'Der Gang vor die Hunde' - Seiten 001 - 079

  • Voran gestellt sei erstmal, dass ich noch kein Buch Kästners gelesen habe, das er für Erwachsene geschrieben hat.

    Ich hatte ein Bisschen Schwierigkeiten, mich mit dem Stil des Buches anzufreunden. Vielleicht liegt das daran, dass ich vorher etwas so ganz anderes gelesen habe.


    Es reihen sich verschiedene Episoden aneinander. Alle haben mit Fabian zu tun. Ich finde ihn traurig, so ganz ohne Ziel, ohne Sinn, ohne Berufung. So ist er ganz typisch dafür, wie Kästner wohl viele seiner Zeitgenossen sah, entwurzelt zwischen einem vergangenen Krieg und einem drohenden nächsten, voller Lebenshunger ohne Reue, als gäbe es kein Morgen. Es kommt einem vor wie ein provisorisches Leben, so als lohne es sich nicht, sich noch mehr Mühe mit Lebensplänen zu manche.


    Und das Ganze in einem locker flockigen, zuweilen bissigen, sarkastischen Ton geschrieben...Mal schauen, ob ich das aushalte. Mir ist gerade nicht so.

  • Ich habe bisher auch nur die Kinderbücher von Erich Kästner gelesen - damals als Kind ...


    Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Der Autor erzählt humorvoll und sprachsicher.

    Die Charaktere gefallen mir weniger, obwohl sie auch sympathisch erscheinen, finde ich ihre überhebliche Art ihre Mitmenschen zu betrachten eher nicht nett.


    Fabian treibt sich gern in den dubiosen Etablissements herum, aber er beteiligt sich kaum an den Flirts sondern beobachtet mehr die Menschen und lässt sich eher unwillig mit den Halbweltdamen ein, die sich an ihn ranschmeißen - und flieht bevor er selber aktiv werden soll. Anscheinend zieht er sein Vergnügen als Voyeur und scheut vor eigenem Engagement zurück.


    Fabians Verhältnis zum Geld ist allzu locker. Er gibt ohne Bedenken aus, was er verdient, schickt sogar Geld zu seinen Eltern (obwohl die es nicht nötig hätten), aber akzeptiert großzügige Geldgeschenke von seinem Freund Labude, der aus begütertem Haus ist.


    ...

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von Tante Li ()

  • Ich habe gestern abend nur das erste Kapitel geschafft.

    Ich bin schon so gespannt auf das Buch, da mir die Kinderbücher von Kästner in sehr guter Erinnerung geblieben sind. "Emil und die Detektive" war ein Lieblingsbuch von mir als Kind. Ich freue mich sehr auf das erste "Erwachsenenbuch" von ihm, dass ich jetzt lese.


    Mir hat das erste Kapitel schon mal gut gefallen. Fabian scheint mir darin schon ein recht einsamer und verlorener Mensch zu sein. Wie er so alleine durch die Stadt fährt kommt er mir auch sehr ziellos vor.

    Mir gefällt auf jeden Fall, wie Kästner mit wenigen kurzen Sätzen die Stadt beschreibt. Zum Beispiel:
    "Die Häuserfronten waren mit bunten Lichtern beschmiert, und die Sterne am Himmel konnten sich schämen" (S. 9 ) Das finde ich sehr ausdrucksstark.


    Der bissige, sarkastische Tonfall gefällt mir auch sehr. Das erste Kapitel macht bei mir auf jeden Fall Lust , weiterzulesen.


    Clare : ich hoffe sehr, Du findest noch Gefallen an dem Buch und an dem Stil und liest mit uns weiter.

  • Fabian und Labude kennen sich anscheinend seit ihrem gemeinsamen Germanistik-Studium. Fabian hat wohl nach seinem Doktortitel den akademischen Weg verlassen, um Geld zu verdienen, zur Zeit als Werbetexter bei einer Zeitung oder Zeitschrift.


    Labude hat eine Dissertation verfasst und wartet auf die Anerkennung der Universität, um vermutlich als Professor einen Lehrstuhl zu bekommen. Außerdem engagiert er sich politisch in Universitätskreisen.

    Er hatte bis vor kurzem eine langjährige Beziehung zu einer Frau in Hamburg, die er aber nur einmal im Monat für ein Wochenende getroffen hat und sonst nur brieflich gepflegt hat. Anscheinend haben beide darauf gewartet zu heiraten bis Labude eine sichere Stellung mit ausreichend Verdienst hat. Allerdings betrügt Leda ihn (wahrscheinlich schon eine ganze Weile) - als er das herausfindet, bricht Labude die Beziehung ab und leidet unter dem Verlust.

    Was ihn nicht davon abhält, seinen Spaß mit Fabian auf Kosten der Fahrgästen im Stadtbus durch Berlin zu treiben. Sie spielen Tourist und Fremdenführer, der die Sehenswürdigkeiten falsch benennt

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Ich bin schon so gespannt auf das Buch, da mir die Kinderbücher von Kästner in sehr guter Erinnerung geblieben sind. "Emil und die Detektive" war ein Lieblingsbuch von mir als Kind.

    Mein Lieblingsbuch war "Das fliegende Klassenzimmer" - aber vielleicht auch nur, weil wir alle anderen Kinderbücher von ihm nur von Büchereien ausgeliehen hatten und somit nur einmal gelesen haben.

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • So, ich werde mal versuchen, meine Eindrücke zu sortieren ...


    Die Grundstimmung im Buch empfinde ich trotz (oder gerade wegen) des sarkastischen Tons und des ständigen Gewitzels Fabians ziemlich deprimierend oder eher … ich finde leider nicht das richtige Wort dafür … verzweifelt? Hoffnungslos? Fabian scheint desillusioniert und der Welt überdrüssig zu sein. Seinen Humor und seine spitzen Bemerkungen seinen Mitmenschen gegenüber finde ich stellenweise auch sehr gallig. Selbst wenn er freundlich und höflich angesprochen wird, kann er nicht anders, als spitzzüngig zu kontern. Aber ich glaube, dass seine Art, alles und jeden durch den Kakao zu ziehen und nichts ernst nehmen zu können, nur Fassade ist, mir scheint, dass dahinter ein einsamer, ruheloser, zweifelnder Mensch steckt.


    Ich habe mich öfters gefragt, was er denn eigentlich sucht. Er rennt oder fährt ja wie ein Getriebener durch die Stadt, mal hierhin, mal dorthin, überall bleibt er nur kurz, bevor er zur nächsten Vergnügung weiterzieht, bei der er es dann auch wieder nicht lange aushält. Aber seine ganzen Unternehmungen bleiben sehr oberflächlich und er nur ein Beobachter, richtig mit Leib und Seele beteiligt ist er nie. Da ist immer Distanz zum Geschehen, so als wäre er nur ein Zuschauer in seinem eigenen Leben.


    In die Tiefe geht er nur, wenn er mit seinem Freund Labude zusammen ist. Die Freundschaft zwischen den beiden finde ich schön beschrieben, sie scheint sehr innig und vertraut zu sein, sie verstehen sich blind und können zusammen ebenso ernste Gespräche führen, wie irgendwelchen Unfug anstellen. Ich hatte den Eindruck, dass Labude für Fabian so etwas wie seine Familie ist, sein Halt, seine Heimat.


    Im übrigen finde ich, dass Fabian für seine 32 Jahre noch ein rechter Kindskopf ist. Es ist öfters von dem "jungen Mann" die Rede, aber so jung ist das ja eigentlich gar nicht mehr. Und dafür, dass er gute Schulbildung und ein aufwendiges Studium hinter sich hat, gewitzt, intelligent und kreativ ist, hat er auch - zumindest aus materieller Sicht - nicht viel erreicht. Gut, die Zeiten sind extrem hart, mitten in der Weltwirtschaftskrise mit Armut und hoher Arbeitslosigkeit, da ist für ihn vielleicht nicht mehr zu erreichen. Oder vielleicht will er auch nicht mehr erreichen. Oder er weiß einfach nicht, was er will.


    In einem Gespräch mit Labude ergeht er sich ja leidenschaftlich darin, dass er weder Geld noch Macht im Leben anstrebt, und auch keinerlei Ehrgeiz besitzt - ich frage mich, wieso er dann überhaupt studiert und diesen Weg eingeschlagen hat, wenn er eigentlich gar nichts erreichen will.


    Ich kann ihn (noch) nicht wirklich einschätzen und weiß noch nicht, ob ich ihn mag. Bis jetzt lässt er mich ziemlich kalt. Einerseits finde ich ihn großspurig und überheblich, und auf mich macht er den Eindruck, als wäre er sehr von sich selbst eingenommen, als fände er sich ungemein witzig und allen anderen weit überlegen. Andererseits ist er dann wieder sehr nachdenklich und ernsthaft, sogar empfindsam. Ich habe mich auch öfters gefragt, in welchem Maße der Roman biografisch gefärbt ist, wieviel davon Tatsache und Fiktion, wie viel Kästner in dem Fabian steckt. Ich hoffe, dass das vielleicht im Buchanhang noch erläutert wird.


    Berlin scheint zu der Zeit ja ein wahres Tollhaus gewesen zu sein, die Leute (zumindest die, die es sich leisten können) stürzen sich haltlos in irgendwelche Vergnügungen, so als würden sie noch möglichst viel mitnehmen wollen, bevor es sie in den drohenden Abgrund reißt. War der damals wirklich in all seinen Ausmaßen schon derart spürbar? Im Buch macht es auf mich durchaus den Eindruck, als wüssten alle, dass etwas Großes und Schreckliches angerollt kommt, das nicht mehr aufzuhalten ist. Aber es ist wohl leichter, sich abzulenken und die Augen zu verschließen, als sich dagegenzustemmen. Da sehe ich auch Parallelen zu unserer jetzigen Zeit.


    Manche dieser Vergnügungen, zu denen Fabian geht, empfand ich als ziemlich abstoßend, so wie dieses Kabarett, in dem lauter Verrückte auftreten. Wie sich das Publikum da verhält, ist richtig widerwärtig. Einige Szenen fand ich ohnehin leicht bizarr und leicht surreal, zum Beispiel als Fabian und sein Kollege den halbnackten Chef mit seiner Blinddarmnarbe begutachten müssen, oder die Sache mit Frau Moll und ihrem Anwalts-Gatten, der mit Fabian gleich einen Vertrag schließen will.


    Das bringt mich jetzt zu der Art und Weise, wie Frauen im Buch dargestellt werden. Da weiß ich auch noch nicht so recht, was ich davon halten soll. Die 1920er/1930er Jahre waren bestimmt keine prüden Jahre, aber generell scheint es in Fabians Welt nur sexbesessene, notgeile Weiber zu geben, die rund um die Uhr danach trachten, den nächsten Kerl flachzulegen. Beispiele gibt es da im ersten Abschnitt genug, die männerverschlingende Frau Moll, die zwei Mädchen in Haupts Sälen, die Frau im Café, die mit dem Blinden am Tisch herumturtelt und nebenbei noch mit dem Mann am Nachbartisch flirtet, Labudes Freundin Leda und sogar Fabians alte Vermieterin, die ihn nur zu gern anbaggern tät'. Es ist, als wäre Berlin ausschließlich von solchen Frauen bevölkert, und das mag ich nicht so recht glauben.


    Ich habe noch einige Literatur zur Frauenbewegung, Geschichte der Emanzipation etc. hier im Regal stehen und gestern ein wenig nachgeforscht, aber leider nichts über die sexuelle Freizügigkeit dieser Jahre gefunden. Weiß da jemand Näheres darüber, ist das realistisch, was Kästner da beschreibt? Oder doch eher Fantasie und Wunschdenken?


    Naja, Fabian scheint bis jetzt gegen diese Reize gefeit zu sein. Er unternimmt zwar Versuche in diese Richtung, ergreift aber jedesmal die Flucht, bevor sich etwas entwickelt. Auch da habe ich mir die Frage gestellt, wonach er denn diesbezüglich sucht. Eine schnelle Nummer kann's ja nicht sein, denn dafür gab es Gelegenheiten genug. Ich habe ein wenig das Gefühl, er scheut vor allem zurück, was mit Bindung und Verantwortung zu tun hat, nicht nur in Liebesdingen. Mal schauen, wie es nun weitergeht.


    Am bemerkenswertesten in diesem Abschnitt fand ich die Szene, als Fabian das Taxi für die zwei Schussopfer holen geht und dabei über die Kriegsversehrten nachdenkt, die in Pflegeheimen vor sich hin vegetieren, Bei den Sätzen hier musste ich echt schlucken:


    "Diese armen Ebenbilder Gottes! Noch immer lagen sie in jenen von der Welt isolierten Häusern, mußten sich füttern lassen und mußten weiterleben. Denn es war ja Sünde, sie zu töten. Aber es war recht gewesen, ihnen mit Flammenwerfern das Gesicht zu zerfressen."

  • Und das Ganze in einem locker flockigen, zuweilen bissigen, sarkastischen Ton geschrieben...Mal schauen, ob ich das aushalte. Mir ist gerade nicht so.

    Das ist aber typisch Kästner und zum Teil auch Tucholsky bzw. Peter Panter und co. Ich habe mich gut reingefunden. Fabian ist total desillusioniert und nüchtern. Er weiß, es nicht, wozu er mehr Geld verdienen, mehr Ehrgeiz im Lebensziel aufbringen soll, da der Krieg für ihn alles zerstört hat. Er sieht, wie sich andere abzappeln und doch auf keinen grünen Zweig kommen. Er ist mit sich und seinem Zustand im Reinen.

    Übrigens ist der Brief der Mutter ein typisches Kästnerdingens, der mit seiner Mutter zeitlebens eng verbunden war.

  • In einem Gespräch mit Labude ergeht er sich ja leidenschaftlich darin, dass er weder Geld noch Macht im Leben anstrebt, und auch keinerlei Ehrgeiz besitzt - ich frage mich, wieso er dann überhaupt studiert und diesen Weg eingeschlagen hat, wenn er eigentlich gar nichts erreichen will.

    Das Vorwort Kästners, das in meinem Buch vorhanden ist, erklärt das. Hat das keiner von Euch? Ich würde es dann mal abschreiben und hier reinsetzen. Fabian ist ein Moralist. So Kästner, und ein Moralist hält seiner Epoche einen Zerrspiegel vor. Und: Sein angestammter Platz ist und blebit der verlorene Posten.

  • Mir gefällt auf jeden Fall, wie Kästner mit wenigen kurzen Sätzen die Stadt beschreibt. Zum Beispiel:
    "Die Häuserfronten waren mit bunten Lichtern beschmiert, und die Sterne am Himmel konnten sich schämen" (S. 9 ) Das finde ich sehr ausdrucksstark.


    Ja, da waren einige solcher kleiner Funkelsteinchen im Text, das ist mir auch aufgefallen. Auch die einzelnen Figuren fand ich immer gut und sehr treffend beschrieben, obwohl er dafür nur wenige Sätze oder manchmal sogar nur wenige Worte braucht. Er kann's halt einfach :)

  • Das Vorwort Kästners, das in meinem Buch vorhanden ist, erklärt das. Hat das keiner von Euch? Ich würde es dann mal abschreiben und hier reinsetzen. Fabian ist ein Moralist. So Kästner, und ein Moralist hält seiner Epoche einen Zerrspiegel vor. Und: Sein angestammter Platz ist und blebit der verlorene Posten.

    In dieser Auflage stehen Vorwort und Nachwort erst hinten im Anhang, habe ich gesehen. Ich habe es aber nicht gelesen, weil der Abschnitt mit dem Anhang erst am Schluss der Leserunde im letzten Abschnitt kommen soll. Aber zumindest das Vorwort wäre wohl hilfreich ... vielleicht sollte man das doch vor dem Roman lesen? Einiges würde man dann sicher besser verstehen können.

  • Bücherdrache  :wave Du hast Deine Wahrnehmung von Fabian sehr gut formuliert - das trifft meine Empfindung von ihm genau.


    In einem Gespräch mit Labude ergeht ersich ja leidenschaftlich darin, dass er weder Geld noch Macht imLeben anstrebt, und auch keinerlei Ehrgeiz besitzt - ich frage mich, wieso er dann überhaupt studiert und diesen Wegeingeschlagen hat, wenn er eigentlich gar nichts erreichen will.

    Ich vermute er hat einfach seiner Neigung nach das studiert, was ihm schon immer am meisten gelegen war, nämlich mit der deutschen Sprache umgehen und Bücher lesen. Wahrscheinlich fielen ihm in der Schule die Aufsätze besonders leicht und er hat die Schriftsteller nicht nur seiner Zeit verehrt.


    Ihm genügt wohl das Einkommen, das er mit seiner Qualifikation erlangen kann. Er hat ja anscheinend keine großen Wünsche wie eigene Wohnung oder Autos, Motorrad usw.


    Ich habe ein wenig das Gefühl, er scheut vor allem zurück, was mit Bindung und Verantwortung zu tun hat, nicht nur in Liebesdingen.

    Ja, diesen Eindruck habe ich auch.

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Das Vorwort Kästners, das in meinem Buch vorhanden ist, erklärt das. Hat das keiner von Euch? Ich würde es dann mal abschreiben und hier reinsetzen. Fabian ist ein Moralist. So Kästner, und ein Moralist hält seiner Epoche einen Zerrspiegel vor. Und: Sein angestammter Platz ist und blebit der verlorene Posten.

    Alle Vorworte zu den vorherigen Ausgaben findet man im Anhang.
    Da dieser ein eigener Abschnitt ist, habe ich ihn ausnahmsweise mal nicht vorher gelesen (was ich sonst immer mache). Aber ich habe mir angschaut, was man dort findet.

    Ich habe heute früh im Schwimmbad den ersten Abschnitt gelesen und stecke schon mitten im zweiten.
    Ich äußere mich später ausführlicher dazu. Mir ist es ehrlich gesagt zu warm, um noch länger am Rechner zu sitzen und längere Texte zu verfassen.

  • Ich vermute er hat einfach seiner Neigung nach das studiert, was ihm schon immer am meisten gelegen war, nämlich mit der deutschen Sprache umgehen und Bücher lesen. Wahrscheinlich fielen ihm in der Schule die Aufsätze besonders leicht und er hat die Schriftsteller nicht nur seiner Zeit verehrt.

    Ja, da magst du recht haben :)

    Ich habe mir das gerade noch mal so durch den Kopf gehen lassen und mich erinnert, dass auch die Kinder einiger Bekannter das so gemacht haben. Da sind einige dabei, die nach dem Abitur so absolut gar nicht wussten, was sie später mal beruflich machen wollen. Die haben die Studienfächer dann auch einfach grob nach den aktuellen Interessen ausgewählt, ohne zu wissen, ob sie später im praktischen Berufsleben damit auch etwas anfangen können.

  • Das bringt mich jetzt zu der Art und Weise, wie Frauen imBuch dargestellt werden. Da weiß ich auch noch nicht so recht, wasich davon halten soll. Die 1920er/1930er Jahre waren bestimmt keineprüden Jahre, aber generell scheint es in Fabians Welt nursexbesessene, notgeile Weiber zu geben, die rund um die Uhr danachtrachten, den nächsten Kerl flachzulegen. Beispiele gibt es da imersten Abschnitt genug, die männerverschlingende Frau Moll, die zwei Mädchenin Haupts Sälen, die Frau im Café, die mit dem Blinden am Tischherumturtelt und nebenbei noch mit dem Mann am Nachbartisch flirtet,Labudes Freundin Leda und sogar Fabians alte Vermieterin, dieihn nur zu gern anbaggern tät'. Es ist, als wäre Berlinausschließlich von solchen Frauen bevölkert, und das mag ich nichtso recht glauben.


    Ich habe noch einige Literatur zurFrauenbewegung, Geschichte der Emanzipation etc. hier im Regal stehenund gestern ein wenig nachgeforscht, aber leider nichts über diesexuelle Freizügigkeit dieser Jahre gefunden. Weiß da jemandNäheres darüber, ist das realistisch, was Kästner da beschreibt?Oder doch eher Fantasie und Wunschdenken?

    Ich denke, es ging in gewissen Künstlerkreisen wirklich so skandalös zu. Fabian sucht sich wohl absichtlich die verruchtesten Stätten, um sein Leben zu genießen.


    Ich habe gerade noch einmal in das Buch "Kind dieser Zeit" von Klaus Mann reingelesen - die Stelle, wo er 16jährig heimlich mit seiner Schwester von München nach Berlin fährt, um in die für ihn eigentlich verbotenen Etablissements zu gehen - das große Jugendabenteuer. :nono ;)


    Ich glaube, es gab damals regelrechte Parallelwelten, je nach dem aus welchem Elternhaus man kam oder in welcher Branche man sein Geld verdiente. Die einfachen oder religiösen Menschen haben sicher nach ganz anderen moralischen Grundsätzen gelebt als die Künstler und Intellektuellen.


    Frauen hatten damals keine große Wahl. Entweder sie hielten sich streng an die Moralverschriften oder sie waren schnell als verdorben abgestempelt. Und dann war es eh egal, was sie weiterhin trieben - nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert."

    Pech hatten da die anständigen Mädchen, die arbeiten mussten und an einen Arbeitgeber gerieten, der ihre Situation ausnutzte. :hau

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Ich denke, es ging in gewissen Künstlerkreisen wirklich so skandalös zu. Fabian sucht sich wohl absichtlich die verruchtesten Stätten, um sein Leben zu genießen.



    Frauen hatten damals keine große Wahl. Entweder sie hielten sich streng an die Moralverschriften oder sie waren schnell als verdorben abgestempelt. Und dann war es eh egal, was sie weiterhin trieben - nach dem Motto: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert."

    Pech hatten da die anständigen Mädchen, die arbeiten mussten und an einen Arbeitgeber gerieten, der ihre Situation ausnutzte. :hau

    Fabian genießt nicht, er beobachtet. Und er geht keine Bindung ein, wegen der Verantwortung. Dazu äußert er sich ja auch. Jeden Tag kann man seine Arbeit verlieren und hat dann noch Frau und Kinder zu versorgen. Das will er nicht. Er lässt sich ja auch nicht auf die "leichten" Mädchen in den Etablissements ein.

    Und tatsächlich hatten die Frauen nicht viele Möglichkeiten. Und nach dem verlorenen Krieg hatte sich die Situation aller so verschlechtert, dass man das genommen hat was man kriegen konnte. Hauptsache man hatte zu essen. Um die damalige Lage besser beurteilen zu können empfehle ich Klaus Kordons "Rote Matrosen". Sicher gibt es da noch andere aber das finde ich gut.

    Viele der Mädchen/Frauen handelten aus nackter Not heraus. Darüber mag ich nicht urteilen. Schlimm genug, dass es so war. Bei Frau Moll sieht es anders aus aber auch sie hat sicher ihre Gründe. Außerdem bezahlt sie ja dafür, Bordelle für Frauen gibt es ja nicht. Naja, heute vielleicht schon eher.


    Egal, Fabian scheint auch der Typ zu sein, der nicht urteilt, er bildet sich seine Meinung hat aber Verständnis für die Situation der Mädchen. Bedauert sie ja.

    Warum er sein Studium nicht nutzt um vorwärts zu kommen??? Um welches Jahr handelt es sich genau?? Habs nicht gefunden. Ich denke es liegt an seinen Kriegserfahrungen und der Lage im Land. Er sieht, dass es noch mehr bergab geht und denkt wozu?

  • Bestimmt hatten da viele keine andere Wahl, als in Bordellen und in anderen Vergnügungsstätten zu arbeiten, um überleben zu könnnen. Das ist heute ja mancherorts immer noch so. Mir ist nur aufgefallen, dass halt nur von solchen Frauen und Mädchen die Rede ist, andere kommen (bis jetzt) ja gar nicht vor.


    @ Findus

    Die Handlung müsste 1930 spielen. Gleich im allerersten Absatz sitzt Fabian in einem Café und überfliegt die Schlagzeilen der Zeitung, da ist von einem Luftschiffunglück in Beauvais die Rede, das war lt. Wikipedia in diesem Jahr.

  • Fabian genießt nicht, er beobachtet.

    Er äußert sich doch gegenüber seinem Vorgesetzten dahingehend, dass er sein Leben als "Nebenjob" sieht. Ich glaube nicht, dass er so viel Zeit und Geld investieren würde, wenn er nicht sein Vergnügen an seinen Beobachtungen hätte.

    - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

  • Der bissige, sarkastische Tonfall gefällt mir auch sehr. Das erste Kapitel macht bei mir auf jeden Fall Lust , weiterzulesen.


    Clare : ich hoffe sehr, Du findest noch Gefallen an dem Buch und an dem Stil und liest mit uns weiter.

    Auf jeden Fall!

    Ich breche selten ab, eine LR noch seltener. Leider komme ich nicht soviel zum Lesen, aber ich muss ja auch nicht so rennen wie sonst immer:grin