'Herr der Fliegen' - Seiten 217 - 281

  • Zitat

    Original von xexos


    Da bin ich mir nicht ganz so sicher, wenn die äußeren Umstände nur extrem genug sind. Guck Dir die Nazizeit, die Sowjetunion unter Stalin, Serbien unter Milosevic, viele afrikanische Staaten und aktuell z. B Nordkorea an. Da waren und sind die Guten alle weit in der Minderheit. Werden sie nicht aus Überzeugung oder Blutrausch zum Täter, dann spätestens aus Angst ums eigene Leben wie Samneric.


    Die wirklich Boesen und auch die Helden sind eigentlich immer in der Minderheit. Mitlaeufer gibt es dagegen immer wieder wie Sand am Meer, und dadurch gewinnt das Boese leider sehr schnell die Oberhand.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Zitat

    Original von xexos


    Da bin ich mir nicht ganz so sicher, wenn die äußeren Umstände nur extrem genug sind. Guck Dir die Nazizeit, die Sowjetunion unter Stalin, Serbien unter Milosevic, viele afrikanische Staaten und aktuell z. B Nordkorea an. Da waren und sind die Guten alle weit in der Minderheit. Werden sie nicht aus Überzeugung oder Blutrausch zum Täter, dann spätestens aus Angst ums eigene Leben wie Samneric.


    Sehe ich auch so: Sag niemals nie!
    Ich denke, dass man wirklich nicht vorhersehen kann, wie man selber in Extremsituationen reagieren würde, zumal wenn sie über so lange Zeit bestehen und es wirklich um Leib und Leben geht.

    Mir hat mal ein Mitstudent, von dem alle glaubten, dass er Zuträger/Mitarbeiter der Stasi ist, die Frage gestellt, was ich tun würde, wenn Einer mein Kind töten will und meine einzige Möglichkeit, ihn irgendwie noch aufzuhalten, das Gewehr in meiner Hand ist, also ihn zu töten (Das war eine Diskussion über Religion, Gewaltlosigkeit etc.). Daran denke ich noch heute!

  • Ich finde als Wessi die Frage auch spannend, auf welcher Seite ich im System der DDR gelandet wäre. Die Antwort kann ich aber nie finden, wenn ich dabei gedanklich auf meinem weichen Sofa in Hannover bleibe. Dazu muss ich mich dann auch schon in jahrelange politische Agitation reinfühlen. Und die Vorstellung an die Unendlichkeit des Systems ist dabei auch sehr wichtig und entscheidend.

  • Das mit dem Gedanken an die Unendlichkeit des Systems ist sehr treffend gesagt. Ich weiß auch nicht, was aus mir noch geworden wäre. Wahrscheinlich hätten sie mich nicht in Ruhe gelassen, wenn ich weiter studiert hätte...Aber das kann keiner wissen...

  • Den Wiki-Artikel fand ich auch recht interessant.
    Mh, jetzt habe ich das Buch auch durch, bin aber nicht so sicher, was ich davon halten soll. :gruebel Einerseits hat es mir gefallen, andererseits haben mich manche Dinge gestört und die Geschichte ansich empfinde ich als erschreckend und bedrückend. Spannend entwickelt, aber das Ende fast unbefriedigend. Ich hatte auch irgendwie große Sympathie zu Simon entwickelt und da hat mich die Entwicklung dann sehr berührt.

  • Das muss ich zugeben, da gab es in der Vergangenheit natürlich genügend negative Beispiele. Und eigentlich reicht schon ein Blick auf die aktuelle Weltkarte...


    Sind dann Empathie und ein Sinn für Gerechtigkeit nur antrainiert? Oder können sie nur in Abwesenheit von Angst erlebt werden?


    Ich finde, es gibt einen großen Unterschied zwischen Samneric, deren Verhalten für mich völlig nachvollziehbar ist, und den Kindern, die scheinbar der Mord an einem anderen völlig kalt lässt. Genauso wie es etwas völlig anderes ist, ob ich ein Gewehr in die Hand nehme, weil ich mein Kind retten will oder ob ich so eine extreme Ideologie tatsächlich aus Überzeugung unterstütze. Samneric erleben ja Mitgefühl mit Ralph und wissen, was gerecht ist. Das ist für mich entscheidender als das Verhalten. Was ich nicht begreife ist, wie man dieses innere Wissen völlig ausschalten kann. Wenn tatsächlich die meisten Kinder wie Samneric wären, was ich mir gut vorstellen kann, dann wäre wohl ein gewisser Punkt nicht überschritten worden.


    Und was unterscheidet eigentlich Ralph, Samneric und Piggy von den anderen? Sind sie intelligenter, vernünftiger oder haben sie irgendwie mehr Charakterstärke? Haben sie im Leben davor andere Erfahrungen gemacht? Oder ist es der Glaube an Rettung - also der Glaube an die Endlichkeit des Systems?


    Da so wenig Hintergrundinformationen gegeben werden, wurden diese Fragen vermutlich bewusst offen gelassen...

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

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    Original von -Christine-
    Weiß jemand, in welcher Klasse das Buch gelesen wird ? Die kids müßten ja dafür schon etwas älter sein, oder ?


    Vor G8 in der 12, wie es jetzt aussieht müsste ich mal im Kernlehrplan nachgucken, wahrscheinlich aber in der 11. :wave

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    Original von Sonnschein
    Also ich habe es zwar nicht in der Schule gelesen, aber ich würde jetzt mal eher auf 9./10. Klasse tippen, denn alles darunter wäre wirklich zu früh :yikes


    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf


    Vor G8 in der 12, wie es jetzt aussieht müsste ich mal im Kernlehrplan nachgucken, wahrscheinlich aber in der 11. :wave


    Ich denke auch, daß das Buch für jüngere Kinder nicht so wirklich geeignet ist. Es gibt da ja doch die ein oder andere brutale Stelle.

  • Zum Ende hin war das nochmal richtig gruselig. Die Jungen waren ja in einem Zustand, den man "Wahnsinn" nennen könnte. Es war wie eine Art Blutrausch, wobei es ja eigentlich nur zwei Drahtzieher gab, die alle anderen mitgerissen haben, manche auch unfreiwillig. Dass das Feuer dann bemerkt wurde, als sie quasi die ganze Insel in Brand gesteckt hatten, macht die Sache ziemlich grotesk.
    Der Roman gibt gewaltig viel Stoff zum Nachdenken, denn die eigentliche Geschichte ist nur die Oberfläche von dem, was der Autor mit diesem vielschichtigen Werk ausdrücken wollte.


    Ich denke aber, es lohnt sich hier wirklich, das englische Original zu lesen, denn ich bin immer wieder über sehr seltsame Ausdrücke und Sätze gestolpert, die irgendwie nicht gepasst haben, beispielsweise: "der Rauch ist all" oder "der Ast ist all" ?(
    Eine Bemerkung, für die mir die bildliche Vorstellungskraft absolut fehlte:
    "Ralph ließ seine geschwollene Backe wieder über das Auge zurückklappen"
    :gruebel wie soll das den gehen?

  • Ich bin wieder einmal so froh über diese Anregung der Querbeet-Gruppe. :anbet


    Heute morgen habe ich das Buch beendet und es lässt mich nicht los.
    Gestern Abend war ich bei einem Konzert und gleich am Anfang brachte der Sänger ein Zitat von Jorge Bucay:

    Zitat

    "Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen - Erwachsenen, damit sie aufwachen."


    Das letzte Kapitel mit Ralphs Todesangst hat Golding sehr eindrücklich geschrieben, ich hatte beim Lesen Schweißperlen auf der Stirn.


    Ich stimme mit xexos überein, dass mir die rohe Gewalt in Roger abgestoßen hat. Zugleich tauchte das Gefühl auf, dass ihm alles zuzutrauen ist. Ein erfolgreicher Diktator braucht auch immer Leute, die die Gewalt ausführen, um so besser, wenn er jemanden findet, der "den Stein der Gewalt ins Rollen bringt." Ich bin mir nicht sicher, ob Jack so weit gegangen wäre.
    Das Töten mit den Felsbrocken stellt nochmal eine neue Dimension dar, es ist aus der Distanz, der Täter verliert den Augenkontakt zum Opfer. Ich denke, die Hemmschwelle sinkt immer weiter.


    Eine weitere grausame Stelle fand ich die, an der Jack Samneric fesseln lässt. Seine Anhänger erkennen, dass die beiden anders sind und das allein genügt, um sich an ihnen zu vergreifen.
    Oder auch Ralphs Frage, als er die beiden im Dickicht trifft, was er denn gemacht habe, er wollte doch nur Rettung holen. Was für eine Ohnmacht wird da deutlich!


    Erschrecken fand ich auch, dass die Wilen überhaupt nicht mehr an die Zukunft gedacht haben, sondern nur noch im Kampf gelebt haben. Das Anzünden der Insel und damit das Vernichten sämtlicher Nahrung und auch der Ressouercen wie Holz, wichtige Schattenspender etc. gerät vollkommen in Vergessenheit.


    Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    Ralph ist nach den Ereignissen um Simon fertig und will nur noch nach Hause. Dabei scheint er Probleme mit seinem Gedächtnis zu bekommen, denn er vergisst immer mehr Dinge. Piggy ist ein Rückhalt geworden, auf den er sich stützen kann.
    Bei der Jägergruppe verfallen immer mehr Strukturen und sie holen sich Piggys Brille in einer Nacht und Nebel Aktion. Damit hatte ich schon eher gerechnet, wer die Brille hat, hat auch Macht über das Feuer.


    :write
    Ich würde es noch ergänzen und sagen, dass dahinter auch die Lust an der Demütigung steckt. Die Brille ist auch ein Symbol für Piggys Intellekt. Er ist immer wieder derjenige, der Ralph das Ziel der Reden einflüstert, das er immer wieder zu vergessen scheint.
    Der Verlust der Brille ist der Verlust eines ganz großen Stückes der Macht auf Seiten der Feuer-Macher.


    Zitat

    Original von xexos
    Ja, gibt es keine Regeln, werden die Menschen wieder zu wilden Tieren. Ich meinte ja auch schon eingangs, dass sich da ein recht düsteres Menschenbild Goldings zeigt.


    Das kann ich so nicht unterschreiben. Das würde ja implizieren, dass der Mensch ein willenloses Wesen ist, eine Marionette des Bösen.
    Ist es nicht auch so, dass Ralph und seine Anhänger am Anfang ziemlich passiv, ja fast bequem sind? Ralph als gewählter Anführer meckert zwar, dass er alles alleine macht, aber er hätte auch Anreize schaffen können.
    Ein friedlicher Sinn hätte vielleicht die Verrohung in diesem Ausmaß verhindern können.



    Ich fand das auch nicht vorhersehbar. Nach dem Tod Simons hätte ich mir alles vorstellen können. Sowohl dass sie mit dem Morden aufhören und zur Besinnung kommen als auch dass sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen.
    Schade, ein Vorwort sollte doch die Spannung erhalten. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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  • Zitat

    Original von Regenfisch



    Das kann ich so nicht unterschreiben. Das würde ja implizieren, dass der Mensch ein willenloses Wesen ist, eine Marionette des Bösen.


    Aber es ist vielleicht so, dass Menschen es überhaupt nur schwer aushalten, wenn es keine Regeln gibt. Denn beide Gruppen führen ja sofort solche Strukturen ein. Es ist z.B. von Anfang an allen klar, dass es einen Anführer geben muss. Und dann installieren die einen die Muschel und die anderen den merkwürdigen Tanz als Rituale.

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

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    Original von Regenfisch


    Ist es nicht auch so, dass Ralph und seine Anhänger am Anfang ziemlich passiv, ja fast bequem sind? Ralph als gewählter Anführer meckert zwar, dass er alles alleine macht, aber er hätte auch Anreize schaffen können.
    Ein friedlicher Sinn hätte vielleicht die Verrohung in diesem Ausmaß verhindern können.


    Die Idee mit den Anreizen finde ich total interessant. Ich denke auch, dass das besser funktioniert hätte.
    Irgendwie sind alle Kinder ziemlich in sich gefangen und treten kaum wirklich in Kontakt miteinander. Jeder macht sein eigenes Ding und anstatt sich auszutauschen und zu ergänzen, versucht jeder seine eigenen Ideen stur als die einzig richtige darzustellen.
    Eigentlich ist der Konflikt ja absurd. Ok, die eine Seite will Schweine jagen und die andere will, dass das Feuer brennt. Aber nach der Schweinejagd braucht man das Feuer ja sowieso. Eigentlich haben also beide Seiten Interesse daran, dass das Feuer weiter brennt und keiner hat etwas dagegen, Fleisch zu essen.
    Mit etwas mehr Offenheit füreinander hätte man sicher eine Lösung finden können.

    It’s not enough for the phrases to be good; what you make with them ought to be good too. - Aldous Huxley

  • Ich habe darüber noch einmal nachgedacht, warum so viele sich Jack anschließen.
    Er bietet eine gewisse Ordnung und Rituale an: die Bemalung, die Tänze, den Schlachtruf, ein Maskottchen, einen Rückzugsort , er organisiert die Truppe, verteilt Rollen...
    Das ist etwas, an dem man sich festhalten kann, eher als an der (einzig richtigen) Hoffnung auf Rettung.


    Übrigens: Mir geht die "Rettung" der Kinder nicht aus dem Kopf. Zunächst dachte ich, dass sie endlich wieder in die Zivilisation, in geordnete Verhältnisse kommen.
    Jetzt finde ich, das ist ein Trugschluss. Sie kommen aus dem Krieg, sie gehen in den Krieg. Vielleicht war die überschaubare Welt auf der Insel doch besser und sicherer.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    Das kann ich so nicht unterschreiben. Das würde ja implizieren, dass der Mensch ein willenloses Wesen ist, eine Marionette des Bösen.


    Mein Menschenbild ist das auch nicht, sondern meiner Meinung nach das von Golding. Wie schon mal angemerkt: Geschrieben wurde das Buch 1954, also nur einige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs.

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    Original von xexos


    Mein Menschenbild ist das auch nicht, sondern meiner Meinung nach das von Golding. Wie schon mal angemerkt: Geschrieben wurde das Buch 1954, also nur einige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs.


    Das habe ich auch so verstanden. :wave
    Trotzdem teile ich Goldings Auffassung nicht, wenn ich sie auch nachvollziehen kann.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

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    Original von Regenfisch
    Ich habe darüber noch einmal nachgedacht, warum so viele sich Jack anschließen.
    Er bietet eine gewisse Ordnung und Rituale an: die Bemalung, die Tänze, den Schlachtruf, ein Maskottchen, einen Rückzugsort , er organisiert die Truppe, verteilt Rollen...


    Da sehe ich ja auch die Parallelen: SA, SS, HJ, BdM. Die totalitäre Ordnung schuf eine vermeintliche Sicherheit und bot auch Aufstiegsmöglichkeiten.

  • Zitat

    Original von xexos


    Da sehe ich ja auch die Parallelen: SA, SS, HJ, BdM. Die totalitäre Ordnung schuf eine vermeintliche Sicherheit und bot auch Aufstiegsmöglichkeiten.


    :write

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch


    :write


    Nachdem nun etwas Zeit nach beenden des Buches verstrichen ist und ich mir nochmal so meine Gedanken darüber gemacht hab, kann ich das auch voll und ganz :write.

  • Dieser Abschnitt hat mich wirklich schockiert. Es herrscht eine hohe Gewaltbereitschaft und es fallen alle Hemmungen. Ich dachte schon, die Geschichte überlebt Ralph nicht. Die Kinder wurden genau zur richtigen Zeit gefunden.


    Zitat

    Original von Klusi:


    Eine Bemerkung, für die mir die bildliche Vorstellungskraft absolut fehlte:
    "Ralph ließ seine geschwollene Backe wieder über das Auge zurückklappen"
    wie soll das den gehen?


    Das habe ich mich auch gefragt. :gruebel :lache


    Ich habe nicht so ganz verstanden, warum Ralph immer häufiger vergisst, was er eigentlich sagen wollte. :gruebel