Rungholts Ehre von Derek Meister

  • aus dem Klappentext:
    Lübeck,1379: In der Hauptstadt der Hanse wird die Leiche eines geheimnisvollen Fremden aus der Trave gezogen. Unversehens findet sich der störrische Patrizier Rungholt in einer finsteren Ränke wieder: Sein Kaufmannslehrling wird beschuldigt, den Fremden erschlagen zu haben. Dem aufbrausenden Kaufmann bleiben nur wenige Tage, um die Unschuld seines Lehrlings zuz beweisen.....


    zum Leseerlebnis:
    Zunächst zu den weniger erfreulichen Beobachtungen: Ein wenig mehr editorische Sorgfalt könnte nicht schaden. Zum Ende des Buches hin häufen sich Druckfehler und sonstige kleine Fehler, die ein aufmerksameres Lektorat oder eine genauere Durchsicht vor Drucklegung hätten vermeiden können. Gleiches läßt sich über das Glossar sagen, denn etliche Begriffe aus der Zeit der Handlung finden sich ebendort nicht wieder, schade.
    So, jetzt aber endlich zum Roman. Oppulent, vielschichtig entwickelt sich eine Handlung aus mehreren Strängen, deren Bezüge sich erst nach und nach erschließen. Dies ist offensichtloch vom Autor gewollt, legt er seinen Roman doch so an, dass dieser zunächst wie ein riesiges Puzzle erscheint, sicher auch, um den Spannungsbogen aufzubauen und gespannt zu halten. Dabei gelingt es ihm, zugleich so zu schreiben, dass man beim Lesen nicht Gefahr läuft, den Überbick zu verlieren.
    Die Figuren wirken authentisch, tragen die Haltungen ihrer Zeit, wenn auch der Held, wie in historischen Roman häufig, mehr Distanz zu den uns heute vielleicht befremdlichen Sichtweisen seiner Zeitgenossen an den Tag legt.
    Zum Ende hin gewinnt der Roman an Fahrt, es kommt zu einigen, nicht unbedingt vorhersehbaren Kehrtwendungen.
    Im Nachwort kündigt der Autor weitere Romane um seinen Helden Rungholt an, ein Versprechen, über das man sich freuen kann.
    Für dieses Buch: vier von fünf Daumen

    "Hebt eure Prinzipien für die wenigen Augenblicke im Leben auf, in denen es auf Prinzipien ankommt. Für das meiste genügt ein wenig Barmherzigkeit."
    (Albert Camus)

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  • Hier ein Link zu der Internetseite des Buches: http://www.rungholt-das-buch.de


    Zum Autor: (von amazon):


    Derek Meister wurde 1973 in Hannover geboren und studierte an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam / Babelsberg Film- und Fernsehdramaturgie. Er ist für verschiedene Produktionsfirmen tätig und schrieb an so bekannten und beliebten Serien wie "Sinan Toprak" und "Mit Herz und Handschellen" mit. Derek Meister veröffentlichte bereits einige Kurzgeschichten in verschiedenen Publikationen. "Rungholts Ehre" ist sein erster Roman, dem weitere über den sturen Lübecker Kaufmann folgen werden. Derek Meister lebt mit seiner Frau in Berlin.



    Meine Meinung:


    Ich habe das Buch heute beendet.
    Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hatte ich mich an den Schreibstil des Autors gewöhnt und habe das Buch mit sehr viel Vergnügen gelesen.
    Mit Rungholt wurde ein Protagonist geschaffen, der Potential für viele weitere Bücher in sich trägt. Mir gefällt er sehr gut. :anbet
    Einen Verdacht ( der sich dann auch bestätigt hat ) wer "der Böse" in dem Buch ist hatte ich relativ schnell. Trotzdem hat mich die Geschichte auch weiter überzeugt. Die anfänglich aufgebauten verschieden Erzählstränge werden sehr schön miteinander verknüpft und weitererzählt.


    Zum Thema Druck- bzw. Schreibfehler muss ich Twiärsdriever ( was bedeutet dieser nic nur?? :-) ) zustimmen. Leider zuviele um darüber hinwegzusehen. Und das bei 12,00 Euro für ein ( zugegeben schönes ) TB. :-(


    Ich hoffe, dass sich dieses Problem beim Nachfolgeband ( den ich auf jeden Fall lesen werde ) erledigt hat.


    Das Buch bekommt von mir 9 Punkte.

  • Das war ein hartes Stück Arbeit. Mit dem Inhalt und der Umgebeung habe ich mich schnell angefreunet, aber der Schreibstil von Herrn Meister hat dazu geführt, dass ich drei Bücher zwischengeschoben habe und vierzehn Tage gebraucht habe das Buch abzuschliessen. Spannend und historisch interessant, aber zuviele Begriffe der Zeit nicht- auch nicht im Glossar - erklärt, macht das Lesen nicht leicht- kein Lesevergnügen auf den ersten 300 Seiten, bis ich ganz reingelesen war.


    Wenn auch kein Lesevergnügen- ein Leseerlebnis unbedingt. Deshalb auch sehr gut bewertet, nach Anfangsschwierigkeiten, die schliesslich auch am Leser, also mir liegen können.

  • Hallo Beowulf,


    im Prinzip muss ich Dir Recht geben, deshalb war ich ganz froh, dass ich letzte Woche dieses Buch in einer LR gemeinsam mit dem Autor Derek Meister gelesen habe :grin
    So konnte er mir die Begriffe erklären. die für mich unverständlich waren.
    Er meinte, das Glossar in seinen Büchern scheint zu knapp ausgefallen zu sein, alle Erklärungen findet man unter http://www.rungholt-das-buch.de - dort gibts unter Material ein erweitertes Glossar. Mit reichlich Erklärungen. Er hat da mal alles zusammengetragen, was in den Rungholt-Romanen so auftaucht.


    Rungholts Ehre habe ich gestern nachmittag beendet und musste gleich anschließend mit Rungholts Sünde weiterlesen, so spannend fand ich den Roman.
    Rungholt ist mir sehr sympatisch mit seiner belfernden Art , seine Kommentare haben mich des öfteren zum Schmunzeln gebracht. Auch seine Tochter Mirke finde ich sehr gelungen in diesem Roman.
    Überhaupt erinnert mich seine Arbeitsweise immer öfters an die der Begine Almut von Andrea Schacht. Daher denke ich, wer diese Bücher gerne gelesen hat, wird auch mit Rungholt seine Freude haben.


    Ich habe 10 Punkte vergeben, einfach weil ich mich bestens beim Lesen unterhalten habe. Runholts Dialoge finde ich einfach nur genial.

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

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  • Mit Runholts Ehre bin ich in den Mai gestartet.
    Es hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen.


    Schob während des Lesens hat ich das Gefühl, dass etwas nicht stimme ohne es benennen zu können. Erst ziemlich zum Schluss viel der Groschen.


    Der Autor hat sich sehr viele Mühe gegeben die historischen Fakten so authentisch wie möglich einzubeziehen. Mit den nicht im Glossar enthaltenen Wörtern hatte ich weniger Probleme, da sich deren Bedeutung aus der Handlung erschloss.
    Aber die alltäglichen Handlungen ohne genauere Überlegung abgehandelt worden.
    Ein Beispiel: Rungholt bestellt 2 x in einer Kneipe eine Gans, nicht eine Portion, EINE Gans. Bei aller Gefräßigkeit, wer kann schon eine ganze Gans essen. Und vor allem, welche Kneipe hat schon eine gebratene Gans auf Abruf vorrätig. Auch wenn es möglicherweise ein billiges Geflügel sein sollte, wer schon einmal ein Gans gebraten hat, weiß wie viel Vorlauf so ein Essen braucht. Und das soll im MA anders gewesen sein ??
    Auch mit den zeitlichen Abläufen hatte ich so meine Probleme.


    Das Roman macht auf mich den Eindruck, dass die Bemühungen des Autors, so authentisch wie möglich zu sein, zu Lasten der Beschreibung des normalen Alltäglichen ging.


    Aber insgesamt ist der Roman ordentliches Lesefutter, aber bei mir schreit es nicht gleich nach Band 2. Wenn er mir irgendwo, irgendwann mal über den Weg läuft....


    Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von dyke


    Ein Beispiel: Rungholt bestellt 2 x in einer Kneipe eine Gans, nicht eine Portion, EINE Gans. Bei aller Gefräßigkeit, wer kann schon eine ganze Gans essen. Und vor allem, welche Kneipe hat schon eine gebratene Gans auf Abruf vorrätig. Auch wenn es möglicherweise ein billiges Geflügel sein sollte, wer schon einmal ein Gans gebraten hat, weiß wie viel Vorlauf so ein Essen braucht. Und das soll im MA


    Also erstens ja, ich habe in meiner Jugend nach der Ernte am Abend schon alleine anderthalb Gänse gegessen dazu Rotkraut und Knödel- wenn mann 8.000 Kalorien am Tag verbrennt, weil man nicht Auto fährt, sondern schwere körperliche Arbeit hat ist das kein Problem und zweitens ist Rungholt fettleibig, für seine Zeit eine ganz schöne Anstrengung, da er bei aller Beqemlichkeit des Lebens als Kaufmann und nicht als Handwerker oder Maurer auch auf einen viel höheren Verbrauch gekommen sein dürfte als ein heutiger Tastaturvergewaltiger und Handyschwinger und drittens, Tomaten kochen und Kartoffel schälen entfielen für die Zubereitung des Essens völlig- gabs schlicht nicht. Es gab viel mehr Fleisch zu essen als heute (bei reichen Leuten) und viertens es handelt sich nicht um polnische Mastgänse, sondern um solche, die im Innenhof des Hauses frei rumliefen- weniger fett, weniger Lebendgewicht.


    Und last not least- wenn eine viertel Gans auf der Karte steht bestelle ich heute noch beim Ober: die Gans bitte - ohne die Portion zu benennen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Mit diesem Roman ist Derek Meister eine sehr lebendige und runde Geschichte gelungen. Rungholt, Kaufmann in Lübeck, sieht sich gezwungen in einem Mordfall zu ermitteln, um seinen Lehrling vor dem Galgen zu bewahren. So beginnt er zu forschen und zu ermitteln. Geschickt und auch mit etwas Glück spürt der der Fährte des Täters nach.


    Sehr gut gefallen hat mir an diesen Buch, dass die verschiedenen Elemente ineinandergreifen. Hier werden die einzelnen Bereiche nicht blockartig in ein Kapitel gepackt, sondern tauchen immer wieder einmal auf, haben zeitweise Pause, kommen zurück, werden aufgelöst, zerstreuen sich in verschiedene Fäden oder verweisen auf kommende Geschichten mit und um Rungholt. Nicht nur thematisch gelingt dies, sondern auch die Zeitebenen aus Gegenwart und Vergangenheit, spielen perfekt zusammen und verleihen den Figuren Tiefe und eine eigene Geschichte. Insgesamt entsteht so eine wirklich runde und passende Geschichte, in der neben den Ermittlungen, der Alltag Lübecks, eine bedeutende Stadt der Hanse, am Ende des 14. Jh. ständig präsent ist. Anschaulich und spannend wird dabei vor allem der Handel und die Stadtpolitik in die Geschichte eingewoben.


    Neben den sehr ansprechenden historischen Teil, überzeugt Derek Meister auch mit dem Krimiteil. Geschickt und wohltuend sparsam werden Cliffhanger eingebaut, die Spannung bleibt konstant bis zur Auflösung erhalten. Ein interessanter Fall, klug dargestellt und insich schlüssig.


    Leider hat die Geschichte für mich vor dem Ende einen Knacks erlitten, wäre sonst auch zu perfekt gewesen. Die Auflösung der Verbrechen werden dem Leser bereits ungefähr hundert Seiten vor dem eigentlichen Romanende mitgeteilt, und damit schwappt der Krimi in einen Abenteuerroman mit einem langgezogenen Showdown hinüber. Das war mir dann schon etwas zu viel des guten und ich hätte dieses Ende lieber mit einer spannenden und pompösen Enthüllung des Täters verbracht, anstatt mit diesen Sekundenthriller.


    Ein kleiner Kritikpunkt der den ganzen Roman über vorhanden war, ist die Verwendung heute nicht mehr geläufiger Begriffe. Teilweise fand ich sie zwar durchaus für die Atmosphäre fördernd, aber nur dann, wenn sie auch leicht verständlich sind. Wenn daher Amtsbezeichnungen in einer altertümlichen Sprache dargeboten werden, durchaus positiv, wenn aber beispielsweise für eine Werft ein altes unbekanntes Wort verwendet wird, dann verschließt sich mir der tiefere Sinn davon.


    Insgesamt aber ein sehr guter Roman, der sowohl vom Gesichtspunkt des Lesers von historischen Romans, als auch Krimilesers zu überzeugen weiß und Interesse auf die folgenden Bände weckt. Aufgrund der angesprochenen Punkte ergibt sich eine Gesamtwertung von 8 Punkten, die ersten allein 400 Seiten wären auf 10 gekommen.

  • Ich habe Rungholts ersten Fall sehr gerne gelesen und das letzte Drittel geradezu verschlungen.


    Schon nach wenigen Seiten war ich im mittelalterlichen Lübeck gelandet und hatte das Gefühl Rungholt und seine Familie und Bekannten schon lange zu kennen. Rungholt ist eine gelungene Figur, endlich mal kein gutaussehender strahlender Jüngling, sondern ein dicker grummelnder Mann, der trotz seines Jähzorn symapthisch rüber kommt.


    Die Krimihandlung fand ich spannend und schlüssig. Mich hat es dabei auch nicht sonderlich gestört, dass die Lösung schon etwas früher aufgedeckt wurde...


    Die Verwendung der vielen alten Begriffe fand ich nicht unbedingt notwendig, aber auch nicht weiter schlimm, da aus dem Kontext immer klar wurde, was gemeint ist. So habe ich das Glossar auch nicht beim Lesen genutzt.


    Ich freue mich auf jeden Fall auf die weiteren Fälle mit Rungholt!


    Von mir bekommt das Buch 9 Punkte.

  • Derek Meister erweckt in dem Auftakt seiner Krimiserie das Leben im 14. Jahrhundert und seine Menschen erneut zum Leben. Wenn man sich erst mal an die Sprache und vielen lateinischen Ausdrücke gewöhnt hat, ist es ein spannender Krimi. Man sieht den brummelnden Kaufmann förmlich vor sich wie er durch die mittelalterlichen engen Gassen Lübecks geht und über den Stadtrat und die Vitalienbrüder flucht. Er ist alles andere als ein Superheld, sondern hat Ängste aus früheren Erlebnissen in Novgorod. Er hat dort bereits viel verloren und kämpft nun umso energischer um seine Familie und Ehre.


    Ich bin von diesem Band so begeistert, dass es erstmal beruhigend ist, dass es inzwischen drei Folgebände gibt. Dann ist das Lesevergnügen doch nicht so schnell zu Ende.

  • Oft handeln historische Romane von tapferen Fräuleins, die sich gegen böse Männer durchschlagen. Dieses Buch ist ganz anders, sehr viel realistischer.
    Der "Held" Rungholt ist ein stinkiger, übergewichtiger, griesgrämiger Mann, der mit seiner Sturheit die Unschuld seines Lehrlings beweisen will, und dabei nicht davor zurückschreckt, dem einen oder anderen sein Messer an den Hals zu setzen. Rungholt nervt man besser nicht.


    Mir hat dieser historischer Kriminalroman vor allem dadurch gefallen, dass er so realistisch ist. Die Umgebung ist beschrieben, wie sie zu der Zeit wahrscheinlich war, schmutzig,eklig, voller Krankheiten und Gefahren. Der Kriminalteil ist spannend und logisch aufgebaut.


    Den nächsten Teil werde ich auf jeden Fall bald lesen.

  • Autor


    Derek Meister wurde 1973 in Hannover geboren. Er studierte Film- und Fernsehdramaturgie an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg und schreibt erfolgreich Serien und abendfüllende Spielfilme fürs Fernsehen. Seit seinem ersten, für den Glauser-Krimipreis nominierten historischen Kriminalroman Rungholts Ehre hat er bereits drei weitere historische Kriminalfälle rund um den bärbeißigen Ermittler Rungholt verfasst. Derek Meister lebt mit seiner Familie in der Nähe des Steinhuder Meers.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    Lübeck, 1390: In der Hauptstadt der Hanse wird die Leiche eines offensichtlich weit gereisten Fremden aus der Trave gezogen. Unversehens findet sich der bärbeißige Patrizier Rungholt – ein Mann mit unablässigem Zahnschmerz und Hang zum Hamburger Bier – in einer finsteren Ränke wieder. Denn sein Kaufmannslehrling wird beschuldigt, den Fremden erschlagen zu haben. Rungholt bleiben nur wenige Tage, um die Unschuld seines Lehrlings zu beweisen und die Ehre seines Hauses wieder herzustellen. Dickköpfig und gegen alle Widerstände des Hohen Rats und der Kirche, verfolgt Rungholt seine Spuren und verliert über der Suche nach der Wahrheit beinahe alles: Seine Ehre, sein Leben – und seine geliebte Tochter Mirke...


    Meine Meinung


    Wir befinden uns zeitlich im späteren Mittelalter, das Bürgertum sowie die Städte prosperieren und befinden sich in der wirtschaftlichen Blütezeit. Hier tun sich in Deutschland besonders die Städte an der Nord- und Ostsee, die sogenannten Hansestädte, besonders hervor und haben eine wirtschaftliche Vormachtstellung inne. Durch diesen Städteverbund, dem geschickten Handel der Kaufleute mit Materialien und Gütern aller Art sowie dem direkten Zugang zum Meer und denn See- und Handelswegen bringen es diese Städte zu etlichem Wohlstand. Natürlich etablieren sich in diesen Orten sofort mehrere Gesellschaftsschichten und auch ein Rechtssystem hat sich konstituirt. Der eigenwillige „Held“ und Hauptdarsteller dieses Buches hat es in der Stadt Lübeck als Kaufmann weit gebracht und gehört zur gesellschaftlichen Oberschicht.


    An dieser Stelle muss ich allen potentiellen Lesern dieses Buches empfehlen sich von Leben im hier und jetzt gedanklich zu lösen und eine Zeitreise ins späte Mittelalter zu unternehmen. Die Hanse mag fortschrittlich gewesen sein aber das Leben und die allgemeinen Gepflogenheiten waren immer noch rau und der Umgang miteinander grob und ruppig. Da passt der Hauptdarsteller des Buches, obwohl er Patrizier ist, wie die Faust auf Auge zu dieser Zeitepoche. Schlau aber schroff, umtriebig aber aufbrausend, energisch aber jähzornig. Vom Äusseren her eine markante Erscheinung gross, kräftig aber durch viel zu viel Bier und Essen auch dickleibig und aufgedunsen. Aus literarischer Sicht also eher das Gegenteil eines Helden. Und dennoch vermag er wegen seinem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfindens und dadurch das er das Herz auf dem rechten Fleck trägt die Gunst des Lesers zu erlangen.


    Leider bleiben weitere Personen aus Rungholts Umfeld auf den ersten rund 200 Seiten doch sehr blass. Der Autor legt das Augenmerk vor allem auf die Handlung und vergisst dabei das es für das Buchgefühl des Lesers wichtig ist mit den Figuren Kontakt zu knüpfen um mit ihnen mitzufühlen. So habe ich während der ersten Hälfte des Romans nie das Gefühl gehabt mitten im Geschehen und in der Geschichte drin zu sein. Ich hatte hier bloss die Rolle des aussenstehenden Beobachters inne. Als der Autor so in der Mitte des Romans sich endlich die Zeit nahm die Figuren zu beschreiben und sie 3-Dimensional zu gestalten wurde dann auch mein Sinneseindruck für die Geschichte an und für sich besser.

    Während der ersten rund 150 – 200 Seiten bekundete ich zudem grosse Mühe mit dem Schreibstil des Autors. Die Sätze sind sehr kurz, kantig und wirken irgendwie „abgehackt“. Es ist nicht dieser filigrane Schreibstil wie ich ihn eigentlich bevorzuge aber er passt zum Zeitalter und zum vierschrötigen Hauptprotagonisten Rungholt. Aber auch hier wurde es mit Fortdauer der Erzählung immer besser.


    Erwähnenswert und ein grosser Pluspunkt ist die zeitgeschichtliche Authentizität. Die Handlung nimmt einen Verlauf den ich nicht erwartet hätte und auf historische Begebenheiten basiert. Ich darf hier allerdings aus Spannungsgründen nicht mehr dazu schreiben. Auch die vielen altertümlichen Begriffe und lateinischen Redewendungen finde ich klasse, auch wenn leider nicht alle im Glossar erklärt werden. Ich habe mir teilweise die Bedeutung aus der Handlung selbst mehr oder weniger zusammengereimt.


    Die erste Hälfte des Buches würde ich mit sechs Punkten bewerten und die zweite mit sieben. Da es aber geschichtlich echt wirkt, die Spannung laufend zunahm und die Handlung eine Wendung vollzog die mich überraschte, bewerte ich den Roman mit insgesamt sieben Punkten.

  • @ Sapperlot - Mensch - was für eine lange Rezi :-)


    Anfänglich hatte ich etwas Schwierigkeiten in das Buch reinzukommen. Es gab wenig Dialoge und war mehr erzählerisch, dann die Sprache war zuerst sperrig - alte Begriffe und Latein. Doch dann ging es los. :-]
    Rungholt erinnert mich an einen rumpelnde, zischende und dampfende Lok und z. T. auch an meinen ehemaligen Chef - der war cholerisch uns seeehr dick.


    Soweit ich es beurteilen kann fand ich das Buch von Derek Meister sehr authentisch - die Sprache, es wurde z. B. nicht geschönt, dass Züchtigungen damals ganz selbstverständnis war, die Beschreibung der Kleidung etc.


    Der Autor lässt uns im Dunkeln - was sich nun mit Irena zugetragen hat... immer wieder gibt es kryptische Andeutungen, dass in Rungholt's Vergangheite ein Schatten liegt. Er will uns wohl nur animieren den Nachfolgeband "Rungholt's Sünde" zu lesen... hier wird es doch hoffenltich eine Aufklärung geben. Ich bin dabei :wave


    Ich vergebe für das Buch 9 Punkte!

  • Hm, hört sich ja alles gar nicht so schlecht an.
    Schätzungsweise muss ich mir das Buch doch zulegen, nachdem ich es schon wieder von meiner WL gelöscht habe.

  • Ich habe mir das Buch vor allem deswegen ausgesucht, weil hier im Thread einmal der Vergleich zur "Almut und Ivo"-Reihe von Andrea Schacht gezogen wurde, die ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Ganz so gut gefallen hat mir "Rungholts Ehre" zwar nicht, aber es war eine nette Zuglektüre.


    Was ich sehr mochte: die Hauptfigur. Fett, grobschlächtig, jähzornig - und trotzdem einer, den man gern haben kann, weil er nach bestem Wissen und Gewissen versucht, alles richtig zu machen. Gerade die Beziehung zu seiner zweiten Frau und seiner jüngsten Tochter war sehr schön geschildert.
    Auch die spätmittelalterliche Atmosphäre, das Geschacher um Posten und Kompetenzen im Rat, der Alltag der kleinen Leute auf der Straße, hat mir gefallen.
    Die weiter oben bemängelten altertümlichen Begriffe haben mich beim Lesen eigentlich weniger gestört, die meisten erklärten sich aus dem Zusammenhang. Ansonsten fand ich die Sprache nicht wirklich bemerkenswert. Halt die übliche 0815-Erzählprosa, in der die meisten Romane geschrieben werden. Bloß kein Wort (und um Gottes willen keinen Nebensatz!) zuviel.


    Es gab ein paar Szenen, die ich befremdlich fand. Rungholts Denkweise beim Ermitteln des wahren Täters mutet manchmal doch sehr modern an. Als er z.B. Kleidung auf Faserspuren untersucht, hatte ich schon das Gefühl, hier wird die Vorgehensweise der heutigen Polizei auf Teufel komm raus ins Mittelalter rückübertragen (wobei die Szene, wie Rungholt dabei vorgeht, herrlich komisch geschrieben ist). Natürlich gab es solche Anspielungen auch in der "Almut"-Reihe, aber dort immer mit einem deutliche(re)n Augenzwinkern.
    Und was mich außerdem gestört hat: ich bin früher auch mal über einige Ratgeber gestolpert, wie man einen Roman aufbaut. Bei "Rungholts Ehre" war ich kurz davor, eine Strichliste anzufangen: Dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit der Hauptfigur: check. Irrationale Furcht der Hauptfigur vor irgendetwas: check. Diese Furcht muß überwunden werden, um den Konflikt zur Lösung zu bringen: check. Und so weiter. - Ich mag's nicht, wenn ich beim Lesen das Gefühl habe, die Notizen des Autors mit der Gliederung schimmern noch durch den Roman. Zumal meiner Ansicht nach Rungholts Figur und die Geschichte ohne diese Hintergründe ebenso funktioniert hätten.


    In Summe: Nett zu lesen, gute Unterhaltung, vielleicht schaue ich mir auch mal die anderen Bände der Reihe an, aber ich werde mir deswegen kein Bein ausreißen.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Josefa ()

  • Zum Inhalt wurde ja bereits alles gesagt.


    Der Schreibstil war wirklich gewöhnungsbedürftig. Die Protagonisten und die Schauplätze konnte ich mir aufgrund der detaillierten Beschreibungen sehr gut vorstellen. Wer der "Bösewicht" ist, konnte man sich schon relativ früh denken.


    Für mich gilt am Ende auch: Es war ein Leseerlebnis, die weiteren Bände werde ich auch noch lesen, aber nicht sofort.


    von mir 8 Punkte

  • Ich kann meinen Vorschreibern nicht zustimmen. Ich bin gleich sehr gut in das Buch reingekommen und hatte keine Schwierigkeiten mit dem Schreibstil - ganz im Gegenteil.


    Ich mochte Rungholt und seine aufbrausende Art, seine Liebe zu den Mitmenschen und seinen Glauben an das Gute. Er ist nicht der typische, gut aussehende Roman-/Krimiheld, aber er ist ein Held und dazu noch ein sehr guter "Detektiv". ;-) Ich mochte ihn wirklich gern und werde auch die weiteren Bände um seine Krimifälle lesen. Das Puzzle mit ihm zusammnzusetzen und die Lösung zu finden, machte mir sehr viel Spaß.


    Seine Tochter Mirke ist die einzigste Person, welche mir in dem ganzen Buch als unsympathisch in Erinnerung bleibt. Ich kann auch gar nicht so genau sagen, was sie so nervig und unsympathisch macht, ich mochte sie einfach nicht.


    Alle anderen Figuren waren ihrem Charakter entsprechend sehr gut dargestellt und jeder passte gut zu seiner Rolle.


    Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und aus diesem Grund vergebe ich 9 Punkte (den einen Punkt ziehe ich für die unsympathische Mirke ab).