Fragen an Brigitte Riebe

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  • Liebe Brigitte, da wir dich schon mal unter uns haben, möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, um eine Frage loszuwerden, die mir schon lange unter den Nägeln brennt, und zwar zur Recherchearbeit.


    Ich nehme mal an, dass man vor allem bei historischen Romanen haufenweise Literatur wälzen muss, zumindest wenn man den Anspruch hat, vergangene Zeiten historisch halbwegs genau wiederzugeben. Bücher lesen, Artikel sichten, Archive durchackern, Internetrecherche, sowas wird wohl die Hauptarbeit sein ... wie machst du das bei deinen vielen Büchern? Wie fängst du da an?


    Und was mich noch interessiert: wie ist das zum Beispiel, wenn du direkt Infos von bestimmten Personen willst oder ein persönliches Gespräch mit ihnen brauchst, vielleicht mit Zeitzeugen sprechen möchtest? Wird das überhaupt gemacht, sucht man da als Autor den persönlichen Kontakt oder versucht man eher, alles Nötige übers Internet oder diverse Medien zu erfahren, damit man solche 'Feldstudien' nicht machen muss? In den Danksagungen vieler Bücher, auch hier, finden sich immer viele Namen von Personen, die zur Entstehung des Buches beigetragen haben - wie findet man als Autor solche Leute? Wie gehst du an so etwas heran?


    Du schreibst ja unter Pseudonym auch Krimis, wie erfährst du da zum Beispiel Details über die Arbeit von Polizei, Kripo oder irgendwelchen Ämtern, die du für ein Buch brauchst? Vermutlich wird es nicht reichen, nur jeden Sonntag Tatort zu gucken ... schneist du da einfach ins Polizeirevier und fragst den Mitarbeitern dort Löcher in den Bauch? (Das wäre so meine naive Vorstellung davon ^^ ) Wen spricht man da an? Und wie reagieren die Leute allgemein darauf, wenn du dich als Schriftstellerin zu erkennen gibst, die etwas über deren Arbeit oder Spezialgebiet erfahren will, wird das positiv aufgenommen oder gab es da auch schon mal Ablehnungen oder böse Überraschungen? Kennen die deinen Namen, wenn du dich vorstellst, oder musst du erst erklären, wer du bist?


    Ich habe leider so gar keine Vorstellung von solchen Abläufen und - vorausgesetzt, es handelt sich dabei nicht um absolutes Autoren-Geheimwissen, das unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit dringen darf - ich würde mich freuen, ein wenig darüber zu erfahren, wenn deine Zeit es zulässt. Vielleicht interessiert es die anderen Leserundenteilnehmer ja auch :)

  • Jetzt bin ich auch mal gespannt auf die Antwort Bücherdrache  :grin.


    In etwa hab ich eine solche Frage schon ein oder zwei mal in anderen Leserunden an andere Autoren gerichtet. Und wenn ich mich recht erinnere, keine Antwort erhalten, was für mich dann auch eine Antwort gewesen ist, weshalb ich nicht nachgehakt habe. Denn auch diese Autoren waren ansonsten aufmerksame Begleiter in den jeweiligen Runden :).

  • Lumos

    Ja, kann durchaus sein, dass ein Autor so etwas nicht verraten will, irgendwie ist das ja schon so eine Art "Betriebsinterna", die man vielleicht nicht in der Öffentlichkeit erzählt. Deswegen habe ich da den Zusatz noch reingepfriemelt mit dem Autoren-Geheimwissen, weil ich mir nicht sicher bin, ob über so etwas gesprochen wird. Wenn solche Dinge nicht nach außen dringen sollen, kann ich das auch akzeptieren. Aber neugierig bin ich natürlich trotzdem :grin

    Schau'mer halt mal, was als Antwort kommt :)

  • soooooooooooooooooooooo viele Fragen ...

    also, dann will ich mal anfangen:

    Ich recherche supergründlich, bin berühmt-berüchtigt dafür, habe ich meinem Studium gelernt und in nunmehr fast 30 Jahren seitdem von Buch zu Buch weiter verfeinert, sozusagen immer von außen nach innen wie eine Zwiebel, vom Allgemeinen zum Besonderen. Eine "Quelle" kann in der Neuzeit vieles sein: Eine Briefstelle, ein Zeitungsartikel, ein Film, etwas aus dem Archiv. Natürlich auch ein Gespräch mit Zeitzeugen. Die meisten Menschen reagieren sehr nett, wenn ich sie persönlich befragen will - allerdings lässt Erinnerung vieles verschwimmen/verschwinden - und es stimmt bei weitem historisch nicht alles, was sie sagen ...


    Zum Thema Berlin hat mein Rechercheberg ungeahnte Ausmaße angenommen - manchmal hatte ich Angst, er erschlägt mich, aber ich lebe immer noch, wie ihr seht. Ist ja auch meine 1. Trilogie .... und Zeitgenossen, die das alles mitgemacht haben, sind noch am Leben. da wollte ich ganz besonders genau sein.


    Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht, mir Spezialisten ins Boot zu holen - Juristen, wenn ich einen Juristen erzähle, Schmiede, wenn es um Schmiede geht - das gilt auch für Bierbrauer, Holzschnitzer, Steinschleifer, Hembammen, Baristas, Restauratoren und anderes mehr. Ich finde, das merkt man in meinem Romanen, wenn ich das in aller Bescheidenheit mal so sagen kann. Die Liste ist beiebig verlängerbar. Ich lasse mich beraten und entlohne diese Menschen auch mit einem Honorar f. ihre wertvollen Dionste - eine Frage der Ehre und f. mich selbstverständlich. Was hab ich auf diese Weise schon f. spannende Leute kennengelernt ...

    Und ihr werdet bei mir nie solche sinnentleerten Sätze lesen wie: "Er ging in die Schmiede und arbeitete" - ja, Pustekuchen, da weiß ich hinterher auch nicht mehr als zuvor ...


    Ich lasse mir bei der immensen Materialbeschaffnung helfen. In den vielen Jahren meiner Autorentätigkeit habe ich 12 studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehabt, die mir eine Art "Crashkurs" fürs Leben bei mir durchlaufen - sie übernehmen f. mich Gänge in die Bibliothelen, leihen aus und und kopieren - lesen muss ich allerdings selbst ...

    aber, je nach Typ und Interesse, hatte ich schon richtige kleine Koryphen, mit denen ich mich über Plots und Figuren austauschen konnte. Sie aller lernen jede Menge bei mir in kurzer Zeit, was für ein toller Studentenjob- ich hatte sehr viel schlechtere! - werden von mir in Berufs- und Lebensfragen beraten. Bis auf eine, mit der es gleich geknirscht hatte, ist aus allen "etwas geworden", wie man so schön sagt - drei von ihnen schreiben inzwischen selbst. Ich bin maßlos stolz auf meine "Youngsters", manche sind enge Freunde geworden - schön für mich, da ich keine leiblichen Kinder habe - irgendwie fast Adoptivkinder.


    Ich liebe diesen Kontakt zur Jugend und bin fest überzeugt, dass er mit ein Grund ist, warum ich permanent bis zu 15 Jahre jünger geschätzt werde, als in meinem Perso steht ...


    Die Krimis um die Kalte Sofie (Als Felicitas Gruber (ein Zusammenschnitt der Namen unserer geliebten Omas) konnten Gesine Hirsch und ich nur schreiben, weil uns seit fast 30 Jahren eine tiefe, absolut neidlose Freundschaft verbindet. Und weil wir einen tollen, tollen Mentor mit im Boot haben: Dr. Oliver Peschel, Professor für Rechtsmedizin an der LMU München, auch bekannt als "Hüter des Ötzi". Ohne sein Wissen und sein Durchschauen unserer tTxte hätten wir dieses Projekt niemals verwirklicht. Ich bin ihn vor Jahren wegen einer Frage mit weiblichem Charme angegangen, inzwischen hat sich auch da eine fast 20 Jährige, sehr schöne Freundschaft entwickelt (übrigens auch mit seiner Fau und der Tochterm die damals noch krabbelte, inzwischen aber selbst Medizin studiert)- unser "Ollie" ist wirklich einsame Spitze ...


    Alles aufwändig, alles andere als günstig, aber ich kann und will es nicht anders,.

    Wo "Riebe" drauf steht (oder Simon oder Gruber), da muss einfach alles stimmen ....:S

    Herzlichst eure Brigitte/Teresa/ Felicitas

  • hab ich noch vergessen: Natürlich muss ich mich überall vorstellen, aber inzwischen kennt mich auch schon der eine oder andere nach fast 50 Romanen ... Lass es mich so sagen: Wie du dich vorstellst, so kommt es auch zurück - und ich bemühe mich, sehr nett und charmant zu sein ... schließlich will ich ja etwas von den Fachleuten ... wer mithilft, kommt in die Danksagung, das freut viele ... :)

    fällt mir meistens übrigens gar nicht so schwer ...

  • Oh, das freut mich jetzt aber riesig, dass du gleich so ausführlich geantwortet hast :)

    Nach Lumos' Erfahrungen hatte ich jetzt schon befürchtet, dass nichts als Schweigen kommt, aber das Gegenteil ist der Fall, wunderbar!

    Das sind mal richtig interessante Einblicke, über solche Dinge erfährt man als Leser ja praktisch nie etwas. Wir kriegen immer nur das fertige Ergebnis zu sehen, aber wie unglaublich viel Arbeit drinsteckt, können wir ja kaum erahnen. Ich finde das toll und auch bemerkenswert, wenn jemand seine Aufgabe mit dem Anspruch angeht, nur das Beste abliefern zu wollen, auch wenn das Zeit und Mühe kostet, das ist heutzutage ja nicht mehr so selbstverständlich. Man merkt es Büchern auch an, ob dahinter Wissen und fundierte Recherche stecken - wäre auch schlimm, wenn es da keine Unterschiede gäbe.


    So wie du das beschreibst, ist es für dich ja auch viel mehr als nur Recherchearbeit, wenn man dabei so viele interessante Leute kennenlernt und sogar langjährige Freundschaften daraus entstehen. Ich könnte mir vorstellen, dass so über die Jahre auch ein großes Netzwerk an "Informanten" entsteht, auf das du immer wieder (auch gern) zurückgreifen kannst. Und wenn man dann noch ein paar Hausl ... äh, freiwillige Helfer meine ich, zur Verfügung hat, die einen unterstützen und die zeitraubenden Sachen abnehmen, ist das umso besser,


    Brigitte Riebe schrieb:

    Alles aufwändig, alles andere als günstig, aber ich kann und will es nicht anders,.

    Wo "Riebe" drauf steht (oder Simon oder Gruber), da muss einfach alles stimmen ....

    Und der Erfolg gibt dir recht. Und deine Fans und Leser auch :)


    Ich freue mich jetzt wirklich über deine nette und ausführliche Antwort und danke dir sehr - schön, dass du uns hier begleitet hast :wave

  • Ich komme mir inzwischen zwar schon reichlich blöd vor, weil ich dauernd was zu fragen habe, aber ich kann nichts dafür, Bücherdrachen sind einfach eine furchtbar wissbegierige Spezies :whistling:^^


    Was ich mich wirklich ganz oft beim Lesen frage: wie kommen eigentlich die Seitenzahlen eines Buches zustande? Da scheint es ja bestimmte Standardzahlen zu geben. Mir ist ist das erst dieser Tage wieder aufgefallen, weil ich meine gelesenen Bücher für die Eulen-Statistik in einer Liste zusammengefasst habe, da sind auch die Seitenzahlen mit aufgeführt. Und es ist wirklich auffällig, dass bestimmte Zahlen sehr gehäuft vorkommen, bei Taschenbüchern zum Beispiel hatte ich ganz oft exakt 320 bzw 400 Seiten bzw bei dünneren Taschenbüchern scheint 276 Seiten so eine magische Zahl zu sein.


    Gibt es da tatsächlich irgendwelche allgemeine Standards, die ein Autor einhalten muss? Oder wird das vom jeweiligen Verlag vorgegeben? Schreibst du einfach wild rauf los und guckst erst am Ende, wieviele Seiten es geworden sind? Oder musst du schon während des Schreibens darauf achten und bremsen? Und wenn ja, legst du da vorher schon fest, wie viele Seiten es pro Kapitel werden dürfen oder wie funktioniert so etwas, wie muss man sich das vorstellen? :)


  • Gedruckte Bücher richten sich nach Bogen - muss immer durch 8 teilbar sein. Deshalb ist in manchen hintgen so viel Werbung ...

    Man macht schon vorher mit dem Lektorat aus, ob es ein dickes Buch oder eher ein eher dünnes werden sein soll - je nach Genre.

    Ich hatte noch nie irgendwelche Seitenvorgaben - aber komischerweise kann ich auch auf die Seite genau schreiben, wenn es nötig ist (ist wahrscheinlich die lange Übung).


    Das mit den Seiten pro Kapitel ist bei mir Fingerspitzengefühl. Und ich finde, das ständige "Gedaddle" hat auch den Leserythmus geändert: alles muss fixer gehen, alles wird ungeduldig konsumiert.

    Schmökert ihr eigentlich noch? Was für ein herrliches, genussvolles Wort ...


    Ich hatte früher in meinen Histos längere Kapitel, bis zu 50 Seiten, jetzt habe ich das Gefühl, ihr alle kommt mit kürzeren besser zurecht. Aber es geschieht eher intuitiv.

    Ist bei Filmen übrigens ähnlich. Wenn man Filmen aus den 70er guckt, hat man manchmal das Gefühl, die Bilder stehen ...

  • Ah, okay, also man muss im Grunde nur wissen, ob dick oder dünn, das ist dann gar nicht so eng gesteckt, wie ich angenommen hätte. Das glaube ich gern, dass du das nach so vielen Büchern im Schlaf kannst und auf die Seite genau schreiben kannst.

    Schmökern - aber sicher. Schöne dicke Wälzer, in denen man ein paar Wochen lang wohnt und bei dem die Figuren so etwas wie Familienmitglieder werden :love:


    Allerdings ist es schon etwas irritierend, wenn ein dickes Buch so gar keine Unterteilung hat. Kurz vor deinem habe ich eins von Judith Lennox gelesen, das hatte 540 Seiten, eng bedruckt, kaum Absätze, extrem kleine Schrift - und das ganze Buch hatte gerade mal 20 Kapitel, teilweise hatten die auch so um die 50 Seiten. Das fand ich schon ungewöhnlich lang, man fand nie eine geeignete Stelle zum Unterbrechen. Das war wie bei einem Film, wenn man verzweifelt auf die Werbung wartet, damit man endlich mal zum Klo kann :lache

  • sehr schönes Beispiel ...

    für die Schrift ist natürlich nicht der Autor verantwortlich, das macht die Herstellung im Verlag ...

    Allerdings kann das auch gründlich schiefgehen ...

    In meinen Teresa-Simon-Romanen gibt es ja verschiedene Zeitebenen, die durch unterschiedliche Schriften gekennzeichnet werden: da suchte die Herstellung ausgerechnet für die wichtigen Tagebuchpassagen eine nahezu unleserliche Schriuft aus, warum auch immer. Ich hab schon bei der Fahnenkorrektur ganz laut "bitte nicht!" geschrien, aber es wurde erst nach Auflage 2 geändert, als viele der LeserInnen - ganz zu recht - gemeckert hatten ...

  • Noch einmal zum Thema Kopie:

    Manchmal ist es fast ein wenig dreist ...

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    Mein Roman "Die Frauen der Rosenvilla" erschien bereits Anfang 2015 - Rosen im Titel, Thema Schokoladendynastie

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    Fällt ihnen den jetzt gar nichts eigenes mehr ein????

  • Gedruckte Bücher richten sich nach Bogen - muss immer durch 8 teilbar sein. Deshalb ist in manchen hinten so viel Werbung ...

    Aus der Verlagspraxis:

    Für Bücher (mit den üblichen Seitengrößen) werden 16er Bögen "ausgeschossen", besser noch 32er.

    Hier noch weitere Informationen: Seitenzahl durch 16 teilbar


    Auch Zeitschriften versucht man möglichst auf 16er Druckbogen zu platzieren, die man evtl. und ungern noch mit halbem Druckbogen 8er auffüllt. Wir ein 4er noch angefangen, gibt es gewaltiges Kopfschütteln.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)