Die ersten drei Sätze eures aktuellen Buches (ab 23.08.2020)

  • Nichts auf Erden klingt wie die Trauer, die mit elementarer Wucht aus einem gewöhnlich zurückhaltenden, würdevollen Mann herausbricht. Nichts lässt sich damit vergleichen - weder das Kratzen von Fingernägeln über eine Schiefertafel noch das Surren eines Bohrers, der den Zahnschmelz durchdringt. Nichts.


  • Ein Kurator gilt allgemein als der Brückenbauer zwischen Künstler oder Künstlerin und dem Publikum. Und als ein solcher Brückenbauer habe ich mich stets bemüht, nicht meine eigenen Beschränkungen zum Massstab einer Ausstellung zu machen, sondern das Machtwort dem Werk zu überlassen. Falls jemand das als Zeichen meiner Fantasielosigkeit werten sollte, meinetwegen.

  • Normale Menschen essen keine rohen Quitten. Doch ich versenke die Zähne in der pelzigen Haut eines prallen gelben Exemplars, und sofort zieht die Bitternis des Fruchtfleischs mir Gaumen und Gesicht zusammen. Die Quitte habe ich gestern Nacht, gegen zweit Uhr früh, vom Baum im Vorgarten meines Vaters gepflückt, als ich seiner Trage zum Rettungswagen folgte.


  • Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmten sie die Treppe hinauf. Gleichzeitig versuchten sie so wenig Lärm wie möglich zu machen. Gamache gab sich große Mühe, ruhig zu atmen, als ob er zu Hause säße und alles in bester Ordnung wäre.

    Zu welchem Buch gehören die Sätze? Wäre schön, wenn du das ergänzen könntest.

  • The federal agents in my office were lucky for two reasons.

    First, my left hook wasn't what it had been before getting shot. And second, I hadn't been able to work my way up into feeling anything, let alone mad enough to make me consider doing something stupid.


  • Erinnerst du dich daran, wie du das erste Mal in deiner eigenen Wohnung, es war nicht mehr als ein Zimmer, etwas kochen wolltest und dir erst mittendrin aufgefallen ist, dass du noch Salz würdest kaufen müssen? Du besaßest nicht einmal einen Salzstreuer. Woran man nicht alles denken musste in einem Erwachsenenleben!

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Hatte man die zugrunde liegende Ironie der Situation erst einmal verkraftet, wurde einem klar, dass einiges dafür sprach, jemanden in seinem eigenen Fitnessclub umzubringen. Die Zielperson war ein Yakuza, ein fanatischer Gewichtheber namens Ishihara, der jeden Tag in dem Club in Roppongi trainierte, welcher ihm selbst gehörte. Tatsu hatte mir gesagt, dass es nach einer natürlichen Todesursache aussehen müsse, wie immer.


  • Die segnende Hand Christi ragte aus den züngelnden Flammen. Zwei Finger wiesen anklagend nach oben auf die musizierenden Engelchen, die pausbackig an der Decke über dem Speisealtar schwebten. Es rauchte, knackte und zischte.

  • Knirschend bahnte sich der Zug seinen Weg über die vereisten Schienen, auf die schneegekrönten Gipfel der Karpaten zu, die wie Reißzähne vor uns aufragten. Wir hatten Bukarest hinter uns gelassen, und der Farbton des Gebirges, dem wir uns näherten, ließ mich an verblassende Blutergüsse denken. Es schneite in dicken, schweren Flocken, und die Berge wirkten kalt wie totes Fleisch.

  • Dienstag, 4. März


    Von hier oben war die Aussicht über das Nobelviertel und die Berge am westlichen Stadtrand Wiens überwältigend. Die Sonne schob sich über die Hausdächer, tauchte die Stadt in milde Orangetöne und brachte sogar die ersten Vögel zum Zwitschern.

    Slavo knöpfte sich den Overall auf und atmete die frische Morgenluft ein.


  • Es war ein verrückter, schwüler Sommer, dieser Sommer, in dem die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl kamen und ich nicht wußte, was ich in New York eigentlich wollte. Bei dem Gedanken an Hinrichtungen wird mir immer ganz anders. Die Vorstellung, auf den elektrischen Stuhl zu kommen, macht mich krank, aber in den Zeitungen war von nichts anderem die Rede - glotzäugige Überschriften, die mich an jeder Straßenecke und an jedem muffigen, nach Erdnüssen riechenden U-Bahn-Schlund anstarrten.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Xian Qian war erstaunt. Als er im Oktober 1945 das erste Mal durch das zerstörte Nürnberg lief, erinnerte ihn die Stadt als einzige von allen europäischen Städten an Peking. Nicht nur der alten Stadtmauer wegen, des Flusses, der sich hindurchschlängelte, oder der Trauerweiden, sondern auch wegen der Ruhe, die die Stadt ausstrahlte.

  • Die Straßenlaternen flackern, während sie den grauen Gehweg bescheinen, der überzogen ist mit Sprenkeln aus schmutzigem Schnee und Glatteis. Im Rinnstein versuchen Matschpfützen sich vor den surrenden Autoreifen zurückzuziehen, die alles plattwalzen. Ich muss mich ganz auf mich selbst konzentrieren, um das Gleichgewicht zu wahren.


  • Als die Kutsche an diesem trüben, regnerischen Novemberabend über die belebte Westminster-Brücke fuhr, gewahrte Sir John auf der anderen Uferseite, inmitten der Rauchwolken zahlloser Fabrikschlote, das weitläufige Gebäude des Londoner Irrenhauses. Vor einigen Jahren hatte er im Rahmen der Royal Society an einer Führung durch die Anstalt teilgenommen, die der Chefarzt Professor Hood für die Mitglieder veranstaltet hatte. Obgleich Sir John ein Mann der Wissenschaft war, und Professor Hood es trefflich verstanden hatte, die Zuhörer mit anschaulichen Erläuterungen in seinen Bann zu ziehen, hatte es ihn doch gegruselt, als sie durch den Trakt der unheilbaren Fälle geführt wurden.