Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 07.06.2024)

  • Oben der Himmel, unten die Hölle. Oben das ewige Leben, unten das ewige Sterben. Dazwischen ein Adler, ein Weibchen, das gleichgültig seine Kreise zieht, dessen scharfen Augen nichts entgeht und das trotzdem blind ist gegenüber dem Leid und dem Schmerz und dem Elend, das sich täglich unter ihren breiten Schwingen abspielt.


  • Man stelle sich Pops Turnschuhe vor: Abgetragen und ver-

    dreckt von der Gartenarbeit stehen sie ordentlich abgestellt

    am Flussufer, dort, wo das Gras in den Sand übergeht. Es

    ist die breiteste und tiefste Stelle des Swift River in einem

    dschungelartigen Waldstück, das einem das Gefühl gibt, allein

    in der Wildnis zu sein, obwohl man der Landstraße auf der

    anderen Flussseite so nah ist, dass man das Verkehrsrauschen

    hören kann. An heißen Sommerabenden waren wir oft mit der

    ganzen Familie dort – es war der einzige Ort, an dem wir un-

    behelligt schwimmen gehen konnten, ohne dass die Leute un-

    sere Körper beäugten, die schwarz, weiß und braun waren.


  • »Schreibst du mir auch?«, fragte Irina und überschüttete sie dabei wie eine Fünfjährige mit Küssen. Zwei Mädchen, die ein paar Sitze weiter sassen, beobachteten sie.

    »Ja. Steig aus, Maman. Der Zug fährt gleich los.«

  • Im Studentenheim herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Man findet nie Ruhe. Draußen unter den Bäumen gefällt es mir besser, aber da wird es schnell dunkel.


    Lou Lingyuan Das fragile Glück der Harmonie

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übrsihd

    :lesendLou Lingyuan Sehnsucht nach Shanghai :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Blanche ist tot.

    Manchmal ist der Tod eine Gnade, und ich glaube, bei Blanche war es so. Gerade weil sie zu Lebzeiten vor Energie und Temperament nur so sprühte - das ist auch die Blanche, deren Andenken ich bewahren werde.


    "Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder!" (Dante Alighieri)

  • An einem unbekannten Ort

    Ich hatte wirklich nicht vor, mich in einem mutmaßlichen Serienmörder zu verlieben. Trotzdem bin ich mit Hand- und Fußgelenken an einen Stuhl gefesselt, und as ist einzig und allein meine Schuld. Ich sitze in einem nichtssagenden weißen Raum mit Neonröhren und grauem Teppichboden mit geometrischem Muster. Durch das Fenster gegenüber fällt Tageslicht, also befinde ich mich nicht im Keller.


  • Madame lässt auf sich warten; die Gäste werden ungeduldig. Jakulow, der Maler, hat ihnen für den heutigen Abend eine Attraktion versprochen, manch einen damit angelockt, er könne auf diesem Atelierfest die berühmte, unlängst in Moskau eingetroffene Isadora Duncan kennenlernen. Ilja Schneider, ihr Manager, hat Jakulow fest zugesagt, dass er die Tänzerin zu diesem Abend mitbringen werde; sie besuche gerne solche Feste. Und nun kommt sie nicht.