Der verborgene Fluss - Kate Grenville

  • Originaltitel: The secret river


    Eine Zeitlang hat mich allein das Thema Australien eher abgeschreckt. Vermutlich aus reinen Überdruß, weil ich vorher jedes Buch rund um Australien verschlungen habe. Irgendwann sind dann alle Klischees verbraten und ich konnte es nicht mehr lesen.
    Nachdem dieser Roman aber anders klang in der Beschreibung und auch für den Booker Prize 2006 nominiert ist, bin ich doch mal wieder neugierig werden.


    Erzählt wird von der Besiedlung Australiens und erzählt wird das Leben von Will Thornhill. Er wächst in ärmsten Bedingungen in London auf und hält sich und seine Familie nur mit kleineren Diebstählen über Wasser. Ein kurzes Glück mit Lehre und Heirat endet aber in einem harten Winter und weitere Kleindiebstähle bringen Will ins Gefängnis und schließlich mit einem Gefangenentransport nach Australien. Begleitet von seiner Frau Sal und seinem ältesten Sohn.
    Erzählt wird vom Zurechtfinden in einer völlig fremden Umgebung, vom rauhen Leben in Sydney. Und von Pioniergeist.
    Will entdeckt die Liebe zu einem Land und erarbeitet sich mit Fleiß und Mut eine Existenz.
    Gestört wird die familiäre Idylle aber durch die australischen Ureinwohner, die auch ihr Leben so weiterleben, wie seit Jahrhunderten und dabei keine Rücksicht auf die neuen Bewohner nehmen. Es kommt zu Konflikten und zu Blutvergießen. Und die Idylle bekommt Risse.


    Nach dem kompletten Lesen stehe ich dem Buch mit ein wenig gemischten Gefühlen gegenüber.
    Zunächst muß ich aber schon mal sagen: es ist ein guter Roman über Australien. Es beleuchtet die Geschichte Australiens mal über Entdeckerabenteuer und romantischer Verwicklungen hinaus. Er erzählt vom alltäglichen Leben, vom Aufbau einer Existenz in einem fremden Land.
    Das macht den Roman empfehlenswert!


    Mich persönlich haben ein paar Kleinigkeiten aber auch gestört:
    Zum einen ist Will Thornhill eine rundherum sympathische Figur, aber auch irgendwie zu gut für diese Welt. Trotz seiner Diebstähle hat Will eine erstaunlich klar definierte Vorstellung von Gut und Böse. Ein bißchen zu gut für diese Welt.
    Zum anderen ist die ansonsten schöne und klare Sprache des Buches ab und an mal durch geradezu monströse schwelgerische Beschreibungen gestört. Da haben die Sterne am Himmel für Will dann auch mal die Bedeutung von "achtlos dahingestreuten Reiskörnern." Mir persönlich ist es manchesmal zu metaphernreich.
    Und mich persönlich hat der "Show down" am Schluß ein wenig gestört. Aber vielleicht ist das auch die Absicht?


    Aber alles in allem hat mir der Roman gut gefallen und ich finde ihn lesenswert.
    Die australische Geschichte wird hier ein bißchen realistischer geschildert und nicht, wie so oft, wild-romantisch und verromantisiert.
    Nicht eine romantische Liebesbeziehung steht hier im Vordergrund, sondern die Liebe zum Land und der Kampf ums Überleben.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • @ Janda


    Danke für die schöne Rezi!


    Ich bin auch gerade dabei dieses Buch zu lesen und habe mit Interesse Deine Rezi gesehen. Manches sehe ich ähnlich wie Du, manches ganz anders. Ich lese das Buch aber erst fertig, bevor ich es hier kommentiere!

  • Ich habe das Buch "Der verborgene Fluss" schon vor Wochen als Leseexemplar gelesen.
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen, weil es ganz anders ist, als die üblichen Australienromane.
    Dem Leser wird erklärt, warum Will Thornhill sich eines Tages auf dem Weg nach Australien befindet. Wenn man liest, wie die Leute, obwohl sie den ganzen Tag unter sehr schlimmen Bedingungen gearbeitet haben, am Ende des Tages trotzdem nicht genug verdient hatten, um damit die Familie satt zu bekommen (von Heizmaterialen und Kleidung mal ganz zu schweigen), dann kann man sehr gut verstehen, warum viele Leute kriminell wurden.
    Nach dieser sehr schönen Einführung in den Roman, wird nun das Leben in Australien beschrieben. Will hat sehr schnell den großen Traum dort eines Tages Land zu besitzen, aber nichts ist in diesem Land einfach. Seine Frau möchte nichts lieber, als so schnell wie irgendmöglich das neue Land wieder verlassen und nach London zurückkehren. Desweiteren muß er sich mit den Ureinwohnern auf deren Land er sich breit gemacht auseinandersetzen, bis es schließlich zum Blutvergießen kommt.
    Das Ende war mir dann zu schnell zu viel Friede, Freude, Eierkuchen. Alles in allem, aber ein sehr lesenswertes Buch.

  • Nachdem ich heute mit dem Buch fertig geworden bin, hier auch gleich meine Meinung.


    Viele Australien-Romane wurden in den letzten Jahren veröffentlicht, weshalb ich neugierig war, was an „Der verborgene Fluss“ von Kate Grenville, einem weiteren Australien-Roman, so besonders ist, daß er mit dem Commonwealth-Preis 2006 ausgezeichnet wurde und auf der Long List für den Booker Prize 2006 gelistet ist (und es ja vielleicht bis auf die Short List oder gar zum Gewinn des Preises schafft).


    Bereits mit dem Vorwort zu ihrem Roman schaffte es Kate Grenville, daß ich mich auf die Lektüre ihres im englischen Original unter dem Titel „The Secret River“ erschienenen Romans, mit spannender Erwartung freute, da sie darin ihre Motivation, ihre Inspiration, ihr Ziel den Roman zu schreiben und ihre Arbeit am Roman sympathisch, glaubwürdig und überzeugend vermittelt.


    Kate Grenville versetzt uns in ihrem historischen Roman „Der verborgene Fluss“ für 400 Seiten am Beispiel der Familie Thornhill in die Welt der ersten Siedler in Australien. Im ersten Teil des Romans lernen die Leser William Thornhill kennen, der im London der letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts unter ärmlichen Verhältnissen aufwächst. Es gelingt ihm eine Ausbildung als Fährmann zu machen und als er Sal, die Tochter seines Lehrmeisters heiratet, erleben beide eine glückliche Zeit miteinander. Diese findet jedoch schnell ein jähes Ende, ein Unglück führt zum nächsten und so ist die junge Familie bald so in Nöten, dass die Familienmitglieder stehlen müssen, um überleben zu können. Eine Begnadigung unter der Bedingung nach Neusüdwales verschifft zu werden, verhindert William Thornhills Tod. In Australien beginnt unter schwierigsten Bedingungen der Neuanfang der jungen Familie, der in den weiteren fünf Teilen des Romans erzählt wird. Als sich William den Traum vom eigenen Land erfüllt, kommt die Familie Thornhill erstmals in Kontakt mit den Aborigines, den Ureinwohnern Australiens und erlebt, wie Gewalt Gegengewalt erzeugt.


    Sowohl die Lebensumstände im London des ausgehenden 18. Jahrhunderts als auch die Ereignisse im Rahmen der Besiedlung Australiens zu Beginn des 19. Jahrhunderts und das harte Leben der ersten Siedler wird von Kate Grenville mit nüchterner Eindringlichkeit geschildert. Sie berichtet mehr als sie tatsächlich erzählt, ihre Sprache ist prägnant und von einer klaren Schönheit. Die wenigen scheinbar ausschweifenden Metaphern sind gezielt gesetzt, um die seltenen Momente des Glücks und der Hoffnung der Protagonisten zu betonen. Mit ihrer Form der Erzählung erreicht die Autorin, dem Leser grausame, traurige, schmerzhafte und brutale Bilder vor das Auge zu führen, ihn aber gleichzeitig auf einer Distanz zu halten, die es ermöglicht, weiter zu lesen. Kate Grenville erzählt die Geschichte der Thornhills, ihrer Nachbarn und der australischen Ureinwohner sensibel und schnörkellos ohne Partei zu ergreifen und erreicht genau das, was sie möchte: sie ermöglicht dem Leser zu verstehen, was in dieser Zeit geschehen ist, warum es so geschehen ist und wie sich Menschen auf beiden Seiten beim Aufeinanderprallen der Kulturen entwickelt haben.


    Die Autorin zeigt mit den Charakteren William und Sal Thornhill wie sich Menschen, die ständig Armut und Kampf ausgesetzt sind, als Individuum aber auch als Paar entwickeln, und arbeitet dies feinfühlig und absolut glaubwürdig aus.


    Der im Bertelsmann Verlag erschienene Roman ist mit einer Zeittafel zur Besiedlung Australiens und dem Status der Aborigines und einer historischen Karte ergänzt. Die gelungene Übersetzung stammt von Anne Rademacher und Karina Of .


    „Der verborgene Fluss“ ist ein beklemmender, tragischer aber auch lehrreicher historischer Roman über die Besiedlung Australiens jenseits von romantischen Abenteuervorstellungen. Ich habe schon etliche Australien-Romane gelesen – „Der verborgene Fluss“ ist bisher bei weitem der Beste und in seiner eindringlichen Darstellung der Lebensbedingungen der ersten Siedler und der Aborigines etwas Besonderes.

  • Zitat

    Original von janda


    Zum einen ist Will Thornhill eine rundherum sympathische Figur, aber auch irgendwie zu gut für diese Welt. Trotz seiner Diebstähle hat Will eine erstaunlich klar definierte Vorstellung von Gut und Böse. Ein bißchen zu gut für diese Welt.


    Diese Aussage kann ich nicht so ganz nachvollziehen


    Zitat


    Und mich persönlich hat der "Show down" am Schluß ein wenig gestört. Aber vielleicht ist das auch die Absicht?


    Ich fand es auch schade, daß Kate Grenville uns hier so aus dem Leben der Thornhills ausblendet und nur noch erzählt, wie es Ihnen später ergangen ist. Ich denke aber, daß sie ja auch nur über einen speziellen Zeitausschnitt erzählen wollte.

  • Zitat

    Original von Pelican
    ... Eine Begnadigung unter der Bedingung nach Neusüdwales verschifft zu werden, verhindert William Thornhills Tod. ...


    Nur aus reiner Neugier, ist das eine elegante Umschreibung einer Verurteilung zur Deportation? Oder tatsächlich eine Begnadigung unter der Bedingung, nach NSW zu gehen?

  • Ich bin jetzt fertig mit diesem wunderschönen Buch, bei dem mir vorallem die komplette Ausstattung mit Karte von Australien und Zeittafel einen guten ersten Einruck hinterlassen hat. Zum Inhalt muß nicht mehr viel gesagt werden, die Rezension von Pelican hat meiner Meinung nach alles abgedeckt.


    Zur Frage ob Will THornville zu gut ist für diese Welt:


    Er ist arm, er hat eine Familie durchzubringen, gäbe es Sozialhilfe würde er sicherlich nicht stehlen oder betrügen. Er will keine Straftaten begehen, er tut es um zu überleben und in der Zeit in der er so durchkommt lässt er es auch sein.


    In Australien zeigt er seine Schwäche in der Gruppe, indem er Gruppenzwang nachgibt und bereut dies zutiefst- seine Angst vor der Einsamkeit, vor dem Ausgestossensein führt aber dazu, dass er im entscheidenden Moment handelt wie es von einem Mitglied der weissen Rasse im Verhältniss zu den Wilden im Outback erwartet wird. Ein ganz normaler Opportunist, wie jeder von uns in mancher Situation, die man manchmal hinterher bereut, noch nicht mal ein ausgesprochener Feigling.


    Zur Frage des Schlusses:


    Zu knapp, nichts über das wohin sich die Kinder entwickeln, nichts über
    die Entwicklung der Umgebeung- schade.


    Gerade aber für jemand, der nicht Australienbuch übersättigt ist, ein wunderbares Buch über die gerne todgeschwiegenen Anfänge der Landnahme des fünften Kontinents.

  • Ich hatte lange Zeit keine Lust mehr, Australienromane zu lesen, aber dieser hebt sich wirklich von der Masse ab. Und endlich mal einer, der nicht Ayers Rock auf dem Cover hat.


    Ich hab das Buch ja auf Englisch gelesen und hatte das Gefühl, dass sich die Autorin mit der Sprache der Zeit, in dem der Roman spielt, angepasst hat. Gerade am Anfang in London hatte ich oft das Gefühl in einem Roman von Charles Dickens zu sein. Das Ende war mir nicht zu kurz. Ich mag das ja, wenn Autoren wissen, wann sie aufhören sollten und dann auch schnell zum Schluss kommen. Komisch fand ich, dass die wörtliche Rede nicht mit Anführungszeichen gekennzeichnet, sondern kursiv gedruckt war.


    Sehr schönes Buch, kann ich empfehlen. Schade, dass es den Booker-Price nicht bekommen hat.
    .

  • Das Buch hab ich mir auf die Wunschliste gesetzt, denn Eure Rezis machen mich wirklich sehr neugierig und ich hab den Eindruck, dass es in den Buchhandlungen zur Zeit besonders auffällig plaziert wird.

  • Hat mir auch sehr gut gefallen, weil es mal anders ist als die übliche Australienromantik. Aus der Sicht, in der erzählt wird, kommt mir auch die Behandlung der Aborigines nicht rassistisch vor, eher zeig Kate Grenville sehr genau wie sich der Rassismus gegenüber den Aborigines entwickelt hat, nämlich aus dem für beide Seiten überlebensnotwendigen Kampf ums Land. Die Siedler, die hierher geschickt wurden, hatten ja nur die Wahl "wir oder die". Das war eben die Politik der Kolonialregierung, weil man auf diese Weise die Eingeborenen verdrängen und ausrotten konnte, ohne Soldaten einsetzen zu müssen. Denn das hätte ja Geld gekostet.


    Kann ich nur empfehlen! :-)

  • Einige Eulen haben das schon geschrieben: Dieser Australienroman ist anders. Und das ist auch gut so. Nicht verklärt oder romantisch, die Autorin vermittelt dem Leser ein ziemlich authentisches Gefühl von der Zeit der Australienbesiedlung. Das Leben im outback wird so intensiv beschrieben, dass der Leser das Gefühl hat, Will Thornhill über die Schulter zu schauen. Übrigens fand ich die Beziehung zwischen Will und Sal sehr schön beschrieben, auch deren Entwicklung im Laufe des Romans.


    Zurück bleibt auf jeden Fall ein ganz anderes Australienbild und ein sehr nachdenklicher Leser. Ich fand es sehr wohltuend, dass die Protagonisten nicht in der üblichen Schwarz-weiß-Manier gezeichnet sind, sondern durchaus charakterliche Schwächen haben. Man denkt automatisch darüber nach, wie weit ein Mensch sich von seinen bisherigen Prinzipien entfernen und so ganz anders handeln kann, als man es von ihm erwartet.


    Der Roman ist bedrückend, denn er enthält kein Happy End:



    Das Buch ist auf jeden Fall lesenswert und ist zurecht ausgezeichnet worden.

  • Da hat sich mein suchen doch gelohnt. :-)


    Nach den überwiegend positiven Meinungen und schönen Rezensionen werde ich mir das Buch bestellen. Jokers ist diese WE versandkostenfrei :grin

  • Zitat

    Original von bonomania
    Ich habe es gestern Nacht bis 3 Uhr Morgens ausgelesen :anbet


    Bei Interesse würde ich mein gebundenes Exemplar wandern lassen


    Das Angebot kommt leider zu spät. :-( Heute von Jokers geliefert bekommen.
    die waren echt schnell.

  • Im Zuge meines SUB-Abbaus habe ich das Buch endlich gelesen. Auch hier stellte sich mir die Frage, weshalb manche Schätze so lange liegen?


    Das Buch hebt sich absolut positiv ab von den ganzen Auswandererbüchern, die momentan den Markt überschwemmen.


    Wir erleben die Deportation von William Thornbill. Er wird von seiner schwangeren Frau Sal und seinem kleinen Sohn begleitet. Die Autorin hat bereits das Leben auf dem Gefangenenschiff sehr gut geschildert und dann die Ankunft in der Ferne, die Zuweisung von William seiner Herrin Sal und die ersten Schritte im neuen Leben. Es ist sehr flüssig zu lesen und die Geschichte war für mich sehr authentisch und glaubwürdig. Das Ende war mir zu abrupt, ich hätte gerne noch mehr Details erfahren.


    Für mich hat das Buch den Commonwealth-Preis zurecht verdient.


    Von mir 9 Eulenpunkte und auf jeden Fall eine Leseempfehlung!