'Träume aus Samt' - Seiten 193 - 278

  • Ich verstehe den Vater nicht. Er müsste doch, nachdem Ruth schon alles unternommen hatte um sie aus Deutschland raus zu bekommen, froh sein, dass sie studieren darf auf Kredit. Ruth verstehe ich nicht, dass sie es so einfach akzeptiert. Sie ist so duldsam. Mit 19 Jahren und lässt sich noch alles vorschreiben. Wohin sie geht, mit wem, wann. Sicher ist es auch eine finanzielle Sache. Aber da gäbe es sicher andere Möglichkeiten. Wieso muss nur Ruth arbeiten? Warum nicht auch die Mutter? Könnte der Vater nicht mehr verdienen? Irgendwie macht mich das gerade sehr wütend.

  • Ich verstehe den Vater nicht. Er müsste doch, nachdem Ruth schon alles unternommen hatte um sie aus Deutschland raus zu bekommen, froh sein, dass sie studieren darf auf Kredit. Ruth verstehe ich nicht, dass sie es so einfach akzeptiert. Sie ist so duldsam. Mit 19 Jahren und lässt sich noch alles vorschreiben. Wohin sie geht, mit wem, wann. Sicher ist es auch eine finanzielle Sache. Aber da gäbe es sicher andere Möglichkeiten. Wieso muss nur Ruth arbeiten? Warum nicht auch die Mutter? Könnte der Vater nicht mehr verdienen? Irgendwie macht mich das gerade sehr wütend.

    Es war eine andere Zeit, eine andere Art von Gesellschaft. Mich hat das auch wütend gemacht. Mich hat es entsetzt, dass sie nicht studieren durfte - aber es war nun mal so.

  • Ja es war eine andere Zeit. Und trotzdem gab es Frauen, die sich durchgesetzt haben, die studiert haben auch gegen Widerstände. Aber Ruth ist vermutlich zu sehr in ihrer Familie verhaftet, als dass sie sich auflehnt.

  • Ja es war eine andere Zeit. Und trotzdem gab es Frauen, die sich durchgesetzt haben, die studiert haben auch gegen Widerstände. Aber Ruth ist vermutlich zu sehr in ihrer Familie verhaftet, als dass sie sich auflehnt.

    Ich glaube, sie hatten zu viel verloren, waren noch zu unsicher in der neuen Heimat als dass Ruth das möglich gewesen wäre - auch aus ihrem Selbstverständnis heraus. Im Nachhinein war sie immer stolz, diese Prüfung bestanden zu haben - aber auch nicht unglücklich über ihren Lebensweg.

  • Ja ich glaube darauf kann sie auch stolz sein. Es zeigt sich ja im Verlauf, dass sie jetzt nicht unbedingt damit hadert. Aber für den Moment war ich doch sehr aufgebracht. Dann habe ich mir überlegt, was hatte sie überhaupt als Studienziel? Ich meine, sie wusste selbst nicht so recht, wo sie hin wollte. Es war eine Chance, die eben nicht sein konnte, aus verschiedenen Gründen.

  • Ich kann die Motive von Karl auch nicht wirklich nachvollziehen, kenne aber die Einstellung von meinem Vater. Der ist ja noch ein Kriegskind und hat sich ein Leben lang geweigert Schulden zu machen. Was gekauft wurde, wurde auch sofort bezahlt, auch nicht auf Raten. Ich glaube das gibt ihm Sicherheit. Sicherheit, die ihm in seinen ersten Lebensjahren gefehlt hat.

    Karl ist die letzten Jahre so oft auf Hilfe anderer angewiesen gewesen, da kann es schon sein, dass er das nicht wieder erleben will.
    Bei ihm habe ich eh das Gefühl, dass er sich am schwersten tut mit dem neuen Leben in Amerika. Das hat man ja auch an Chanukka gesehen, wo er sich so aufgeregt hat über die Geschenke und dass er die Mädels sich nicht schminken lässt. Ich hab nicht mehr im Kopf, wie alt er ist, aber ich merke ja auch selber, dass ich mir mit manchen Entwicklungen langsam aber sicher einfach schwerer tue, je älter ich werde.


    Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

  • Ja, da hat mir Ruth auch sehr leid getan, als ihr Vater so auf das Stipendium reagiert hat.

    Der ausschlaggebende Punkt war, dass sie ohne den Verdienst von Ruth nicht über die Runden kommen würden...........das ist traurig, war aber wohl so.

    Die Einschränkungen wären sonst zu stark gewesen.

    Auch hier hat Ruth nach kurzer Zeit wieder großes Verständnis gezeigt.

    Sie ist immer sehr vernünftig, da spielen sicher ihr Charakter aber auch ihre bisherigen Erlebnisse eine Rolle.

  • Die Geschichte mit Ruths Stipendium fand ich auch unendlich traurig... Sie hat so viel dafür gelernt und großartiges geleistet. Ich bin mir sicher, dass sie da Studium gut hinbekommen hätte. Aber sie fügt sich ihrem Vater. Wenn es nicht den finanziellen Aspekt geben würde, hätte ich auch gar kein Verständnis für ihn. So habe ich das Gefühl, sind alle anderen Gründe einfach vorgeschoben. Sie können auf Ruths Einkommen nicht verzichten, punkt.

    Allerdings frage ich mich, ob Ruth noch Einkommen hat. Ich hatte die Personalerin so verstanden, dass sie Ruths Dienst quittiert hat. Also beendet, kein freier Tag...!


    Das Chanukka-Fest war wirklich schön. Leider wurde gar nicht beschrieben, wie die Familienmitglieder auf Ruths Geschenke reagiert haben. Das fand ich ziemlich schade. Oder hat Ruth das Schenken sein gelassen, weil der Vater so darauf gepocht hat?

    Und die Briefe an die Familie und die Verstecke - sind die eigentlich verbürgt? Wir haben jetzt 1941 und wir wissen, wie schlimm die Zeiten noch werden für die jüdische Bevölkerung. Vom Warschauer Ghetto war schon die Rede - ich bin gerade sehr froh, dass wir uns schon in Amerika befinden und Ruths engste Familie das erspart bleibt.


    Dann habe ich mir überlegt, was hatte sie überhaupt als Studienziel? Ich meine, sie wusste selbst nicht so recht, wo sie hin wollte. Es war eine Chance, die eben nicht sein konnte, aus verschiedenen Gründen.

    Sie arbeitet vielleicht nicht auf ein bestimmtes berufliches Ziel hin, aber ein Studium gibt einem ja viel mehr als nur einen sehr guten Berufsabschluss. Die Freiheit und Freude, das Ausprobieren... - das alles wird Ruth in diesem Maße wohl verwehrt bleiben. :(


    Er war schon über 50.

    Ich musste ein wenig schmunzeln, als erklärt wurde, dass das schon sooo alt ist. 50 ist heutzutage doch noch eher jung. :D

  • Sie arbeitet vielleicht nicht auf ein bestimmtes berufliches Ziel hin, aber ein Studium gibt einem ja viel mehr als nur einen sehr guten Berufsabschluss. Die Freiheit und Freude, das Ausprobieren... - das alles wird Ruth in diesem Maße wohl verwehrt bleiben. :(


    Ich musste ein wenig schmunzeln, als erklärt wurde, dass das schon sooo alt ist. 50 ist heutzutage doch noch eher jung. :D

    Ja das ist allerdings richtig. Vor allem erweitert es, zumindest bei manchen, den Horizont.


    Aber ja, früher war man mit 50 schon alt. Der Jugendwahn heute aber ist auch nicht besser. Man muss mit 50 nicht mehr wie 20 aussehen.

  • Ich werde in zwei Jahren auch schon 50 und fühle mich deutlich jünger als Karl im Buch wirkt. Aber ich habe auch nicht erlebt, was er erlebt hat. Dass er an dem wenigen gewohnten festhält kann ich gut verstehen. Ihm ist ja sein gewohntes Leben komplett genommen worden.

  • Die Meyers leben sich mehr und mehr ein, aber finanziell geht es ihnen gar nicht gut. Ich denke, dass besonders Karl darunter leidet, weil er die Versorgung der Familie als seinen primären Job ansieht. Man merkt es bei Geschenken und vor allem bei seiner Ablehnung des Stipendiums. Seine Begründung sehe ich als vorgeschoben an, obwohl er schon erzkonservative Ansichten pflegt. Stipendien sind keine Almosen, aber er lebt immer noch in der Welt eines wohlhabenden Menschen, der natürlich auf finanzielle Unterstützung verzichten kann. Ruth tut ja schon, was sie kann und die dünnen Stoffe reichen für den Winter nicht. In meinen Augen haben die Meyers viele unnötige Wertgegenstände, die häufig mit Erinnerungen verbunden sind. Aber dadurch feht es an angemessener Kleidung für ein winterliches Chicago. Da wird noch ein bisschen Großbürgertum gepflegt.

    Bedauerlich finde ich, wie wenig in der Familie über Probleme gesprochen wird und das gilt für alle Familienmitglieder.

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln

  • Von Karls Reaktion war ich natürlich auch entsetzt. Wenn er 50 ist, ist er also kurz vor 1890 geboren, also mittenrein in die preußisch-wilhelminische Zeit. Das ist mit heutigen Männern und Menschen kaum zu vergleichen und trotzdem ist es nur kurzfristig gedacht. Einige Jahre Einschränkungen und dann hätte Ruth die Chance auf ein ganz anderes Einkommen. Es spielte aber wohl auch eine große Rolle, gegenüber der Gesellschaft nicht das Gesicht zu verlieren.


    Bei Ruths selbständigem Denken kann ich mir kaum vorstellen, dass sie sich einfach so fügt, sondern doch noch einen Weg findet. Karls Reaktion passt auch nicht mit seinen Worten einige Kapitel zuvor überein als er und Ruth gemeinsam auf Jobsuche waren. Da war er noch unendlich dankbar und würde das nie vergessen. Und jetzt ist er ihr gegenüber nicht mal ehrlich und nennt seinen wahren Grund.

  • Und jetzt ist er ihr gegenüber nicht mal ehrlich und nennt seinen wahren Grund.

    Das finde ich auch wirklich schade, denn wenn Ruth nicht zufällig das Gespräch mitbekommen hätte, könnte sie ihren Vater gar nicht verstehen. Und auch wenn das für sie alles andere als einfach ist, hat sie dafür trotzdem Verständnis und fügt sich am Ende auch.

  • Das Chanukka-Fest war wirklich schön. Leider wurde gar nicht beschrieben, wie die Familienmitglieder auf Ruths Geschenke reagiert haben. Das fand ich ziemlich schade. Oder hat Ruth das Schenken sein gelassen, weil der Vater so darauf gepocht hat?

    Und die Briefe an die Familie und die Verstecke - sind die eigentlich verbürgt?

    Dass Ruths Geschenke nicht weiter erwähnt wurden, wundert mich und fehlt mir auch.


    Das mit den Briefen ist sicherlich wahr, das wird sich Ulrike nicht ausgedacht haben.

  • Manchmal möchte ich Karl nur schütteln. Da verbietet er Ruth diese Möglichkeit, nach allem, was sie dafür geleistet hat. Ich denke er ist stolz auf sie, warum zeigt er es dann nicht? Die Familie braucht das Geld, das Ruth verdient. Doch dann wäre es nur fair, das auch auszusprechen. Ruth ist fast erwachsen und hat so viel für die Familie getan, da sollte man sie entsprechend behandeln. Mir tut Ruth leid, vor allem, weil sie die Entscheidung so hinnimmt. Sie ist wütend, aber sie stellt es nicht in Frage, weil sie ihre Eltern liebt und ein starker Zusammenhalt in der Familie da ist. Dann sieht es auch so aus, als wäre Ruth auch noch ihren Job los und alles durch ein Missverständnis.

  • Mit 19 Jahren und lässt sich noch alles vorschreiben. Wohin sie geht, mit wem, wann.

    Sie war noch nicht volljährig und konnte nichts entscheiden ohne die Zustimmung der Eltern. So ähnlich ging es mir in meiner Jugend auch noch. Es gab viele Vorschriften und wenig Freiheit.

    Könnte der Vater nicht mehr verdienen?

    Wie sollte er das machen. Die Möglichkeiten für ihn sind begrenzt. Sprache, Alter und wahrscheinlich auch genügend Arbeitssuchende, denn es sind ja viele geflüchtet.

    Was gekauft wurde, wurde auch sofort bezahlt, auch nicht auf Raten.

    Die Einstellung habe ich heute noch. Was ich mir nicht leisten kann, wird nicht angeschafft. Die einzige Ausnahme ist eine Hypothek, weil wohl niemand ein Haus gleich bezahlen kann.

    Das Chanukka-Fest war wirklich schön. Leider wurde gar nicht beschrieben, wie die Familienmitglieder auf Ruths Geschenke reagiert haben. Das fand ich ziemlich schade. Oder hat Ruth das Schenken sein gelassen, weil der Vater so darauf gepocht hat?

    Das hat mir auch gefehlt, dass nicht erwähnt wurde, was mit Ruths liebevoll hergestellten Geschenken geworden ist.

    In meinen Augen haben die Meyers viele unnötige Wertgegenstände, die häufig mit Erinnerungen verbunden sind.

    Sie haben wirklich vieles nach Amerika geschafft, aber ich bezweifele, dass es für jemand anders von Wert wäre.

  • Die Einstellung habe ich heute noch. Was ich mir nicht leisten kann, wird nicht angeschafft. Die einzige Ausnahme ist eine Hypothek, weil wohl niemand ein Haus gleich bezahlen kann.

    In Bildung zu invenstieren ist für mich aber ehrlich gesagt auch etwas anderes - vergleichbar mit dem Hauskauf. Vor allem in Amerika ist das ganze Bildungssystem so aufgebaut, aber auch in Deutschland gibt es ja nicht ohne Grund Bafög oder Studienkredite. Das sind für mich keine Schulden im herkömmlichen Sinne oder dass man sich etwas anschafft, was man sich nicht leisten kann.

  • Ich habe natürlich gestern noch weitergelesen.


    Gefallen hat mir zu Beginn des Leseabschnittes, wie Ruths Chefin zum Ende hin den guten Vorschlag hat, ihr Stoff von früheren Kollektionen zu verkaufen, denn ein Wochenlohn Abzug für so stark verschnittene Kleidungsstücke hätte Ruth sich nicht leisten können. So kann sie frisch zuschneiden und gestalten. Gewünscht hätte ich mir ohnehin, dass diese ihr diese Restposten für 'n Appel und 'n Ei überlässt und Ruth dann doch noch sich die anderen gewünschten Kleidungsstücke aus dem Keller hätte leisten können.


    Mir fehlt in diesem Buchabschnitt, wie nun Ilse und Ruth doch noch ihre Chanukkageschenke übergeben und die Reaktion der Familie,.

    Und jetzt ist er ihr gegenüber nicht mal ehrlich und nennt seinen wahren Grund.

    Wie gut, dass Ruth zufällig wenigstens das Gespräch zwischen den Eltern mitbekommt. Viel besser wäre, ein ehrlicher Vater gewesen, denn mir hat er sehr gut gefallen, als er an dem Vorstellungstag seiner Tochter dankt und anerkennt, was sie leistet.


    Da meine beiden Großelternpaare auch meine Eltern, Jahrgang 1939 und 1943, nach der zehnten Klasse angehalten haben, "endlich" in den Beruf zu gehen, kann ich schon auch die Reaktion von Ruths Vater auf das Stipendium und das für den Lebensunterhalt erforderliche Einkommen von Ruth, verstehen. Meine Mutter "durfte" von der Volksschule in die Realschule erst wechseln, weil es zum Zeitpunkt vor der sechsten Klasse mehr Kindergeld fürs dritte oder vierte Kind gab. Sie musste dann die fünfte Klasse wiederholen, da sie in der Volksschule kein Englisch hatte, was in der Realschule bereits unterrichtet wurde und ihr wurde zähneknirschend noch ein Jahr höhere Handelsschule zugestanden. Dann war es aber wirklich Zeit, dass sie endlich Geld zuhause abgab. Mein Vater war zwar Sohn eines GF einer großen hannoverschen Niederlassung, aber in einer Flüchtlingsfamilie ging Geld verdienen, vor höherer Schulbildung. Er hat dann eine dreijährige Ausbildung gemacht. Übrigens, erst mit 13 hat mein Vater nicht mehr nachts auf dem Strohsack geschlafen... So ging es vielen früher, dass sie als Kinder zurückstecken mussten und ihre Träume abgeblockt worden sind. Man hatte überlebt und wusste nicht, wann man wieder das Aufgebaute, verliert.


    Aber natürlich habe ich mir auch die Frage gestellt unbd auch gleich Antwort gegeben warum Martha nicht anbietet, zum Familieneinkommen dazu zu verdienen.



    S. 256, erster Satz ist etwas sperrig:

    Der Winter war kalt, manchmal nass, manchmal eisig, in Chicago aber es war immer windig/ war es aber immer windig.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)