Zitat
Original von Bernard
Ich glaube, Genres sind primär ein Ordnungskriterium des Buchhandels geworden. Man stellt halt Bücher nebeneinander, die ähnliche Schwerpunkte haben, damit die Leute etwas finden, was "so ähnlich ist wie das Buch, das ich neulich gelesen habe".
Meine Wahrnehmung von Genres ist ähnlich. Genres sind Marketing, ein notwendiges Übel, um es dem Leser einfacher zu machen, etwas für ihn Interessantes zu finden. Aber Genres sind auch schrecklich ungenau.
Science Fiction ist mein Lieblingsbeispiel.
Jose Saramago, portugiesischer Nobelpreisträger: Stadt der Blinden
Kurzbeschreibung: In einer unbekannten Stadt in einem unbekannten Land wird ein Mann, der in seinem Auto sitzt und darauf wartet, daß die Ampel auf Grün schaltet, plötzlich mit Blindheit geschlagen. Aber anstatt in Dunkelheit gestürzt zu werden, sieht dieser Mann plötzlich alles weiß, als ob er "in einem Nebel gefangen oder in einen milchigen See gefallen wäre". Ein barmherziger Samariter bietet an, ihn nach Hause zu fahren (um ihm danach das Auto zu stehlen); seine Frau bringt ihn mit dem Taxi in eine nahegelegene Augenklinik, wo er an den anderen Patienten vorbei in das Behandlungszimmer gebracht wird. Innerhalb eines Tages sind die Frau des Mannes, der Taxifahrer, der Arzt und seine Patienten und der Autodieb allesamt Opfer dieser Blindheit geworden. Als die Epidemie sich ausbreitet, gerät die Regierung in Panik und beginnt, die Opfer in einer leerstehenden Nervenheilanstalt unter Quarantäne zu stellen. Dort werden sie von Soldaten bewacht, die den Befehl haben, jeden, der zu fliehen versucht, zu erschießen.
John Wyndham, englischer Science Fiction Autor: Die Triffids
Kurzbeschreibung: Ein Kometenschauer ist über London niedergegangen, und alle Tätigkeit ist zum Erliegen gekommen. Riesige wandelnde Pflanzen bedrohen die plötzlich erblindeten Menschen. Die ganze Stadt ist in gespenstische Stille getaucht, überall bricht Chaos aus. Mit genauem Blick für realistisches Detail führt Wyndham den Leser durch ein apokalyptisches Szenarium, das durchaus aktuelle Züge trägt. Der Mensch hat rücksichtslos in die Natur eingegriffen, und die Natur wendet sich gegen ihn.
Das eine Buch wird man unter Belletristik finden, das andere unter Science Fiction, dabei ist die Prämisse der beiden Bücher nahezu identisch. Nun könnte man sich als Science Fiction-Fan darüber beklagen, dass Saramagos Roman nur weil er ein ernsthafter Autor ist, nicht als Genre-Literatur bezeichnet wird, tatsächlich ist für die meisten Leser die Trennung der beiden Bücher aber gerade sinnvoll, sonst wären die verschiedenen Bücher eines Autoren verstreut über den ganzen Buchladen. Literatur ist chaotisch und Marketing und Genres versuchen das unmögliche zu schaffen und Ordnung ins Chaos zu bringen.