Pseudonym: Wenn Männer "Frauenromane" schreiben

  • Im Juli/August 2006 erscheint mein Roman "Der Papaya-Palast" unter dem Pseudonym Sarah Benedict bei Blanvalet. Warum nun unter Pseudonym? Weil männlichen Autoren nicht zugetraut wird, einen Roman zu schreiben, in dem Gefühle eine große Rolle spielen ( in diesem Fall hat die eine Protagonistin Evelyn vor vier Jahren ihr Kind kurz nach der Geburt verloren und ist noch immer mitten in der Lebenskrise, weshalb sie ihren Mann verlässt und nach Samoa flieht, wo sie natürlich in unvorhergesehene Ereignisse verstrickt wird).


    Welchem Mann, außer Nicolas Sparks, wird im Genre Familienroman etwas zugetraut? Nur sehr, sehr wenigen. Dabei zeigen doch viele Beispiele (z.B. im Historischen Roman), dass Männer durchaus den Umgang mit Gefühlen beherrschen - zumindest literarisch. :grin


    Nun ist ein Teil von mir also Sarah - oder nennt sich so. weil ich möchte, dass meine Bücher um ihrer selbst willen gemocht oder nicht gemocht werden und nicht wegen meines Namens.


    Im Genre Polit-Thriller ist es übrigens umgekehrt. Da trauen die Leserinnen nämlich den Männern mehr zu, weshalb Autorinnen sich ein männliches Pseudonym zulegen.


    Warum ist das so? Muss das noch sein?
    Wie denkt ihr darüber?


    Talofa (samoanischer Gruß)

  • Nö, muss nicht sein, aber wenn das Volk belogen werden möchte, dann ist das Volk wohl selbst schuld, oder?


    Die Entscheidung über dein Pseudonym hat sicher verlagstechnische Gründe. Der Verlag wird sich wohl lieber vom Markt leiten lassen. Es ist ja nicht so, dass alle Leser sich gern verschaukeln lassen, aber wenn das Klischee so hartnäckig sitzt, wie du beschreibst, dann wäre es ein großes Wagnis und du und dein Verlag würdet Gefahr laufen, einen Staubfänger zu verlegen.

  • Ist ja drollig!
    Ich hoffe, Dein Verlag beißt Dich nicht, weil Du Dein Pseudonym gesprengt hast.


    Hast Du Dir den nom de guerre eigentlich selber ausgedacht?
    Gab es Recht auf Widerstand?



    Verlage wollen verkaufen, deswegen müssen sie auf vorgegebene kulturelle Muster Rücksicht nehmen.
    Diese sagen immer noch:
    Mann - weniger Gefühl und damit mehr wert ( literarisch gesehen)
    Frau - mehr Gefühl und damit weniger wert. (literarisch gesehen)


    Das steckt tief.
    Es gibt übrigens viele Männer, die Heftchenromane und Bahnhofsbuchhandlungsschnulzen unter weiblichem Namen schreiben. Und Frauen unter männlichem, das sind dann Krimis und Western und Science Fiction.


    Abgesehen davon gibt es unterschiedliches Leseverhalten bei Frauen und Männern. Das Geschlecht spielt eine Rolle bei Auswahl des Buchs, beim Urteil darüber.
    Männer und Frauen lesen anders und Anderes. Sie schreiben auch anders. Die Sicht auf die Welt ist eben unterschiedlich.
    Ich habe nur nicht herausgefunden, ob das biologisch oder kulturell bedingt ist.


    Was mich interessieren würde, aber das ist vielleicht zu persönlich, warst Du Du beim Schreiben?
    :wave


    magali (die eher Autorinnen kauft als Autoren)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Verlage trauen ihren Leser/-innen offensichtlich nicht zu, sich wegen eines Klappentextes, eines Covers, einer Leseproben und ggf. Rezensionen ungeachtet des Autorennamens für einen Roman zu entscheiden.


    Wenn Verlage das ihren Leser/-innen nicht zutrauen, sollten sie aber mal überlegen, inwiefern ihre Klappentexte und Cover, dazu beitragen :grin

  • Hallo, Eric.


    Zitat

    Weil männlichen Autoren nicht zugetraut wird, einen Roman zu schreiben, in dem Gefühle eine große Rolle spielen


    Wofür es zuhauf Gegenbeispiele gibt.


    Mal davon abgesehen: Das ist eine Frage des Marketings, also der Erwartungshaltung der Zielgruppe, die bei Büchern ohnehin zu mehr als 60 % aus Frauen besteht, und bei Romanen, in denen "Gefühle eine große Rolle spielen", sind es noch mehr. Es geht auch umgekehrt: Eine befreundete Autorin veröffentlicht ihre SF/Cyberpunk/Fantasy-Geschichten unter einem männlichen Pseudonym, weil die Zielgruppe Romane von Frauen weniger akzeptiert. Dabei geht es weniger um das "Zutrauen" etwa des Verlags, sondern schlicht um das Kaufverhalten der Leser. Ich habe vermutlich höchstens ein halbes Dutzend SF-Romane von weiblichen Autoren zuhause, aber ganze Regale voll selbiger, die von Männern (vermeintlich) verfaßt worden sind.


    Frage an Dich: Hast Du Dich dem mehr oder minder freiwillig gefügt - oder würde der Roman nicht erscheinen, hättest Du darauf bestanden, unter Deinem männlichen Namen zu veröffentlichen?

  • Vielleicht stehe ich dem weiblichen Ich (das ja angeblich jeder in sich hat, auch Männer) etwas näher als viele andere Männer. Jedenfalls habe ich mich so stark mit meinen Heldinnen Evelyn und der alten Samoanerin Ili identifiziert, dass alle Frauen, die den Text bisher gelesen haben, ihn als absolut "authentisch" beurteilten. Denn natürlich habe ich meinen Text gegenlesen lassen, habe aber nur wenige Korrekturen vornehmen müssen.


    Ich meine, es kommt beim Schreiben nicht so sehr auf das Geschlecht an. Ich weiß, es gibt da Untersuchungen, und die besagen, dass Männer eher handlungsdominiert schreiben und Frauen gefühlsdominiert. Man kann das, wenn man mag, am Gemeinschaftsroman "Der zwölfte Tag" und den 2005 erschienenen Gemeinschaftsroman "Die sieben Häupter" ersehen. Da schreiben zwölf Autorinnen und Autoren an einem Buch, jede und jeder ein oder zwei Kapitel.


    Wichtig ist doch, ob ich mich in ein Thema/eine Figur hineinversetzen kann. Frauen können sich doch auch in Männer hineinversetzen: Margaret George hat gut über Heinrich VIII. geschrieben, Marguerite Yourcenar hervorragend über Kaiser Hadrian ("Ich zähmte die Wölfin"). Also warum sollten Männer sich nicht Frauen hineinversetzen können? Natürlich kann man immer sagen: Im Schnitt können Frauen dies und jenes besser, im Schnitt können Männer .... Aber es sollte auch die Akzeptanz geben, dass der "Schnitt" eben nur ein "Durch-Schnitt" ist, was bedeutet, dass es eben auch "die anderen" gibt.


    Übrigens: So geheim ist das Pseudonym nicht mehr. Vor ein paar Tagen sprach ich mit einem Buchhändler, der bereits wusste, dass ich Sarah Benedict bin.


    Talofa

  • Hallo, Eric.


    Zitat

    Aber es sollte auch die Akzeptanz geben, dass der "Schnitt" eben nur ein "Durch-Schnitt" ist, was bedeutet, dass es eben auch "die anderen" gibt.


    Und der Verlag geht auf Nummer sicher, denkt sich: Die Leser wissen das vielleicht. Nachher. :grin

  • Hallo Tom,
    sagen wir mal so: die Argumente pro Sarah leuchteten mir ein. Ich schreibe sehr gerne in diesem Genre Familienroman, das habe ich schon gemerkt, als ich die Idee dazu hatte, und später, als ich schrieb sowieso. Ich glaube auch, dass ich das gut hingekriegt habe. Ich wollte nicht darauf verzichten müssen oder "durchfallen", nur weil ich Eric Walz heiße.

  • Sarah...soso... na ich hab für diesen Marketingscheiß ja nicht viel übrig....mich interessiert eigentlich weniger das Geschlecht des Autors, als der Inhalt des Buches.
    Den Sinn eines Pseudonyms verstehe ich nur dann, wenn jemand über sehr persönliche Erlebnisse schreibt und nicht sofort erkannt werden will... ansonsten, erschließt sich mir der Sinn nicht. Marketing hin Marketing her. Ich will ungern beschissen werden, darum les ich auch die King/Bachmann Bücher nicht.
    Und bei Iny und Elmar und Eric (der andere) blickt man ja auch nicht mehr durch....


    Bei "meinem" Buch (Naja ein Buch in dem ich vertreten bin.) ist der Titel allerdings derzeit so beschissen, daß ich ich mir dann doch am Liebsten ein Pseudonym zu legen würde. ("Jeden Tag den Tod vor Augen - Polizisten erzählen"... erscheint übrigens im Dezember diesen Jahres....kurz mal die Werbetrommel dreh....)


    Ach ja und wo wir grad beim Thema sind, sollte jemand wissen wer sich hiner DEBORAH CHIEL verbirgt, sachdienliche Hinweise bitte zu mir.

  • Ich mag den Verlagen gar nicht die Schuld daran geben. Am Ende ist es ja auch egal, ob ich Eric oder Sarah heiße. Wichtig ist das Produkt, das, was ich geschrieben habe, und dabei konnte ich mich verwirklichen. Übrigens wissen genügend Leser, dass sie Pseudonyme kaufen, manchmal steht der wahre Name sogar in der Buchklappe.

  • Zitat

    Original von Eric Walz
    Übrigens: So geheim ist das Pseudonym nicht mehr. Vor ein paar Tagen sprach ich mit einem Buchhändler, der bereits wusste, dass ich Sarah Benedict bin.


    Das finde ich ja jetzt sehr spannend. Von wem der Buchhändler das erfahren hat, weißt du das auch? Mein Vertreter wußte damals nicht, wer hinter Sarah Benedict steckt und ich habe es ihm auch nicht verraten. Versprochen ist schließlich versprochen :knuddel1


    Nur erfahren normalerweise Buchändler von ihren Vertretern, wer hinter einem Pseudonym steckt, darum bin ich auf deine Antwort gespannt. :wave

  • Darf ich offen sprechen, Sir?






    Ich finde das schlicht und einfach krank.






    Wenn ich so was lese/höre/sehe, hab ich das ganz starke Gefühl, ich werde in meinem ganzen Leben nicht so viel essen könne, wie ich kotzen möchte. Offenkundig befinden wir Deutschen uns soziokulturell und marketingtechnisch insgeheim immer noch im tiefsten 19. Jh.

  • Hallo, Iris.


    Krank auf welcher Seite? Sind die Verleger krank, oder sind es die Leser/Käufer? Immerhin gibt es einige prominente Beispiele von Autoren, die erst unter einem geschlechtsgewandelten Pseudonym (richtig: Pseudogynym) mit exakt den Büchern Erfolg hatten, den sie unter ihrem richtigen Namen nicht verkaufen konnten.


    Es gibt Geschlechterunterschiede. Und Frauen parken anscheinend nicht nur schlechter ein, sie schreiben offenbar auch die "besseren" Liebesromane. Daß sich eine Marketingabteilung diese Annahme (ob sie nun stimmt oder nicht) zunutze machen will, ist doch nur verständlich.


    Ich würde niemals nichts :-) unter einem Pseudonym, und erst recht nicht unter einem Pseudogynym veröffentlichen. Dafür hat das bei mir zu viel mit Selbstdarstellung zu tun. :grin

  • Zitat

    Original von Tom
    Krank auf welcher Seite?


    Ich habe von keiner "Seite" gesprochen, sondern konstatiert, daß wir uns geistig noch immer im tiefsten 19. Jh. befinden, obwohl wir allerorten so wahnsinnig modern tun. :grin


    Zitat

    Es gibt Geschlechterunterschiede.


    Wo habe ich das bestritten?


    Zitat

    Ich würde niemals nichts :-) unter einem Pseudonym, und erst recht nicht unter einem Pseudogynym veröffentlichen. Dafür hat das bei mir zu viel mit Selbstdarstellung zu tun. :grin


    :write
    Und da stehe ich auch zu.

  • Was mich bei der Sache immer schon mal interessiert hat ...


    - wie macht man das mit Lesungen? :gruebel


    Läßt man dann die Frau/ Freundin/ Schwester/ Mutter/ Nichte/ Tante/ Oma lesen oder zerstört man den sehnsüchtig auf das weibliche Autoren-Idol wartenden Fräuleins den Glauben an das wahrhaft Gute im Verlagsmenschen? :lache


    Ich finde es vor allem immer wieder erschreckend, welches Bild die Leute im Marketing von lesenden Frauen haben ... :wow Kein Wunder, dass ich so wenige Historische Romane finde, die mir wirklich gefallen. :-(


    Viele Grüße :wave
    Heike
    (der es eigentlich immer ziemlich egal ist, ob Autor oder Autorin ... :wow)


    PS: @ Tom: Zumindest in dem Bereich der Fantasy, in dem besagte Freundin und ich schreiben, ist es ziemlich egal, ob Männlein oder Weiblein. Inzwischen sind einige der beliebtesten Romane dieser Reihe(n) von Frauen verfasst worden.

    Der Bernsteinbund - Historischer Roman - Juni 2010 im Aufbau-Verlag
    Die Tote im Nebel - Historischer Kriminalroman - März 2013 im Gmeiner-Verlag

    Rabenerbe/ Rabenbund - DSA-Fantasyromane - 2017/2018 bei Ulisses

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  • Zitat

    Original von Alexx61
    Mir ist das völlig wurscht, ob Männlein oder Weiblein schreibt, Hauptsache es ist gut.


    Sehe ich genauso!

    Zitat

    WENN denn ein Pseudonym, benutzt wurde, hat der Autor gefälligst die Klappe zu halten


    Warum das denn? Mal angenommen, der Verlag möchte, dass Eric unter einem weiblichen Namen einen Familienroman schreibt und hat das Buch so auch bereits an die Buchhändler verkauft. Dann ist alles eine Sache des Verlages und es gibt sicherlich gute Gründe dafür. Deshalb muß sich der Autor doch nicht selbst verleugnen und darf nichts mehr dazu sagen.

  • Zitat

    Original von Alexx61
    ???


    Mir ist das völlig wurscht, ob Männlein oder Weiblein schreibt, Hauptsache es ist gut.


    WENN denn ein Pseudonym, benutzt wurde, hat der Autor gefälligst die Klappe zu halten


    :lache


    Also mir ist das auch Jacke wie Hose ob die Schnulze oder der Thriller von Männlein oder Weiblein geschrieben wird. Gucke auch in erster Linie nach dem Inhalt. Autor ist mir nur wichtig wenn er mir empfohlen wurde oder ich schon gute Erfahrungen gemacht habe.


    Allerdings nervt mich auch dieses Versteckspiel. Bin ja erst kürzlich über eines dieser Pseudos von Konsalik gestolpert. Da wurde sogar einunddasselbe!!!! Buch mit zwei Namen verlegt. Schwachsinn! :rolleyes

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Wolke

    Warum das denn? Mal angenommen, der Verlag möchte, dass Eric unter einem weiblichen Namen einen Familienroman schreibt und hat das Buch so auch bereits an die Buchhändler verkauft. Dann ist alles eine Sache des Verlages und es gibt sicherlich gute Gründe dafür. Deshalb muß sich der Autor doch nicht selbst verleugnen und darf nichts mehr dazu sagen.


    Nö, aber er könnte versuchen sich durchzusetzen. ;-) Notfalls den Verlag wechseln? Hab keine Ahnung wie das so geht, aber Pseudos finde ich nur sinnvoll wenn sie dauerhaft als einziger Name bleiben.

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)