'Alte Sorten' - Seiten 001 - 065

  • So empfinde ich das auch. Man muss es in sich nachklingen lassen, gerade die Beschreibungen der Natur, oder wie sie auf Sally wirkt, ist es, was Zeit braucht sich zu setzen.

    Stimmt. Die Beschreibungen hallen nach. Gerade auch, wenn man eine eigene Verbindung zur Natur hat, finde ich. Er findet Worte, die eigene Gefühle gut wiedergeben.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    Aslak Nore - Meeresfriedhof


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Da muss ich mit Lese-rina gleichziehen. Liss wusste nicht, dass Sally ausgerissen ist und auch ihr Alter wusste sie nicht. Sie hat sie ja gebeten, den Eltern einen Brief zu schreiben. Damit die wissen, dass es ihr gut geht.

    Liss schob ihr die Zeitung hin.

    »Du wirst gesucht.«

    Wenn sie richtig erschrak, fühlte sich das immer an, als würde ihr von innen kaltes Wasser gegen die Magenwand geschüttet. Und ihr Mund war auf einmal trocken. Sie nahm die Zeitung und las die kleine Meldung. Vermisst wird Sally … so und so alt … so und so groß … aus dem Therapiezentrum in W… Hinweise unter …


    Spätestens ab dem Moment weiß sie es und sie schlägt einen Brief vor, weil der den Aufenthaltsort nicht verrät, wie es ein Handy tun würde....


    Vielleicht bin ich auch nur überempfindlich, weil ich in meiner Jugend eine Bekannte hatte, die mehrfach ausgerissen ist aus Einrichtungen - was jedesmal einen Absturz zur Folge hatte, im besten Fall nur Alkohol, im schlimmsten halt härtere Drogen, einmal auch ein Suizidversuch. Das hätte jemand, der sie kurz nach dem Abhauen kennengelernt hat, auch nicht erwartet.

  • Ich kann verstehen, wie es sich für Dich anfühlt, glaub mir. Es bedarf keiner Entschuldigung, weshalb Du da genauer hinsiehst, ich kenne das aus meinem eigenen Umfeld. Wenn man persönlich betroffen ist, ja, und den Grund , warum Liss den Brief vorschlägt, also den Zeitungsartikel, hatte ich nicht mehr in Erinnerung. Ich lese das Buch jetzt nochmal von Vorn, weil auch die Sache mit Sonny mir nicht mehr bewusst war.


  • Vielleicht bin ich auch nur überempfindlich, weil ich in meiner Jugend eine Bekannte hatte, die mehrfach ausgerissen ist aus Einrichtungen - was jedesmal einen Absturz zur Folge hatte, im besten Fall nur Alkohol, im schlimmsten halt härtere Drogen, einmal auch ein Suizidversuch. Das hätte jemand, der sie kurz nach dem Abhauen kennengelernt hat, auch nicht erwartet.

    Dass Liss Sally so ohne weiteres aufgenommen hat, habe ich zuerst überhaupt nicht hinterfragt, ich kenne Leute, die mit 18, 19 so durch die Gegend gezogen sind, von einem Bauernhof zum Nächsten.

    Und als sie die Suchmeldung in der Zeitung liest, hat sich die enge Beziehung der Beiden schon so weit entwickelt, dass Liss Sally nicht mehr einfach bei der Polzei abgeben kann.

  • Ich habe gestern Abend auch noch den ersten Abschnitt fertig gelesen - mir geht es wie euch, das Buch hat mich gleich gepackt, obwohl es ja eigentlich eine eher ruhige Geschichte ist. Und trotzdem sehr spannend, denn es stellen sich beim Lesen schon sehr viele Fragen (die ihr im Grunde schon genannt habt).


    Ich fand es sehr passend, dass Sally anfangs von Liss noch als "die" denkt - das schafft nochmal mehr Distanz und anfangs ist Sally ja wirklich extrem bemüht, nichts und niemanden an sich heranzulassen. Liss scheint sie da unbewusst zu verstehen und macht das schon ganz richtig, indem sie Sally behandelt wie ein scheues Streuner-Kätzchen. Sie bietet ihr immer wieder was an, ohne sie zu zwingen, und so wird Sally allmählich zutraulicher.


    Ellemirs Bedenken sind mir auch durch den Kopf gegangen - vielleicht hat man Sally anfangs ja gar nicht angesehen, dass sie noch minderjährig ist? :gruebel Als sie dann den Artikel in der Zeitung gelesen hat, kam ja der Vorschlag, einen Brief zu schreiben.


    Ich denke, dass Liss etwas ganz Traumatisches erlebt haben muss, vielleicht ähnlich wie Sally? Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass sie ganz bewusst nichts unternimmt, sondern Sally Zuflucht auf ihrem Hof gewährt. Ich finde es sehr spannend, wie sie Sally ganz vorsichtig mehr und mehr in ihren Alltag integriert, ohne dass Sally sich zu irgendwas genötigt fühlt.


    Auf jeden Fall bin ich sehr neugierig, mehr zu erfahren, sowohl über Sallys Geschichte (warum ist sie im Heim, was genau ist ihr Problem, um was für eine Einrichtung handelt es sich, wie ist es dazu gekommen) als auch über Liss
    ' Hintergrund.


    LG, Bella

  • Ich fand es sehr passend, dass Sally anfangs von Liss noch als "die" denkt - das schafft nochmal mehr Distanz und anfangs ist Sally ja wirklich extrem bemüht, nichts und niemanden an sich heranzulassen. Liss scheint sie da unbewusst zu verstehen und macht das schon ganz richtig, indem sie Sally behandelt wie ein scheues Streuner-Kätzchen. Sie bietet ihr immer wieder was an, ohne sie zu zwingen, und so wird Sally allmählich zutraulicher.



    LG, Bella

    Das hast du sehr schön und passend beschrieben, bella. Und das finde ich natürlicher, als wenn sich jemand so aufdrängt. Oder man genötigt wird, das und das zu essen, wenn man auf Besuch ist.

  • Vielleicht bin ich auch nur überempfindlich, weil ich in meiner Jugend eine Bekannte hatte, die mehrfach ausgerissen ist aus Einrichtungen - was jedesmal einen Absturz zur Folge hatte, im besten Fall nur Alkohol, im schlimmsten halt härtere Drogen, einmal auch ein Suizidversuch. Das hätte jemand, der sie kurz nach dem Abhauen kennengelernt hat, auch nicht erwartet.

    Jeder liest Bücher anders, das macht den Austausch darüber ja auch erst interessant. :knuddel1Interessant finde ich ja, wie Sally auf Liss Bedenken, die ja durchaus kommen, reagiert - aber das kommt erst im nächsten Abschnitt. :grin

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Für mich ist es übrigens das erste Buch des Autors, das ich lese. hollyhollunder hat mir schon öfter mal von ihm Bücher empfohlen. Ich denke, ich sollte unbedingt noch mehr Bücher von ihm lesen, schon alleine wegen der tollen Sprache.

    Angeregt durch eure Beiträge habe ich nachgeschaut, was der Autor denn noch so alles geschrieben hat und siehe da - ich hab tatsächlich schon einmal ein Buch von ihm gelesen!


    ASIN/ISBN: 3897168138


    Der Duft von Schokolade ist zwar schon einige Jahre her, aber die sehr dichte Atmosphäre kann ich heute noch spüren. Und seltsamerweise ist mir eine Szene (ein Gewitter über einen See) in Erinnerung geblieben - obwohl ich vom Inhalt her rein gar nichts mehr weiß. :grin Soweit ich mich aber erinnere, war das damals auch eine Eulenempfehlung oder sogar ein Wanderbuch.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Das Buch ist mir durch Booklooker über den Weg gelaufen und da es in der Onleihe verfügbar war, habe ich es mir ausgeliehen.


    Liss und Sally, alt und jung, beide irgendwie einsam und mit sich selbst beschäftigt und doch sind sie eine gute Gemeinschaft. Die Einfachheit des Landlebens scheint Sally zu beruhigen und ihre Wut zu besänftigen. Zugleich interessiert sie sich nun für jemand anderes als sich selbst, selbst wenn sie das auf eine aggressive Art und Weise tut.

    Die Geschichte fließt ganz ruhig vor sich hin, ich finde es zugleich spannend als auch entspannend, die beiden Frauen zu begleiten. Was wohl hinter allem steckt?

  • So, ich hab den ersten Abschnitt auch beendet. ICh hab da Buch ja jetzt bei netgalley bekommen und bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Ich habe schon einiges Von Arenz gelesen, allerdings ist das letzte schon eine Weile her.


    Sally ist so unglaublich wütend. Mit ihrer Sprache scheint sie auch einen Teil ihrer Wut abbauen zu können, wenn sie versucht dem ganzen körperlich Ausdruck zu geben , geht das ja meistens schief.

    Wobei ich schon den Eindruck habe, dass es besser wird, eben weil Liss sie einfach mal lässt. Und nicht kommentiert.


    Bei Liss bin ich mir noch nicht einig, was da passiert ist. Sie scheint ja wirklcih ein Leben ohne Verbindung nach aussen zu führen. Und es scheint ihr relativ egal zu sein, was andere von ihre denken. Vielleicht drängt sie auch daher Sally nicht und meldet sie auch nicht.


    Das Dorfleben erinnert mich an das Leben im Dorf, in dem meine Oma und mein Opa gelebt haben. An beide Beerdigungen habe ich einige traumatische Erfahrungen gemacht wie: Alle Dorfbewohner stehen Spalier, als der Sarg raus getragen wird und dann laufen alle gemeinsam zum Grab, der Tote im Sarg vorneweg, der Priester mit Megafon und Teile aus der Bibel retizierend direkt dahinter. Ich bin froh, dass ich dort nicht mehr hin muss und verstehe Liss, dass sie es hasst.

    Ich habe so eine Beerdigung auch einmal miterlebt, habe aber genau das Gegenteil empfunden. Für mich war der Aufmarsch der Dorfbewohner auch eine Wertschätzung des Verstorbenen. und wirklich ein letzes Geleit, im wahrsten Sinne eines Wortes. Ich denke es kommt auch sehr darauf an, ob solche Rituale nur stattfinden, weil "man" es eben so macht, oder weil der Verstorbene den Teilnehmern wirklich wichtig war.

    Ich hatte damals das Gefühl, dass es im Ort den Leuten wichtig war Abschied zu nehmen.

  • Ich habe so eine Beerdigung auch einmal miterlebt, habe aber genau das Gegenteil empfunden. Für mich war der Aufmarsch der Dorfbewohner auch eine Wertschätzung des Verstorbenen. und wirklich ein letzes Geleit, im wahrsten Sinne eines Wortes. Ich denke es kommt auch sehr darauf an, ob solche Rituale nur stattfinden, weil "man" es eben so macht, oder weil der Verstorbene den Teilnehmern wirklich wichtig war.

    Ich hatte damals das Gefühl, dass es im Ort den Leuten wichtig war Abschied zu nehmen.

    Ich glaube, solche Rituale wirken auf jeden ganz unterschiedlich, je nachdem, welche Einstellung man dazu hat. Neben der Wertschätzung für die verstorbene Person kann es auch eine ganz wichtige Stütze für die Angehörigen sein - sie fühlen sich (idealerweise) in der Gemeinschaft der Mit-Trauernden geborgen und nicht so alleine mit ihrem Schmerz. Es kann aber natürlich auch ein "Muss" sein - doch gerade in so einem Moment ist es wichtig, den Abschied so zu gestalten, wie es die engsten Angehörigen (oder die verstobene Person) gerne haben möchten. Selbst auf dem Land sind Bestattungen im kleinen Kreis mittlerweile zwar nicht die Regel, aber durchaus üblich.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich hänge mich auch mal an die Nachzügler dran. :) Habe das Buch momentan aus der onleihe und bin gerade mit dem ersten Abschnitt durch. Mir gefällt der Beginn sehr gut. Ich bin neugierig, wie sich die Fragen klären, wer Peter ist und was genau mit Sally und ihren Eltern ist, aber gleichzeitig drängt es einen gar nicht so die Fragen beantwortet zu wissen, sondern man genießt ganz genau wie Sally die ruhige Atmosphäre auf Liss' Hof. Ist sie zu Beginn des Abschnitts noch so wütend und aufgebracht, legt sich das schon nach einigen Seiten und auch wenn ihre Wut (noch?) nicht ganz abgekühlt ist, beginnt Sally sich einzuleben und ruhiger zu werden.


    Mir gefällt die Beschreibung der alltäglichen Tätigkeiten und die unaufgeregte Stimmung, die Liss umgibt. Obwohl man merkt, dass sie es selber nicht leicht hatte und keinesfalls wirklich in sich ruht, umgibt sie eine Art Frieden mit sich selbst.


    Bei der Beerdigung bin ich gar nicht sicher, ob Liss sie hasst. Irgendwie hat sie ja das Bedürfnis hinzugehen und ihrem Nachbarn die Ehre zu erweisen, weil sie ihn mochte. Auch wenn sie gleichzeitig ironisch auf die Riten schaut, hatte ich das Gefühl, dass sie selbst zwiespältig empfindet und andererseits eben auch selbst das Bedürfnis hatte auf diese Weise Abschied zu nehmen.


    Ich mag den Namen Elisabeth übrigens ziemlich gerne. ;)

  • Bei der Beerdigung bin ich gar nicht sicher, ob Liss sie hasst. Irgendwie hat sie ja das Bedürfnis hinzugehen und ihrem Nachbarn die Ehre zu erweisen, weil sie ihn mochte. Auch wenn sie gleichzeitig ironisch auf die Riten schaut, hatte ich das Gefühl, dass sie selbst zwiespältig empfindet und andererseits eben auch selbst das Bedürfnis hatte auf diese Weise Abschied zu nehmen.


    Ich mag den Namen Elisabeth übrigens ziemlich gerne. ;)

    Man kann ihn auch auf alle möglichen Weisen abkürzen.

    Beerdigungen in Dörfern sind auch nicht meins. Aber man geht mit, wenn man dazu gehören will. Oder wenn man den Verstorbenen gekannt hat oder mit den Angehörigen befreundet ist. Es gehört dazu, wie Hochzeit und Taufe. Liss wird allerdings vom Dorf abgelehnt, da sähe ich auch keine Veranlassung an der Beerdigung teil zu nehmen. Von dem Verstorbenen kann man sich auch später mit einem Grabgang verabschieden.

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
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  • Bei der Beerdigung bin ich gar nicht sicher, ob Liss sie hasst. Irgendwie hat sie ja das Bedürfnis hinzugehen und ihrem Nachbarn die Ehre zu erweisen, weil sie ihn mochte. Auch wenn sie gleichzeitig ironisch auf die Riten schaut, hatte ich das Gefühl, dass sie selbst zwiespältig empfindet und andererseits eben auch selbst das Bedürfnis hatte auf diese Weise Abschied zu nehmen.

    Ich glaube nicht, dass Liss die Beerdigung "hasst". Du hast es sehr schön auf den Punkt gebracht, welche zwei Herzen wohl in Liss Brust schlagen. Sie hätte nicht hingehen müssen, da hat Findus recht. Aber ich denke, es war ihr ein ganz persönliches Anliegen - egal was "die anderen" sagen oder meinen. Vielleicht auch gerade deshalb. Als Zeichen: ihr mögt mich nicht und ich mag euch nicht - aber trotzdem mache ich, was ich will. Eine mutige und gute Einstellung, aber auf Dauer auch unendlich mühsam und anstrengend.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021