'Ismaels Orangen' - Seiten 362 - Ende

  • Heute in der Kirche haben wir ein Lied gesungen, das mich sehr an Salim erinnert hat.



    Gerade die letzte Strophe hat mich berührt und mir die tiefe Sehnsucht Salims nach Heimat als ein Urbedürfnis nach Geborgenheit, nach Erdung noch einmal näher gebracht.
    Außerdem ist mir noch einmal bewusst geworden, wie alt dieser Konflikt schon ist und dass er sich nie lösen lässt, solange es Krieg gibt, solange Menschen vertrieben werden.


    Salim hat es bis jetzt nicht geschafft, eine innere Heimat zu finden. Vielleicht ist der Spaziergang zum Meer ein erster Schritt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Regenfisch, das passt wirklich sehr, sehr gut.
    Vielleicht ist es ja auch genau das, was die Autorin uns sagen wollte. Es braucht viele solcher kleinen, solcher ersten Schritte, für einen Neuanfang. Man muss vom eigenen, engstirnigen Pfad abweichen, sich öffnen, um auf die andere Seite zugehen zu können und um zu erkennen, was man bereits Großartiges hat und eigentlich gar nicht nach unerfüllbaren Träumen streben muss. Nichts lässt sich rückgängig machen, man kann nur versuchen, die jetzige Situation zu (er) tragen und damit zu leben oder zu verbessern. Das gilt für Salim und sein Leben, ist aber auch auf diesen uralten Konflikt übertragbar. Das hat Claire Hajaj großartig verknüpft. Ich denke derzeit oft an diese Geschichte, wenn z. B. in den Nachrichten von Israel die Rede ist. Das ist ein Buch das bei mir wohl noch lange nachhallen wird.

  • Zitat

    Original von Saiya
    Regenfisch, das passt wirklich sehr, sehr gut.
    Vielleicht ist es ja auch genau das, was die Autorin uns sagen wollte. Es braucht viele solcher kleinen, solcher ersten Schritte, für einen Neuanfang. Man muss vom eigenen, engstirnigen Pfad abweichen, sich öffnen, um auf die andere Seite zugehen zu können und um zu erkennen, was man bereits Großartiges hat und eigentlich gar nicht nach unerfüllbaren Träumen streben muss. Nichts lässt sich rückgängig machen, man kann nur versuchen, die jetzige Situation zu (er) tragen und damit zu leben oder zu verbessern. Das gilt für Salim und sein Leben, ist aber auch auf diesen uralten Konflikt übertragbar. Das hat Claire Hajaj großartig verknüpft. Ich denke derzeit oft an diese Geschichte, wenn z. B. in den Nachrichten von Israel die Rede ist. Das ist ein Buch das bei mir wohl noch lange nachhallen wird.


    Mir geht das auch so, dass ich noch oft an das Buch denken muss. In meiner Klasse habe ich im Moment drei Flüchtlingskinder, ein Junge hat mehr als zwei Jahre nicht gesprochen und fing in der letzten Woche vor den Ferien an, erste Worte zu sprechen. Die Mutter, selbst mehrfach vergewaltigt, hat ihren Mann verloren, war so glücklich. Das Thema ist mehr als aktuell und ich finde, dass Claire Hajaj diese Zerissenheit sehr gut beschrieben hat.
    Ein anderer Junge lebte 5 Jahre mit seiner Familie in einem Flüchtlingsheim, weil keine Wohnungen für die Familien gefunden wurden. Was nicht schon der Krieg im Heimatland angerichtet hat und die darauf folgende Flucht, das hat das beengte Leben im Wohnheim dazu getan. Als ich diese Geschichte von der Familienhelferin hörte, habe ich mich geschämt, dass in unserem Land kein Platz für Flüchtlinge ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Regenfisch und Saiya, eure Gedanken passen sehr gut.
    Ich habe am Wochenende ein Interview mit einer alten Dame gehört, die als Kind mit ihren Geschwistern vor der herannahenden Front geflohen ist und sich heute noch voller Dankbarkeit an die Menschen erinnert, die ihnen geholfen haben. Mit einer warmen Mahlzeit, einem Dach über den Kopf für ein paar Nächte.
    Und heute werden Häuser angezündet.

  • An sich mag ich ein offenes Ende nicht so gerne, hier finde ich allerdings ist es recht passend. Die Hoffnung auf Annäherung und eventuell Neubeginn passt hier ganz gut.


    Das Buch selbst lässt mich ein wenig zwiegespalten zurück, ich kann noch kein endgültiges Urteil abgeben. Aber wenn ich die Kommentare so sehe, geht es glaube ich einigen hier ganz ähnlich.

  • Mit dem offenen Ende bin ich in diesem Fall doch ziemlich zufrieden. Nach allem, was geschehen ist, den Gefühlen, die verletzt wurden und der Trauer, die noch so frisch ist, wäre mir persönlich ein definitives Ende der Handlung zu schnell gekommen.


    Am Ende des Romans kehren wir zum Beginn des Buches zurück und nun ergibt der "Prolog" auch einen Sinn... traurig, dass Mark keinen anderen Weg für sich gesehen hat... und traurig, dass es genau in dem Moment geschieht, in dem Sal beginnt zu begreifen, was ihm eigentlich wirklich wichtig ist...

    "Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns."

    Franz Kafka, Brief an Oskar Pollak, 27. Januar 1904






    :lesend

  • Ich bin hier auch ein wenig hin- und hergerissen. Irgendwie ging auch mir alles zu schnell. Und doch habe ich das Buch am Schluss regelrecht verschlungen..


    Allerdings fand ich es schade, dass Salims und Jude Ehe so schnell schon den Bach runter gegangen ist. Salim sieht überhaupt nicht, dass seine Frau für ihn alles stehen und liegen gelassen hat um mit ihm nach Kuwait zu gehen..
    Ich finde Salim total egoistisch und besessen von dem Gedanken, dass er es niemandem recht machen kann und auch seine Familie gegen ihn ist. Und dieses Verhalten ändert sich bis zum Schluss nicht. Er ist total verbittert und versucht noch nicht einmal diesen ganzen Juden-Araber-Konflikt zu vergessen, sondern er projiziert alles auf sich und seine Familie.


    Das Ende fand ich traurig und dennoch gelungen. Auch ich sehe in dem Ende kein wirkliches Happy End. Es hört sich zwar so an, als möchte sich Jude wieder mit ihm vertragen, aber das heißt für mich nicht, dass sie es miteinander wieder versuchen. Dafür ist zuviel vorgefallen und die Ehe schon zu lange kaputt..


    Insgesamt fand ich das Buch wirklich gelungen, hätte mir allerdings an manchen Stellen mehr Tiefgang gewünscht. Insgesamt ging mir alles ein wenig zu schnell und am Schluss geht es leider nur noch um Salim und Jude kommt zu kurz..

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zitat

    Original von Dazzled
    Mit dem offenen Ende bin ich in diesem Fall doch ziemlich zufrieden. Nach allem, was geschehen ist, den Gefühlen, die verletzt wurden und der Trauer, die noch so frisch ist, wäre mir persönlich ein definitives Ende der Handlung zu schnell gekommen.


    Am Ende des Romans kehren wir zum Beginn des Buches zurück und nun ergibt der "Prolog" auch einen Sinn... traurig, dass Mark keinen anderen Weg für sich gesehen hat... und traurig, dass es genau in dem Moment geschieht, in dem Sal beginnt zu begreifen, was ihm eigentlich wirklich wichtig ist...


    Dazzled, du sprichst mir mit deinem Beitrag total aus der Seele.
    Der Abschnitt ist für mich absolut der traurigste. Zum Schluss flossen bei mir auch ein paar Tränchen :cry Das Ende ist für mich auf jeden Fall geglückt.


    Alles in allem habe ich gedacht, dass die Handlung anders verläuft. Ich hätte mir aber auch so gerne ein richtig schönes Happy End gewünscht.

    ... Liebe, die, weil sie nie genung bekommt,
    stets schon im Augenblick lebt, der noch kommen wird.
    Marcel Proust

  • Zitat

    Original von lesterschwein
    Ich hätte mir aber auch so gerne ein richtig schönes Happy End gewünscht.


    Ich auch, aber das hat sich ja schon abgezeichnet, dass das nicht geschehen wird. Dazu hätte Salim endlich merken müssen, dass es sich nicht lohnt, in der Vergangenheit zu leben und die Gegenwart nicht zu schätzen.

  • Mit dem Schluss konnte ich am Wenigsten anfangen. Ich finde den Abgang von Salims Sohn einfach zu viel des Schlechten. Zudem kam das Ganze für mich zu plötzlich. Dennoch habe ich den Roman insgesamt sehr gerne gelesen. Rezi folgt!

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf


    Ich auch, aber das hat sich ja schon abgezeichnet, dass das nicht geschehen wird. Dazu hätte Salim endlich merken müssen, dass es sich nicht lohnt, in der Vergangenheit zu leben und die Gegenwart nicht zu schätzen.


    Ein Happy End hätte für mich gar nicht zur Geschichte gepasst. Die Autorin erzählt hier zwar vordergründig den Konflikt zwischen Salim, seiner Familie, Judith, sich selbst, sie weist aber gleichzeitig immer wieder auf Parallelen zum uralten Konflikt zwischen Palästinensern und Israel hin. Dieser Konflikt besteht immer noch, ohne Chance auf ein Happy End. Auch die Annäherung zwischen Judith und Salim am Ende ist solch eine Parallele. Sie wäre auch für die Region ein neuer Anfang oder ein Funke Hoffnung.

  • Auch ich habe diesen letzten Abschnitt schon fertig. Ich wollte unbedingt wissen wie es ausgeht.


    Ein Buch das mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Ein trauriges Ende mit Blick in eine vielleicht bessere Zukunft. Ein brennendes Orangenhaus, das die Träume und Sehnsüchte des Vaters zunichte machen.


    Diese Geschichte zeigt sehr deutlich den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Dies war bestimmt auch so beabsichtigt. Wie im Buch scheint die Situation zwischen Israel und Palästina ausweglos und trotzdem immer mit einem kleinen Fünkchen Hoffnung auf einen Neubeginn versehen.


    Meine Rezi folgt noch.
    Viele Grüße :wave

  • So, ich habe jetzt nach den Prüfungen endlich endlich auch Zeit gefunden das Buch zu beenden! :)


    Zitat

    Original von Bücherfreund
    Tja, was soll ich sagen - Marc hat mir sehr leid getan, er konnte es seinem Vater nie recht machen und jetzt, als er in Jaffa auftaucht, bemerkt dieser immer noch nicht, was los ist.


    Ja, das hat mich total traurig gemacht.
    Ich muss aber sagen, dass ich es nciht so gut fand, dass wir schon wussten, was mit Marc passiert, weil so war zu viel schon abzusehen bei ihm.
    Auch schade fand ich, dass bei Sophie alles gut zu laufen zu scheint und nur die Männer der Familie alle nen Knacks haben. Naja...


    Zitat

    Original von Roma


    Für eine Rezi muss ich das noch etwas sacken lassen. Ich habe den Roman ganz gern gelesen, aber ich habe das Gefühl, ich bin durch die Geschichte gehetzt. Die Zeitsprünge waren einfach zu groß. Andererseits wüsste ich auch nicht, wie man die Geschichte eines Landes und das Schicksal eines Paares bei der Seitenzahl detaillierter darstellen sollte. Aber ich bin schließlich auch kein Autor ;-)


    Ja, die Zeitsprünge waren mir auch viel zu groß und so konnte ich Manches nicht mehr ganz nachvollziehen...
    Vielleicht wäre es besser gewesen nicht die ganze Familiengeschichte zu erzählen, sondern nur einen Teil davon?


    Zitat

    Original von Findus
    Mädchen sind einfach stärker.


    Ja, das stimmt. Zumindest als Kinder! Haben wir neulich in Kinderpsychiatrie gelernt...
    Wobei mit entsprechender Hilfe die Jungs sich gut entwickeln und im Jugendalter es dann wiederum die Mädchen sind, die schwächeln. Aber da hat Marc vermutlich einfach der Vater gefehlt! :( Es hätte alles so gut werden können, wenn Salim nicht an dem einen Tag der Aufführung mit seinem Bruder mitgegangen wäre... Die Entscheidung habe ich null verstanden. Er war doch eigentlich gegen alles wofür Rafan stand/steht! Und er hat doch versprochen mehr mit seinen Kindern und Jude zu reden. Warum hat er sie nciht gefragt wg den Schulen in England??


    Zitat

    Original von Saiya
    Ist es denn ein glückliches oder kitschiges Ende?
    Ich lese daraus nur, dass Salim nach dem Tod seines Sohnes ein gebrochener aber auch geläuterter Mann ist und dass Judith versucht sich nicht mit den "Warums" zu quälen, sondern mit dem Verlust irgendwie zu leben. Am Ende schaffen sie es endlich miteinander zu sprechen und machen einen Spaziergang ans Meer. Nicht mehr, nicht weniger. Ich hatte auch hier wieder das Gefühl, dass die Autorin beide Seiten kennt, und dass es wichtig ist, sich von der Vergangenheit zu lösen, um die eigene Zukunft glücklich zu gestalten, aber auch, dass man manches nicht rückgängig machen kann, sondern mit den Konsequenzen leben muss.


    Ja, so gehts mir auch. Salim macht sich ja unendliche Vorwürfe und ich glaube, das einzige, was ihm noch irgendwie Frieden geben könnte, wäre Jude und ich glaube, sie weiß das auch. Das muss ja nicht heißen, dass ab sofort alles zwischen den beiden 100% gut läuft!


    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Tatsächlich ist es tragisch, dass Jude so viel getan hat, um Salims Wünschen nachzukommen. Nur war ihm nichts genug.
    Da Arabisch seine Muttersprache war, wäre es seine Verantwortung gewesen, es seinen Kindern beizubringen.


    ja, das hat mich auch gewundert, dass er das nicht gemacht hat. Aber er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt und hat dann lieber gemeckert. Ist aber leider ein wenig typisch für manche Männer!


    Zitat

    Original von nicigirl85


    Für mich war hier am schlimmsten das Orangenhaus brennend zu erleben, denn damit sterben Träume und Wünsche des Vaters, einfach schrecklich.


    Interessant! Weil ich war sowas von froh, als das Ding einfach abgebrannt ist und hätte mir gewünscht, dass es früher passiert wäre... Dass Salim früher hätte loslassen können!


    Zitat

    Original von lesterschwein


    Der Abschnitt ist für mich absolut der traurigste. Zum Schluss flossen bei mir auch ein paar Tränchen :cry Das Ende ist für mich auf jeden Fall geglückt.


    Ja, so gings mir auch damit! ;-(

  • Ich habe das Buch auch ausgelesen... der innere Konflikt von Sal kam sehr gut rüber, genauso der Konflikt zwischen Israel und Palestina :-(
    Das Ende fand ich stimmig und gibt auch ein Stück Hoffnung dass Sal es vielleicht Stück für Stück schafft seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und loslassen kann. Damit hat er die Chance einen neuen Weg zu gehen neue Denkweisen zu lernen und damit in eine für ihn bessere und innerlich friedliche Zukunft zu gehen :-)

  • So, ich habe das Buch auch endlich mal beendet.


    Also irgendwie fand ich, dass im letzten und auch im vorletzten Abschnitt plötzlich alles rasend schnell ging. Mir war das irgendwie zu schnell.


    Salim ist ganz und gar nicht mehr so sympathisch, wie auf den ersten Seiten, als er ein kleiner Junge war. Seine Entwicklung ist einfach nur traurig und deprimierend. Schade, dass es den Tod seines Sohnes brauchte, damit er zumindest minimal wieder in die richtige Richtung gehen kann.


    Jude ist einfach ein herzlicher Mensch. Sie ist enttäuscht, sauer, verletzt und hasst Salim für sein familienzerstörendes Verhalten. Dennoch ist sie so stark und verzeiht ihm. Ich finde es toll von ihr, dass sie es ihnen leichter macht, indem sie versucht über ihren Hass hinwegzusehen.


    Ich fand es schade, dass Sophie so blass blieb. Ich hätte mir hier her Tiefe gewünscht. Auch von Rafan hätte ich am Ende gerne noch mehr erfahren.


    Der Autorin ist es gut gelungen den Konflikt zwischen Palästina und Israel darzustellen und die Konflikte, die sich daraus ergeben.


    Achja, den Brief hatte ich zum Glück schon wieder vollends ausgeblendet, so dass ich nicht mit Marcs Abgang gerechnet habe und überrascht wurde. Wenn auch nicht positiv.