Die Landkarte der Zeit - Félix J. Palma

  • Die Landkarte der Zeit, Félix J. Palma, Orig.titel „El mapa del tiempo“, Übersetz. Willi Zurbrüggen, Kindler (Rowohlt Verlag Gmbh), Hamburg, Sept. 2010, 716 S., ISBN 978-3-463-40577-3


    Zum Autor (lt. Klappentext):
    Félix J. Palma wurde 1968 in Sanlúcar de Barrameda geboren und lebt heute in Madrid. Er absolvierte eine Ausbildung als Werbefachmann in Sevilla, bekam jedoch für seine ersten Erzählungen und Romane bereits so viele Stipendien und Preise, dass er den erlernten Beruf nie ausübte.
    „Die Landkarte der Zeit“ war ein Bestseller in Spanien und wird in über zwanzig Sprachen übersetzt. Palma erhielt dafür den Premio Ateneo de Sevilla.


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    Klappentext:
    London, 1896: Andrew hat die Liebe seines Lebens verloren. Zu lange zögerte er, seinem adligen Vater die Liebe zur Prostituierten Marie zu gestehen. Als sich Andrew endlich dazu durchringt, ist es zu spät. Marie wurde auf grausame Weise von Jack the Ripper ermordet. Acht Jahre später will Andrew sich das Leben nehmen, geplagt von Schuldgefühlen und Sehnsucht. Doch sein Cousin hält ihn davon ab. Denn der hat von einer Möglichkeit erfahren, wie man Maries Leben retten kann. Die Agentur für Zeitreisen Murray organisiert Reisen in die vierte Dimension. Kann man in die Vergangenheit zurück und Fehler wiedergutmachen?
    Unterdessen findet Claire Haggerty mit ihren modernen Ansichten im viktorianischen London keine Freunde und verliebt sich in einen Mann aus der Zukunft. Zeitreisen Murray macht’s möglich. Der Geliebte reist ihr nach in ihre Zeit und schreibt ihr mit der Hilfe von H. G. Wells sehnsüchtige Liebesbriefe.
    Inspektor Garrett soll drei Morde aufklären, die mit Waffen begangen wurden, die es noch gar nicht gibt.
    Ein dämonischer Bibliothekar führt alle zur Landkarte der Zeit, in der die Geschichten zusammenfinden. Gibt es die Zeitreisenden wirklich? Was ist Wahrheit, was Erfindung? Was beweist es, dass man einen Brief von sich selbst aus der Zukunft erhält?
    Bis zur letzten Seite spielt Félix J. Palma in diesem atemberaubenden Roman mit unseren Erwartungen. In einem sich immer schneller drehenden Wirbel der Phantasie werden wir von einer Parallelwelt in die nächste geschleudert. Staunen und Schrecken garantiert!


    Meine Meinung:
    Nach der Lektüre des Klappentextes konnte ich es kaum erwarten, Félix J. Palmas Roman „Die Landkarte der Zeit“, im spanischen Original unter dem Titel „El mapa del tiempo“ erschienen, auszupacken und mich gemütlich damit zum Lesen zurückzuziehen; erschien mir doch die Kombination einer Kriminalhandlung im viktorianischen London verknüpft mit dem phantastischen, abenteuerlichen Element der Zeitreisen nahezu unwiderstehlich. Um es vorweg zu nehmen: meine hohen Erwartungen wurden nicht nur reich belohnt sondern sogar weit übertroffen. Félix J. Palma versteht es seine Leser in einem wunderbar phantasiereichen Verwirrspiel immer wieder zu überraschen, staunen zu lassen, köstlich zu amüsieren und sie auf eine abenteuerliche, teilweise atemberaubende Reise mitzunehmen. Den Roman „Die Landkarte der Zeit“ zu lesen, kommt dabei fast der Vielfalt der Eindrücke nostalgischer Jahrmarktbesuche gleich; der Roman wirkt, als führe uns der Autor durch Irrgärten, über die Achterbahn, in die dämonische Geisterbahn und liesse uns durch Kaleidoskope schauen.


    Bereits die ersten Sätze des Romans „Die Landkarte der Zeit“ haben mich für den Autor Félix J. Palma eingenommen, zeigen sie doch, dass er es versteht, die Möglichkeiten, die Sprache bietet, auszuschöpfen. Sein Erzählstil erinnert an eine Mischung aus Charles Dickens und Carlos Ruiz Zafón, mit denen er die wundervolle Schilderung auch düsterer Atmosphären gemeinsam hat. Sein allwissender Erzähler blendet sich mal mehr, mal weniger in die erzählte Handlung ein und würzt die Geschichte mit einer ordentlichen Portion eines herrlich ironischen Untertons. Insbesondere in handlungsarmen Passagen greift der allwissende Erzähler ein und verkürzt diese mit zunächst wenig relevant erscheinenden amüsanten Einschüben zur Vergangenheit handelnder Personen in Dickensscher Ausführlichkeit. Auch wenn der Leser auf den ersten hundert Seiten scheinbar nichts Neues erfährt, da sie ja lediglich die Geschichte von Jack the Ripper aus anderer Sicht neu erzählen, ist auch dieser Teil so gut erzählt, dass er nicht nur auf das Folgende vorbereitet sondern auch gut unterhält. Ein Schwachpunkt des Romans ist zweifellos, dass der Leser sehr lange im Dunkeln tappt, wozu er das, was er erzählt bekommt, überhaupt erfährt und wo ihn dies überhaupt hinführen könnte, weshalb sich auch einige Längen einstellen. Dieser Schwachpunkt wird aber mehr als wett gemacht, wenn man sich auf das Geheimnisvolle und Rätselhafte einlässt, bis im dritten Teil das furiose Finale erreicht wird. Vieles was in den ersten beiden Teilen als nebensächlich oder gar überflüssig erscheint, erschließt sich erst im dritten Teil und führt dort zu unglaublichem Lesevergnügen.


    „Die Landkarte der Zeit“ ist eine phantastische, humorvolle Hommage an H. G. Wells und den Beginn des literarischen Genres der Zukunftsromane, später irgendwann Science Fiction genannt, und an die Kraft der Liebe. Félix J. Palma überzeugt in seinem Roman mit intelligenter Konzeption, sprachlicher Versiertheit und phantasievoller Verwendung von Elementen aus Abenteuerroman und Steamfantasy, und lässt dabei Raum für tiefgründige Gedanken. Schon lange hat mir kein Roman ein derartiges Lesevergnügen beschert, schon lange wurde ich nicht mehr so sehr vom Zauber einer Geschichte und deren Welt eingehüllt, dass ich mich in ihrem Labyrinth hätte verlieren können. Um den spitzohrigen Helden einer Science Fiction – Reihe des 20. Jahrhunderts zu zitieren: „Faszinierend“.


    10 von 10 Punkten

  • Ich glaube, das ist eines der wenigen Bücher, die ich wirklich ein zweites Mal lese. Ich muß nochmal rausfinden, wie es dem Autor gelungen ist, mich immer mal wieder auf die falsche Fährte zu führen... :gruebel


    Ich bin schon sehr gespannt auf die Leserunde und schau' sicher öfter rein, das Buch hat ungemeines Diskussionspotential.

  • Hallo! Ich bin die neue mit dem Grünschnabel. :wave


    Vielen Dank für Deine/Ihre Bewertung! Macht mich noch neugieriger.
    Das Buch habe ich vor kurzem auf amazon (darf ich das schreiben, oder ist das Schleichwerbung? lol) bewundert. Und heute Mittag bin ich gleich in die Buchhandlung gestürzt und hab es gekauft. Ich kann es kaum noch erwarten. Das Wochenende wird wohl diesem Buch gewidmet. *freeuuuu*

  • Ich habe vor einigen Tagen eine Leseprobe in der Buchhandlung bekommen. Die konnte mich leider so gar nicht überzeugen. Schade, das Thema und die Werbung hatten mich schon neugierig gemacht.

    Die Deutsche Rechtschreibung ist Freeware, sprich: Du kannst sie kostenlos nutzen.
    Aber sie ist nicht Open Source, d.h. du darfst sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Eine wundervolle Rezi und eine noch wundervollere Leseprobe. Hätte ich mal nicht in dieses Buch reingelesen, so muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und 24,95 € für ein Buch bezahlen. (Das hat man davon, wenn man Leseproben anklickt..) Weiß jemand, warum es so teuer ist?


    Beurteilt an der Leseprobe gefällt mir der Stil des Autors schon sehr. Auf die TB-Ausgabe warten - dazu bin ich ja irgendwie zu ungeduldig.. :cry

  • Zitat

    Original von Lucy1987
    Eine wundervolle Rezi und eine noch wundervollere Leseprobe. Hätte ich mal nicht in dieses Buch reingelesen, so muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und 24,95 € für ein Buch bezahlen. (Das hat man davon, wenn man Leseproben anklickt..) Weiß jemand, warum es so teuer ist?


    Beurteilt an der Leseprobe gefällt mir der Stil des Autors schon sehr. Auf die TB-Ausgabe warten - dazu bin ich ja irgendwie zu ungeduldig.. :cry


    Na ja, es ist gebunden und hat mal eben über 700 Seiten. Da finde ich 25€ nicht teuer. Die Originalausgabe auf Spanisch kostet sogar 30€, da ist der Kindler-Verlag sehr günstig gegen - und das Cover sehr viel hübscher.
    Wenn Amazon nicht irrt, wird das Taschenbuch für die Originalausgabe erst 2013 erscheinen.

  • Das macht mich jetzt aber neugierig. Ich bin schon öfters um dieses Buch rumgeschlichten. Morgen werd ich bei Lehmanns mal reinlesen und dann wohl zuschlagen müssen... Liegt der Fokus denn mehr auf dem Kriminalaspekt oder mehr auf dem Zeitreiseaspekt?

  • Ich empfand das Buch einfach nur als hirnrissig und unspaßig.


    Die Handlung war an den Haaren herbeigezogen, ohne inneren Zusammenhalt und unglaubwürdig, die Figuren waren alle farblos.


    Ich kann den Hype um das Buch beim besten Willen nicht verstehen.

  • Mir geht es ähnlich wie Woelfchen.


    Ich fand die Einführung um Andrew und seine unglückliche Liebe zu Marie Kelly sehr lesenswert und auch die Zeitreise zurück zum Tag ihrer Ermordung. Aber die Erklärungen und das dann darauf der zweite Teil mit völlig neuen Personen begann, fand ich einfach nur verwirrend und zu durcheinander. Dieses ewige hin und her

    ging mir sehr auf den Senkel. Und die Erklärungen haben mich nicht sonderlich zufrieden gestellt.


    Auch die langen Ausschweifungen des Autors fand ich sehr nervig und ermüdend.


    Vielleicht liegt es auch daran, dass ich eigentlich an Zeitreisen und Paralleluniversen nicht glaube, dass mir das Buch nicht so gut gefallen hat. Vielleicht muss man sich damit mehr auseinander setzen. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass ich nichts von H. G. Wells gelesen habe und die Verbindungen nicht so sehen konnte. Mir hat es sehr geholfen, dass wir das Buch in der Leserunde gelesen haben, sonst hätte ich noch viel weniger verstanden und wahrscheinlich schon beim zweiten Teil abgebrochen.


    Schade, anhand der Leseprobe hatte ich mehr erwartet.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich