Das Mädchen und der Leibarzt - Sina Beerwald

  • 464 Seiten



    Autor:
    Sina Beerwald, 1977 in Stuttgart geboren, studierte Wissenschaftliches Bibliothekswesen. Nach ihren erfolgreichen Romanen "Die Goldschmiedin", "Die Herrin der Zeit" und "Das blutrote Parfüm" liegt mit "Das Mädchen und der Leibarzt" nun ihr vierter historischer Roman vor.



    Inhalt:
    Der Schwarze Tod greift um sich. Auch die Großmutter der Hebamme Helena wird erbarmungslos aus dem Leben gerissen. Die junge Frau hingegen kommt unversehrt davon. Ist es Zufall, Gottes Wille oder trägt Helena doch einen Schutz vor der pestähnlichen Seuche in sich? Sie muss den Dingen auf den Grund gehen und ein medizinisches Gegenmittel finden. Doch ihr grausamer Verlobter wittert nur den großen Reichtum. Helena flieht vor ihm in das Damenstift zu Quedlinburg.


    Vor der Kulisse der zusehens dramatischen Stiftsauflösung beschreibt Sina Beerwald atmosphärisch und spannend den jahrhundertealten Konflikt zwischen Aberglaube und Medizin und den Weg einer wissbegierigen Frau, die keine Widrigkeiten scheut, um den Menschen helfen zu können.



    Meine Meinung:
    Die Geschichte spielt im Jahr 1802 im Quedlinburger Stift. Die Hebamme Helena Fechtner, deren Eltern bereits an den Blattern verstarben, verliert nun auch ihre geliebte Großmutter. Helena wurde vom Medicus, dem Ziehvater ihres Verlobten Friedemar, in ein paar Geheimnisse der Medizin eingeweiht und dachte, dass sie ein Heilmittel gegen die Blattern gefunden hat. Friedemar und sie haben die Blattern bereits zwei Mal überlebt und auch ihre Großmutter hat es ein Mal geschafft, aber nun ist sie doch verstorben und Helena zweifelt an der Heilmethode.


    Ihr Schicksal vollzieht sich im Quedlinburger Stift, nachdem sie die Fürstäbtissin nach einem Unfall gerettet hat. Sie bekommt die Genehmigung beim Stiftsarzt in die Lehre zu gehen, sie will noch immer das Heilmittel gegen die Blattern finden, aber der Stiftsarzt ist natürlich nicht sehr erbaut, ein weibliches Wesen lehren zu müssen.


    Eine wunderbare Geschichte, in einer leider nicht sehr schönen Zeit. Die Blattern sind ausgebrochen und die Menschen werden nur so dahingerafft. Das Stift selbst ist ein Damenstift, in dem sich adelige Damen aufhalten, die keine Heiratsmöglichkeit hatten und daher von zu Hause abgeschoben wurden. Außerdem steht die Auflösung des Stifts bevor und alle hoffen, dies noch abwenden zu können.


    Es ist ein schönes Cover und ein wunderbarer Schreibstil, vor allem die Sprache in der damaligen Zeit ist sehr gut wiedergegeben, wenn sie auch für heutige Verhältnisse sehr geschwollen klingt. Das ganze Umfeld in dieser Zeit ist sehr genau beschrieben und auch die einzelnen Personen sind sehr schön und detailliert dargestellt, auch wenn nicht alle sympathisch sind. Die Zwistigkeiten zwischen dem Äskulap, wie der Stiftsarzt genannt wird, und Helena sind vorprogrammiert, aber auch die anderen Stiftsbewohner haben ihre Probleme.


    Die Schicksale sind mir alle sehr nahe gegangen und bei einigen hätte ich gerne noch mehr Hintergrundinformation gehabt, aber das wäre dann wirklich zu weit gegangen. Die Heilmethode gegen die Blattern wird sehr gut beschrieben und ich kann sie mir daher auch bildlich vorstellen. Sina Beerwald hat sich jedenfalls mit den Details und den Recherchen sehr viel Mühe gegeben und das Fiktive mit dem Geschichtlichen wunderbar verknüpft. Daher lässt sich die Geschichte auch sehr flüssig lesen.


    Mich hat das Buch von der ersten Seite an gefesselt und begeistert, aber ich habe es auch mit einem weinenden Auge geschlossen. Das Nachwort und die Begriffserklärungen enthalten noch sehr viele Informationen und haben mir dadurch einen noch besseren Überblick verschafft. Ein tolles Buch und ich freue mich jetzt schon auf das nächste.


    ASIN/ISBN: 3426217171

  • Hatte Sina aus diesem Buch nicht auch beim Eulentreffen vorgelesen? Oder kriege ich jetzt mal wieder alles völlig durcheinander..... :gruebel


    Im Übrigen, herzlichen Dank für diese sehr interessante Buchvorstellung. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Hatte Sina aus diesem Buch nicht auch beim Eulentreffen vorgelesen? Oder kriege ich jetzt mal wieder alles völlig durcheinander..... :gruebel


    Im Übrigen, herzlichen Dank für diese sehr interessante Buchvorstellung. :wave


    Ja, hat sie :-)

  • Titel: Das Mädchen und der Leibarzt
    Autorin: Sina Beerwald
    Seiten: 464
    Verlag: Heyne
    ISBN; 978345347101-6



    Meine Meinung:


    Helena sucht nach einem Mittel gegen Blattern (Pocken). Sie hat sich schon viele Gedanken gemacht. Nach dem Tod ihrer Eltern und dem Tod ihrer geliebten Großmutter hat sie ihre Gedanken jedoch verworfen.


    Doch wie es zu jener Zeit war, solle Sie ihrem Verlobten Friedemar vielmehr den Haushalt versorgen und Kinder bekommen. Darüber gibt es Streit und sie verlässt fluchtartig das Haus ihrer Großmutter.


    Die Heldin Helena erlebt auf der Flucht einiges. Ich habe ein hochspannendes Buch gelesen, was ich überhaupt nicht weglegen konnte.


    Zwischendrin dürfen wir auch Briefe an die Stiftsbewohnerinnen in altdeutscher Sprache lesen.


    Am Ende erlebte ich einige Überraschungen. Das Buch habe ich sehr genossen.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Helena sieht täglich Menschen in ihrer Familie und in ihrer Umgebung an Blattern sterben. Durch genauere Beobachtungen glaubt sie ein Mittel gefunden zu haben, doch der Tod ihrer Grossmutter macht diese Hoffnung zunichte. Ihre Grossmutter hätte nicht sterben dürfen. Sehr interessant sind die vielen Überlegungen, die zur Idee führen, wie man dieser Krankheit Herr werden könnte.
    Auch das Leben in einem Stift wird ganz realistisch beschrieben und man kann sich genau vorstellen, wie gemein solche Damen werden können, die sich ihr ganzes Leben lang nur langweilen.


    Leider war das Buch für meinen Geschmack zu viel nach dem Schema "Tapferes Mädchen behauptet sich gegen die böse Welt", ich habe mich aber trotzdem gut unterhalten gefühlt, weil es gut geschrieben ist, sich leicht lesen lässt und nie langweilig wurde.

  • Sina Beerwald beschreibt in ihrem Roman das Ende einer Welt. Seit 800 Jahren besteht das Damenstift in Quedlinburg, seit ewigen Zeiten schieben Adlige ihre unverheiratbaren Töchter dorthin ab und können die Damen in einer Welt ohne den Zwang der kirchlichen Gelübde einerseits und ohne den Zwang für einen Mann dasein zu müssen andererseits in Ruhe und Wohlstand leben. Diese Welt ist im Jahre 1802 bedroht durch Napoleons Vordringen und durch die Gier der Fürsten nach dem Gold der Kirche. In Quedlinburg glaubt man aber nicht an die Bedrohung von außen, man hat auch genug zu tun mit einer sehr viel naheliegenderen Bedrohung- den Blattern (Pocken). In dieser Situation kommt die junge Hebamme Helena in das Schloß in Quedlinburg, weil sie der Fürstäbtissin das Leben rettet und soll bei dem Leibarzt der Fürstin in die Lehre gehen. Erst eine promovierte Ärztin gab es zu dieser Zeit, aber der Leibarzt ist ganz Mann seiner Zeit, Frauen sind aufgrund der ihnen mitgegebenen Beschränkungen schlicht nicht in der Lage so etwas verantwortliches zu unternehmen wie die Krone der Schöpfung- eben der Mann. Die Fürstin besteht auf der Ausbildung und der Leibarzt unternimmt alles Helena zu demütigen bis er bemerkt, dass diese eine Entdeckung gemacht hat, wie die Blattern zu bekämpfen, ja zu besiegen seien.


    Sina Beerwald stellt plastisch das Leben im Stift dar, die zickigen adligen Damen, das Personal und der hochmütige Leibarzt, die Bevölkerung des Städchens werden lebendig und in ihren jeweiligen Lebensumständen beschrieben. Die Zeit des Jahres 1802 wird greifbar, die Auswirkungen der großen Politik im fernen Paris auf die kleinen und die gar nicht so großen Leute. Sie zeigt die Zerissenheit auch zwischen Tradition und Moderne, die wissenschaftliche Erkenntnis einerseits und der alte Aberglaube andererseits, Aderlass gegen Hygiene, Amulette gegen Impfung. Dabei verwebt sie die Geschichte und die Geschichten um ihre Protagonisten zu einem dichten Bild, das Buch entwickelt Spannung, einen regelrechten Lesesog und das berühmte Kopfkino stellt sich ein, ein wirklich schönes Buch, das nicht zuletzt reizt Quedlinburg selbst zu besuchen.

  • Sina Beerwald ist es auch in ihrem vierten historischen Roman gelungen, ein farbenprächtiges Bild vergangener Zeiten zu zeichnen. Das beginnende 19. Jahrhundert war sowohl politisch als auch gesellschaftlich vom Umbruch geprägt. Die Protagonistin Helena möchte nach dem Tod ihrer Familie durch die Blattern unbedingt eine Medizin zur Heilung entwickeln. Sie hat auch bereits eine Idee, welcher Stoff helfen würde. Die seinerzeit vorherrschende Meinung über Frauen lässt sie jedoch immer wieder scheitern. Diese gesellschaftliche Stellung hat die Autorin eindringlich geschildert. Den liebevoll gestalteten Charakteren verleiht sie Ecken und Kanten, sodass sie authentisch in ihrem Handeln wirken. Der Leibarzt Äskulap bietet hier aus heutiger Sicht eine unglaublich rüde Plattform, die andersherum auch einige humorvolle Dialoge hervorbringt. Dennoch wirken seine Äußerungen nie überzogen.


    Weitere Themen, die am Rande mit einfließen sind beispielsweise die politische Lage Europas unter den Angriffen Napoleons. Die Fürstäbtissin Sophie Albertine war eine Cousine von Friedrich II, der ihr immer wieder die Auflösung des Damenstiftes wegen finanzieller Unterstützung des Krieges androhte. Das Damenstift bot vielen adeligen Frauen ein Zuhause. Ihre Familien nutzten diese Möglichkeit, eine vielleicht derzeitig schlechte Partie später besser verheiraten zu können, oder eben nicht mehr im direkten Kontakt zu haben. All diese Aspekte werden in diesem Roman zu einem Strang verknüpft, der die historische Zeit näher bringt. Die ausführliche Recherche zu den Themen, die geschickte Mischung von historisch belegten und fiktiven Personen und nicht zuletzt der gewohnt flüssige Schreibstil machen es fast unmöglich, das Buch wieder aus der Hand zu legen.

  • Mal wieder gelingt es Sina Beerwald einen farbenprächtigen historischen Roman so zu schreiben das ich von der ersten Seite an fasziniert bin und sie versteht es mir das Historische nahe zu bringen.


    Helena ist nicht auf den Mund gefallen und rettet der Fürstäbtissin das Leben, dadurch darf Helena Azubi (so nennt man das wohl heute ;-)) beim Leibarzt werden. Dieser macht es Helena nicht leicht und hat so manche fiese Ausbildungsnethode in petto für sie. Wir erfahren wie sich die Damen in einem Stift damals so gefühlt haben und wie sie miteinander oder eher gegeneinander gelebt haben.


    Ich habe mit dem Leibarzt sowie auch mit Helena manches mal geschimpft und kopfschüttelnd vor dem Buch gesessen.


    Das Mädchen und der Leibarzt ist spannend zu lesen man hat am Ende das Gefühl ein paar Freunde zurückgelassen zu haben.


    Vielen Dank auch an Sina die die Leserunde begleitet hat :flowers

  • Ich habe dieses Buch vorhin beendet, und bin begeistert.
    Da es das erste Buch war, das ich von Sina Beerwald gelesen habe, wusste ich nicht, was ich erwarten konnte. Nun, jetzt weiss ich es: Flüssig geschrieben mit farbigen Charakteren konnte ich mich, einmal mit lesen begonnen, kaum noch losreißen.
    Durch den Schreibstil und das Erzähltalent der Autorin konnte ich mir die Umgebung und das Damenstift in Quedlinburg genauso bildhaft vorstellen wie auch den Äskulap oder Aurelia.
    Das war für mich Kopfkino vom Feinsten! :-]


    Das blutrote Parfüm subt noch bei mir, aber wahrscheinlich nicht mehr lange.

  • Wunderbares Kopfkino!


    Mir hat das Mädchen und der Leibatzt gut gefallen, man fühlt sich beim Lesen direkt in das Damenstift versetzt und hat das Gefühl man würde Helena, den Leibarzt und all die anderen Personen persönlich kennen.


    Interessant fand ich die Suche nach einem Gegenmittel gegen die Blattern und besonders gelungen fand ich den Schluss - einfach weil es einige Überraschungen gab!

  • Das Mädchen und der Leibarzt – hinter diesem Titel, der durchaus einen kitschigen Liebesroman vermuten lassen könnte, steckt in Wahrheit ein wunderbarer historischer Roman mit starken Charakteren und einer sehr spannenden Geschichte:


    Helena Fechtner ist Hebamme mit Leib und Seele. Sie strebt aber auch danach, ihr medizinisches Wissen und ihr Talent dafür einzusetzen, ihren Mitmenschen zu helfen und Krankheiten zu heilen. Zudem hat sie sich der Suche nach einem Schutz- und Heilmittel gegen die Blattern (Pocken) verschrieben. Ihrem Lebenstraum kommt sie näher, als sie die Chance bekommt, beim Leibarzt des Damenstifts Quedlinburg in die Lehre zu gehen. Trotz der Anfeindungen des Medicus, der alles andere als begeistert ist, eine Frau auszubilden, verfolgt sie unbeirrt ihr Ziel, welches in greifbarer Nähe scheint. Wird es ihr gelingen, mitten in der schwierigen politischen Situation in der Zeit Napoleons, die auch vor den Toren des Stifts nicht Halt macht und deren Fortbestand bedroht , sich zu behaupten und einen Schutz gegen die Blattern zu finden?


    Sina Beerwald ist es vollends gelungen, durch die sehr lebendig gezeichneten Personen und durch das Einbetten ihrer Geschichte in die historischen Ereignisse, das Jahr 1802 für den Leser wieder aufleben zu lassen. Die Spannung hat sich recht früh aufgebaut und wurde bis zum Schluss aufrecht erhalten. Der sehr realistisch erzählte Roman, abgerundet durch das Nachwort und dem Glossar, hat mich wunderbar unterhalten und ich würde ihn ohne Zögern weiterempfehlen. :bluemchen

  • Quedlinburg im 18. Jahrhundert


    Helena Fechtner, eine junge Hebamme, hat gerade ihre Großmutter durch die Blattern verloren und ihr Verlobter Friedemar will sie jetzt schnellstens heiraten. Da sie nicht bereit ist, immer nur JA zu sagen, flieht sie spontan. Durch einen Unfall lernt sie zufälligerweise die Fürstabtissin kennen. Sie rettet deren Leben und deshalb lädt sie Helena in ihr Stift ein. Da die Fürstäbtissin bemerkt hat, daß das junge Mädchen medizinisch vorgebildet, sehr wissbegierig ist und sie ihr einiges zutraut, schickt sie Helena bei Monsieur Dottore Tobler in die Lehre. Gegen seinen Willen muß er sie unterrichten und sie lernt, genau zu beobachten und dann ihre Schlüsse zur richtigen Behandlungsmethode zu ziehen.


    Da sie Blattern schon zweimal überlebt hat, glaubt sie die richtige Behandlung finden zu können und stürtzt sich voller Eifer in diese schier aussichtlose Aufgabe, die ihr nicht nur Freunde beschert.


    Es wird das Leben der adligen, zickigen, unverheirateten Damen im Stift beschrieben, es wird auch auf die politische Situation eingegangen und es kommt auch die Liebe nicht zu kurz.




    Zuerst möchte ich das ausgesprochen schöne Cover erwähnen, ebenso das erklärende Nachwort und das hilfreiche Glossar. So macht es richtig Spaß loszulegen.


    Auch für ihren 4. Roman hat Sina viel und sehr gut recherchiert. Sie fesselt ihre Leser mit einer spannenden Beschreibung der jungen Helena in dieser turbulenten Zeit. Sie versteht es, dem Leser die Protagonisten und die Schauplätze so vorzustellen und zu beschreiben, daß ein echtes Kopfkino ablaufen kann. Das Finale überrascht dann teilweise doch, aber es war eine für mich eine „runde Sache“.


    Ich war wieder voll begeistert und freue mich auf das nächste Buch!

  • Für mich war „Das Mädchen und der Leibarzt“ der erste Roman, den ich von Sina Beerwald gelesen habe und es wird garantiert nicht mein letztes sein.


    Im Vorfeld habe ich zu diesem Roman die Premierenlesung auf der Quedlinburg mitgemacht und so bin ich beim Lesen von Anfang an in eine Welt getaucht, die mir dank des Weltkulurerbes und der Lesung in den Räumlichkeiten des Stifts von Anfang an vertraut waren. Zum besseren Verständnis halfen mir auch das Nachwort und die Begriffserklärungen für die ich mich hier noch einmal recht herzlich bedanke.


    Auf der Flucht vor ihrem Verlobten Friedemar landet die junge Hebamme Helena Fechtner im Damenstift in Quedlinburg, als sie der dortigen Fürstäbtissin bei einem Unfall hilft. Sie wird dort in die Lehre des Monsieur Dottore Toblers gesteckt, dem das überhaupt nicht recht ist. Sie arbeitet dort an einem Mittel zur Bekämpfung der Blattern und erlebt mit dem Dottore und den adligen, zickigen und teilweise integranten Damen des Stifts so einige interessante Geschichten.


    Flüssig geschrieben, spannend von der ersten Seite an, so dass man zu keiner Zeit das Gefühl hatte, das Buch an die Seite legen zu wollen, hat die Autorin eine handvoll sehr interessanter, vielschichtiger und total unterschiedlicher Charaktere eingeführt, die man entweder von Anfang an gehasst oder geliebt hat. Charaktere, die sich im Laufe des Buches entwickelten und veränderten und so den Ausgang bis zum Schluss offen ließen. Sehr gut gefallen hat mir in diesem Sinne auch die Verwebung historisch tatsächlich gelebter und fiktiver Personen.


    Die farbige und sehr lebhafte Darstellung Quedlinburgs, des Stifts und der Menschen, die dort lebten und arbeiteten, die Verwirrungen, und natürlich die sehr gut recherchierten Gegebenheiten zu jenen Zeiten, die Rolle der Frau, den Blattern und den Versuch sie zu bekämpfen, aber auch der Tätigkeit von Ärzten und Hebammen zu der Zeit, ließen einen Roman entstehen, der einen nicht mehr los ließ. Für mich ein absolut empfehlenswertes Buch.

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    Hörbuch: Peter Beer - Achtsamkeit statt Angst und Panik

    SuB: 318

  • Sina Beerwald schafft es mir ihrem neuen Buch "Das Mädchen und der Leibarzt" wieder mit Leichtigkeit, die Leser zu fesseln und in ihren Bann zu ziehen.
    Die Geschichte um die Hebamme Helena und ihre Versuche, ein Heilmittel gegen die sich ausbreitenden Blatternerkrankungen zu finden, zeichnet sich durch gewohnt sehr gute Recherchearbeit und einen flüssigen, ansprechenden Schreibstil aus.
    Zudem ist es wirklich sehr interessant, vieles über die Lebensweise im Damenstift zu Quedlinburg zu erfahren.
    Die Story folgt ihren eigenen Regeln, es läuft manchmal nicht unbedingt so, wie es sich vielleicht mancher Leser erhofft - aber trotzdem, oder gerade deswegen, überzeugt der Roman und bietet beste Unterhaltungsliteratur mit der Option, sein Wissen in bestimmten Bereichen wie z. B. Blatternerkrankungen zu erweitern.


    Das Buch bekommt von mir 8 von 10 Punkten.

  • Sina Beerwald schafft es erneut, den Leser mit einem wundervoll erzähltem und gut recherchierten Roman in den Bann zu ziehen. In "Das Mädchen und der Leibarzt", ein Titel, der für einen klassischen in-Roman wie gemacht ist, der Geschichte aber nicht gerecht wird, erleben wir wie Helena Fechtner, eine junge Hebamme einen wirksamen und ungefährlichen Wirkstoff gegen die Pocken entdeckt. Sie muss sich dabei gegen die verschiedensten Widerstände durchsetzen, die zwar auch, aber nicht nur von Männern ausgehen. So schlagen ihr Misstrauen, Eifersucht und Gewinnstreben entgegen, sie erfährt aber auch Freundlichkeit, Vertrauen in ihre Fähigkeiten und Liebe.
    Die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, so ist der Leibarzt zwar ein Unsympath, wie er im Buche steht, seine Ausbildungsmethoden machen, wenn auch oft erst auf den zweiten Blick, Sinn. Helena ist ein vielschichtige Persönlichkeit, ihre Entwicklung ist nachvollziehbar. Auch die Nebenfiguren sind farbig gestaltet, vor allem Ernestine und der Diener Borghinio hatten es mir angetan. Die Handlung spielt überwiegend in Quedlinburg, das mit viel Liebe zum Detail geschildert, vor meinem inneren Auge entstanden ist. Die Geschichte ist spannend und mit schöner Sprache erzählt und hat mich den Roman kaum mehr aus der Hand legen lassen.

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Die junge Hebamme Helena ist von dem Gedanken besessen, ein Heilmittel gegen die Schwarzen Blattern" (gefährlichste Form der Pocken) zu finden, nachdem im Laufe der letzten Jahre ihre gesamte Familie dieser Seuche zum Opfer fiel. Als ihr Verlobter, der Sohn eines Arztes, sich von ihren "frauenuntypischen" Ambitionen nicht begeistert zeigt, läuft sie ihm davon und gerät eher zufällig in das Quedlinburger Damenstift, wo sie bei dem dortigen Leibarzt der Fürstäbtissin in die Lehre gegen darf. Obwohl ihr Lehrmeister sich eher durch penetrante Arroganz und Geldgier als durch Kompetenz auszeichnet und außerdem im Damenstift Zickerein und Intrigen den Alltag der dorthin abgeschobenen adeligen Fräulein bestimmen, versucht Helena unbeirrt, ihren Lebenstraum zu verwirklichen...


    Mir ging dieser Roman zu sehr in die Richtung der gängigen historischen Romane mit Schwarz-Weiß-Malerei der Charaktere, die entweder sehr sympathisch und selbstlos oder egoistisch, rücksichtslos und intrigant ausfallen. Der Handlungsverlauf erschien mir stellenweise widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, bzw. glaubwürdig.
    Dennoch bot mir das in einem flüssigen Sprachstil verfasste Buch kurzweilige Unterhaltung zu einer interessanten medizinhistorischen Thematik und regte mich auch zu weiteren Recherchen zum Thema "Schwarze Blattern" an. Die Autorin hat offensichtlich hierzu selbst sehr gründlich recherchiert.
    Gut gefallen haben mir auch das historische Nachwort und das Glossar.


    Insgesamt vergebe ich 7 Punkte und würde "Das Mädchen und der Leibarzt" Lesern empfehlen, die Wert auf gepflegte Unterhaltung ohne vulgäre Szenen (wie sie in vielen anderen Romanen des Genres leider zu beklagen sind) legen und dabei im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit auch mal ein Auge zudrücken können.