Plauderecke (vormals "Autorenknigge")

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann


    Wenn du etwas von einem freien Künstler kaufst, dann kaufst du nicht einfach nur ein Bild oder einen Roman oder einen Song. Sondern Du kaufst Hunderte Stunden Experimentiererei, Tausende Stunden voller Misserfolg. Du kaufst Tage, Wochen, Monate, Jahre der Frustration und Momente der puren Freude. Du kaufst Nächte, erfüllt von der Angst, die Miete nicht mehr bezahlen zu können, nicht genug mehr bezahlen zu können, nicht genug Geld zu haben, um sich Essen zu kaufen oder die eigenen Kinder, den Vogel, den Hund zu ernähren. Du kaufst nicht nur ein Ding, Du kaufst ein Stück Herz, ein Stück Seele, einen intimen Moment aus dem Leben von jemandem. Rebekah Joy Plett


    Wenn daran auch nur ein bisschen Wahrheit ist (und wir wissen das!), dann kann ich einfach niemandem diese scheinbare Abgeklärtheit glauben, mit der er / sie die öffentliche Kritik eines Kollegen angeblich wegstecken würde. Es sei denn, es steckte kein Herzblut in der Arbeit, alles wäre nur mal eben ganz leidenschaftslos so runtergeschrieben. Aber wer macht das schon?


    Nun ja, es gibt da eben unterschiedliche Möglichkeiten, wenn ein Kollege mein Buch für sich negativ bewertet:


    - Ich habe handwerkliche Fehler gemacht.
    Joa, kann passieren, muss ich dann schlucken. Kann ich auch. Dann sag ich: Scheiße,der hat echt recht - und gut ist.


    - Der Kollege unterstellt mir handwerkliche Fehler, die ich nicht als solche betrachte, weil ich mir etwas dabei gedacht habe.
    Kommt häufiger vor, manchmal erkenne ich zwei Jahre später: Der Kollege hatte recht. Manchmal erkennt der Kollege, dass ich recht hatte.


    - Dem Kollegen gefällt mein Buch schlichtweg nicht, es trifft nicht seinen Geschmack.
    Damit kann ich wirklich hervorragend leben, es ist für mich trotz vieler Arbeit und dem vielzitierten Herzblut ganz selbstverständlich, dass wir Menschen unterschiedliche Dinge mögen und andere eben nicht.


    Mich tangiert das wirklich nicht mehr, als käme die Rezi von einem x-beliebigen Leser. Gefühlt sogar eher etwas weniger, ich schreibe ja nicht, um kritische Kollegen zu beeindrucken, sondern für meine Leser.
    Das Bitterste ist in meinen Augen ein unzufriedener Stammleser.

  • Da ich mein Geld hauptsächlich mit Filmkritiken (seltener auch Bildende Kunst) verdiene, bin ich nicht scharf darauf auch noch in meiner Freizeit Kritiken zu verfassen.


    Doch falls ich das tue, zum Beispiel weil mir Kollegen Rezensionsexemplare zukommen lassen, dann äußere ich meine Ideen / Auffassungen zu dem Buch auch eher in einer privaten Mail an den Kollegen, die Kollegin, als sie irgendwo öffentlich sichtbar zu machen.


    Nicht jeden potenziellen Leser / Käufer interessieren auch interne technische Details, die in einem Austausch unter Kollegen allerdings schon mal eine größere Rolle spielen können.


    Dennoch sehe ich auch keinen Grund weshalb andere Kollegen, die eher offener und öffentlicher mit ihrer Kritik an den Werken ihrer Kollegen umgehen, sich da aus falsch verstandener kollegialer Rücksicht irgendwie zurücknehmen sollten.


    Jeder von uns pflegt ja doch seinen ganz persönlichen Stil und bastelt an seinem ganz eigenen zu ihm passenden öffentlichen Image, wer also meint das eine Tätigkeit als Kritiker zu ihm und seinem Bild in der Öffentlichkeit passt – nur zu…


    Zitat Tom:


    „Der Vergleich beispielsweise mit Medizinern hinkt gewaltig. Öffentliche Kollegenschelte ist da Gang und Gäbe, vor allem, wenn es um neue Therapiemöglichkeiten geht, die der eine entdeckt hat und die der andere (deshalb) ablehnt.“


    Das finde ich ziemlich gewagt (mit Verlaub, Herr Kollege) …meiner persönlichen Erfahrung nach zählen gerade die Mediziner zu denen die in einem (zuweilen falsch verstandenen) Berufskodex folgend sehr, sehr zurückhaltend in öffentlicher Kritik / Kollegenschelte sind. Ausnahmen sind jene Menschen, die mit ihrer Kritik die eigenen Sachbücher verkaufen wollen – aber das fällt für mich dann eher unter den Punkt „Marketing“.



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  • Kritik schmerzt immer, da hat Dieter recht. Man kann noch so dickfellig, sogar tendenzabgefuckt sein, und trotzdem tut es weh, wenn jemand mitteilt, jenes Werk, an dem man monate-, manchmal jahrelang gearbeitet hat, so richtig, richtig scheiße zu finden. Andersherum wäre es auch sehr merkwürdig, und ich glaube jenen Kollegen, die das Gegenteil behaupten, wenig bis überhaupt nicht. Wer schreibt, entleibt sich, und das ist umso härter, da man dem Buch, während es gelesen wird, nicht zur Seite springen kann, um ihm dabei zu helfen, bei jedem einzelnen Leser perfekt anzukommen. Kommt jene vernichtende Kritik dann auch noch von einem Kollegen, also von jemandem, der vermeintlich intime Kenntnisse darüber hat, warum man genau gescheitert ist, mag dieser Schmerz noch intensiver ausfallen. An die Substanz geht es, wenn das negative Urteil durch jemandem gefällt wird, mit dem man befreundet ist. Das kann durchaus existentielle Krisen auslösen. Zumal ja viele Schriftsteller, und seien sie noch so erfolgreich, permanent mit der Angst leben, als Bluffer entlarvt zu werden.


    Das alles hat aber mit der Ausgangsfrage nichts zu tun, auf die es m.E. ohnehin nur persönliche und eben keine allgemeinen Antworten gibt. Wer sich als Schriftsteller über andere Schriftsteller kritisch äußert, wobei "kritisch" an dieser Stelle wertfrei gemeint ist (also positiv wie negativ), muss das in erster Linie mit sich selbst ausmachen. Wer mir vorschreiben will, wie ich mich zu verhalten habe, und dann auch noch meine Profession betreffend, verhält sich anmaßend. Er hat nicht die nötigen Kenntnisse über mich und damit nicht das Recht, solche Vorschriften zu erlassen. Und also diese persönliche Frage auch nicht für mich zu beantworten. Punkt.

  • Aber natürlich hat Tom Recht, wenn er schreibt, es sei eine persönliche Entscheidung. In der Diskussion haben wir gesehen, dass es gute Gründe pro Für & Wider gibt. Keineswegs war beabsichtigt, hier so etwas wie eine Guideline herauszuarbeiten.


    Und natürlich schmerzt Kritik immer. Umso mehr, wenn sie von einem (hochgeachteten) Kollegen kommt (vgl. Kleist/Goethe). Dennoch glaube ich, dass Kritik, ganz besonders die ehrliche Kritik unter Autoren, ein wunderbares Geschenk sein kann.

  • Zitat

    Original von Tom
    Kritik schmerzt immer, da hat Dieter recht. Man kann noch so dickfellig, sogar tendenzabgefuckt sein, und trotzdem tut es weh, wenn jemand mitteilt, jenes Werk, an dem man monate-, manchmal jahrelang gearbeitet hat, so richtig, richtig scheiße zu finden. Andersherum wäre es auch sehr merkwürdig, und ich glaube jenen Kollegen, die das Gegenteil behaupten, wenig bis überhaupt nicht. Wer schreibt, entleibt sich, und das ist umso härter, da man dem Buch, während es gelesen wird, nicht zur Seite springen kann, um ihm dabei zu helfen, bei jedem einzelnen Leser perfekt anzukommen. Kommt jene vernichtende Kritik dann auch noch von einem Kollegen, also von jemandem, der vermeintlich intime Kenntnisse darüber hat, warum man genau gescheitert ist, mag dieser Schmerz noch intensiver ausfallen. An die Substanz geht es, wenn das negative Urteil durch jemandem gefällt wird, mit dem man befreundet ist. Das kann durchaus existentielle Krisen auslösen. Zumal ja viele Schriftsteller, und seien sie noch so erfolgreich, permanent mit der Angst leben, als Bluffer entlarvt zu werden.


    Das alles hat aber mit der Ausgangsfrage nichts zu tun, auf die es m.E. ohnehin nur persönliche und eben keine allgemeinen Antworten gibt. Wer sich als Schriftsteller über andere Schriftsteller kritisch äußert, wobei "kritisch" an dieser Stelle wertfrei gemeint ist (also positiv wie negativ), muss das in erster Linie mit sich selbst ausmachen. Wer mir vorschreiben will, wie ich mich zu verhalten habe, und dann auch noch meine Profession betreffend, verhält sich anmaßend. Er hat nicht die nötigen Kenntnisse über mich und damit nicht das Recht, solche Vorschriften zu erlassen. Und also diese persönliche Frage auch nicht für mich zu beantworten. Punkt.




    Ich würde ja jetzt noch nicht ganz die "existenziellen Kriesen" unterschreiben, aber der Rest von Toma Beitrag trifft im Großen und Ganzen auch meine persönliche Ansicht zum Thema.




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  • Hallo,


    ich kann Toms Beitrag voll und ganz unterschreiben.


    Was nun "Kritik als Geschenk" betrifft, so stimme ich zu, Kritik kann sehr hilfreich sein. Aber wenn mich jemand mit hehren Absicht, mir helfen zu wollen, kritisieren möchte, fände ich es ganz nett, wenn er vorher bei mir anfragt, ob ich Interesse an seiner Meinung habe.
    Soweit ich die Kleist-Goethe-Geschichte verstanden habe, hat Kleist sich ja an Goethe gewandt und ihn gebeten, seinen Text zu beurteilen. Das ist eine ganz andere Sache, wer so etwas tut, muss bereit sein, sich auch ein hartes Urteil anzuhören. Inwieweit das öffentlich geschieht, sollte man vielleicht vorher ausmachen.


    Dass Leser nichts daran auszusetzen haben, wenn ein Autor den anderen kritisiert, leuchtet mir ein. Warum sollten sie denn? Es ist vielleicht ganz interessant für sie, mitzubekommen, was Autoren über die Bücher der Kollegen denken. Nur unter Autoren kommt es eben nicht gut an, man wird schnell verdächtigt, nur aus Neid auf einen erfolgreicheren Kollegen gehandelt zu haben oder der Konkurrenz schaden zu wollen. Leider verbergen sich hinter etlichen Verrissen, die Autoren einander schreiben, durchaus solche Motive. Meines Erachtens ist es - egal, was die Motivation war - schlichtweg unkollegial.


    Die Rezensionen normaler Leser sehe ich als den Ausdruck ihrer persönlichen Meinung, die sie öffentlich machen wollen, um sich mit anderen Lesern auszutauschen. Das ist auch völlig in Ordnung. Aber die Entscheidung, ob und wie viel der Autor daraus lernt, liegt doch eigentlich beim Autor, oder?


    Es geht in diesem thread meines Erachtens um die Frage, ob ein Autor seine Meinung über die Bücher von Kollegen ebenso offen äußern kann wie jeder andere Leser auch. Und das sehe ich als problematisch.


    Viele Grüße


    Tereza

  • @ Tereza: Ihr setzt hier jetzt immer voraus, dass es um Verrisse oder negative Kritik geht. Aber ich habe hier im Forum schon häufiger mitbekommen, dass Autoren andere Autoren gar nicht rezensieren wollen. Auch dann nicht, wenn es ihnen eigentlich gut gefällt. Ich verstehe ja vielleicht noch, dass man keine Bücher sehr schlecht bewerten möchte, die im eigenen Verlag erscheinen (für mich persönlich wäre allerdings auch das - wenn es sachlich und begründet verfasst ist - möglich), aber warum man als Autor nicht seine Meinung zu einem Buch sagen kann/will/wie auch immer, den man nicht mal persönlich kennt, kann ich zumindest nicht nachvollziehen.


    @ David Gray: Haben die verlinkten Bücher eigentlich irgendwas mit dem Thema zu tun? Ich begrüße es natürlich, wenn hier möglichst viele ihre Meinung zum Thema posten, aber ich finde es leicht befremdlich, wenn man eine solche Diskussion als Werbeplattform nutzt. Dafür gibt es doch hier eigene Beiche. :wave

  • Zitat

    Tereza:
    1. Nur unter Autoren kommt es eben nicht gut an,
    2. ... man wird schnell verdächtigt, nur aus Neid auf einen erfolgreicheren Kollegen gehandelt zu haben oder der Konkurrenz schaden zu wollen...
    3. Leider verbergen sich hinter etlichen Verrissen, die Autoren einander schreiben, durchaus solche Motive.
    4. Meines Erachtens ist es - egal, was die Motivation war - schlichtweg unkollegial.


    1. Spricht du für alle Autoren? Kennst du alle? (Ich kenne andere)
    2. Und? Täglich werden wir verdächtigt, irgendwas zu tun. So what? Richtest du dich danach, was andere denken?
    3. Natürlich gibt es das auch. Die Welt ist eben nicht immer gut!
    4. Akzeptiert, ich sehe es anders. Mich kann verreißen, wer will.

  • Liebe Groupie,


    ich glaube, es geht hier um Verrisse, weil Verrisse auch als problematisch empfunden werden. Kein Autor hat was dagegen, wenn man sein Buch lobt. Gegen ein: "Insgesamt gut, aber hier und da hätte sie es besser machen können", hätte ich auch nichts, das wäre sogar ganz hilfreich.
    Aber ein: "Totaler Schrott, taugt nichts, wie konnte diese talentfreie Kritzeltante bloß einen Verlag finden?" u.ä. tut halt weh (mir wenigstens). Und wenn ich dann erfahre, dass ein Autor dies verfasst hat, mache ich mir wirklich so meine Gedanken, ob der werte Kollege nicht einfach sauer war, weil er beim selben Verlag abgeblitzt ist. (Nur als Beispiel, das ist mir bisher nicht passiert).


    Manche Autoren verzichten ganz auf Rezensionen, weil sie sich nicht auf reines Lob beschränken wollen. Ich habe das bisher nicht so gehandhabt, sondern mich positiv über Bücher geäußert, die mir gefallen haben. Wenn ich mir jetzt aber anhören muss, dies wäre doch nur ein Versuch, Kollegen aus meiner Autorenvereinigung zu unterstützen, tja, da frage ich mich, ob man als Autor nicht doch ganz den Mund halten sollte.


    Zur Verteidigung von David Gray möchte ich anbringen, dass wir anderen Autoren auch unten bei unseren Beiträgen so einen Hinweis auf unsere Bücher haben (nicht immer so einen auffälligen, das stimmt.) Bei Tom sind alle Cover zu sehen. Ich finde das hilfreich, um hier gleich die Autoren rauszufiltern. Falls es allgemein stört, müsste Wolke mal ein Machtwort sprechen.


    Tereza

  • Zitat

    Original von beisswenger


    1. Spricht du für alle Autoren? Kennst du alle? (Ich kenne andere)
    2. Und? Täglich werden wir verdächtigt, irgendwas zu tun. So what? Richtest du dich danach, was andere denken?


    Hallo Beisswenger,


    zu den ersten zwei Fragen (die zwei letzten brauchen keine Antwort, finde ich)


    1. Nein, ich kann natürlich nicht über alle Autoren sprechen. Ich sprach von der Mehrheit derer, die ich kenne. Zwar holt man auch mal ganz gern die Meinung von Kollegen ein, es gibt auch in reinen Autorenforen Leserunden, aber ein einfach so öffentlich geposteter Verriss wird als hinterfotzig bzw. unkollegial empfunden.


    2. Bei Dingen, die mir nicht so besonders wichtig sind, richte ich mich durchaus manchmal nach der allgemeinen Meinung. Warum sollte ich mir Stress machen, indem ich unnötig anecke? Und mein Bedürfnis, die Bücher anderer Autoren öffentlich nieder zu machen, wenn sie mir nicht gefallen haben, ist nun einmal nicht besonders stark. Ich sehe den Sinn der Aktion nicht.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Ich glaube aber, dass die Ausgangsfrage nicht zwingend auf Verrisse abzielte. Meiner Meinung nach ging es um jede Art von Kritik. Und die Beispiele, die du gegeben hast, die haben für mich gar nichts mit sachlicher Kritik zu tun. Weder von Autoren noch von Nur-Lesern. Mir geht es hier wirklich nicht um die krassen Ausreißer, sondern die Meinungsäußerung an sich. Ich akzeptiere ja, dass du das anders siehst, aber für mich hat es keinerlei Beigeschmack, wenn ein Leser, der auch Autor ist, über sein Leseerlebnis schreibt. Ich begrüße das eher. Für mich hat das was Authentisches.


    Was die Werbung angeht, da kann ich absolut nur für mich sprechen und diese Art der Amazon-Verlinkung ist mir einfach too much. Wenn irgendwo ein kleiner Link in der Signatur ist, kann ich damit leben. Aber ab einer gewissen Größe ist es für mich penetrant. Ich will da auch keine Grundsatzdiskussion draus machen oder Wolke informieren. Ich wollte es lediglich mal anmerken.

  • Zitat

    Original von Tom
    Kritik schmerzt immer, da hat Dieter recht.


    DAS mag sein und ist eine ganz andere Frage. Natürlich fuchst es, wenn man vermittelt bekommt, dass das Buch nicht funktioniert. Vor allem, wenn der Kritiker recht hat.
    Aber dass diese Kritik zwangsweise persönlich empfunden wird oder "angreift" - nö, dem möchte ich einfach widersprechen.
    Das Gefühl kenne ich nicht. Ist mir fremd, ehrlich.

  • Eine allgemeingültige Formel was richtig oder falsch ist gibt es wohl nicht. Ich kann Terezas Unbehagen verstehen, verstehe aber auch die "Brutalität" des kollegen Beisswengers.


    Zudem steht es auch jedem Autor frei sich - in welcher Form auch immer - über das Buch einer Kollegin eines Kollegen zu äußern. Die oder der eine machts - die oder der andere macht es halt nicht. Das sind Entscheidungen die jeder nur ganz allein für sich treffen kann.


    Tereza hat in meinen Augen sehr gut herausgearbeitet, warum sie keine negative Kritik über das Buch eines anderen Autors öffentlich machen würde. Damit hat sie ja mit keinem Wort gesagt, dass sie diese negative Kritik für sich behält. Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann behält sie es sicher immer vor, dem kritisierten Autor die Kritik in einem Zwiegespräch mitzuteilen.


    Der Kollege Beisswenger ist halt ein Literatur-Rambo.....(kleiner Scherz jetzt am Rande)...... :rofl :rofl

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Tereza hat in meinen Augen sehr gut herausgearbeitet, warum sie keine negative Kritik über das Buch eines anderen Autors öffentlich machen würde. Damit hat sie ja mit keinem Wort gesagt, dass sie diese negative Kritik für sich behält. Wenn ich sie richtig verstanden habe, dann behält sie es sicher immer vor, dem kritisierten Autor die Kritik in einem Zwiegespräch mitzuteilen.


    Der Kollege Beisswenger ist halt ein Literatur-Rambo.....(kleiner Scherz jetzt am Rande)...... :rofl :rofl


    Ich würde die Kritik in einem persönlichen Gespräch mitteilen, aber nur, wenn sie erwünscht ist. Fragt mich ein anderer Autor, was ich von seinem Buch halte, werde ich ihn nicht anlügen. Fragt er aber nicht und ich fand das Buch schlecht, werde ich dem Thema eher ausweichen.


    Ich sage Leuten ja auch nicht, dass ich ihre Klamotten unmöglich finde oder dass ich mit ihrer Figur schon längst eine Diät gemacht hätte oder solche Sachen. Jedenfalls nicht unaufgefordert. Wozu denn? Es ist ihre Sache, wie sie rumlaufen. Und wenn ein Autor in meinen Augen schlechte Bücher schreibt, damit aber genug Erfolg hat, um weiter veröffentlicht zu werden - warum soll ich ihm dann unbedingt meine Meinung aufs Auge drücken? :gruebel


    Viele Grüße


    Tereza

  • Huhu, beisswenger.


    Zitat

    Keineswegs war beabsichtigt, hier so etwas wie eine Guideline herauszuarbeiten.


    Interessant. Und warum heißt dieser Thread dann so, wie er eben heißt? :gruebel


    Ich lese hier viel Spekulatives. Möglich, dass einige dieser Spekulationen zutreffen, aber es wäre fatal, daraus etwas abzuleiten. So gehörte der amerikanische Schriftsteller Dave Eggers ("Ein Hologramm für den König"), der immerhin schon für den Pulitzer Preis nominiert war, zu jenen, deren Rezensententarnung vor einigen Jahren aufflog, als es einen Softwarefehler bei Amazon/US gab. Und so konnte alle Welt feststellen, dass Eggers seine eigenen Romane anonym über den Klee lobte, während er "Konkurrenzromane" verriss. Er war nicht der einzige namhafte amerikanische Schriftsteller, der im Rahmen dieser Aktion ertappt wurde, die man letztlich amüsiert zur Kenntnis nahm, obwohl nicht wenige versuchten, daraus einen Skandal zu generieren. Die meiste Dresche bekam meiner Erinnerung nach Amazon ab. ;-)


    Wir alle wissen, dass Neuautoren - egal, ob verlagsgebunden oder selbstveröffentlichend - heutzutage wie selbstverständlich annehmen, dass Freundschafts- und Gefälligkeitsrezensionen (vor allem eben bei Amazon) zum Marketing einfach dazugehören. Es gibt ja auch Content-Agenturen, die derlei übernehmen. Die Selbstveröffentlicherszene organisiert sich sogar für solche Aktionen. Der Nutzwert des gesamten Systems leidet stark darunter, wie auch in anderen Bereichen - vermeintliche Kundenmeinungen sind nicht mehr viel wert. Man kann Fans für Facebook kaufen, Klicks für "Votings" und eben auch Beifall für Bücher und viele andere Produkte. Fans missverstehen ihre Leidenschaft, indem sie jeden Scheiß, den der Liebling produziert, energisch abfeiern, was wenigstens emotional verständlich ist.


    Und nun kommt jemand daher, der leidenschaftlich gerne (bevorzugt: gute) Bücher liest, auch ein bisschen was davon versteht, wie Bücher gemacht werden, weil er selbst mit derlei befasst ist, und tut seine Meinung öffentlich kund. Dass derjenige so vorgeht, weil er Freunden helfen oder vermeintliche Konkurrenten aus dem Weg drängen will, ist, wie gesagt, rein spekulativ - ich weiß zumindest von mir selbst, dass mir solche Gedanken fremd sind. Ich freue mich natürlich, wenn ich ein gutes Buch eines befreundeten Autors gelesen habe, und ich ärgere mich, wenn ein solcher Autor seinen Stoff in den Sand gesetzt hat, aber an diesen Stellen erspare ich allen Beteiligten (es sei denn, ich werde darum gebeten) auch meine Wortmeldung.


    Ich schreibe Rezensionen, weil ich Leser bin, und weil es Leute gibt, die meine Rezensionen gerne lesen, mit mir darüber streiten und/oder meinen Empfehlungen oder Warnungen folgen. Diesen Berufsethos, der hier beschworen wird, gibt es m.E. nicht, denn Schriftsteller sind Einzelkämpfer, während beispielsweise Schauspieler in aller Regel in Teams arbeiten. Anders gesagt: Es tut nichts zur Sache, dass ich einer ähnlichen Tätigkeit nachgehe wie derjenige, dessen Arbeit ich - so oder so - kritisiere. An meiner Meinung ändert das nichts; es beeinflusst sie nicht. Aber das gilt auch für mich, möglicherweise nur für mich. Ich spreche über die Texte, nicht über die Personen, die sie geschrieben haben. Es handelt sich um Produktkritik, zu der jeder Konsument berechtigt ist. Ganz egal, was dieser Konsument seinerseits beruflich veranstaltet.


    In zwei Fällen habe ich die Vorgehensweise allerdings hinterfragt. Vor Jahren habe ich den Romanerstling "Neu-Erscheinung" des Comedyautors Michael Gantenberg nachgerade zerfetzt; ich halte das Buch nach wie vor für sehr, sehr schlimm, aber ich habe, zugegeben, die Besprechung auch dafür benutzt, meinen Unmut über die Comedyautorenwelle loszuwerden, weshalb Gantenberg ein bisschen mehr Fett abbekam, als er möglicherweise verdient hatte. Letztlich kam es Wochen nach dem Erscheinen der Besprechung zum direkten Kontakt mit dem - übrigens sehr freundlichen - Autor, und ich hatte eine Zeitlang das Gefühl, es übertrieben zu haben. Wenn ich die Rezension jetzt lese, bin ich allerdings immer noch zufrieden mit ihr.


    Und dann habe ich das unsägliche "HimbeerToni" von Joachim Seidel zerpflückt, was Folgen hatte, die sogar in mein Privatleben reichten - ein Fan (wie ich vermute) ließ nichts unversucht, um mich überall, wo es möglich war, zu diskreditieren. Er schrieb sogar beleidigte Briefe an meinen Verlag und meine Agentur, müllte mich mit Mails zu, hinterließ massenweise gehässige Kommentare in allen möglichen Foren usw. usf. Tenor all dieser Nachrichten und Kommentare war, dass ich erstens selbst noch schlechter schreiben würde als Seidel (was stimmen mag) und zweitens absolut nicht das Recht hätte, einen anderen Angehörigen der Gilde so niederzumachen. Reste dieser Attacke sind sogar noch auffindbar, weil ich mir irgendwann nicht mehr die Mühe gemacht habe, mich damit auseinanderzusetzen. Stattdessen fragte ich mich, ob der Typ möglicherweise recht hätte. Ich bin nach wie vor nicht dieser Meinung. Weil ich weiß, warum ich Rezensionen schreibe.


    Und ich habe keine "Autorenkollegen". Ich habe Freunde und Bekannte, die auch schreiben (siehe oben). Kollegen gibt es in Unternehmen. Schriftsteller sind Freiberufler. Und, wie vorgestern schon erklärt: Es gibt nicht wenige Schriftsteller, die berufsmäßige Literaturkritiker sind - und umgekehrt. Niemand würde einen Denis Scheck angreifen, weil er Bücher kritisiert, obwohl Scheck selbst Bücher schreibt. Weil jeder Depp verstehen muss, was Scheck antreibt, wenn er Romane zerpflückt: Er liebt die gute Literatur. Ganz egal, was ein solcher Mensch ansonsten beruflich treibt: Das ist die beste Motivation, die es für jemanden, der Bücher rezensiert, geben kann. Punkt.

  • Niemand hat die Absicht, einen Autorenknigge zu errichten! Aber ein wenig hinter die Mauer, äh ... die Kulissen gucken, wollten wir dann schon. Und ich finde, das haben wir auch erreicht. Vielen Dank für die hochinteressanten Antworten, da waren so einige Zuckerstücke dabei.


    Und danke, lieber Voltaire für den Titel. Der steht schon in der Sammlung.

  • Ein wirklich interessantes Thema, zu dem ich hier auch noch kurz meine Erfahrungen beisteuern möchte. Ich lese wahnsinnig viel, habe aber nicht die Zeit und auch nur selten die Lust, zum Gelesenen eine Rezension zu verfassen. Am liebsten mache ich dies, wenn mich das Buch begeistert hat (was selten vorkommt) oder wenn ich nicht verstehen kann, warum das Buch in den Feuilletons so über den Klee gelobt wird. Das war vor einigen Jahren der Fall bei einem Buch von einer Autorin, mit der ich zusammen in einem Forum bin und die ich kurz zuvor auch bei einer Lesung kennengelernt hatte.


    Ich fand das Buch nicht schlecht, hatte aber sachliche Kritikpunkte anzubringen, was ich auch bei amazon tat (ich gab ihr 3 Sterne). Bis dahin hatte ich noch keine Rezi über ein Buch eines Autors geschrieben, der mir persönlich bekannt war. Wenige Stunden nach Veröffentlichung dieser Rezi hatte ich eine PN von ihr im Postfach, in der sie schrieb, dass sie es schade finde, dass mir ihr Buch nicht gefallen habe. Im weiteren Mailverlauf schrieb sie auch, dass sie es so halte, nicht über Bücher von persönlich bekannten Autoren zu schreiben. Das hat mir dann doch irgendwie zu denken gegeben. Und ich habe die Rezi wieder gelöscht.


    Seitdem halte ich es genauso wie Tereza. Finde ich ein Buch so gut, dass ich ihm bei amazon 4 oder 5 Sterne guten Gewissens geben kann, rezensiere ich es, wenn nicht, halte ich den Mund. Nicht aus Angst vor Retourkutschen, sondern aus Respekt vor der Leistung des Autors (der damit ja in der Regel auch einen Verlag überzeugen konnte).


    Nachtrag: Bei o.g. Autorin verhielt es sich aber so, dass ich mit meiner Meinung nicht allein dastand, wie ich im Nachhinein immer wieder bemerken konnte. Sogar eine Literaturagentin, die sie sehr gut persönlich und beruflich kannte, mit der ich über das Buch sprach, war meiner Meinung.


    Übrigens ging es mir kürzlich mit dem "Hunderjährigen" genauso.


    LG Cornelia