Bettina Wulff - Jenseits des Protokolls

  • Zitat

    Original von maikaefer
    ... @ 2 unwissende Herren: Bobby Henderson: Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters :lache :wave


    Auch wenn das nun mit Wulffs Buch nichts mehr zu tun hat:
    Dieser ganze herrliche Spaghettireligionsquatsch ist doch tatsächlich komplett an mir vorbeigegangen. :cry
    maikaefer, ich bin begeistert über deinen Link zu diesem dreieinhalb Jahre alten Thread! Büchereule live und in Höchstform, diese Diskussion! Und, wie man schnell merkt, gerade heute (siehe Mohammed-Schmähfilm-Unruhen) wieder so aktuell wie selten zuvor. Und wie schön, die wohlbekannten "Schlachtrösser" der Eulen-Gegenwart schon damals in verbissenem Kampfe zu erleben. Eine unterhaltsame Stunde war das eben! :lache

  • Das Hörbuch wird übrigens schon für 9,95 € vom früheren Arbeitgeber, dem Drogeriediscounter aus Großburgwedel, angeboten.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Eine "liebe Eule" (:grin) hat mir vor einigen Tagen dieses Buch zukommen lassen, und aus purem Voyeurismus habe ich es inzwischen gelesen. Vor allem hatte mich interessiert, wie das wohl ist, wenn man für eine Zeitlang die Rolle der "Ehefrau des Bundespräsidenten" übernimmt. Die Vorwürfe und Gerüchte haben mich weniger interessiert, in der Hinsicht hat das Buch eh sein Verfallsdatum schon überschritten, ich wollte einfach mal wissen, wie das ist, wenn man sich in so einer Rolle wiederfindet. Es würde mich allerdings mehr interessieren, wie das ist, wenn man in das englische Königshaus einheiratet. Das hier ist Königs für Arme.


    Wenn ich das Buch in der Buchhandlung aufgeschlagen hätte, hätte ich es wohl wieder beiseite gelegt. Die erste Kapitelüberschrift "Mama, habt Ihr gelogen?" rief gleich ein leichtes Übelkeitsgefühl hervor, ein Gefühl, dass da jemand mit meinem Emotionen spielen will und gleich im ersten Satz die Kinderkarte auspielt. Die ersten drei Kapitel haben mich hochgradig genervt, es fiel mir auch insbesondere schwer, mich auf den Schreibstil einzulassen. Sprachlich ist es eher schlicht, so als hätte die Autorin mal eben laut gedacht und dies dann genauso, wie es ihr in den Kopf kommt, zu Papier gebracht. Die Sätze sind relativ kurz, die Verwendung des Genitivs wird eh überbewertet, oft fangen zwei aufeinander folgende Sätze mit demselben Wort an ("Überdies.... Überdies... "). Gerne schiebt sie auch noch mal ein "Apropos" ein ("Apropos: Journalisten...") und stellt (rhetorische) Fragen, die sie selbst beantwortet. Das Ganze liest sich, als habe sie ein eher schlichtes Gemüt, und ich könnte nicht sagen, ob das wirklich so ist, ob sie es wirklich nicht besser kann, oder ob der eher einfache Stil pure Berechnung ist, um einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen, oder eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen, und welche Interpretation schmeichelhafter wäre. Das Buch wurde von "Bettina Wulff mit Nicole Maibaum" geschrieben, vielleicht wurde sie auch von ihrer Lektorin (oder Ghostwriterin, ich weiss nicht, welche Rolle Nicole Maibaum hier gespielt hat) überzeugt, es so zu schreiben. Aber ich hätte mich dagegen gewehrt, ein Buch in diesem Stil unter meinem Namen zu veröffentlichen.


    Im Buch arbeitet sie kapitelweise Themen ab, die irgendwann mal in den Schlagzeilen waren und versucht, ihre Sichtweise darzustellen. Und ich widerspreche Magali, ich fand doch, dass es Gejammere ist. In den ersten drei Kapiteln geht es um ihre Männer vor Christian Wulff, darum, wie sie Christian Wulff kennengelernt hat und um "das Haus" in Großburgwedel. Als sie die genauen Bezüge ihres Mannes als Ministerpräsident eines Bundeslandes, Abgeordnetem des Landtags und Mitglied des VW-Aufsichtsrats und das was nach Steuern und Unterhalt noch übrigbleibt, genau aufgelistet hat, und auch später, wenn sie erzählt, was etwas gekostet hat und welche Kredite sie aufnehmen, hab ich mich schon fast fremdgeschämt.


    Christian Wulff selbst kommt als profilloser, die eigenen Gefühle unterdrückender Langweiler rüber, sie schreibt mehrfach von Liebe, man fühlt es aber nicht so richtig. Man erfährt im Grunde nichts über ihn oder seiner Arbeit als Bundespräsident, es sei denn, die bestand nur aus beliebigen Reisen und Banquetten und seinem einen Satz über den Islam. Das war vielleicht wirklich so, mehr ist mir auch nicht im Kopf hängengeblieben aus seiner Amtszeit. Es ist aber ja auch kein Buch über ihn, das soll also keine Kritik sein.


    Interessanter fand ich die Kapitel ab der Wahl ihres Mannes zum Bundespräsidenten und ihrer Zeit in Berlin. Es blieb zwar sehr oberflächlich, aber mein erwähnter Voyeurismus wurde zumindest ansatzweise befriedigt. Als Frau des Bundespräsidenten hat man offenbar sein eigenes Berufsleben komplett an den Nagel zu hängen und darf dann ohne Bezahlung, komplett fremdbestimmt, für gemeinsame Termine mit dem Bundespräsidenten oder auch eigene Termine rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Das war für mich nicht unbedingt neu, wurde mir durch das Buch aber noch mal ins Bewusstsein gebracht und mich beschäftigt derzeit die Frage, wie es denn wohl wäre, wenn eine zukünftige Bundespräsidentin oder ein zukünftiger Bundespräsident einen männlichen Partner mitbringt, der keine Lust hat, mit Michelle Obama oder Königin Maxima über vom Bundespräsidialamt vorgegebene Themen zu plaudern, Hände zu schütteln und zu lächeln, während der Gatte den Bundespräsidenten spielt. Dass man dies von der First Lady selbstverständlich erwartet, so stellt es Frau Wulff zumindest dar, kommt mir ziemlich sexistisch vor, und ich würde es spannend finden, wenn eine zukünfige Partnerin des Bundespräsidenten dieses mal ablehnen würde. Herr Sauer macht das ja auch nicht.


    Der Job des Bundespräsidenten scheint mir nach Lektüre dieses Buches einer zu sein, für den man keine besondere Qualifikation braucht. Ein Jurist kann ihn ausüben, ein Theologe auch, ist im Grunde egal, vermutlich wäre es aber besser, eine gewisse Freude am Repräsentieren zu haben, und ich hatte nach der Lektüre des Buches den Eindruck, dass dieses weder bei Herrn noch bei Frau Wulff der Fall war.


    Der letzte Teil, in dem es um die Vorwürfe, die Gerüchte und die Rolle der Medien ging, hat mir dann wieder weniger gefallen. In diesem Teil beschreibt Bettina Wulff mehr oder weniger, wie sie und ihr Mann etwas gemacht haben, ohne groß darüber nachzudenken (nach dem Motto: "Hätten Sie das nicht auch so gemacht? Zugegeben, im Nachhinnein sah das echt blöd aus, und wir hätte es vielleicht gleich anders machen sollen, aber hey, wir haben uns echt ganz ehrlich überhaupt nichts dabei gedacht, und das war ja auch alles so schwierig für uns"). Der ganze Teil ist in einem leicht empörten Ton geschrieben, mein Mitleid hält sich in Grenzen. Meiner Meinung nach, hätte sie das Buch lieber lassen sollen, denn wer sich rechtfertigt, hat schon verloren. Und ich hätte ehrlich gesagt auch jegliche Aussagen über die Befindlichkeiten meiner Kinder komplett rausgelassen und nicht alle drei Seiten ihre Namen ins Spiel gebracht. Als Rechtfertigung funktioniert es nicht, als Gegendarstellung nicht, authentisch wirkt es auf mich nicht, und gute Werbung für sie ist es auch nicht.


    Ich gebe 5 von 10 Eulenpunkten, weil es sich relativ fluffig weg las und mich eineinhalb Abende unterhalten hat, wobei ich teilweise das Gefühl hatte, an einem Unfall vorbeizufahren und nicht wegschauen zu können.


    [Edit: fehlendes Wort]