Kapital - John Lanchester

  • Originaltitel: Capital
    Gebundene Ausgabe: 682 Seiten
    Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1., Aufl. (24. Oktober 2012)


    zum Autor:
    John Lanchester, geboren 1967 in Hamburg, wuchs im Fernen Osten auf und war nach seiner Ausbildung in England als Lektor beim Verlag Penguin Books tätig, ehe er Redakteur der »London Review of Books« wurde. Daneben war er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften wie »Granta« und »The New Yorker« tätig sowie als Restaurantkritiker für »The Observer« und Kolumnist für »The Daily Telegraph«.


    zum Inhalt:
    In der Pepys Road im Londoner Süden herrscht ein buntes Treiben. Bewohner mit den unterschiedlichsten Berufen, Glaubensarten, Einkommen und Vorlieben wohnen hier nebeneinander. Genau wie seine Besitzer gleicht auch kein Haus dem anderen. Zum einen wohnt dort die Rentnerin Petunia Howe, die in ihren ärmlichen Verhältnissen ihr Auskommen hat. Liebevoll kümmert sie sich um die Pflanzen in ihrem Garten. Seit einiger Zeit hat sie aber immer wieder Schwächeanfälle. Als ein unheilbarer Hirntumor diagnostiziert wird, kümmert sich ihre Tochter Mary um sie. Ab und zu besucht sie auch ihr Enkel Smitty, der als Künstler seinen Unterhalt verdient.


    Etwas weiter die Straße herunter wohnt Familie Yount. Roger arbeitet bei einer Bank in der Canary Wharf. Trotz seines hohen Einkommens plagen ihn Geldsorgen. Seitenweise werden die Kosten für Luxusgüter aufgezählt, die das Budget strapazieren und in den Augen seiner Ehefrau lebensnotwendig sind. In Ansätzen wird hier der ständige Überlebenskampf im heutigen Berufsleben deutlich, in dem sich Roger täglich behaupten muss. Der kleinste Fehler würde ihm zum Verhängnis werden. Den wohl schwärzesten Tag erlebt der Aktienhändler, als ihm aufgrund eines Fehlers seines Mitarbeiters fristlos gekündigt wird.


    Familie Kamal betreibt einen Kiosk in der Pepys Road. Die pakistanische Familie hat zwar in London ein neues Leben begonnen, ist aber noch sehr in ihren Traditionen verwurzelt. Auch Quentina ist nicht in London geboren. Die Asylantin aus Zimbabwe arbeitet als Politesse und ist somit die unbeliebteste Frau der ganzen Straße. Sie lebt in der ständigen Angst, eines Tages in Abschiebehaft zu kommen. Als der Tag kommt, werden die dortigen Zustände beklemmend deutlich beschrieben. Anders erlebt das Fußballtalent Freddy Kamo seine neue Heimat. Ein Fußballscout hat ihn im Senegal entdeckt und für eine große Summe bei einem Verein verpflichtet. Begleitet wird er von seinem Vater Patrick. Während Freddy ständig von seinen Mannschaftskollegen und Trainern umgeben ist, quält ihn das Heimweh nach dem Rest seiner Familie. Das harte Vorgehen von den mächtigen Geldgebern erleben die beiden, als sich Freddy beim Spiel verletzt und nun seinen Vertrag nicht mehr erfüllen kann. Als letztes träumen die polnischen Gastarbeiter Piotr und Zbigniew davon, mit ihrem Unternehmen ein Vermögen zu machen und später in Polen ein unbeschwertes Leben zu führen.


    meine Meinung:
    Außer dem Leben in der Pepys Road, haben alle eins gemeinsam: sie bekommen Postkarten, auf denen Teile ihres Hauses abgebildet sind und immer derselbe Text steht. Wir wollen, was ihr habt. Keiner der Charaktere kann sich erklären, was an seinem Besitz so anziehend ist, dass jemand anderes es haben möchte. Bei der Darstellung für den Leser überschneiden sich die Umfelder der Bewohner immer wieder. Der Kioskbesitzer verkauft einem Bewohner eine Kleinigkeit, der Handwerker renoviert in der Straße weiter unten eine Küche oder der pakistanische Gläubige schwärmt insgeheim auch für den Fußballstar. Auf diese Weise zeichnet John Lanchester ein detailliertes Gesellschaftsporträt mit den Strukturen der westlichen Welt. Im flüssigen Schreibstil lassen sich auch nüchterne, logische Schlussfolgerungen spannend lesen. Auch kleinste Details werden berücksichtigt.


    Das 680 Seiten umfassende Buch befasst sich über den Zeitraum von 2007 bis 2008 mit den unterschiedlichen sozialen Gesellschaftsschichten. Überzeugend und für den Leser empathisch wurden die Haupt- und Nebenfiguren kreiert. Die Erzählperspektiven wechseln dabei in regelmäßigen Abständen. Umrahmt wird die Gesellschaftsstudie mit der Suche nach dem Versender der Postkarten. Die Ermittlungen treten dabei allerdings nicht in den Vordergrund. „Kapital“ bietet seinen Lesern vielmehr einen Beobachterplatz in der ersten Reihe. Eingängig werden Zusammenhänge zwischen dem Staat, Privat- und Wirtschaftsleben dargestellt, ohne sie jedoch zu bewerten. Ein Handeln zieht eine Konsequenz mit sich und jedes sich drehende Rad hat seine Funktion. Dem Autor ist es gelungen, dass jeder Leser seine eigenen Erkenntnisse aus diesem Buch gewinnen kann.

  • Ich lese das Buch gerade und bisher gefällt es mir ausnehmend gut.


    Wie ist denn deine persönliche Gesamtbewertung, Büchersally? Deine Rezension finde ich informativ und kann sie nach dem bisher gelesenen so unterschreiben, aber sie erscheint mir relativ sachlich und neutral. Passt zwar irgendwie auch zu diesem Buch, doch deine ganz persönliche Wertung würde mich interessieren, eventuell auch die Punktzahl ;-).

  • Hier nun endlich meine Meinung:


    Dass ein Buch ohne durchgehenden Plot dermaßen fesselnd sein konnte, kam für mich überraschend. Zum Lesen habe ich relativ lange gebraucht, nicht weil es mühsam gewesen wäre, sondern ich es Satz für Satz genießen wollte, auch mit gelegentlichen Pausen zwischen den Kapiteln, damit mir möglichst nichts entgeht.


    John Lanchester hat meiner Meinung nach einen genialen Roman geschrieben, aber ich finde es schwierig ihm in einer Rezension gerecht zu werden. Ich versuch`s mal, aber am besten lest ihr selbst.


    Die in der Pepys Road in London wohnenden und/oder arbeitenden Menschen bilden einen Querschnitt durch alle möglichen sozialen Schichten einer modernen Großstadt. Über den Zeitraum eines Jahres hinweg gibt John Lanchester Einblicke in die Lebenssituationen seiner Protagonisten, erzählt von ihren großen und kleinen Problemen und gibt ihnen im Laufe der Geschichte eine Tiefe und Vielschichtigkeit, die mich in Anbetracht der häufig wechselnden Erzählperspektiven erstaunt hat. Genial und faszinierend finde ich, wie intensiv und überzeugend er sich in diese Vielzahl von so komplett verschiedenen Menschen, in ihre Denkweisen und Überzeugungen hinein versetzen kann, ihre Stärken und Schwächen so realitätsnah und glaubhaft schildert. Er schreibt kenntnisreich und einfühlsam, ohne zu belehren oder zu werten, manchmal schonungslos offen, häufig humorvoll und süffisant und konfrontiert uns mit den absurden, kranken Auswüchsen unserer Zivilisation, unserer „westlichen Wertegemeinschaft“, von der wir glauben, sie dem Rest der Welt vermitteln zu müssen.


    Sein Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen, mit einem gewissen Anspruch, jedoch leicht und flüssig zu lesen, mit augenzwinkerndem Humor und einer wohl dosierten Portion Ironie und vor allem diesem scharfsinnigen Blick für Details.


    Fazit:
    Irgendwo habe ich gelesen, es handele sich um einen „literarischen Leckerbissen“ und das kann ich voll und ganz unterschreiben.
    Pure, uneingeschränkte Begeisterung und absolute Leseempfehlung!


    Edit: 10 Punkte

  • Die Pepys Road in London hat sich zu einem Mikrokosmos unterschiedlichster Menschen entwickelt. Früher eine Strasse eines Viertels in dem die Arbeiter der Mittelschicht wohnten, mit einem Einkommen das es ihnen erlaubte mit ihrer Familie in ein robust gebautes zwei- oder dreistöckiges Haus mit Garten zu ziehen. Gewiss keine spektakuläre aber durchaus ein wohnliche Gegend. Das viele Geld das es ab Mitte der neunziger Jahre an der Börse zu verdienen gab, besonderes in einer Finanzmetropole wie London, spülte eine neue Gesellschaftsschicht von Leuten hervor die schnell sehr viel Geld verdienten und sich problemlos ein gediegenes Haus leisten konnten. Das Phänomen das gewisse Stadtteile von einem Jahr auf andere plötzlich als hipp gelten und diese In-Quartiere reiche Menschen wie Motten das Licht anziehen gilt auch für die Pepys Road. Die alteingesessenen Bewohner wurden plötzlich vermögend, nicht in Form von Bargeld sondern weil sich der Wert ihrer Häuser innert kürzester Zeit vervielfachte und immer mehr können den Verlockungen des schnöden Mammons nicht widerstehen und verkauften ihr Anwesen zu einem Höchstpreis von mehreren Millionen Pfund. Die neuen Bewohner der Strasse verändern das Gesellschaftsbild nach und nach aber auch ihr Leben ist nicht frei von Sorgen obwohl sie dieses Gefühl durch eine strahlende Fassade gerne vermitteln möchten.


    Der rote Handlungsfaden durch die Geschichten sind die mysteriösen Karten mit Fotos der Haustüren oder Häusern der Pepys Road und der Nachricht "Wir wollen was ihr habt" die allen Bewohnern anonym zugestellt werden. Was hat es damit auf sich? Seltsam! Die Karten gehen sowohl an eine alte Witwe wie auch an ihre Nachbarn gegenüber die Familie eines smarten Bankers, das hoffnungsvolle Fussballtalent aus dem Senegal und sein umtriebiger Manager, die Besitzer des Kiosks/kleinen Lebensmittelladens der Strasse und einen Künstler. Eine Asylbewerberin aus Afrika die als Politesse ihren Dienst tut und polnische Handwerker die Bau- und Umbauarbeiten vornehmen sowie ein Kindermädchen spielen, zwar nicht als direkte Bewohner aber als regelmässig Anwesende, eine zentrale Rolle. Mit jedem Kapitel wechseln sich die Schauplätze ab und manche beginnen sich zu verbinden. Zu Beginn war alles rund um den Banker der interessanteste Handlungsstrang aber nach und nach treten die anderen in den Vordergrund und weckten mein Interesse mehr und mehr.


    Der Stil wie alles geschrieben und erzählt ist vermag mich zu überzeugen. An und für sich recht leicht und flüssig lesbar entwickelte sich in mir ein Bedürfnis stets weiterlesen zu wollen und die rund 680 Seiten waren in kurzer Zeit weggeschmökert. Der Autor streut laufend eine Prise Ironie und feinen Spott mit ein aber insgesamt geht er doch recht human um nicht zu sagen sanft mit seinen Figuren um. Dieses Buch ist nicht der grosse englische Gesellschaftsroman der Land und Leute porträtiert und eine sinngebende Moral und eine konkrete Aussage ist nicht zu erkennen. Zu bunt zusammengewürfelt sind die Figuren und es wirkt manchmal etwas gewollt und sie bedienen das ein oder andere Vorurteil aber schlussendlich dient und erhöht es den Unterhaltungswert.


    Geht mal spazieren und betrachtet die vielen unterschiedlichen Eingangtüren an den Häusern an denen ihr vorbeilauft und sinniert darüber wer wohl dahinter wohnen könnte, was für ein Leben sie führen und welche Freuden oder auch Sorgen sie im Moment bewegen. Für mich ein gutes bis sehr gutes Buch dessen Geschichten einen enorm hohen Lesespass bereiten. 8 Eulenpunkte von mir.

  • Die ersten 300 Seiten habe ich ruckzuck weggelesen. Da ich selbst mal Devisenhändlerin war, haben mich Rogers Kapitel besonders angesprochen, aber auch einige andere Figuren hatten es mir angetan. Dann wurde es langsam zäher und irgendwann hat es mich angeödet, es fing dann auch an sich zu wiederholen. Die letzten 200 Seiten habe ich nur noch im Schnelldurchlauf gelesen. Das, was es an Auflösung gab, war da eh schon vorhersehbar.


    Ich gebe mal eher 6 von 10 Eulenpunkte. Ich fand es nicht total schlecht, aber es war mir zu lang, zu klischeehaft und es hatte irgendwie keinen Spannungsbogen.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Die ersten 300 Seiten habe ich ruckzuck weggelesen. Da ich selbst mal Devisenhändlerin war, haben mich Rogers Kapitel besonders angesprochen, aber auch einige andere Figuren hatten es mir angetan. Dann wurde es langsam zäher und irgendwann hat es mich angeödet, es fing dann auch an sich zu wiederholen. Die letzten 200 Seiten habe ich nur noch im Schnelldurchlauf gelesen. Das, was es an Auflösung gab, war da eh schon vorhersehbar.


    Ich gebe mal eher 6 von 10 Eulenpunkte. Ich fand es nicht total schlecht, aber es war mir zu lang, zu klischeehaft und es hatte irgendwie keinen Spannungsbogen.


    Mir ging es mit diesem Buch so ähnlich. Irgendwann haben mich die Figuren ziemlich genervt, wie sie so völlig unreflektiert in ihrem Hamsterrad laufen und keine Minute nachdenken, was sie da eigentlich tun.
    Roger zum Beispiel. Dem habe ich weder den smarten City Boy, noch den geläuterten Ex-Banker abgenommen. In keiner Lebenslage hat er Arsch in der Hose, weder im Beruf, noch privat, und selbst als ihm dämmert, dass da so Einiges gewaltig schief läuft, kommt er nicht in die Pötte.
    So ging es mir mit den meisten Figuren, sie wirken ihren privaten Miseren, sei es die dominante Mutter, sei es die verkorkste Freundin, genau so ausgeliefert wie dem Turbokapitalismus, den sie als Naturgesetz hinnehmen.


    Und das machte den ganzen Roman irgendwann ziemlich langweilig, irgendwann hat sich nichts mehr bewegt, außer die Immobilienpreise.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Dieses Buch ist wohl als "Nebenprodukt" zu den Recherchen zu Kapital entstanden.
    Allein der geniale Titel und die ersten angelesenen Seiten haben mir fast schon besser gefallen als der Roman ;-)

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Die kurzen Kapitel und die vielen Schicksale, die durch die Postkartenserie miteinander verknüpft zu sein schienen, waren sehr interessant nach zu vollziehen. Auch der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen (ich habe die englische Ausgabe gelesen). Auf jeden Fall lesenswert und absolut weiterzuempfehlen.

    "Schweigen bedeutet für einen großen Teil der Menschheit Gewinn."Borondria, Großmeisterin der Golgariten


    Mein Blog: Büchervogel

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  • Ich hab es auf *besondere Empfehlung*
    (mal kurz zu Imandra schiel :grin ) nun auch hier liegen.
    Lese es im Ramen des Lieblingsbuch-Events von Zimööönchen.
    Muss aber gestehen, ich tue mich sehr schwer damit.
    Bin noch ganz am Anfang und hab schon seitenweise nur
    überflogen, weil ich es mühsam finde mir eeeewig erklären
    zu lassen, warum jemand unbedingt seine Prämie braucht,
    was er alles getan hat, um Geld sinnlos zu verprassen und
    jetzt händeringend welches braucht.
    Ich hoffe, dass sich nicht jeder Charakter so zäh liest...?
    Na dann schauen wir mal, wie es mit uns weitergeht, liebes Buch...

  • Inhalt
    Londons Pepys Road gehörte einmal zu einem einfachen Arbeiterviertel. Im Haus der betagten Petunia hat sich seit Jahrzehnten nichts verändert. Früher einmal konnte Petunia die Schuld daran auf ihren Mann schieben. Inzwischen will Petunia selbst keine Änderungen mehr, der Alltag ist ihr mit über achtzig Jahren Last genug. Der Banker Roger Yount ist gerade dabei, beruflich und privat über seine Einkünfte und Ausgaben den Überblick zu verlieren - er wird damit nicht der einzige Banker bleiben. Der kleine Lebensmittelladen in der Straße wird von den pakistanischen Brüdern Achmed, Usman und Shahid Kamal betrieben und symbolisiert das multikulturelle London mit Einwanderern aus aller Welt. Achmeds Familie nimmt in der Sraße die Rolle der Dienstleister ein, steht aber auch für die Hoffnung auf finanziellen und privaten Erfolg. Mit Achmed und seiner Frau Rohinka kann man sich an dem kleinen Glück freuen, wenn die Kinder morgens ein halbes Stündchen länger schlafen oder die fordernde Schwiegermutter wieder nach Lahore zurück reist.


    Nach Bombenanschlägen mit islamistischem Motiv in England kann für ein Familienoberhaupt wie Achmed ein Familienmitglied zum ernsthaften Problem werden, das regelmäßig in die Moschee geht und einen Streit vom Zaun bricht, ob eine muslimische Familie in ihrem Laden Alkohol verkaufen sollte. Dienstleistungen bringt auch die Politesse Quentina aus Zimbabwe, die in der Hoffnung auf den Tod des Diktators Mugabes illegal in England lebt. Auch mit dem engmaschigen Netz, das Einwanderern ohne Papiere außerhalb der Legalität Arbeit und Wohnung verschafft, verdienen Dienstleister anderer Art ihren Lebensunterhalt. Bogdan aus Polen heisst in Wirklichkeit nicht Bogdan, aber seine Kunden können seinen Spitznamen leichter aussprechen. Bogdan erledigt als Ein-Mann-Bautrupp Maler- und Elektrikerarbeiten in den Häusern der Pepys Road. Er kennt seine Qualitäten im Vergleich zu einheimischen Handwerkern genau und ist ein liebenswert spöttischer Beobachter der englischen Mittelschicht. Für den Einkauf Freddy Kamos, des Fussball-Talents aus dem Senegal, wechseln schwindelerregend hohe Summen den Besitzer. Freddys Schicksal zeigt, dass es in John Lancasters Roman zwar um die Gier auf schnöden Mammon geht, aber ebenso um die Hoffnung seiner Figuren, in London ihre Träume verwirklichen zu können.


    Fazit
    Aus privaten und geschäftlichen Beziehungen zwischen den Bewohnern der Pepys Road bildet Lanchester ein Mosaik der Einzelschicksale, das einen Blick hinter die Fassaden des multikulturellen London bietet. Eine Verbindung der Figuren schaffen auch die sonderbaren Postkarten, die die Anwohner in ihren Briefkästen finden. Die Reaktionen auf die Nachrichten sind so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten der Empfänger. Dass hier jemand die Verhältnisse in der Straße zu gut kennt, als dass es sich allein um einen Scherz handeln könnte, benunruhigt inzwischen sogar die Polizei. Garniert mit kritischen Seitenhieben, z. B. auf die ineffektive britische Gesundheitsbürokratie, die Petunia die letzten Wochen ihres Lebens unnötig schwer macht, führt Lanchester seine zahlreichen Handlungsstränge souverän wieder zusammen. Der Autor, der als Lektor beim Pengiun Verlag und als Redakteur einer Literaturzeitschrift tätig war, liebt seine Figuren spürbar. Dass ich unter Lanchesters Protagonisten Lieblingsfiguren entdecken konnte, ist einer der Gründe, warum das fast 700 Seiten starke "Kapital" eines meiner Highlights des Jahres sein wird.


    10 von 10 Punkten


  • Fast 2 Monate hab ich jetzt gebraucht.
    Leider fand ich es stellenweise sehr mühsam zu lesen.
    Zwischendurch ging es dann mal wieder, aber insgesamt
    fand ich es 'unspannend'.
    Die Beziehungsgeflechte und Nachbarschaftsverhältnisse fand
    ich nur sehr oberflächlich dargestellt. Und die einzelnen Personen
    waren mir auch nicht irgendwie näher gekommen.
    Die 'Auflösung' des ganzen kam mir zu plötzlich und
    war irgendwie zu lapidar, immerhin hat man mehrere
    hundert Seiten darauf hingelesen.
    Nichtsdestotrotz gab es Personen, über die ich gerne gelesen habe.
    Matya, der Pole und Quentina (?) habe ich gerne durch die
    Pepysroad begleitet.
    6 von 10 Punkten.

  • Ich finde leider, dass die Meßlatte für diesen Roman meiner Meinung nach zu hoch angelegt wurde. In meinem Klappentext steht z. B. "lesenswertester britischer Roman seit Jahren", "spannend von der ersten bis zu letzten Seite", "grandioser Roman zur Finanzkrise" "vielschichtiges und packendes Gesellschaftsportrait".


    Das Buch liest sich flüssig und hat mich auch nicht gelangweilt. Aber der anfangs aufgebaute Spannungsbogen durch die mysteriösen Briefe flachte am Ende ziemlich ab und die Auflösung verlief relativ unspektakulär.
    Die vielen Charaktere des Buches wurden zwar gut beschrieben, waren mir aber zu stereotyp. Der Banker mit seiner vierköpfigen Vorzeigefamilie, dessen Frau nur Geld ausgibt und sich wenig mit den zwei kleinen wohlstandsverwahrlosten Kindern abgibt.
    Das ungarische Kindermädchen, das in seiner Heimat Maschinenbau studiert hat, aber deren Ziel es ist, sich in London einen reichen Mann zu angeln. Die fleißigen polnischen Allround-Handwerker, die islamische Familie aus Pakistan usw. haben mich jetzt nicht vom Hocker gehauen.


    Wer sich kurzweilig unterhalten will, soll ruhig zu diesem Roman greifen. Aber anspruchsvoll, gesellschaftskritisch oder als erleuchtender Beitrag zur Finanzkrise fand ich ihn nicht.


    5 von 10 Punkten

  • Nun habe ich das Buch gelesen und fand es hat mich gut unterhalten. Wenn ich auch relativ lange für die über 600 ! Seiten gebraucht habe.Es war schön zu lesen,wie der Autor die mitwirkenden Personen charakterisiert hat.Die Handlungen wurden geschickt miteinander verstrickt und dadurch kam auch Spannung auf, wie sich die Geschichte weiter entwickelt...
    Ich gebe dafür 9 von 10 Eulenpunkte :wave Ekna

    :lesend : Eleanor Brown "Die Shakespeare-Schwestern "


    :lichtBeim Lesen läßt sich vorzüglich denken L.Tolstoi