'Alles, was wir geben mussten' - Kapitel 21 - Ende

  • Inzwischen habe ich mich ein wenig gesammelt, muss aber wirklich sagen, dass ich sehr viel über dieses Buch nachdenke.

    Ich bin sicher, wir werden noch über einiges diskutieren.


    Sehr beeindruckt hat mich, wie sehr sich der Autor auf die Klonkinder konzentriert hat und viele andere Fragen, die zu dem Thema aufkommen könnten, gar nicht erst angesprochen hat.

    Dadurch gewinnt das Buch seine Wucht und seine Aussage.

  • Sehr beeindruckt hat mich, wie sehr sich der Autor auf die Klonkinder konzentriert hat und viele andere Fragen, die zu dem Thema aufkommen könnten, gar nicht erst angesprochen hat.

    Dadurch gewinnt das Buch seine Wucht und seine Aussage.

    Ich finde das zu einseitig. Mir bleiben so viele Fragen offen, die mit der Umwelt und dem ganzen System zu tun haben.


    Ich bin nur froh, dass Klonen doch nicht so einfach ist, wie der Autor sich das vorstellt und dass wir in einer Demokratie leben, in der ein skeptischer Journalismus funktioniert.


    Die Sponsoren und Förderer solcher Einrichtungen wie Hailsham haben sich nur eine zeitlang für die Idee einer humanen Aufzucht der Klone interessiert. Nach den Genexperimenten von Morningdale wollten sie sich da nicht mehr engagieren. Fließen jetzt deren Gelder in die inhumanen Einrichtungen zur Klonzucht? Wie sehen die aus?


    Menschenrechtsfragen sind in dem System anscheinend kein Argument. :(

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Virginia Woolf: Orlando

  • Das Ende des Romans hat mich enttäuscht, da es auf viele Fragen keine Antworten gibt. Was wird aus Kathy und wer steht über dem ganzen Spendersystem. Die Spender bekommen nur eine Nachricht für die nächste Spende und was sie spenden sollen scheint keinen zu interessieren. Abschließen bedeutet wahrscheinlich den Tod, oder?

  • Ja, das Abschließen habe ich so gedeutet, dass am Ende noch mal alles genommen wird, was irgendwie brauchbar ist und die Spender sogar möglichst lang bei Bewusstsein gehalten werden - vielleicht um gewisse Reflexe zu prüfen. Das stelle ich mir extrem grausam vor:!:


    Deshalb wollte Tommy das Kathy ersparen, ihn so elend ausgeschlachtet sehen zu müssen.

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    :lesend Virginia Woolf: Orlando

  • In seinem Interview sagt Ishiguro, dass es ihm hauptsächlich um die Frage ging, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Die Organspenden sind also gar nicht das Hauptthema sondern das Klonen und die Isolation von Kreaturen, denen man die Menschenrechte absprechen kann. :gruebel

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    :lesend Virginia Woolf: Orlando

  • In seinem Interview sagt Ishiguro, dass es ihm hauptsächlich um die Frage ging, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Die Organspenden sind also gar nicht das Hauptthema sondern das Klonen und die Isolation von Kreaturen, denen man die Menschenrechte absprechen kann. :gruebel

    Und das ist es ja eigentlich, was sogar Madame und Miss Emily mit ihrer Kreativitätssache verhindern wollten. Sie wollten den Förderern und Betreibern der Klonfabriken, denn nichts andres ist es in meine Augen, dass ihre Schöpfungen durchaus eine Seele haben, dass es nicht nur Material zum ausschlachten ist. Dass es Menschen sind wie sie selbst auch und nur durch die Erziehung und Isolation, dazu gebracht werden ihre Funktion zu akzeptieren.

  • Und das ist es ja eigentlich, was sogar Madame und Miss Emily mit ihrer Kreativitätssache verhindern wollten. Sie wollten den Förderern und Betreibern der Klonfabriken, denn nichts andres ist es in meine Augen, dass ihre Schöpfungen durchaus eine Seele haben, dass es nicht nur Material zum ausschlachten ist. Dass es Menschen sind wie sie selbst auch und nur durch die Erziehung und Isolation, dazu gebracht werden ihre Funktion zu akzeptieren.

    Und deshalb finde ich das Buch auch so exterm deprimierend, dass genau das nicht gelungen ist.


    Mich lässt das Buch wirklich sehr nachdenklich zurück. Wie diese Gesellschaft genau aussieht und wie das mit Klonen usw dort funktioniert, das beschägtigit mich kaum mehr.

    Aber unsere eigene Gesellschaft - das gibt mir sehr zu denken.

    Wohin wollen wir mit all unserem medizinischen Fortschritt? Wollen wir wirklich Köpfe verpflanzen, menschliche Gene verändern, unseren Körpern und Gehirnen diverse "Verbesserungen" angedeihen lassen?


    Ich vermisse da eine breite gesellschaftliche Diskussion.


    Oder - noch weiter gefasst: für wen gelten eigentlich Menschenrechte? Für uns im reichen Westen? Was ist denn mit den Flüchtlingen in ihren Flüchtlingslagern.

    Interessiert uns das? Oder sind wir nur froh, dass sie nicht an unseren Grenzen stehen?

    Wie weit wollen wir gehen, um sie von Europa fern zu halten?

    Das sind alles Fragen, die kein Mensch beantworten will.

  • :gruebel Über diese Fragen sollte sich auch jeder Gedanken machen. Wie alles sollte man dergleichen Probleme aber differenziert betrachten und sich überlegen, wie eine Lösung aussehen kann, mit denen möglichst viele einverstanden sein können.

    Letztlich ist sich doch jeder selbst der nächste und moralisches Handeln muss man sich auch leisten können.

    Einfache Antworten sind schnell zu geben - darauf bauen die Populisten - aber sie verschärfen meist eher die Situation und führen grob in die falsche Richtung der Hartherzigkeit. :gruebel

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    :lesend Virginia Woolf: Orlando

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  • Das Buch beschäftigt mich auch heute noch. Das Anliegen des Autors gibt Ansatzpunkte für ein besseres Verstehen der Handlung. Gestern habe ich mir auch die Verfilmung angesehen. Ich kann sie empfehlen, da sie nur in Details vom Roman abweicht und die Schauspieler sehr glaubhaft sind.

  • Da gibt es doch diesen Film über Menschenrechte, "Unantastbar" ehrlich gesagt, konnte ich ihn mir nicht lange ansehen, unermessliches Leid und die Welt schaut weg. Dafür müssten die Länder sich einsetzen und nicht um ihre Erdöllieferungen zu sichern.

    Und ich finde, dass genug für alle da wäre, wenn sich jeder, damit meine ich auch jeder, nicht wichtiger nehmen würde als seinen Nächsten, und nicht ein paar Wenige Reichtümer anhäufen, die anderen Gelder in den Sand setzen, da kräht kein Hahn danach, keiner wird zur Verantwortung gezogen und gesagt, so, jetzt rück mal die Kohle raus, wir unterstützen damit die Flüchtlinge und holen sie aus den Lagern, bauen Häuser und ermöglichen ihnen ein menschenwürdiges, Angst freies Leben.

  • Die Würde des Menschen ist unantastbar und niemals heiligt der Zweck die Mittel.


    Das sehe ich so und das ist für mich auch nicht diskutierbar.


    Was aber passiert, wenn man Menschen aus fadenscheinigen Gründen die Menschenrechte aberkennt oder gar nicht erst zugesteht, wie sich auch das Denken, Handeln und Mitfühlen gegenüber denjenigen ändert, denen man diese Rechte abspricht, zeigt Ishiguro auf sehr eindringliche Weise.


    Und das ist mehr als bloß ein aktuelles Thema. Das ist Realität.

    Die von Findus angesprochene Doku "unantastbar" passt dazu sehr gut. Ich finde sie sehr sehenswert. Lasst uns wachsam bleiben, der Schutz der Menschenrechte weltweit ist unser aller Aufgabe.

    Die Dokumentation ist übrigens noch bis 15.12. in der ZDF Mediathek abrufbar: klick

  • :gruebel Ist es Definitionssache, für wen Menschenrechte anwendbar sind? Im Roman fallen (nur) Klone durch das Raster. In der Realität sind noch andere medizinische Fortschritte problematisch: Paviane überleben mit Schweineherz :(

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  • Ja, es ist Definitionssache, leider.


    Ich denke nicht, dass es Ishiguro "nur" um die Medizin oder Klone geht, sondern generell darum, was passiert, wenn Menschenrechte nicht für alle gelten. Klonen und Organspende ist hier nur der Aufhänger.

  • Ich habe übrigens jetzt auch das von Rouge verlinkte Interview gelesen. Da kann man mal sehen, wie unterschiedlich so eine Geschichte vom Autor bewertet werden und von den Leserinnen wahrgenommen werden kann. Er findet die Geschichte "optimistisch". Aha, ich finde diese Aussage sehr zynisch jetzt, nachdem ich sein Buch gelesen habe.

  • Saiya Ja, ich habe seine Aussage auch nicht so recht nachvollziehen können und entweder ist es zynisch oder er hat irgendwie sein eigenes Thema verfehlt. Dieses unmenschliche Setting taugt kaum dazu, sich über das Abfinden der eigenen Sterblichkeit Gedanken zu machen. :gruebel

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