal ob aus Schwabach oder Nürnberg), daher machte es mir auch ganz besonderen Spaß das Buch zu lesen - besser genießen :love:.


    Edit: Fritz und seine neue Liebe Luise finde ich goldrichtig, vor allem was mir gefällt, daß sie sich nicht für ihn verbiegt, sondern sich selbst treu bleibt.

  • Fritz gefällt mir ausserordentlich gut. Er nimmt die Dinge die er sieht und erlebt ernst und macht sich seine Gedanken dazu. Die Geschichte mit Louise gönne ich ihm von Herzen. schön auch, dass er sich da drauf einlässt und ihr ihren Stolz lässt.

    Auch dass das Verhältnis zu Viktor so gut ist, freut mich für ihn. Und das gemeinsame Hobby Fußball scheint ihn ja tatsächlich mal vom Geschäft abzulenken. Die Gründungsgeschichte des Clubs fand ich auch ganz hinreissend. Wobei ich schon ein wenig grinsen musste, dass sie von den Bayern mit 6:0 abgewatscht wurden. Haben sich die Bayern also damals schon unbeliebt gemacht :lache

    Ich hoffe sehr für Viktor, dass er im ersten Weltkrieg nicht Probleme kriegt, er ist doch russischer Staatsangehöriger. Nicht dass er noch in den Krieg muss.

    Fritz wird dann ja schon zu alt sein.


    Die Geschichte mit Carl war echt ein Hammer. Ich kann verstehen, dass sie ihn rausgeworfen haben, ich denke, sie hätten ihm ja auch nie wieder vertrauen können. Dass Emma ihn im Stich gelassen hat, fand ich auch reichlich daneebn, Von wegen in guten und in schlechten Zeiten.... Erstaunlich ist es ja schon dass in der Familie tatsächlich niemand mehr von ihm wusste. Da muss sich Emma nach ihrer Rückkehr in die USA ja auch nie wieder bei ihrer Schwester gemeldet haben.


    Emma hat bei mir eh verloren, als sie Rosa rausgeworfen hat.... Ein Glück dass Fritz sie zurückgeholt hat und sie dann bei ihrer Familie hat sterben dürfen. Wobei es schon traurig ist, dass er zwei Wochen braucht, bis ihm auffällt das Rosa fehlt... :nono typisch Mann....


    Als Lisette und Hans sich Hotel getroffen haben, habe ich schon befürchtet, dass Lisette Viktor über den Weg läuft. Aber die beiden kennen sich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht, sprich das könnte dann erst peinlich werden, wenn sie sich mal kennenlernen sollten.

    Ich hoffe mal sehr, dass diese Geschichte mit Hans nicht in einer Katastrophe endet.

    Die Krankheit von Hermine ist ja wirklich schrecklich. Ich frage mich wirklich, wie Hans da eine Betreuung zu Hause organisieren will.


    xexos dann wird es wohl nix mit dem Bier in der silbernen Kanne zum Sommertreffen....