'Unter ihren Augen' - Seiten 164 - 242


  • Die Situation mit der Brosche hier: Dorothea hätte die Möglichkeit gehabt auf Lotte zuzugehen, ihr die Brosche anzubieten und damit den Bruch zwischen Berta und Lotte kleiner zu machen. Sie hat sich für das Gegenteil entschieden. Sie könnte vermitteln, wenn sie wollte. Sie will aber nicht.

    Stimmt, da hast Du durchaus recht. Ich denke, am Anfang hat selbst Dorothea nicht die Reichweite der Geschichte gesehen. Möglich, dass am Anfang Eifersucht mit reingespielt hat. Ihre konstruktiven Bemerkungen kamen wirklich erst, als es bereits zu spät war.

  • Die GEDOK wurde 1926 von Ida Dehmel gegründet. Ihr Anliegen war die Förderung künstlerischer Talente von Frauen. Es ist tatsächlich merkwürdig, dass Lotte dort mit 10 Männern aufkreuzt und mit Artjom einen Mann in den Mittelpunkt stellt, der allen anderen die Schau stiehlt (Artjom z.B. ist ein Mann, zu dem man sicher auch eine eigene Geschichte erzählen könnte, weder blass noch Inventar. Aber das hier ist die Geschichte von Berta und Lotte, nicht von Artjom).


    Ich hatte die GEDOCK so verstanden, dass hier weibliche Unternehmerinnen gefördert werden sollen. Nicht weibliche Kunst. Wenn Lotte nicht mit männlichen Tänzern arbeiten und auftreten soll, darf dann Aenne auch keine Männer fotografieren? Weil Männer in der weiblichen Kunst nichts zu suchen haben?

    Was mich an solchen Dingen immer stört ist die absolute Trennung zwischen Mann und Frau. Das es kein Miteinandner geben soll. Das macht die Situation doch nicht besser.


    Ja, es braucht Freuräume, wo man sich auch mal ohne das andere Geschlecht ausprobieren kann, aber aus der Erfahrung heraus, geht es miteinander immer besser als gegeneinander.


    Was auch wieder auf Berta und Lotte zutreffen würde....

    Zu Artjom:

    Und Lotte selbst:
    "Er tanzt wie ein Mädchen!", hatte Lotte Erwin während der ersten Probestunde voller Staunen zugeflüstert.

    Ja, er ist ein Mann der etwas ausführlicher beschrieben wird, aber er wird eher androgyn beschrieben und er selbst und seine Gedanken kommen auch gar nicht zu Wort.


    Was ich mit farblos meinte war, dass man bei den Männern eher nicht mitbekommt, was in ihnen vorgeht. Bei Arthur zeigt es sich durch seine Handlungen, aber selbst die beiden Pseudofreunde reagieren im ersten Moment überhaupt nicht, als sie herausfinden, was zwischen Dorothea und Berta läuft. Wobei sie es sicher ahnten.

    Was ich übrigens sehr daneben fand war Bertas Reaktion auf die Klage des Laban-Verbandes. Hätte sie auch so reagiert, wenn da nichts von Lottes Vorwürfen gestanden hätte? Sie muss sich doch im Klaren gewesen sein, dass es für die Laban Geschichte eine Vorraussetzung gibt, die sie nicht hat.

    Lotte im Gegenzug zu verbieten sich Habenicht-Schülerin zu nennen fand ich sehr daneben. Sie war ja ihre Schülerin.

  • Ich bin mir ja nicht sicher, wieviel Einfluß Dorotheas Eingreifen zu einem frühen Zeitpunkt gehabt hätte. Als sie es erfahren hat, war das Kind ja schon in den Brunnen gefallen und ich schätze Berta nicht so ein, dass sie Fehler zugeben kann.


    Die Situation auf der Ausstellung war vermutlich einfach zu überraschend um dann gleich richtig zu handeln. Und eigentlich geht das Dorothea ja auch nichts an. Nach aussen ist sie ja nur die Sekretärin und sie kann nicht wissen, wieviel Lotte über ihr Verhältnis zu Berta weiss.


    Lottes Verhältnis zum lesbisch sein finde ich sehr schwierig. Sie lehnt es ab, merkt aber, dass sie selbst dazu tendiert. Und anstatt sich damit auseinander zu setzen leugnet sie alles und zieht sich auf den Stand " Das ist krank" zurück. Sie ist überhaupt nicht bereit sich auch nur ein wenig mit sich selbst zu beschäftigen. Lieber quetscht sie sich selbst in ein Korsett. Was sie im übrigen ja bei ihrer Tante immer belächelt hat ;-)

  • Ich hatte die GEDOCK so verstanden, dass hier weibliche Unternehmerinnen gefördert werden sollen. Nicht weibliche Kunst.

    Die GEDOK ist historisch. Es ist ein Akronym für Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen.

    Heute könnte man denken, das I wäre versehentlich klein geschrieben. Es ging aber wirklich um die Förderung von Künstlerinnen (kein Gender-Binnen-I).

    Natürlich kann Lotte mit Männern arbeiten und Aenne Männer fotografieren.
    Bei der GEDOK und entsprechend auch bei einer GEDOK-Aufführung geht es aber explizit um Förderung von Künstlerinnen, nicht nur im Sinne einer Choreographie, sondern auch im Sinne von Tänzerinnen.
    Es geht dabei nicht um eine Trennung, sondern um die Förderung einer speziellen Gruppe. In diesem Fall der Frauen.

    Aber es ist auch eine aktuelle Diskussion die derzeit innerhalb des Feminismus stattfindet. Z.B. zwischen FeministInnen der 2. Welle und Feminist*innen der 3./4. Welle.
    In diesem Sinne ist eine gewisse Androgynität von Artjom vielleicht kein Zufall in dieser Geschichte. Dein Einwand und diese Diskussion innerhalb des Feminismus scheint mir Teil dieser Geschichte um Berta und Lotte zu sein.

    I never predict anything, and I never will. (Paul Gascoigne)

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  • Je länger ich das Buch lese um so besser gefällt es mir und um so fesselnder finde ich die Geschichte. Man merkt in dem Abschnitt schon direkt, wie sich alles langsam zuspitzt: sowohl die Konkurrenz zwischen Berta und Lotte als auch die politische Situation.


    Und ich finde es sehr interessant, wie hier in der Leserunde die Meinungen bezüglich der Personen in dem Roman auseinandergehen. Ich finde Lotte gar nicht anstrengend und ich finde auch nicht, dass die Männer blass bleiben.

    Klar ist Lotte eine etwas sperrige Person, die man nicht sofort auf den ersten Blick sympathisch findet . Sie eckt schon an mit ihrem Verhalten und man kann sich nicht so leicht in sie rein versetzten. Aber ich finde solche sperrigen Personen viel interessanter, als so manche brave, liebe Hauptfigur. Ich finde Lotte gar nicht anstrengend. Sie kämpft für ihre Schule und für ihren Erfolg, aber mir gefällt es, wie sie versucht sich durchzusetzten.

    Ich finde es kommen einige sehr interessante Männerfiugern in dem Roman vor. Nur stehen sie ausnahmsweise mal nicht so im Mittelpunkt von der Handlung und das ist beim Lesen etwas ungewohnt. Aber auch das gefällt mir sehr gut.


    Lottes Verhältnis zum lesbisch sein finde ich sehr schwierig. Sie lehnt es ab, merkt aber, dass sie selbst dazu tendiert. Und anstatt sich damit auseinander zu setzen leugnet sie alles und zieht sich auf den Stand " Das ist krank" zurück. Sie ist überhaupt nicht bereit sich auch nur ein wenig mit sich selbst zu beschäftigen.

    Ja Lottes Verhätnis zur Liebe zwischen Frauen ist wirklich schwierig. Ich denke sie hat einfach Angst sich ihre eigene Neigung einzugestehen und die Konsequenzen, die es evt. für sie haben würde. Wie soll sie das denn zum Beispiel ihrem Mann sagen?

    Sie weiß nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen soll und hat wohl auch nie gelernt, offen über Gefühle zu reden.

    Ich bin wirklich mal gespannt, wie sich das bei ihr weiter entwickelt und wann sie sich ihre eigenen Gefühle eingestehen kann.

    Und ich habe auch langsam das Gefühl, dass sich ihr Mann Erwin immer mehr zu Else hingezogen fühlt und das sich da etwas anbahnt.

  • Dieser Abschnitt ist geprägt vom Kampf zwischen Lotte und Berta, die eine zeigt die andere an, weil sie mit einer Laban-Ausbildung wirbt, die sie nicht hat, als Retourkutsche muss Lieselotte die Werbung mit ihrer Habenicht-Ausbildung entfernen, da sie falsch ausgelegt werden kann.
    Dazu werden Berta und Dorothea erwischt von ihren männlichen Alibi-Freunden und Dorothea hat eine hartnäckige Verehrerin. Außerdem tritt der braune Pöbel in Erscheinigung, erst im Eldorado bei einer Freundinnen-Veranstaltung, dann wird auch noch der Laden von Elses Vater zerstört.


    Prägend war für mich aber weiterhin die hartnäckige Verweigerung von Lieselotte, sich mit ihrer Neigung auseinanderzusetzen und schließlich Aenne gegenüber auch noch zu behaupten, dass sie das krank findet. Else dagegen wird ihr eine gute Freundin, sie gleichen einander aus. Hätte ich nicht gedacht, da Lieselotte else ja sogar ein wenig verachtet hat ob ihrer Lasterhaftigkeit und Zügellosigkeit.


    Für mich zieht es sich gerade ein wenig, ich hätte es mir etwas straffer gewünscht, denn der Prolog ist ja nun schon 36 Kapitel her und wir sind immer noch nicht dort angelangt. Ich bin etwas ungeduldig.

  • Ich bin mir ja nicht sicher, wieviel Einfluß Dorotheas Eingreifen zu einem frühen Zeitpunkt gehabt hätte. Als sie es erfahren hat, war das Kind ja schon in den Brunnen gefallen und ich schätze Berta nicht so ein, dass sie Fehler zugeben kann.

    Dorothea hat ja schon mehrfach leise Kritik geäußert, sei es ziu Bertas erstem Film, aber nun auch zu der barschen Abfuhr nachdem Lieselotte damals den Brief geschickt hatte.


    Ich bin bei den beiden Frauen auch nicht sicher, wer wen mehr liebt oder braucht.

  • Das Gezicke zwischen Lotte und Bertha fand ich anstrengend. So langsam schaukelt sich das hoch, die eine reicht Beschwerde ein, die andere rächt sich.... und dasn noch dieses Hin und Her mit der Brosche.

    Auch diese Weihnachtsmesse mit den Tanzvorführung fand ich ein wenig zäh.


    Umso besser hat mir dafür der Abend in der roten Mühle gefallen. Besonders auch diese kleinen Details, wie z.B. dass der Stoff des Kleides schräg zugeschnitten wird.

    Gleichzeitig nimmt die Handlung fahrt auf, die Beschwingtheit der 1920er Jahre ist endgültig vorbei und der braune Sumpf nimmt zu.


    Wissen wir eigentlich wie alt Bertha und Dorothea sind? Mir ist das irgendwie immer noch nicht klar.


    Aenne finde ich sehr sympathisch und angenehm. Sie schätzt Lotte vermutlich besser ein als Lotte das selbst kann.


    Berthas und Dorotheas Beziehung fliegt auf (auch wenn ich fast vermuten würde, dass zumindest Roger davon nicht wirklich überrascht war). Warum die beiden Alibi-Männer das über solange Zeit mitmachen, gibt mir auch noch Rätsel auf. Besonders bei Dorotheas Dr, denn der scheint ja ernsthaft Interesse an Dorothea zu haben und gibt sich dann über Jahre zufrieden? Bei Roger würde ich jetzt eher vermuten, dass er selbst eine Alibi-Beziehung braucht.


    Auf Seite 170 bin ich über "ein Gaudi" gestolpert, das kenne ich hier im Süden nur als DIE Gaudi.

  • Ich habe den Abschnitt noch nicht ganz gelesen, daher melde ich mich nur kurz.

    Mich hat spontan das Buch interessiert, das Lotte auf Seite 188 zur Hand nimmt:

    "Freundinnen - Ein Roman unter Frauen".

    Viel habe ich dazu nicht gefunden, hier eine kurze Vorstellung der Autorin Maximiliane Ackers (GEDOK-Mitglied) und vom Buch (zweiter Beitrag von oben): KLICK

  • So, jetzt bin ich durch.


    Der Kleinkrieg zwischen Berta und Lieselotte spitzt sich zu. Lieselotte hat also Berta schon einmal angezeigt, was wir im Prolog lesen, war nicht das erste Mal. Lieselotte war aber sehr naiv in ihrer Überraschung, dass Berta zurückschlägt - ist doch in meinen Augen durchaus damit zu rechnen.


    Und ebenso wie sich dieses Verhältnis zuspitzt, wird die politische Bedrohung greifbarer und offensichtlicher. Nun müssen sich alle vorsehen. Ich glaube, dass viele hier noch die Gefahr unterschätzt haben und eine Auswanderung noch eine sehr abstrakte Vorstellung für sie war.


    Dieser Abschnitt hat mir sehr gut gefallen!

  • Noch ein Gedanke: ich tue mich schwer, mir Berta bildlich vorzustellen. Eine Gymnastik- und Tanzlehrerin stelle ich mir vor wie meine früheren Turnlehrerinnen: drahtig und energievoll. Erwin sieht sie jedoch als "Matrone" (Seite 166) - bei der Bezeichnung denke ich eher an eine füllige, ältere Frau. Das ist aber das einzige, worüber ich immer mal stolpere.

  • Was mich an solchen Dingen immer stört ist die absolute Trennung zwischen Mann und Frau. Das es kein Miteinandner geben soll. Das macht die Situation doch nicht besser.


    Ja, es braucht Freuräume, wo man sich auch mal ohne das andere Geschlecht ausprobieren kann, aber aus der Erfahrung heraus, geht es miteinander immer besser als gegeneinander.

    Das Problem ist, dass in dieser Zeit Frauen sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich und sozial schlechter gestellt waren als Männer. Da ist es schwierig, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu entwickeln. Da braucht es eine Förderung (und so verstehe ich die GEDOK), die sich ausschließlich an Frauen richtet - und daher ist es schon ein Affront, dass Lieselotte einen männlichen Tänzer in den Mittelpunkt ihrer Aufführung stellt. Er mag im Moment ihr bester Tänzer in der Truppe sein, aber es wäre besser gewesen zumindest für diese eine Aufführung eine Frau herauszustellen.

  • Ich habe den Abschnitt noch nicht ganz gelesen, daher melde ich mich nur kurz.

    Mich hat spontan das Buch interessiert, das Lotte auf Seite 188 zur Hand nimmt:

    "Freundinnen - Ein Roman unter Frauen".

    Viel habe ich dazu nicht gefunden, hier eine kurze Vorstellung der Autorin Maximiliane Ackers (GEDOK-Mitglied) und vom Buch (zweiter Beitrag von oben): KLICK

    Das habe ich mir auch gleich angesehen. Man bekommt es vielleicht noch im Antiquariat, wenn man Glück hat.

  • Das Problem ist, dass in dieser Zeit Frauen sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich und sozial schlechter gestellt waren als Männer. Da ist es schwierig, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu entwickeln. Da braucht es eine Förderung (und so verstehe ich die GEDOK), die sich ausschließlich an Frauen richtet - und daher ist es schon ein Affront, dass Lieselotte einen männlichen Tänzer in den Mittelpunkt ihrer Aufführung stellt. Er mag im Moment ihr bester Tänzer in der Truppe sein, aber es wäre besser gewesen zumindest für diese eine Aufführung eine Frau herauszustellen.

    Besser im Sinne der Ausführung vielleicht nicht, aber im Kontext mit Sicherheit klüger.

  • Wissen wir eigentlich wie alt Bertha und Dorothea sind? Mir ist das irgendwie immer noch nicht klar.

    Irgendwo wird erwähnt, dass Berta zum 33. Geburtstag gratuliert worden ist. Das war wohl so um 1923. Ich habe also immer so gerechnet, dass die beiden etwa so 10 Jahre älter als das Jahrhundert sind.


    Gut zu merken war, dass Lotte (und ihre Generation) im April 1906 geboren sein könnte (weil das der Jahrgang von Klaus und Erika Mann ist).

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Irgendwo wird erwähnt, dass Berta zum 33. Geburtstag gratuliert worden ist. Das war wohl so um 1923. Ich habe also immer so gerechnet, dass die beiden etwa so 10 Jahre älter als das Jahrhundert sind.


    Gut zu merken war, dass Lotte (und ihre Generation) im April 1906 geboren sein könnte (weil das der Jahrgang von Klaus und Erika Mann ist).

    Ah danke... und da macht sie sich schon Gedanken um ihre Nachfolge??

  • Ich meine, ich habe noch den Link zu dem Buch als PDF zu lesen in meinem Recherche Ordner. Sobald ich am anderen Rechner sitze, kann ich mal schauen ob ich den Link hier posten kann.

    Vielen Dank, das wäre super.

  • Zitat

    Ah danke... und da macht sie sich schon Gedanken um ihre Nachfolge??

    Berta und Dorothea haben nicht jedes Unterrichtsfach persönlich abdecken können. Dazu wurden für die Zukunft neue Lehrkräfte eingearbeitet. Die wurden dann aber ganz genau ausgesucht... am besten du stellst mir die Frage noch einmal wenn du das ganze Buch durchgelesen hast dann werde ich etwas ausführlicher darüber berichten können...

  • Wissen wir eigentlich wie alt Bertha und Dorothea sind? Mir ist das irgendwie immer noch nicht klar.

    Bei Bertha und Dorothea war ich mir auch nicht sicher, wie als sie sind. Lotte feiert ja im Jahr 1933 ihren 27. Geburtstag. Bertha und Dorothea müssen also schon deutlich älter sein.